PD Dr. med. Jürgen Unger

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Medikamente bei der Behandlung von
Abhängigkeitserkrankungen
Jürgen Unger
Bezirkskrankenhaus
Landshut/Niederbayern
2013
Zahlen der Deutschen Hauptstelle
für Suchtfragen (DHS) 2013
• Alkohol-Mißbrauch und Abhängigkeit: ca. 3,3 Mio
Bundesbürger (Alkoholkonsum bei ca. 9,6 Liter reinen Alkohol
oder 140 Liter alkoholiche Getränke pro Jahr weitgehend
unverändert)
• Medikamenten-Mißbrauch und Abhängigkeit: ca. 1,4 Mio
Menschen
• Cannabis ca. 2,4 Mio Menschen (ca. 380.000 mit unmittelbar
schädlichen Folgen im Alltag)
• Sonstige illegale Drogen (u.a. Heroin, Amphetamine): ca.
645.000 Personen
• 16 Mio Raucher, davon ca. 5 Mio “starke Raucher”
Alkohol im Kontext zu Drogen
(Quelle: DHS)
• Zahl der Rauschgift-Todesfälle
(Opiate/Polytoxikomanie) 2011: 986
• Zahl der Alkohol- und/oder Tabakbezogenen Todesfälle 2011: ca. 74.000
Nikotin und Alkohol sind Suchtmittel Nr. 1!
Qualifizierte Entzugsbehandlung
•
•
•
•
•
Ziel: Erreichen einer Suchtmittel-freien Zeit
Behandlung des Entzugssyndroms
Somatische und psychiatrische Diagnostik
Behandlung von Folge- und Begleiterkrankungen
Information über die Abhängigkeitserkrankung
(Krankheitsverständnis)
• Vermittlung erster Techniken im Umgang mit der
Suchterkrankung
• Motivation zu weiterführender Behandlung
Zielpyramide bei Suchtkranken (nach D. Schwoon)
Zufriedene Abstinenz
Abstinenzphasen
Krankheitseinsicht
Sicherung sozialer Umgebung
Verhinderung bleibender Schäden
Sicherung des Überlebens
Das bio-psycho-soziale Modell der Sucht
Person, Psyche:
Erleben, Bewerten, Verhalten
(Neuro-)Biologie:
Wirkung der
Substanz auf
Körper u. Gehirn
Soziales Umfeld
Wechselwirkung
Entstehung von (Alkohol-) Abhängigkeit
„Jeder Abhängige hat seinen individuellen
Weg in die Suchterkrankung.“
Gemeinsam ist der Wunsch nach positiver
Erfahrung („Belohnung“), Lernprozess.
„Positive Reinforcement Hypothese“
Neurobiologische Korrelate
„Belohnende“ Wirkung von Suchtmitteln
Substanz
Synapse
Wirkung „Belohnung“
Opiate
Opiatrezeptor
Schmerzlinderung,
Wohlbefinden, Euphorie
Sedativa, Alkohol
GABA-Verstärkung
Beruhigung, Angstlösung
(Glutamat-Hemmung)
Kokain, Amphetamin
Dopaminerhöhung
Stimulierung, Euphorie,
Selbstüberschätzung
Halluzinogene
Serotoninerhöhung
Verstärkung von
Sinneseindrücken
Cannabis
Cannabinoid-Rezeptor
Stimmungsaufhellung,
Wohlbefinden
Nikotin
Acetylcholin-Rezeptor
Beruhigung
Neurobiologische Wirkung von Suchtmitteln
Substanz
Effekt auf Nervenzellen
Alkohol
Hemmt erregende Glutamatwirkung
Verstärkt hemmende GABA-Wirkung
Indirekte Aktivierung von Dopamin,
endogenen Opioiden und Serotonin
Amphetamine
Blockade von Serotonin- und DopaminRücktransportern, noradrenerg
Kokain
Blockade von Dopamin-Rücktransporter
Ecstasy
Hemmung v.a. Serotonin-Transporter
Heroin
Aktiviert μ-Opiatrezeptor des hirneigenen
Endorphinsystems
Cannabis
Akiviert endogenes Cannabinoidsystem
LSD
Aktiviert Serotoninrezeptoren
Benzodiazepine
Aktivierung von GABA-A-Rezeptoren
GHB, GBL („Liquid Ecstasy“)
Aktivierung von GABA-B-Rezeptoren
Wirkung von Alkohol auf Neurotransmitter
Akuter Alkoholkonsum
Glutamat (keine Adaptation)
Glutamatrezeptor
(GABA ↑)
GABA-A Rezeptor
Chronischer Alkoholkonsum
Glutamat
(Adaptation)
Glutamatrezeptor
(GABA ↑)
GABA-A Rezeptor↓
Alkoholentzug
Glutamat
(Sensitivierung)
Glutamatrezeptor
(GABA ↓)
GABA-A Rezeptor↓
Klinische Bedeutung von
Entzugssensitivierung durch Glutamat
Klinische Entzugssymptome: Unruhe,
Gereiztheit, Angespanntheit, Schlafstörung
„Kindling-Effekt“
 Wahrscheinlichkeit für komplizierte
Alkoholentzüge steigt mit deren Zahl.
