Burnout, Depression, Angst… Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen Dipl.-Psych. Anne Gehrke SIFA-Workshop, BAuA 06.06.2013 Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen - die Themen: wesentliche Symptome ausgewählter Erkrankungen psychische Erkrankungen erkennen und ansprechen Maßnahmen zur Vermeidung psychischer Erkrankungen Vermeidung von erneuten Erkrankungen nach Rückkehr an den Arbeitsplatz Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 2 Psychische Erkrankungen Eine psychische Erkrankung/Stö Erkrankung/Störung… rung… …ist ein diagnostizierbarer, behandlungsbedürftiger Zustand, der deutlich von der Norm abweicht und Denken, Fühlen und Verhalten beeinträchtigt. Der Betroffene leidet unter den Symptomen. Produktivität und zwischenmenschliche Beziehungen sind dabei häufig beeinträchtigt. Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 3 Ursachen für psychische Erkrankungen i.d.R. multifaktorielle Verursachung private Belastungen genetische Faktoren Psychische Erkrankungen Trauma Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen Belastungen bei der Arbeit 06.06.2013 4 Wesentliche Symptome ausgewählter Erkrankungen Depression, Burnout, Angst, PTBS Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 5 Depression Kriterien der Major Depression (DSM-IV) Mind. fünf der folgenden Symptome während derselben Zwei-Wochen-Periode: Depressive Verstimmung an fast allen Tagen, für die meiste Zeit des Tages Deutlich vermindertes Interesse oder Freude Deutlicher Gewichtsverlust ohne Diät; oder Gewichtszunahme Schlaflosigkeit oder vermehrter Schlaf an fast allen Tagen Psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung an fast allen Tagen Müdigkeit oder Energieverlust an fast allen Tagen Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 6 Depression Gefühle von Wertlosigkeit Verminderte Fähigkeit zu denken/ sich zu konzentrieren/ verringerte Entscheidungsfähigkeit Wiederkehrende Gedanken an den Tod/ wiederkehrende Suizidvorstellungen Dauer und Schwere der depressiven Verstimmung können sich stark unterscheiden und werden diagnostisch weitergehend differenziert 6,5% der Bevölkerung leiden innerhalb eines Jahres an eine Major Depression Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 7 Burnout Was ist das „Burnout-Syndrom“ Das Burnout-Syndrom tritt in fast jeder Berufsgruppe auf Frühe Definition von Maslach (1982) „ein Syndrom emotionaler Erschöpfung, Depersonalisierung und persönlicher Leistungseinbußen, das bei Individuen auftreten kann, die in irgendeiner Art mit Menschen arbeiten. Es ist eine Reaktion auf die chronische emotionale Belastung, sich andauernd mit Menschen zu beschäftigen, besonders, wenn diese in Not sind oder Probleme haben.“ Vgl. Maslach-Burnout Inventory Späte Definition von Maslach und Leiter (1997) „eine Erosion der Werte, der Würde, des Geistes und des Willens – eine Erosion der menschlichen Seele. Es ist ein Leiden, das sich schrittweise und ständig ausbreitet und Menschen in eine Abwärtsspirale zieht, aus der das Entkommen schwerfällt.“ Beanspruchungsreaktion vs. –Folge? Diagnosekriterien? Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen Helfersyndrom? Abgrenzung? 06.06.2013 8 Burnout Individuelle Symptome „Burnout-Syndrom“ Motivationssymptome z.B.: Affektive Symptome z.B.: •Resignation • Enttäuschung • Langeweile • Traurigkeit • Emotionale Erschöpfung • Ängstlichkeit Kognitive Symptome z.B.: • Hilflosigkeit • Verlust von Sinn/Hoffnung • Geringes Selbstwertgefühl • Einsamkeit BurnoutSyndrom Verhaltensymptome z.B.: • Impulsivität • Hyperaktivität • Erhöhter Genussmittel/Drogenkonsum Physische Symptome z.B.: • Gefäßerkrankungen • Kopfschmerzen • Stress-Hormonungleichgewicht • Libidoverlust • Chronische Müdigkeit Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen (Quelle: Rösing, I.,2003) 06.06.2013 9 Burnout Kritikpunkte am Begriff „Burnout-Syndrom“ • Keine spezifischen Symptome • Keine spezifischen, evaluierten Therapieansätze • Abgrenzung zur anerkannten Störungen wie Depression, Fatigue-Syndrom fällt schwer • Kein Bestandteil von Diagnosesystemen: ICD-10 Zusatzkodierung Z73.0 • Diagnose erfolgt mittels Fragebögen: Cut-Off Werte unklar • Mehrwert der Diagnose Burnout-Syndrom? FAZIT • Umschreibung einer Symptomatik, aber keine saubere klinische Diagnose Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 10 Angststörungen Panikstörung (mit/ohne Agoraphobie) Agoraphobie (ohne Panikstörung) Spezifische Phobie Soziale Phobie Zwangsstörungen Posttraumatische Belastungsstörungen Akute Belastungsstörungen Generalisierte Angststörung Substanzinduzierte