28 Thema Grundschule Schulzendorf Bauwelt 47 | 2007 Bestand Ergänzung neu Grundschule Schulzendorf Erweiterung und Sanierung: zanderroth architekten mit Guido Neubeck Kritik: Ilka und Andreas Ruby Fotos: Andrea Kroth Der Blick von Süden. Nach Umbau und Erweiterung verfügt die Schule über 2185 m2 Nutzfläche (vorher: 1368 m2). Hätte man das Budget für einen separaten Neubau verwendet, wäre man auf etwa 1375 m2 gekommen, ohne dass die Mängel am Altbau saniert worden wären. Die Erweiterung hat somit die Sanierung mitfinanziert. Lageplan im Maßstab 1:5000 Foto Bestand: Architekten Schulzendorf liegt am südöstlichen Rand von Berlin, ungefähr da, wo sich Stadt und Land Gute Nacht sagen. Wer hierher kommt, hat sich entweder auf dem Weg zum nahegelegen Flughafen Berlin-Schönefeld verfahren oder nach der Autobahnabfahrt die Kurve zu Ikea nicht gekriegt oder ist auf der Suche nach einem Haus im Grünen für die größere Familie fündig geworden. Entgegen dem brandenburgischen Schrumpfungstrend ist die 7000-Seelen-Gemeinde in den letzten Jahren gewachsen und hat längst die Grenzen des historischen Dorfkerns gesprengt. Die meisten Schulzendorfer wohnen heute in einer verschlafenen Einfamilienhauskolonie, die sich immer weiter in der grünen Umgebung ausbreitet. Das Wachstumsprinzip ist zuverlässig entropisch: ein Klötzchen neben das andere, und wenn es wieder mal jemandem in der Stadt zu eng wird, kommt ein neues Klötzchen. Bis kein Platz mehr da ist. Letzteres wäre auch das Szenario für die Schule im Ort gewesen, die allmählich aus den Nähten platzte. Ein neues Schulhaus musste her. Nur wohin? Das Schulgelände an der Illgenstraße war bereits relativ gefüllt mit einer Reihe von Ge- bäuden: Grundschule, Hauptschule, Sporthalle sowie ein neuer Kindergarten. Einzig in der Mitte der Anlage war noch Platz. Den zu bebauen hätte das von Nadelbäumen lauschig umstandene Grundstück allerdings um seinen Charme gebracht, fanden die direkt beauftragten Berliner Architekten Sascha Zander und Christian Roth. Auch finanziell wäre die Klötzchenlösung kein Kleckerkram gewesen. Denn die drei Millionen Euro, die zur Verfügung standen, mussten nicht nur für den Neubau reichen, sondern auch für die Sanierung des in die Jahre gekommenen DDR-Schulbaus, in dem die Grundschule bis dato untergebracht war. Für Neubau und Sanierung war das Budget aber zu klein. Mit einer Fusion der beiden unterfinanzierten Unternehmungen, so die Architekten, ginge die Kalkulation auf. Also schlugen sie dem Bauherrn vor, den Altbau sanierend zu erweitern. Angenehmer, ja wichtigster Effekt: statt zwei Klötzchen ein einziges kompaktes Gebäude. Die Schulgemeinschaft bleibt zusammen und wird nicht künstlich aufgeteilt. Und: Der Schulhof bleibt unverbaut. Es ist wie im Märchen: Der Neubau spielt die Prinzessin, die den unscheinbaren Altbau alias Froschkönig wach- und Bauwelt 47 | 2007 29 30 Thema Grundschule Schulzendorf Bauwelt 47 | 2007 Architekten zanderroth architekten, Berlin, mit Guido Neubeck Mitarbeiter Hanael Sfez Tragwerksplanung Ingenieurbüro Krienitz, Schulzendorf Bauherr Gemeinde Schulzendorf Die hinterlüftete Fassade aus Weide ist vor Ort geflochten worden. Zwei eher undefinierte Außenbereiche des Typenbaus wurden zu Lichthöfen geschlossen, die durch kräftige Farben gegliedert sind. Für das Gebäude erhielten die Architekten den Brandenburgischen Architekturpreis 2007. schönküsst. Bei dem Altbau von 1965 handelt es sich um einen DDR-Normschulbau des Typs „Magdeburg“, keine Schönheit, aber durchaus mit Qualitäten. Die räumliche Organisation ist reduziert auf das Notwendige: zwei