 Epileptische Anfälle werden mit Häufigkeit der
Entzüge wahrscheinlicher.
 Pat. „lernt“: „Ohne Alkohol geht es mir schlecht!“
Klinische Relevanz: Unterbrechung des
Lernprozesses
1. Die Entzugssymptomatik muss rasch und
ausreichend behandelt werden!
2. Antikonvulsiva mit antiglutamaterger Wirkung
reduzieren Kindling Effekt (z.B. Carbamazepin,
Oxcarbazepin, Valproat, Topiramat, Lamotrigin)
Rolle des hirneigenen „Belohnungssystems“:
Dopamin und Endorphine
• Meso-limbisches Dopaminsystem (Ventrales
Tegmentum → Nucleus accumbens)
• Positive Reize führen zu erhöhtem Dopamin und
endogenen Opiaten im Nucleus accumbens. (Klinisch:
Wohlbefinden bis Rauschzustand)
Hohes Suchtpotenzial von Substanzen, die direkt Dopamin
und/oder Endorphine aktivieren (Heroin, Amphetamine,
Kokain)
Alkohol aktiviert indirekt Dopamin, Endorphine und
Serotonin
Suchtgedächtnis - Hirnregionen
Schematische Darstellung des Informationflußes beim Lernen:
Bedeutung des glutamatergen und dopaminergen
Neurotransmittersystems beim Entstehen von „Suchtgedächtnis“
NEOCORTEX
Informationsverarbeitung
Assoziationscortex
Informationsspeicherung
Dopamin
Motorisch
sensibel
Visuell
Akustisch
Glutamat
Entorhinalctx
Hippocampus
LTP
Funktionelle Veränderungen
Chronischer Suchtmittelkonsum: funktionelle
Bildgebung: “Das Hirn passt sich an”
z.B. Kokain
• Orbitofrontalcortex:
Aktivität nimmt ab
• Dopaminrezeptoren
werden weniger
Genetische Disposition
Warum haben wir ein „Belohnungssystem“?
• Aktivierung von Dopamin und Opioiden im
Gehirn führt zu Interesse und Suche nach
belohnendem Neuen, d.h. es ermöglicht
Lernprozesse.
• Interaktion dopaminerger Neurone mit dem
Glutamatsystem: Verknüpfung von
Belohnungssystem mit (Sucht)Gedächtnis.
„Suchtgedächtnis“
• Glutamaterge und dopaminerge Mechanismen
• Implizites Gedächtnis (nicht bewußt)
• Ähnelt dem Schmerz- und Angstgedächtnis
• Verantwortlich für „Craving“ und Rückfallgefahr
3 Hauptwege zum „Craving“ und Rückfall
- individuelle Risikosituation • „Priming“ durch kleine Alkoholmengen
(sensitiviertes Glutamatsystem und
Dopaminfreisetzung)
• Konditionierung durch alkohol-assoziierte Reize
(„Suchtgedächtnis, Belohnungssystem“)
• Negativer Affekt, Angst, Stress (glutamaterges,
katecholaminerges und HypophysenHypothalamus-Nebennierenrinden-System)
Suchttherapie in neurobiologischem Sinn
Suchttherapie ist auch Extinktionstraining, d.h.