Angststörung Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 11 Angststörungen Angst ist eine natürliche Reaktion mit Überlebensfunktion. Bei Angststörungen ist diese Reaktion unangemessen stark, unangemessen häufig und unbegründet bzw. unangepasst. Angststörungen gehen einher mit • Vermeidungsverhalten • Kontrollverlust • Leidensdruck • bedeutsamen Einschränkungen in Arbeit und Lebensführung Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 12 Angststörungen Panikstörung Betroffene leiden unter plötzlichen Angstanfällen, ohne dass objektiv gesehen eine reale Gefahr besteht. Die Panikattacken gehen mit heftigen körperlichen Reaktionen, sehr unangenehmen Gefühlen und starken Befürchtungen einher. Dabei lassen sich im Gegensatz zu Phobien (zunächst) keine speziellen angstbesetzten Auslöser erkennen. Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 13 Angststörungen Phobien Agoraphobien äußern sich in der Angst, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, alleine zu sein, insgesamt, sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen zu können. Panikattacken sind möglich. Sehr belastend - bei schwerer Ausprägung wird das eigene Haus nicht mehr verlassen! Spezifische Phobien werden durch ein bestimmtes Objekt bzw. eine Situation ausgelöst (Schlangen, Insekten, Hunde, Flugreisen, Höhen) Soziale Phobien Es besteht eine irrationale Angst, sich vor anderen Menschen zu blamieren. Soziale Situationen werden vermieden. Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 14 Angststörungen Posttraumatische Belastungsstörung (nach DSM IV) A. Erlebnis eines Traumas B. Intrusionen (Erinnerungsdruck, ständiges Wiedererleben, belastende Träume) C. Vermeidung/Emotionale Taubheit D. Übererregung (Reizbarkeit, Schreckreaktion, Schlafschwierigkeiten, Konzentrationsschwierigkeiten) E. Symptome länger als ein Monat Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 15 Angststörungen: Teufelskreis Modell Auslösender kritischer interner oder externer Reiz Körperliche Empfindungen Veränderung des Verhaltens Wahrnehmung Fortschreitende Sensibilisierung und Katastrophisierung Physiologische Veränderungen Gedanke “Gefahr” “Angst” Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 16 Psychische Erkrankungen erkennen und ansprechen 06.06.2013 Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 17 Psychische Erkrankungen erkennen Mögliche Merkmale im Arbeitsleben Grundarbeitsfähigkeit •Unpünktlichkeit (häufige Verspätung ohne erkennbare Gründe) •mangelnde Disziplin oder geringes Durchhaltevermögen (zum Beispiel Arbeitsunterbrechungen, Pausen, Verlassen des Arbeitsplatzes) •unentschuldigtes Fehlen, verspätete Abgabe von Krankmeldungen •Häufung von Kurzerkrankungen Quelle: UK PT „Psychisch auffällige oder erkrankte Mitarbeiter. Handlungsleitfaden für Führungskräfte „ Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 18 Psychische Erkrankungen erkennen Mögliche Merkmale im Arbeitsleben Leistungsbereich •auffällige Leistungsminderung (qualitativ und quantitativ) •Leistungsschwankungen •Unzuverlässigkeit •hohe Fehlerquote und leicht vermeidbare Flüchtigkeitsfehler •große Vergesslichkeit •häufiges Nachfragen bei bereits erlernten Arbeitsinhalten und Routinearbeiten •wiederholte Kontrollen der ausgeführten Aufgaben •Vermeiden von bestimmten Tätigkeiten, zum Beispiel Telefonaten und / oder Kundenkontakten Quelle: UK PT „Psychisch auffällige oder erkrankte Mitarbeiter. Handlungsleitfaden für Führungskräfte „ Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 19 Psychische Erkrankungen erkennen Mögliche Merkmale im Arbeitsleben Sozialverhalten •Rückzug: atypische Vermeidung von Kontakten zu Kollegen und Vorgesetzten in Dienstbesprechungen, Pausen oder bei Feierlichkeiten •distanzloses Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen •übersteigerte Empfindlichkeit gegenüber Kritik •übermäßiges Misstrauen und Negativerwartungen gegenüber Kollegen und Vorgesetzten •außerordentlich heftige Kritikäußerungen oder Vorwürfe •überzogen gereizte oder aggressive und uneinschätzbare Reaktionsweisen •in sich versunken, abwesend, vor sich hin starrend •andauernde Traurigkeit, Niedergeschlagenheit •Führen von Selbstgesprächen Quelle: UK PT „Psychisch auffällige oder erkrankte Mitarbeiter. Handlungsleitfaden für Führungskräfte „ Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 20 Psychische Erkrankungen erkennen Mögliche Merkmale im Arbeitsleben Übergreifende Beeinträchtigungen •Klagen über Schlaflosigkeit, Verschieben des Tag-Nacht-Rhythmus und Erschöpfung am Arbeitsplatz •außergewöhnliche Unruhe, extreme Angespanntheit •Vernachlässigung