längsgerichtete Riegel mit Klassenzimmern, die durch einen kürzeren Querriegel mit dienenden Räumen zu einer H-Form verbunden sind. Mit ihrem Neubau schließen die Architekten zunächst die offenen Arme des H durch zwei querliegende Riegel ab, wodurch sich die ehemaligen, kaum genutzten Außenräume in zwei kraftvolle Atrien verwandeln. Als Nächstes befreien sie den ehemaligen Querriegel von Fassaden und Innenwänden, so dass nur noch Tragstruktur und Geschossebenen übrig bleiben. Diese Konstruktion verbindet die beiden Atrien zu einem großzügigen Raumkontinuum, das der Schule jenen Gemeinschaftsraum schenkt, den man beim Typ „Madgeburg“ für verzichtbar hielt. Durch ein mutiges Farbkonzept unterstreichen die Architekten die Bedeutung dieser Leere für die Lehre. Der Raum ist alles in einem: Festhalle für das Alltägliche, Lärmund Spielraum in den Pausen, alternativer Ort für Gruppenarbeit und symbolisches Zentrum der um ihn herum angeord- neten Klassen. Die Farbgestaltung ist alles andere als eine auf Effekthascherei zielende Oberflächengrafik, vielmehr folgt sie einem klaren räumlich-tektonischen Kalkül. Die Farben sind nicht wie in einer Parkgarage ganzen Geschossen, sondern einzelnen Geschossdecken zugeordnet: So wird das Grün von der Raumdecke des Erdgeschosses auf den Fußboden des darüberliegenden Geschosses „gespiegelt“. Anders ist das bei den Brüstungswänden, die zum Gang hin in der Farbe des Geschosses, auf dem sie stehen, gestrichen sind, aber zu den Atrien hin geschossübergreifend in einer anderen Farbe erstrahlen (Magenta oder Gelb), um die vertikalen Volumen der Atrien räumlich zu artikulieren. Die Klassenzimmer sollten, wenn es nach den Architekten gegangen wäre, weiß bleiben, als beruhigender Gegenpol und um der besseren Konzentration willen. Der Bauherr hatte jedoch den Einfall, die Lehrer mit der Farbwahl zu beauftragen, um die individuelle Identifikation zu forcieren. Der freie Umgang mit Farbe hat seine Tücken. Die äußere Gestaltung des Gebäudes ist die Antithese zum heiteren Farbspiel des Innenraums – monochrom und hypertaktil. Eine Hülle aus zwei Meter langen und 1,5 Zenti- Bauwelt 47 | 2007 31 32 Thema Grundschule Schulzendorf Bauwelt 47 | 2007 Im Erdgeschoss ist das Gebäude aus Brandschutzgründen verputzt. Rechts: der skelettierte ehemalige Verbindungstrakt mit Blick zur neuen Mensa. Die beiden Treppenhäuser erschließen nach dem Umbau die doppelte Grundfläche. Grundrisse und Schnitte im Maßstab 1 : 500 meter dicken geflochtenen Weidenzweigen zieht sich nahtlos um alle vier abgerundeten Ecken des Baukörpers. Das luftige Geflecht wird weich hinterfangen von dem satten Dunkel des einige Zentimeter dahinter verschattet liegenden Schlagregenschutzes. In den Ausmaßen eines Gebäudes angewendet, löst das Material einen betörenden Verfremdungseffekt aus: Es weicht optisch zurück und macht neugierig auf die dahinter verborgene Innenwelt. Die angenehm schlank dimensionierten Rahmen der sich nach außen öffnenden norwegischen Fenster bestehen innen aus Holz, außen aus dunkelgrauem Aluminium. Diskret ordnen sie sich der Aura des maßstabslosen Weidentableaus unter. Dass dieses nur die oberen Geschosse bedeckt, ist ein Wermutstropfen. Die spannungsvolle Ambivalenz, die das Gebäude dank seiner ungewohnten Umhüllung ausstrahlt, wird durch das anthrazit verputzte Erdgeschoss doch etwas unsanft auf den Boden der Tatsachen geholt – Brand- und Kletterschutz waren schwer zu überwindende Argumente. Dennoch zeigt dieses Haus den lokalen Bauunternehmern, dass es zum Klötzchenbauen durchaus gute Alternativen gibt. Bauwelt 47 | 2007 33