Trennung der (Vor-)Erfahrung mit Alkohol oder
assoziierten Reizen (z.B. „Bierglas“) von der
Dopaminaktivierung
Extinktion = „Um- und Neulernen“
nicht
„Löschen des Suchtgedächtnisses“
Sucht ist keine ausschließliche RezeptorFehlfunktion, aber das biologische Verständnis
kann Patient und Therapeut helfen
Suchttherapie
Abstinenz ist Ziel und therapeutisches Mittel;
wichtiger Baustein um Erfahrungen zu
verändern.
Abstinentes Intervall erreichen
Einführung alternativer Handlungsverstärker, in
Konkurrenz zur Motivation Suchtmittel zu
konsumieren („positive Gefühle“)
Coping Strategien (Umgang mit Stressoren und
Affekten)
Einsatz von Medikamenten
• Medikamentöse Behandlung akuter
Entzugssyndrome
• Abstinenzunterstützende Medikamente
• Psychopharmaka bei Comorbidität
Zielpyramide bei Suchtkranken (nach D. Schwoon)
Zufriedene Abstinenz
Abstinenzphasen
Krankheitseinsicht
Sicherung sozialer Umgebung
Verhinderung bleibender Schäden
Sicherung des Überlebens
Behandlung von Alkoholentzugssyndrom und Delir
Medikamente und Reizabschirmung:
• Clomethiazol (Distraneurin®) oder
• Benzodiazepine (Diazepam, Lorazepam, Oxazepam)
• Thiamin (Vitamin B1)
•
•
•
•
Clonidin (zentrale Sympathikusdämpfung)
Antikonvulsiva (Carbamazepin) zur Anfallsprophylaxe
Haloperidol (v.a. bei prä-deliranter Symptomatik)
Flüssigkeit, Elektrolyte (Na, K, Mg), Glucose, Pantozol
Clomethiazol (Distraneurin®)





Wahrscheinlich über GABA- und Glyzin-Rezeptoren
Symptom-orientierte Gabe und Dosierung
ab 1,0 (1,5) Promille, Patient muss immer erweckbar sein
Ausschleichende Behandlung (5 – 7 Tage, max. 10 – 14 Tage)
Sedierend, hypnotisch, antikonvulsiv, vegetativ stabilisierender
Effekt, gute „Steuerbarkeit“ der Dosis
Benzodiazepine als Alternative zu Clomethiazol
 bei Clomethiazol-Unverträglichkeit, obstruktiver
Atemwegserkrankung, Clomethiazolabusus oder zusätzlicher
Bezodiazepinabhängigkeit.
 Empfohlen werden kurzwirksame Benzodiazepine (Oxazepam oder
Lorazepam = Tavor®).
 guter sedierender und antikonvulsiver Effekt
Zusätzliche Medikation im Alkoholentzug
Thiamin (Vitamin B1): Prophylaxe einer Wernicke-Enzephalopathie
Carbamazepin (zugelassen bei Alkohol-Entgiftung):
 Bei Patienten mit Entzugsanfällen in der Vorgeschichte
 90 % innerhalb von 48 Std. nach abrupter Abstinenz
Clonidin bei hypertoner bzw. tachycarder Herz-Kreislauf-Situation
Pantoprazol bei Gastritis und Risikopatienten
Thromboseprophylaxe bei bettlägerigen Patienten
Lebensbedrohliches Delir (kardiale und pulmonale
Komplikationen, schwere Bewusstseinsstörungen)
→ Internistische Intensivstation
Neuroleptika im Alkoholentzug
• bei prädeliranter und deliranter Symptomatik (z.B. flüchtige
Halluzinationen, Schreckhaftigkeit, Suggestibilität, schweres
vegetatives und delirantes Entzugssyndrom)
• Dosierung 1 x 5 mg bis 2 x 10 mg Haloperidol i.d.R. oral
• Dosisreduktion um mind. 50% bei geriatrischen Patienten
Zielpyramide bei Suchtkranken (nach D. Schwoon)
Zufriedene Abstinenz
Abstinenzphasen
Krankheitseinsicht
Sicherung sozialer Umgebung
Verhinderung bleibender Schäden
Sicherung des Überlebens
Medikamentöse Unterstützung der
Abstinenz
Alkohol: Pharmakologischer Versuch einer
Entkopplung von Alkohol und Alkohol-assoziierten
Reizen von der Dopamin-Freisetzung.
