2.15 | CRB-BULLE TIN | FOKUS | 5 Mit einem kleinen, einfachen Projekt beginnen. Odilo Schoch, dipl. Arch. ETH, beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit BIM. Er skizziert, wo die Schweiz aktuell steht, welche Veränderungen BIM mit sich bringt und welche Voraussetzungen zu schaffen sind. INTERVIEW: GABY JEFFERIES Dr.-Ing. Odilo Schoch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ETH Zürich und Gründer der Schoch Dienstleistungen für Architektur GmbH. Er hat an der ETH Zürich und an der Bartlett School of Architecture in London Architektur studiert. Praktische Erfahrungen sammelte er bei Ove Arup, BaumschlagerEberle und im Büro seiner Eltern. U.a. war er von 2008 bis 2011 Assistenzprofessor für BIM an der königlich däni­ schen Kunstakademie in Kopenhagen. In der SIA-Kommission 2051 Merkblatt BIM hat er den Vize-Vorsitz. Ein Architekt oder Ingenieur will das erste Mal mit BIM arbeiten. Können Sie ihm ein paar Tipps geben? Zuallererst einfach beginnen: klein, an einem einfachen Projekt. BIM ist eine Methode, die auf ganz verschiedene Arten umgesetzt werden kann. Da selten alle Aspekte eines Projektes «gebimt» werden, ist ein individueller Start durchaus legitim. Nach wenigen Stunden hat man vielleicht schon einige Herausforderungen bewältigt und Mehrwerte erkannt. Dann beginnt die Reise, die über Jahre gehen wird und sicherlich ebenso von Freude über neue Erkenntnisse wie auch von Frust geprägt sein wird. Ich empfehle, dass man sich im Büro überlegt, welche Arbeitsschritte in früheren Projekten entweder zeitaufwendig oder monoton waren. Gibt es hierzu eine Verbesserung, die durch Wiederverwendung von Dateien und Planungsdaten umgesetzt werden kann? Oftmals ist gerade das Analysieren oder das Abgleichen des Projekts mit anderen Planern zeitaufwendig und ­fehleranfällig. Konkret beginnt man, indem man ein kleines, geometrisch einfaches Gebäude in der Entwurfsphase per IFC-Datei an einen befreundeten Planer – idealerweise aus einer anderen Disziplin – sendet. IFC deshalb, weil der Partner wahrscheinlich eine andere Software nutzt und darum andere Dateiformate nicht funktionieren. Es empfiehlt sich, eigene und fremde Dateien am besten in Modell-Prüfungssoftware anzu- schauen. Diese Tools haben bereits innovative Funktionen, die man bisher nicht kannte, wie beispielsweise einzelne Bauteiltypen anzeigen oder Kollisionen er­ mitteln. Leistungsfähige Demoversionen gibt es kostenlos. Obwohl BIM viel mehr als das Zusammenschieben von 3-D-Modellen ist, wird schnell sichtbar, dass man im konkreten BIM-Projekt zuerst phasenbezogen die BIM-Ziele definieren sollte (z.B. softwaregestützter Abgleich von Architekturund Fachplanungen oder Flächenermittlungen). Anschliessend kann man dann in der Praxis gemeinsam Daten- und Attributstrukturen festlegen (z.B. Benennung der Wandtypen mit «C2-1_W1»), um die Informationen für Mensch und Software lesbar zu machen. Später folgt automatisch der Wunsch nach mehr Wissen und büroeigenen Standards, welcher online, in Kursen oder in Kooperation mit Softwarepartnern und Beratern erfüllt werden kann. Gesamtheitlich betrachtet: Wie stellt sich die Situation in Bezug auf BIM in der Schweiz dar? Aktuell arbeiten viele Akteure im Baubereich im stillen Kämmerlein an konkreten Geschäftsmodellen Implementierungen, und Strategien. Das gilt sowohl für Bauherren als auch für Planungsbüros, Bauunternehmungen und Verbände. Indirekt findet hier eine Marktaufteilung statt, indem helvetisierte Lösungen erarbeitet werden und Allianzen entstehen. Beispiele