von Kleidung und Körperpflege •verändertes Essverhalten / Appetitlosigkeit •Schwierigkeiten bei der Selbstversorgung (Einkauf, Pflege der Wohnung oder Ähnliches) •Einschränkung der Mobilität (Nichtverlassen der Wohnung, Nichtbenutzung von Verkehrsmitteln oder Ähnliches) Quelle: UK PT „Psychisch auffällige oder erkrankte Mitarbeiter. Handlungsleitfaden für Führungskräfte „ Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 21 Psychische Erkrankungen erkennen Betroffener Umgebung vs. verändertes Sozialverhalten veränderte Reaktionen sozialer Rückzug erhöhte Aufmerksamkeit eingeschränkter nonverbaler Ausdruck (z.B. bei Depression) Zurückhaltung Vermeidungsverhalten (z.B. bei Angststörungen) Unsicherheit Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen Ablehnung Kritik Zuwendung/Unterstützung Unsicherheit 06.06.2013 22 Psychische Erkrankungen erkennen Beispiel: Depression – asymmetrische Interaktion bedrückte Körperhaltung Zuwendung eingeschränkter Ausdruck Rückzug Depression wird aufrecht erhalten Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 23 Psychische Erkrankungen ansprechen - frühzeitig ansprechen - gut vorbereitet sein - die eigenen Beobachtungen konkret mitteilen, aber Interpretationen vermeiden - Notwendigkeit der Veränderung benennen - Unterstützung anbieten (arbeitsrelevante Aspekte) - Gespräch dokumentieren Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 24 Psychische Erkrankungen ansprechen Zu „gesunder“ Kommunikation gehört: Kontakt zu Beginn des Gesprächs herstellen Zuhören und Rückmeldungen geben Eingehen auf den anderen mit entsprechenden Signalen Ausdruck von Einstellungen/Meinungen soziale Routinen, wie Grüßen oder Verabschieden Diese Fertigkeiten sind bei psychischen Störungen nur mangelhaft vorhanden. Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 25 Psychische Erkrankungen ansprechen Personen mit psychischen Störungen haben in folgenden Bereichen besonders häufig Schwierigkeiten: Forderungen stellen Nein-Sagen andere ohne Aggression kritisieren Kontakte herstellen Angst vor Fehlern Angst vor öffentlicher Beachtung Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 26 Maßnahmen zur Vermeidung psychischer Erkrankungen Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 27 Ansatzpunkte für die betriebliche Prävention Belastungen optimieren bzw. psychosoziale Risiken minimieren Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen Ressourcen der Mitarbeiter stärken 06.06.2013 28 Ansatzpunkt im Betrieb Die Basis für betriebliche Maßnahmen im Umgang mit psychischer Belastung und Beanspruchung bei der Arbeit ist die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 29 Beteiligte an der Gefährdungsbeurteilung alle betrieblichen Akteure, die im Arbeits- und Gesundheitsschutz engagiert sind •Führungskräfte •Mitarbeitervertretung •Fachkraft für Arbeitssicherheit z.B. ASA •Betriebsarzt •BGM/ BEM Externe Dienstleister •Aufsichtsperson •Psychologen/ Arbeitsmediziner •etc. Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 30 Vorgehen - Analyse Fragebogen •orientierende Verfahren •Screening •Expertenverfahren Diskussionsbasiertes Verfahren •Arbeitssituationsanalyse •Ideentreffen keine Grenzwerte Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 31 Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 32 Individuelle Maßnahmen • Qualifizierung • Beratung (z.B. EAP) • Coaching • Kompetenztraining • Unterstützung bei Work-Life Balance Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 33 Vermeidung von erneuten Erkrankungen nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 34 Vermeidung von erneuten Erkrankungen Willkommen zurück! Mitarbeiter integrieren das Schweigen brechen, offen mit der Thematik umgehen (aber nicht nach Diagnose fragen) Ist eine Anpassung der Arbeit notwendig? Zeitraum? Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 35 Vermeidung von erneuten Erkrankungen Wie kann man Betroffenen helfen? soziale Unterstützung/stabile Beziehungsangebote, Geduld, kontinuierliche Angebote positive Verstärkung von angemessenem Verhalten, Konzentration auf gesunde Anteile, Lob und Anerkennung von Fortschritten soziale Modelle für realitätsgerechte Auseinandersetzung mit Anforderungen des Lebens, Vorleben, gemeinsames Erarbeiten von weiteren Schritten Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 36 Das könnte Sie auch interessieren: Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 37 Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! Anne Gehrke E-Mail: [email protected] Tel. 0351 457 1722 Umgang mit psychischen Erkrankungen im Unternehmen 06.06.2013 38