Antidipsotropika („Anticraving-Substanzen“)
Bei Alkoholabhängigkeit:
Metaanalysen (Soyka 1999):
Acamprosat (Glutamatantagonist): ca. 16% Risikoverringerung für
Rückfall
Naltrexon (Opiatantagonist): ca. 21% Risikoverringerung
Einsatz nur als Baustein in bestehendes
mehrdimensionales psychosoziales Therapieumfeld
Disulfiram (hemmt Stoffwechsel beim Alkoholabbau): Einsatz nur in
engmaschiger ambulanter Kontrolle nach allen anderen stat. oder
amb. Therapieversuchen
Wichtig: Adäquate Behandlung von Comorbidität, z.B. affektive
Störungen ….
Acamprosat - Campral®
 Tabletten mit jeweils 333 mg (bis 60 kg
Körpergewicht 2x2 Tbl., > 60 kg 3x2 Tbl.
 Indikation: Abstinenzaufrechterhaltung bei
Alkohlabhängigkeit
 Beginn nach körperlichem Entzug,
Anwendungsdauer: 1 Jahr
 Nebenwirkungen: Diarrhoe, Übelkeit,
Bauchschmerzen…
Acamprosat - Campral® (2)
 Wirkmechanismus: Erregungshemmende
Wirkung im ZNS, hemmt Glutamat, verstärkt
GABA und Taurin
 Effekt: Abstinenzrate nach 1 Jahr etwa doppelt
so hoch wie unter Placebo (PRAMA-Studie,
1994)
Acamprosat - Campral® (3)
 Klinische Einschätzung: seit 1989 eingesetzt,
Rückfallprophylaktische Wirkung bestätigt, gute
Verträglichkeit
 Compliance-Probleme (Patient verspürt keine
Wirkung, Häufigkeit der Einnahme)
 Ausführliche Aufklärung über Wirkweise!
 Einsatz im Rahmen therapeutischen
Gesamtkonzepts (psychosozial und
soziotherapeutisch)
Disulfiram - Antabus® (1)
 Nur noch über internationale Apotheke erhältlich
 Hemmung der Acetaldehyd-Dehydrogenase,
d.h. Anhäufung von Acetaldehyd
 Acetaldehydsyndrom, d.h. Übelkeit, Erbrechen,
Palpitationen, Gesichtsröte (Flash), Tachykardie,
Blutdruckanstieg
Disulfiram - Antabus® (2)
 Wirkungseintritt bei Alkoholkonsum innerhalb
von 10 – 30 Min., Unwohlsein bleibt mehrere
Stunden
 Acetaldehyd-Syndrom bereits ab
Alkoholaufnahme von 3g (ca. 80 ml Bier, 5%)
oder “alkoholfreiem” Bier (0,5 %)
 Einsatz nur in engmaschigem suchtspezifischen
Behandlungsregime.
Naltrexon – Adepend®
oder Nemexin®
• Opiatantagonist (v.a. µ-Rezeptoren)
• 50 mg Tbl. 1x1 Tbl. pro Tag
• Nemexin zugelassen für die Behandlung
abstinenter Opiatabhängiger im Rahmen
der Langzeittherapie, auch ambulant
• Adepend seit 2010 zur Rückfallprophylaxe
Alkoholabhängiger in Deutschland
zugelassen (in USA seit 1995)
Adepend (2)
• 36%ige Senkung des Rückfallrisikos im Rahmen
umfassenden Therapieprogramms
• Reduktion von “Craving” und Unterstützung von
Abstinenz
• Ähnliches Präparat – Nalmefene 20 – 25mg/d,
ab Herbst 2013 in Deutschland zugelassen –
Gabe “on demand” Antagonist der µ-, kappaund delta-Opiatrezeptoren im Gehirn
Adepend (3)
• Therapiedauer 3 Monate bis zu 1 Jahr, in
Einzelfällen länger
• Belohnungsgefühle und Euphorisierung
durch Alkohol wird unterdrückt
• Nebenwirkungen: gastrointestinale
Störungen, Gelenk- und Muskelschmerzen
• Klinische Einschätzung: Wahrscheinlich
das derzeit wirkungsvollste Präparat?
Fallbeispiel 1
• 48j. Patient, langjährig alkoholabhängig,
zwischen 2007 und 2011 in ca. 1 – 2
Monatsabständen in körperlicher
Entzugsbehandlung.
• Campral über 6 Monate ohne Effekt.