ausländischer Projekte, datentechnische Lösungen und Geschäftsmodelle aus dem Ausland und von Mitbewerbern dienen als Inspiration. Konkret entstehen aktuell Lösungsvorschläge beispielsweise für die Bestellung von BIM, Bauteilbezeichnungen und Leistungsbilder. Noch sind diese nicht disziplinenübergreifend koordiniert. Andere Länder sind uns hierin teils weit ­voraus: In den USA fordern staatliche und private Bauherren Aspekte des BIM. Dabei geht es oftmals um strukturierte Datenverknüpfung und Mehrwerte in den Phasen Vorentwurf bis hin zur Qualitäts­sicherung auf der Baustelle. Zudem gibt es dort neue, erfolgreiche Geschäftsmodelle. In Deutschland haben führende Verbände und Inst­i­ tutionen aus dem Bereich Planen, Bauen und Betrieb die «planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH» gegründet. Staat und Wirtschaft unterstützen diese Initiative, welche sich dafür einsetzt, dass die Effizienzpotenziale des digitalen Bau­ens möglichst vielen zugänglich gemacht werden. Welche Länder sind hier Vorreiter und ­warum? Manchmal frage ich mich, ob wir wirklich so weit zurückliegen … BIM fördert die Qualität und interdisziplinäre Zusammenarbeit am konkreten Projekt. Das interdiszi­ plinäre Arbeiten ist hierzulande seit sehr langer Zeit bekannt. Zudem ist die Qualität der Bauten durchaus gut. Während andere Länder eine historisch gewachsene Trennung von technischen Lösungen und der (angeblich) künstlerischen Gestaltung von Immobilien kennen, setzt man hier bereits seit Jahren in frühen Projektphasen auf den Dialog zwischen Gestaltung und technischer Abklärung. Dieser Aspekt der Baukultur sorgt dafür, dass ein Gebäude bereits früh im Planungsprozess in Bezug auf die Realisierbarkeit und Nutzung optimiert werden kann. Diese gesamtheitliche Betrachtung ist in anderen Ländern ein Novum, welches durch BIM gefördert wird. Auch sind Teile des Schweizer Infrastrukturbaus sehr strukturiert und digital vernetzt, ohne es BIM zu nennen. Wo also steht die Schweiz? Anhand des Reifegrads von Vertragsgrundlagen, Wettbewerbsvorgaben und innovativer Software sieht man, dass Grossbritannien, Norwegen, Dänemark und Finnland bei der BIM-Anwendung schon sehr weit sind. In Norwegen beispielsweise muss man sich erklären, wenn man bei einem staatlichen Projekt nicht im Sinne von BIM arbeitet. Das dänische Universitätshochbauamt fordert bei Wettbewerbsabgaben fast immer einfache BIM-Daten, weil die Verantwortlichen es leid waren, dass sie oft Entwürfe mit falschen Angaben zu Fläche und Energiebedarf zu bewerten hatten. In diesen Ländern sind auch erfolgreiche Tools und Arbeitsweisen entstanden, welche konkrete Mehrwerte bieten und die wir hier in der Praxis noch gar nicht kennen. 6| FOKUS | CRB-BULLE TIN | 2.15 Welches sind aus Ihrer Sicht die grössten Veränderungen, die sich im Zusammenhang mit BIM ergeben? Durch BIM nimmt die Baukultur die Herausforderungen der Digitalisierung auf. Es wird neue Leistungsbilder geben (z.B. den BIM-Koordinator), aber auch Fragen zu Verträgen, Planungsinnovation, Datenschutz, Haftung und Verantwortung werden konkrete Veränderungen oder Erweiterungen auslösen. Gleichzeitig werden schon lange bestehende Methoden im Baubereich ergänzt oder hinterfragt, weil beispielsweise die datentechnische Vernetzung Simulationen der Leistungsfähigkeit des Gebäudes zu einem früheren Zeitpunkt ermöglichen oder der Planer zu korrekteren Bauwerksdokumentationen einfacher Zugang hat. Obwohl in Zukunft nicht alle alles «bimen» werden (müssen): Es wird Gewinner und Verlierer geben. Auch im