Tier ■ BAUERNBLATT l 30. Juli 2011 Erfolgreich füttern: Euterentwicklung und Milchleistung Einfluss der Ernährung in den ersten Lebenswochen Es ist bekannt, dass die Heritabilität, das heißt der Erblichkeitsgrad für die Milchleistung von Rindern bei etwa 30 % liegt. Die restlichen 70 % werden durch die Fütterung, Haltung und andere Umweltfaktoren beeinflusst. Wenn wir über den Einfluss der Fütterung auf die Milchleistung sprechen, denken wir an die Ernährung während der Laktation, aber vermutlich nicht an die Ernährung während der Aufzucht der betroffenen Tiere. Genau mit diesem Thema haben sich Wissenschaftler der Michigan State University in den USA beschäftigt. Spätestens seitdem wir über den Einfluss einer metabolischen Programmierung auf das spätere Leistungsvermögen unserer Rinder diskutieren, hat sich der Blickwinkel von Ursache und Wirkung deutlich erweitert. Wir lernen, ähnlich wie in der Humanernährung oder Humanmedizin, immer besser, komplexere Zusammenhänge, zum Beispiel Ursache und Wirkung von zeitlich weit auseinanderliegenden Ereignissen zu verstehen. Erste Lebenswochen im Fokus Wir berichteten in vorhergehenden Ausgaben über Ergebnisse aus einer Reihe von Versuchen zur metabolischen Programmierung, die einen positiven Einfluss des Ernährungsniveaus von weiblichen Kälbern in den ersten Lebenswochen auf die spätere Milchleistung dieser Tiere gezeigt haben. Es gibt aber ebenso Studien zu diesem Thema, bei denen solche Zusammenhänge nicht gefunden wurden. Es ist ein Zeichen dafür, dass hier noch sehr viel Forschungsbedarf besteht, um die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung besser erklären zu können. Zwei Dinge sind hierbei ebenfalls immer zu bedenken: Erstens gibt es, um bei dem Beispiel Milchleistung zu bleiben, eine Vielzahl von Faktoren, die darauf positiv Einfluss nehmen und sich teilweise auch noch wechselseitig beeinflussen können, sodass es am Ende schwer ist zu sagen, welche Faktoren denn wirklich für die höhere Leistung verantwortlich waren. Zweitens gibt es ebenso viele Faktoren, die sich negativ auf die Milch- leistung auswirken und dadurch positive Effekte wieder zunichtemachen können, zumal wenn eine lange Zeitspanne zwischen Ursache (zum Beispiel Ernährungsniveau des Kalbes) und der Wirkung (Milchleistung als Kuh) liegt. Je länger diese Zeitspanne ist, desto schwieriger wird es für die Wissenschaft, solche sehr wichtigen Zusammenhänge aufzudecken. auf die Masse des Parenchyms, also des Milch bildenden Gewebes. Bereits in der ersten Hälfte der vergangenen Dekade wurden von Brown et al. Studien zu diesem Thema durchgeführt. Die Übersicht 1 zeigt Gewichte der Euteranlage und des Euterdrüsengewebes (Parenchym) bei unterschiedlicher Nährstoffversorgung von Kälbern während der ersten Lebenswo- Übersicht 1: Gewicht der Euteranlage und des Euterdrüsengewebes (Parenchym) bei unterschiedlicher Nährstoffversorgung während der ersten Lebenswochen Brown et al. (2005) Energieniveau 2. bis 8. Lebenswoche* mittel hoch Euterdrüsengewebe ges. (g) 106 185 Euterdrüsengewebe g/100 kg Körpergewicht 181 255 Parenchym gesamt (g) 1,2 4,5 Parenchym g/100 kg Körpergewicht 1,9 6,2 Energieniveau 8. bis 14. Lebenswoche** niedrig hoch niedrig hoch Euterdrüsengewebe ges. (g) 208 418 242 626 Euterdrüsengewebe g/100 kg Körpergewicht 252 390 274 511 Parenchym gesamt (g) 13 16 22 29 Parenchym g/100 kg Körpergewicht 16 15 24 23 * mittel: MAT/Tag 1,1 % TS vom Körpergewicht (MAT 21,3 % XP, 21,3 % XL) + Kälberstarter (20,5 % XP), hoch: MAT/Tag 2,0 % TS vom Körpergewicht (MAT 30,3 % XP, 15,9 % XL) + Kälberstarter (25,0 % XP) ** niedrig: Aufzuchtfutter für tägliche Zunahmen von 400 g, hoch: Aufzuchtfutter ad libitum Ein Grund dafür, dass das Ernährungsniveau der Kälber die spätere Milchleistung dieser Tiere beeinflussen kann, liegt möglicherweise darin begründet, dass ein Zusammenhang zwischen dem Ernährungsniveau der Kälber