• Adepend ab Juni 2011: Anfangs NW, dann gut
verträglich, deutliche Reduktion von “Craving”.
• “trocken” bis 12/2011, dann Entzug, seither
Abstinenzintervalle von 4 - 5 Monate Dauer.
• Weiterhin Rückfälle mit erheblicher Intoxikation.
Fallbeispiel 2
• 39j. Patientin, langjährige Alkoholabhängigkeit
• Vor 2010 Langzeittherapie, danach 2 Jahre
“trocken”
• Aufnahme zum körperlichen Entzug Herbst 2012
• Beschreibung von erheblichem “Craving” in
häuslichen Belastungserprobung
• Nach Adepend innerhalb von 2 Wochen
“Suchtdruck” gemildert, seither in ambulanter
Suchtberatung, “trocken” (?)
Fallbeispiel 3
• 54j. Patient, seit Jahrzehnten alkoholabhängig,
Langzeittherapie ohne Erfolg
• Schwerste Alkoholintoxikationen, multiple körperliche
Entzüge
• Therapieversuch mit Campral erfolglos
• Therapieversuch mit Adepend erfolglos
• Soziotherapie (6 Monate) – in der Therapie “trocken”
• Danach ambulant aufsuchende Suchtbehandlung
• Darunter Abstinenzphasen wochenweise verlängert
• bei Rückfall sofortige Einweisung zum Entzug (“harm
reduction”)
Opiatabhängigkeit
• Buprenorphin – Subutex®
• Buprenorphin + Naloxon - Suboxone®
• Methadon und L-Polamidon
(Levomethadon) – Saft oder
Tabletten (Methaddict®)
Buprenorphin – Subutex®,
Buprenorphin + Naloxon - Suboxone®
• Heroinentzug
• Substitutionstherapie bei Opiatabhängigen im
Rahmen üblicher Qualitätskriterien
(psychosoziale Begleitung, Beikonsumkontrollen)
• Sublingualtabletten 2 – max. 24 mg/Tag
• Wirkdauer: 24 – 72 Stunden
• Sättigungs-(Ceiling) Effekt, d.h. geringes Risiko
der Atemdepression
Levomethadon (L-Polamidon) und
Methadon
• Reiner µ-Opiatrezeptoragonist
• Seit 2005 von der WHO in die “Liste nicht
entbehrlicher Arzneistoffe” aufgenommen.
• Einsatz seit 1960er Jahren in USA
• Einnahme in Fruchtsaft o.ä. (nicht injizierbar!)
• Langsames Anfluten – wenig euphorisierender
“Kick-Effekt”
• Dosierung: ca. 100 mg Methadon als
Einmaldosis pro Tag
Naltrexon - Nemexin®
• Nemexin zugelassen als medikamentöse
Unterstützung für die Langzeitbehandlung
abstinenter Opiatabhängiger
• 50 mg/Tag (1 Tbl.) oder
• 100 mg Mo und Mi, 150 mg Fr
Tabak - Nikotin
• 30 % der Deutschen rauchen
• Entzugssyndrom mit Unruhe, vermehrtem Appetit und
Schlafstörungen.
• Nach zwölf Monaten sind etwa 9 von 10 Rauchern
rückfällig
• Unterstützung, z.B. Verhaltenstherapie, Hypnose erhöht
die Erfolgsquote auf 25 bis 40 Prozent.
• Nikotinersatzpräparate erhöhen bei starken
Rauchern die Erfolgsrate.
• Pflaster, Kaugummis, Lutschpastillen oder Inhalatoren
geben Nikotin dosiert an den Körper ab und lindern
Entzugssymptome, machen aber selbst nicht abhängig.
Vareniclin - Champix®
• Raucherentwöhnung
• 1 bzw. 0,5 mg
• Einnahmebeginn noch während Patient
raucht
• Rauchstopp innerhalb von 14 Tagen
• Weitere Einnahme für 12 Wochen
Vareniclin - Champix® (2)
• Partialantagonist von Nikotinrezeptoren, d.h.