Buchhandel und in der Reisebranche gab es durch die digitale Vernetzung teils kritische Veränderungen. Letztlich kann man dies nicht komplett verhindern. Das Spezielle an BIM ist, dass einerseits nicht alle Aspekte der Immobilienwirtschaft «gebimt» werden (müssen), andererseits sich aber Devisierung, Vergabe und Erstellung verändern werden. Ein bereits überraschend gut entwickelter Bereich der Schweizer Immobilienindus­ trie ist die robotergestützte Vorfertigung, welche aufgrund der hohen Bauteilqualität vor allem für Bauherren interessant sein kann. So sind auch die Planer durch die ­Verknüpfung der virtuellen Modelle mit den Produktionsabläufen der Unternehmen wie­der verbunden. Welche Grundlagen bzw. Voraussetzungen müssen erst noch geschaffen werden? Ich gehe davon aus, dass BIM kommt und in wenigen Jahren von Bauherren und Planern angewandt wird. Viele werden das dann gar nicht mehr BIM nennen, weil es Alltag ist. Ebenso wird das Ziel einer Planung erhalten bleiben: Bauten von hoher Qualität zu beauftragen, zu planen, zu realisieren und zu nutzen – unabhängig von einer Methode. Aktuell ist für Bauherren, Planer und Bauunternehmer oft unklar, wie BIM mit den etablierten Werkzeugen z.B. von SIA, CRB oder der KBOB harmoniert. D.h., rechtliche und technische Grundlagen müssen möglichst bald geklärt werden. Zudem gibt es Lücken in etablierten Klassifizierungssystemen, die aktuell erst geschlossen werden. Ebenso sind die Honorierung und die praktische Zusammenarbeit momentan mit Fragezeichen versehen, da in der Schweiz die Organisationsformen erst erprobt werden. In diesen Pionierprojekten werden oftmals zu viele Informationen in zu frühen Projektphasen gefordert, d.h., der geforderte Fertigstellungsgrad passt nicht zur entsprechenden Leistungsphase. Aktuell erarbeitet die SIA-Kommission 2051 eine Wegleitung zur BIM-Bestellung, zur Strukturierung der Zusammenarbeit in verschiedenen Konstellationen sowie zum Verständnis der im Projekt sinnvollen Bauteilinformationen, den sogenannten Attributen. Auf Software-Seite fehlen meist noch Vorlagedateien, welche die Zusammenarbeit vereinfachen, indem beispielsweise klare Attribute von Bauteilen oder Räumen vergeben werden. Wo sehen Sie in diesem Zusammenhang CRB und seine Arbeitsmittel? CRB ist sich der meist langen Lebenszyklen eines Projekts und eines Gebäudes ebenso bewusst wie der teilweise kurzfristigen Herausforderungen der Digitalisierung. Anders formuliert: man kann nicht jedes Jahr ein Produkt oder System ändern, nur um aktuellste Entwicklungen optimal aufzunehmen. CRB nimmt die in den vergangenen Jahren erfolgten Entwicklungen auf und liefert einer wichtigen Branche der Schweizer Wirtschaft jene sachlichen Grundlagen, die für einen langen Weg der Digitalisierung gebraucht werden. Die bekannten Qualitäten wie Rechts- und Kostensicherheit werden dabei ebenso beachtet wie die technische Umsetzung auf zeitgemässer Software und Datenstandards. Durch den Austausch mit lokalen und internationalen Organisationen sind die Diskussion und die Implementierung in vollem Gange, sodass die Anwender auch weiterhin von den Vorteilen der Digitalisierung im Immobilienbereich profitieren können. Das derzeitige Vorzeigebeispiel ist der eBKP. Mit ihm können Planer, Unternehmer und Bauherren bereits jetzt von einigen Mehrwerten des BIM profitieren. Das vom norwegischen Architekturbüro Snøhetta entworfene Opernhaus in Oslo war ein BIM-Projekt, das Entwurf und Planung digital mit Bauherrenanforderungen und Facility Management verknüpfte. Foto: T. Dai.