Sulin Bänziger, Christoph Abderhalden

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Pflegewissenschaft. Einzelbeitrag | ISSN 1662-3029 | Verlag hpsmedia GmbH | D-63667 Nidda
Pflegewissenschaft
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Körperliche Gesundheitsrisiken
von Menschen mit schweren
psychischen Störungen
Sulin Bänziger
Christoph Abderhalden
Sulin Bänziger
Universitäre Psychiatrische
Dienste Bern
sulin.baenziger@
stud.unibas.ch
Christoph Abderhalden
Universitäre Psychiatrische
Dienste Bern
[email protected]
Sulin Bänziger, Christoph Abderhalden
Menschen mit schweren psychischen Störungen wie Schizophrenie oder bipolare
Störungen sind besonders gefährdet, medizinische Begleiterkrankungen zu entwickeln. Obwohl die überdurchschnittlichen Gesundheitsrisiken dieser Population international seit langem bekannt und erforscht sind, werden sie häufig nicht
diagnostiziert und behandelt. Aus dem deutschsprachigen Raum liegen kaum
Publikationen zu körperlichen Gesundheitsrisiken von Menschen mit schweren psychischen Störungen vor. Das Ziel dieser Literaturübersicht ist es, einen
Überblick über die körperlichen Gesundheitsrisiken von ambulant behandelten
Menschen mit schweren psychischen Störungen zu verschaffen. Es wurde eine
systematische Literatursuche in den Datenbanken Medline (PubMed), Cochrane,
Cochrane Central Register of Controlled Clinical Trials, Cinahl, EMBASE/Elsevier,
Pro Quest (Dissertationen) und PsycINFO durchgeführt. Die Resultate wurden
narrativ zusammengefasst.
Menschen mit schweren psychischen Störungen leiden unter wesentlich mehr Gesundheitsrisiken, als die Allgemeinbevölkerung. Zu den häufig auftretenden Komorbiditäten gehören
Adipositas, Hypertonie, Dyslipidämie und Diabetes mellitus, aber auch erhöhte Raten von
chronischen Atemwegserkrankungen und Obstipation. Beeinflussbare Ursachen dieser Probleme sind Psychopharmaka, Lebensstil (Ernährung, Bewegung, Rauchen) und eine angemessene medizinische Prävention. Es scheint (noch) nicht selbstverständlich zu sein, dass
ein systematisches Monitoring der körperlichen Gesundheit von Menschen mit schweren
psychischen Störungen durchgeführt wird.
Es gilt sicherzustellen, dass auch bei Menschen mit psychischen Erkrankungen somatische
Risiken und Komorbiditäten erfasst und behandelt werden. Die Aufmerksamkeit sowohl für
körperliche, als auch für psychische Elemente der Gesundheit muss bei somatischen und
psychiatrischen Fachpersonen geschärft werden.
Einleitung
Schlüsselwörter
Schwere psychische
Störung
Schizophrenie
affektive Störung
Screening
körperliche Gesundheit
Seite 531-537
Eingereicht am: 27.10.2011
Akzeptiert am: 22.08.2012
DOI: 10.3936/1177
Psychische und körperliche Gesundheit bedingt sich gegenseitig. Diese banale Tatsache
ist lange bekannt und wissenschaftlich gut gestützt (Prince et al., 2007). Menschen mit
schweren psychischen Störungen haben eine bis zu 22 Jahre kürzere Lebenserwartung als
die Allgemeinbevölkerung (Hennekens, Hennekens, Hollar, & Casey, 2005; Tiihonen et al.,
2009). Die Mehrheit von ihnen leidet unter mindestens einer somatischen Begleiterkrankung
(Dixon, Postrado, Delahanty, Fischer, & Lehman, 1999). Beispielsweise treten kardiovaskuläre
Erkrankungen, Diabetes mellitus und Atemwegserkrankungen wesentlich häufiger auf als in
psychisch gesunden Vergleichsgruppen (Robson & Gray, 2007). Die Ursachen für diese erhöhte Morbidität und Mortalität sind multifaktoriell. Einerseits sind atypische Antipsychotika
und verschiedene Antidepressiva als kardiovaskuläre Risikofaktoren bekannt (Bell, Farmer,
Ries, & Srebnik, 2009; Herdegen, 2008). Andererseits trägt ein ungesunder Lebensstil mit
einseitiger Ernährung, Nikotinabusus und einem Mangel an Bewegung zur Entwicklung verschiedener Komorbiditäten bei (Robson & Gray, 2007). Kritisch ist außerdem, dass Patienten
mit schweren psychischen Störungen zu selten hinsichtlich spezifischer Risikofaktoren untersucht und behandelt werden. Eine Gewichtung der Ursachen für die zusätzliche Morbidität
und Mortalität ist schwierig (Müller, Baciu, & Saner, 2010). Das Problem der erhöhten Prävalenz medizinischer Begleiterkrankungen bei Menschen mit schweren psychischen Störungen
wurde von den europäischen Fachgesellschaften für Psychiatrie (EPA), Diabetologie (EASD),
und Kardiologie (ESC) erkannt. Sie weisen in einem gemeinsamen Positionspapier darauf
hin, dass ein regelmäßiges Screening metabolischer und kardiovaskulärer Risikofaktoren
bei dieser Patientengruppe notwendig sei (De Hert et al., 2009). Bislang werden jedoch
auch im deutschsprachigen Raum die körperlichen Gesundheitsrisiken und -probleme von
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PFLEGEWISSENSCHAFT10/12
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