teilweise Stimulation (Unterdrückung von
Entzugssymptomen), zusätzlich Blockade von
exogen zugeführtem Nikotin (Rauchen ist
weniger wirksam)
• Nebenwirkung: Fälle von Übelkeit,
Kopfschmerzen, unangenehme Träume,
Suizidgedanken, Aggressivität
Vareniclin - Champix® (3)
• Belohnender Effekt von Rauchen wird blockiert
über α2ß2-Subtyp des nicotinergen
Acetylcholinrezeptors und Verhinderung der
mesolimbischen Dopaminstimulierung
• Klinische Beurteilung: Abstinenzchancen
werden verdreifacht (jeder 4. hört auf zu
rauchen) – keine Langzeitstudie unter
“Alltagsbedingungen”, Vergleich mit
Nikotinpflaster fehlt
Bupropion – Zyban®, Elontril®
• Verwandt mit Amphetamin
• 150 – 300 mg pro Tag
• Selektiver Dopamin- und NoradrenalinWiederaufnahmehemmer
• Antidepressivum und Raucherentwöhnung
• 150 – 300 mg ca. 7 – 14 Tage vor Rauchstopp
• Anwendungsdauer 7 - 12 Wochen
Bupropion – Zyban®, Elontril®
• Signifikante Effekte hinsichtlich Abstinenz
• Nebenwirkungen: Psychostimulanzien-Wirkung
(Mundtrockenheit, Schlafstörung, Appetitlosigkeit,
Hypertonie, Tachykardie, “High-Gefühl”, epileptische
Anfälle, Suizidalität)
• Klinik: Pat. berichten schon nach Tagen: “Zigarette
schmeckt komisch”
• 30% Raucher sind nach 1 Jahr noch abstinent; Einsatz
nur unter psychiatrischer Kontrolle
Psychiatrische Comorbidität von Sucht
Affektive Störung
• Depression
• Bipolare Erkrankung
• Angst-, Panikstörung
Psychose: Drogeninduziert (z.B. Amphetamine,
Kokain, Cannabis), Schizophrenie
Persönlichkeitsstörung (emotional instabil,
selbstunsicher, abhängig, kombiniert)
Störungsspezifische Therapie
• Antidepressiva (SSRI, NSRI u.a.)
• Mood Stabilizer (Lithium, Valproat u.a.)
• Antipsychotika/Neuroleptika
• …... das Wichtigste:
Suchtmittelfreie Zeit
Häufige Psychopharmaka
• Antidepressiva: Citalopram, Escitalopram,
Sertralin, Venlafaxin, Duloxetin, Agomelatin,
Bupropion…
• Mood Stabilizer: Valproat, Lithium, Lamotrigin,
Topiramat, Carbamazepin…
• Neuroleptika: Quetiapin, Olanzapin, Flupentixol,
Aripiprazol, Amisulprid…
• Bei generalisierter Angststörung: Pregabalin
(Lyrica®)
Fallbeispiel
• 26j. Patientin, akute Aufnahme wegen Suizidalität und
Alkoholintoxikation
• Nach körperlichem Entzug anamnestisch
Stimmungswechsel beschrieben, zeitweise erhöhte
“Kauflaune”, “voller Energie”, dann wieder “lustlos”,
Rückzug und zuletzt auch Suizidgedanken
• vermehrt Konsum von Wein und Prosecco, fühlt sich
unter Alkohol “ausgeglichener”
• Diagnose?
• Behandlung?
• Prognose?
Fallbeispiel
• 53j Patientin, langjährige Angststörung mit Panikanfällen
und diffusen Ängsten
• Seit Jahren ärztlich verordnet Benzodiazepine (aktuell
Tavor 4 – 5 x 0,5 mg/Tag
• Sozialer Rückzug, “klammert” sich an Ehemann, multiple
somatische Symptome (Schlafstörung, Übelkeit,
Kopfschmerzen…), im Kontakt “jammrig” bis vorwurfsvoll
• “Unverträglichkeit” aller Psychopharmaka in niedrigster
Dosierung, Abdosierung von Tavor mehrfach erfolglos
• Diagnose?
• Therapie?
• Prognose?
Ziele in der Suchttherapie
• Besserung komorbider psychischer und
körperlicher Störungen.
• Beseitigung, Reduzierung oder Kompensation
von somatischen, psychischen und psychosozialen Folgen.
Zielpyramide bei Suchtkranken (nach D. Schwoon)
Zufriedene Abstinenz
Abstinenzphasen
Krankheitseinsicht
Sicherung sozialer Umgebung
Verhinderung bleibender Schäden
Sicherung des Überlebens
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
und weiterhin viel Erfolg!
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