während der Milchphase und der Ausbildung des eigenen Eutergewebes besteht. Dieser Zusammenhang liegt zeitlich unmittelbar beieinander, nur die daraus resultierende Milchleistung lässt sich erst viel später messen und kann zwischenzeitlich von vielen anderen Faktoren beeinflusst werden. chen. Zu diesem Zweck wurden zunächst zwei Kälbergruppen von der zweiten bis inklusive der siebten Lebenswoche auf einem unterschiedlichen Energieniveau, mittel und hoch, versorgt. Das mittlere Energieniveau entsprach einer Tränkemenge, die auf die Körpermasse bezogen 1,1 % Trockenmasse MAT pro Kalb und Tag betrug. Zusätzlich wurde ein Kälberstarter mit 20,5 % Rohprotein angeboten. Die Kälber, die auf einem hohen Energieniveau versorgt wurden, bekamen pro Tag 2,0 % ihres Körpergewichtes an MAT-Trockenmasse und zusätzlich ein Kälberstarterfutter mit 25 % Rohprotein. Das Eutergewebe der hoch versorgten Gruppe lag am Ende dieser Periode um 75 % über dem Wert der moderat versorgten Kälber. Noch wichtiger war es jedoch, den Anteil des Parenchyms, also des später Milch bildenden Gewebes, zu untersuchen. Hier lag die Masse des Parenchyms der hoch versorgten Kälber sogar um 275 % über dem der moderat versorgten Tiere. Im weiteren Verlauf, von der 8. bis zur 14. Lebenswoche, wurde jede dieser beiden Gruppen noch einmal geteilt und die Untergruppen jeweils mit einem niedrigen und einem hohen Energieniveau versorgt (Übersicht 1). In den beiden niedrig versorgten Gruppen wurden Zunahmen von 400 g bei restriktiver Kraftfutterzuteilung erreicht. Die Kälber der beiden hoch versorgten Gruppen erhielten ad libitum eine hochverdauliche Ration. Es ist deutlich zu erkennen, dass sich der Einfluss des Ernährungsniveaus in der zweiten Versuchsphase immer noch auf das Eutergewicht, aber kaum noch auf das Gewicht des Parenchyms ausgewirkt hat, unabhängig davon, wie die Kälber in der Milchphase ernährt wurden, sodass es hier keine statistisch nachweisbaren Unterschiede mehr gibt. Ernährung des Kalbes beeinflusst Euterausbildung Wir wissen, dass die Entwicklung von Milch bildendem Gewebe bereits im Embryonalstadium beginnt und im Folgenden von verschiedensten Faktoren beeinflusst werden kann. Es gibt jedoch Zeitpunkte in der Entwicklung, zu denen eine Beeinflussungsmöglichkeit besonders groß ist. Dazu gehört nach Erkenntnissen von Wissenschaftler von der Michigan State University in den USA wiesen einen Wissenschaftlern der Michigan State engen Zusammenhang zwischen der Ernährung des Kalbes und dem Gewicht University der Einfluss der Ernährung des Parenchyms (Milch bildenden Gewebes) in der Euteranlage nach. Foto: Dr. Hans Jürgen Kunz während der ersten Lebenswochen 37 38 Tier Diese Untersuchung zeigt, dass das Ernährungsniveau während der Milchphase einen entscheidenden Einfluss auf die Ausbildung des Parenchyms besitzt. Im Anschluss daran verschwindet aber diese Einflussmöglichkeit. Das bei Kälbern im Ansatz angelegte Milchbildungsgewebe sollte die spätere Produktivität beeinflussen, auch wenn dieser Punkt in der vorliegenden Studie nicht mehr untersucht wurde. Auch diese Begründung könnte mit ein Erklärungsansatz dafür sein, dass in vielen Studien während der Milchtränke ad libitum ernährte Kälber später höhere Milchleistungen erreichten als restriktiv getränkte Kälber. BAUERNBLATT l 30. Juli 2011 ■ Färsen dürfen nicht gemästet werden In einer weiteren Studie der Michigan State University wurde von Davis Rincker (2008) der Effekt einer unterschiedlichen Fütterung auf die Euterentwicklung vor der Geschlechtsreife im Alter von zweieinhalb bis fünfeinhalb Monaten untersucht. Während der zwölfwöchigen Periode wurden zwei Fütterungsniveaus mit täglichen Zunahmen von 600 und 1.200 g in unterschiedlicher Kombination miteinander verglichen. Jeweils eine Gruppe wurde über den kompletten Zeitraum auf dem Niveau von 600 Übersicht 2: Gewicht der Euteranlage und des Euterdrüsengewebes (Parenchym) bei unterschiedlicher Nährstoffversorgung abgesetzter Kälber (Alter 11 Wo.) während einer 12-wöchigen Periode Davis Rincker et al. (2005) niedriges Energieniveau* zu Beginn (Wochen) 0 9 6 anschließend hohes Energieniveau** (Wochen) 12 3 6 Anzahl Kälber 16 15 16 Köpergewicht zu Beginn der Untersuchung (kg) 106 108 108 Köpergewicht am Schlachttag (kg) 165 167 181 Euterdrüsengewebe ges. (g) 808 1.014 1.412 Parenchym (g) 146 152 166 fettfreies Parenchym (g) 119 120 123 * Energieniveau niedrig: Fütterungsniveau für tägliche Zunahmen von 600 g ** Energieniveau hoch: Fütterungsniveau für tägliche Zunahmen von 1.200 g 12 0 15 108 203 1.818 164 115 beziehungsweise 1.200 g täglichen Zunahmen ernährt. Eine weitere Gruppe wurde die ersten neun Wochen auf dem niedrigen und die restlichen drei Wochen auf dem hohen Niveau gefüttert, und die vierte Gruppe jeweils sechs Wochen niedrig und hoch (siehe Übersicht 2). Auch in diesem Versuch ist ein deutlicher Einfluss der Fütterungsintensität auf das Eutergewicht zu erkennen. Anders sieht es wiederum beim Gewicht des Parenchyms (Milch bildendes Gewebe) aus. Hier gibt es keine signifikanten Unterschiede, sodass auch in dieser Untersuchung deutlich wird, dass die Masse des Milch bildenden Gewebes durch die spätere Fütterung nicht mehr beeinflusst werden kann. Im Verhältnis zur Körpermasse sinkt sogar der Anteil des Parenchyms. Liegen die Zunahmen vor dem Eintritt der Geschlechtsreife auf einem sehr hohen Niveau, sodass es zu einem früheren Eintritt in die Pubertät kommt, muss unter Umständen sogar mit negativen Folgen hinsichtlich der späteren Milchleistung gerechnet werden. Dr. Hans-Jürgen Kunz Landwirtschaftskammer Tel.: 0 43 81-90 09-48 [email protected] FAZIT Untersuchungen an der Michigan State University in den USA zeigen, dass eine Ernährung der Kälber während der Milchphase auf hohem Niveau zu einer signifikant höheren Masse an Parenchym, das heißt an Milch bildendem Gewebe führt. Dieser Effekt ist durch eine intensive Ernährung zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu erreichen. Hohe tägliche Zunahmen sollten darum bei weiblichen Kälbern in erster Linie während der Milchphase angestrebt werden. Wie eigene Versuche zeigen, können sie durchaus 1.000 g erreichen. Im Anschluss sollte der weitere Zuwachs derart gestaltet werden, dass die Tiere mit 15 Monaten, zum Zeitpunkt der ersten Besamung, ein Gewicht von etwa 420 kg erreicht haben. Je später die Kälber die dafür notwendigen Zunahmen erreichen, desto eher steigt die Gefahr der Verfettung der Euteranlage und der Gebärmutter. Rot- und Schwarzbunte Züchterschau in Wewelsfleth Björn Wiencken, Vorsitzender des Vereins Rot- und Schwarzbuntzüchter in den Kreisen Steinburg und Pinneberg, begrüßte zahlreiche Zuschauer auf dem Hof von Detlef und Heike Bolten in Wewelsfleth, Kleinwisch. Der Verein veranstaltete einen Informationsabend und stellte den Familienbetrieb Bolten vor. Mit einer Betriebsfläche von zirka 86 ha und 75 Milchkühen sei sein Betrieb als Familienunternehmen gerade noch zu führen, erklärte Detlef Bolten seinen Hof. Günther Koch von der Rinderzucht Schleswig-Holstein (RSH) kommentierte die vorgeführten Milchkühe aus der Zucht von Detlef Bolten. Er stellte unter anderem langlebige Produktionskühe und eine Färsengruppe vor und wies auf die Vererber hin, die zum Teil RSH-gekörte Deckbullen waren. Bei einem Zuschauerwettbewerb galt es, eine Gruppe von sechs Kühen mit gleichem Vater zu bewerten. Günther Koch fungierte hier als Oberrichter und erklärte die Unterschiede anhand von Euter, Zentralband und Rahmen. Sabine Kolz freie Journalistin In Wewelsfleth wurden die beiden Kühe „Goldblume“ und „Dorflady“ als lang- In der Gruppe die Kühe aus dem Rangierwettbewerb vom gleichen Vater. Als lebige Produktionskühe vorgestellt. Fotos: Sabine Kolz Beste wurde „Laica“ bewertet, die laut Koch die „Korrekteste im Ring“ war.