Wenig Zeit und dominantes Arztverhalten können zu Fehldiagnose

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T H E M E N
ner Universitätsklinik nur bedingt verallgemeinert werden könnten, betonte
Brzank, weil im Umfeld des Klinikums
eine hauptsächlich mittelständische Bevölkerung im mittleren bis höheren
Alter und mit hauptsächlich deutschkultureller Herkunft wohne. Internationale Studien weisen darauf hin, dass ein
jüngeres Alter, Kinder im erziehungspflichtigen Alter und ein relativ geringes
Familieneinkommen zu einer größeren
psychosozialen Belastung führen, die
das Risiko für Gewalterleben erhöht. So
stellten die im CCBF ermittelten Werte
eher eine untere Schätzung dar.
67 Prozent aller Frauen gaben an, dass
Ärztinnen und Ärzte im Fall von erlebter Gewalt Ansprechpersonen für sie
wären. 45 Prozent der von Gewalt betroffenen Frauen hätten sich ein Nachfragen durch den Arzt gewünscht. Mehr
als zwei Drittel der Befragten befürworteten eine Frage nach Gewalterfahrung
als Teil der allgemeinen Anamnese.
Die Ergebnisse der Studie unter Leitung von Prof. Dr. Ulrike MaschewskySchneider, Institut für Gesundheitswissenschaften, Technische Universität
Berlin, ebenso wie praktische Hinweise
für den Umgang mit gewaltbetroffenen
Frauen sind in dem Praxishandbuch
„Häusliche Gewalt gegen Frauen“ zusammengestellt. Wegen großer regionaler Unterschiede besteht das Ziel
für die nächsten Jahre darin, bundesweit Möglichkeiten zur Umsetzung
des S.I.G.N.A.L.-Projektes auszuloten. Das Thema „Häusliche Gewalt“ müsse fester Bestandteil in der
Aus-, Weiter- und Fortbildung von
Ärzten und Pflegekräften werden,
unterstrich S.I.G.N.A.L.-Vorsitzende
Karin Dlubis-Mertens
Angelika May.
Literatur
1. Hellbernd H, Brzank P,Wieners K, Maschewsky-Schneider
U (2004): Häusliche Gewalt gegen Frauen: gesundheitliche Versorgung. Das S.I.G.N.A.L.-Interventionsprogramm. Handbuch für die Praxis. Wissenschaftlicher
Bericht, 2004.
(zu beziehen über das Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend, www.bmfsfj.de
Download:<http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Ka
tegorien/Forschungsnetz/forschungsberichte,did=182
04.html)
2. Hellbernd H: Synopse zur Aus-, Fort- und Weiterbildung: Häusliche Gewalt – Erkennen, Sensibilisieren
und Erlernen des Umgangs, 2004. (zu beziehen über:
Bundeskoordination Frauengesundheit, www.bkfrauen
gesundheit.de)
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 Heft 7
 Juli 2004
Deutsches Ärzteblatt
Referiert
D E R
Z E I T
PP
Hausärzte und psychische Erkrankung
Wenig Zeit und dominantes Arztverhalten
können zu Fehldiagnose führen
V
iele Patienten, die ihren Hausarzt
wegen akuter Beschwerden aufsuchen, leiden unter psychischen Störungen: Schätzungen zufolge zwischen 20
und 40 Prozent. Doch zwischen 40 und
70 Prozent der psychischen Störungen
werden von den Hausärzten übersehen. Das ist insofern problematisch, als
Hausärzte innerhalb des Gesundheitssystems und in den aktuellen DiseaseManagement-Programmen zunehmend
eine steuernde, integrierende und koordinierende Funktion einnehmen.
Mit den Gründen für die lückenhafte
Identifikation psychischer Störungen
durch Hausärzte haben sich jetzt Forscher an der Klinik für Psychotherapeutische Medizin der Universität Düsseldorf befasst.An der Studie nahmen acht
männliche und acht weibliche Hausärzte ohne psychotherapeutische Ausbildung sowie 120 Patienten mit psychischen Störungen teil. 49,2 Prozent der
Patienten litten unter somatoformen
Störungen, 24,2 Prozent unter Anpassungsstörungen und 12,8 Prozent
unter Angststörungen. Darüber hinaus
waren unter den Patienten Essstörungen mit 8,3 Prozent, und Abhängigkeitserkrankungen mit 8,3 Prozent vertreten. Die Patienten waren durchschnittlich 43 Jahre alt, 72 Prozent davon waren weiblich. Alle Patienten
waren ihrem Hausarzt bekannt. Sie
suchten ihn wegen akuter Beschwerden
auf. Die Art und Schwere der psychischen Störung wurden von einer Psychotherapeutin eingeschätzt. Die hausärztlichen Konsultation wurden aufgezeichnet.
„Die Hausärzte identifizierten 60,8
Prozent der psychischen Störungen“,
berichten die Forscher. Die Rate der
identifizierten Störungen verbesserte
sich mit der Dauer der Konsultation. In
kurzen Konsultationen wurde nur ein
Drittel der psychischen Störungen erkannt, in mittellangen wurden zwei
Drittel erkannt, und in langen Konsultationen wurden 86 Prozent korrekt
diagnostiziert. Die Länge der Konsultation ermittelten die Forscher über die
Anzahl der gesprochenen Worte. Die
Rate erhöhte sich außerdem mit der
Stärke und der Häufigkeit der Symptome. Besonders bedeutsam für die Identifikation war jedoch die Menge an Informationen, die der Arzt vom Patient
erhielt. Das Interaktionsverhalten zwischen Arzt und Patient spielte hierbei
eine wesentliche Rolle. In 55 Prozent
aller Arzt-Patient-Gespräche kontrollierte und dominierte der Arzt die Interaktion, während der Patient lediglich reagierte und sich unterordnete. In
nur zehn Prozent der Fälle rang der
Patient um einen aktiven, kontrollierenden Part.
Interaktionstraining gefordert
Ein starke Kontrolle durch den Arzt
führte dazu, dass die Patienten weniger
Gelegenheit hatten, verbal oder nonverbal auf ihre psychischen Symptome
hinzuweisen. Infolge dessen erfuhren
die Ärzte von den Patienten zu wenig
und erkannten seltener psychische Erkrankungen. Ein dominantes Arztverhalten verstärkt zudem die Tendenz
der Patienten, psychische Probleme zu
verschweigen. Mehr als die Hälfte der
Patienten sprach ihre psychischen
Beschwerden in der hausärztlichen
Sprechstunde aus Scham oder Angst
vor Stigmatisierung nicht an. Auch
Erwartung oder Erfahrung, dass der
Hausarzt keine Hilfe anbieten kann,
nicht genügend Zeit hat, kein Gespräch
über psychosoziale Themen zulässt
oder keine ausreichende Kompetenz
zur Behandlung der Symptomatik besitzt, hemmt die Patienten. Die Forscher
empfehlen Interaktionstrainingsproms
gramme für Ärzte.
Kruse J, Schmitz N,Wöller W, Heckrath C,Tress,W: Warum
übersieht der Hausarzt die psychischen Störungen seiner
Patienten? Psychother Psych Med 2004; 54: 45–51.
Priv.-Doz. Dr. med. Johannes Kruse, Klinik für Psychotherapeutische Medizin der Universität Düsseldorf,
Bergische Landstraße 2, 40629 Düsseldorf, [email protected]
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