Thema „Some like it hot“ – Lichtblicke und ein kühler Kopf Thema Sommertauglichkeit Referat beim Kongress „Häuser der Zukunft“ Zusammenfassung Tageslichtkomfort, freie Sicht nach außen, Raumakustik, Grundrissflexibilität, thermische Behaglichkeit und nicht zuletzt Aussehen, Kosten- und Energieeffizienz stellen zum Teil widersprüchliche Ansprüche an ein Gebäude und an die Gebäudetechnik. Denn wer will nicht einen hellen Arbeitsplatz oder Wohnraum mit gutem Ausblick, der im Sommer angenehm kühl ist? Speichermassen in den Decken sind schon ok, aber zu laut soll es nicht werden, wenn noch wer im Zimmer redet oder telefoniert. Und wenn die Räume im Verlauf der Planung oder später bei anderer Raumeinteilung sich verschieben und verändern, so soll dies einfach und ohne Schwierigkeiten mit Beleuchtung, Heizung, Lüftung und Kühlung funktionieren. Also doch Abhängedecke im Bürobau, oder? Und wie siehts zuhause aus, wenn ich hier auch mit dem PC, Bildschirm und Drucker arbeiten möchte, was machen meine schönen solaren Energiegewinne, die ich durch die hocheffiziente Passivhausverglasung bekomme, dann im Sommer? Welche Kühlung ist kostengünstig und auch energieeffizient? Der Schlüssel zur Lösung dieser an sich widersprüchlichen Anforderungen ist das thermisch optimierte Gebäude und eine gesamtheitliche Planung. Unter Beachtung der architektonischen, städtebaulichen und nutzungsdefinierten Randbedingungen können Gebäudeform, Verglasung, Sonnenschutz, Fassaden, Speichermassen etc. so konzipiert werden, dass mit einem geringen Technik- und Energieaufwand hoher Komfort herstellbar ist. Heizungs- und Lüftungskonzepte sind ausgehend vom Wohnbau und der Niedrigenergie/Passivhausdiskussion schon lange „am Markt“. Entsprechende Konzepte zur Kühlung sind allgemein weniger bekannt und systematisiert – dies auch deswegen, weil die Randbedingungen projektspezifisch sehr unterschiedlich sind. Mit der steigenden Bedeutung von Energieeffizienz auch im Bürobau und mit den zunehmenden Wärmelasten durch EDV und Sonneneinstrahlung im Wohn- und Schulbau gewinnt jedoch die Bearbeitung des Themas Kühlkomfort mit niedrigem Energieverbrauch und technisch einfachen Systemen an Bedeutung. Im Folgenden werden prinzipielle Grundlagen zu Komfort, Klima, Architektur und Wärmelasten sowie mögliche Kühlkonzepte und Optimierungsschritte dargestellt. Weiters werden Beispielprojekte im Büro-, Schul- und Wohnbau präsentiert, die zeigen, wie mit geringen Kosten und nachhaltigen Maßnahmen in der thermischen Gebäudeoptimierung ein angenehm kühles sommerliches Gebäudeverhalten herstellbar ist, ohne unerwünschte Einschränkungen betreffend Tageslicht, Sichtbezug, Akustik, Flexibilität oder Aussehen in Kauf nehmen zu müssen. Grundlagen Komfortbedürfnisse Neben der maximalen Raumtemperatur bestimmen die Häufigkeit höherer Raumtemperaturen, Bekleidung, Aktivität, Lüftung, Raumluftfeuchte und Außenklima die thermische Behaglichkeit im Sommer. Raumtemperaturen um 28°C werden im Allgemeinen toleriert, wenn sie selten bzw. nur bei Außentemperaturen über 30°C auftreten. Dagegen können Raumtemperaturen um 25°C bereits zu Unzufriedenheit führen, wenn außen tiefere Temperaturen vorherrschen. Im modernen Bürobau kann bei höheren Anforderungen an Leistungsfähigkeit und Motivation der Mitarbeiter auf ein Kühlkonzept nicht verzichtet werden. Eine mechanische Kühlung kann hier nur in seltenen Fällen entfallen, die Zielsetzung innovativer und energieeffizienter Konzepte liegt vielmehr in der Entwicklung einer nutzungsgerechten, ökonomisch und ökologisch vertretbaren Lösung. Aber auch beim Wohnen und in der Schule soll es im Sommer angenehm kühl oder zumindestens nicht unangenehm heiß sein. Wenn es im Auto 22°C bis 24°C hat, so wollen die NutzerInnen das dann oft auch im Wohnzimmer und wenn ab 25 bis 26°C die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit des Menschen deutlich sinkt, so ist nicht einzusehen, warum ausgerechnet Schulklassen oft schon im Mai deutlich höhere Raumtemperaturen aufweisen. Eine rechtzeitige Einbeziehung des Themas Sommertauglichkeit in Planung und Realisierung spart auch hier unangenehme Überraschungen im Betrieb. Klima, klimatische Veränderungen Auch wenn besonders heiße Sommer wie der „Jahrhundertsommer 2003“ als Einzelereignisse eingestuft werden, zeigt sich deutlich ein Trend zu steigenden Temperaturen. Statistische Mittel- und Maximalwerte sowie synthetische Klimadaten und Kühlungsauslegungen, welche auf Wetterdatenmaterial bis in die 90er Jahre beruhen, geben diesen Temperaturanstieg nur ungenügend wieder. Z.B. traten in der Umgebung von Berlin zwischen IBO GmbH (Hrsg) Häuser der Zukunft – Von der Forschung in die Praxis Aktuelle Produkte, Werkzeuge und Beispiele für nachhaltiges Bauen IBO Verlag 2006, 188 Seiten, Euro 30,– ➤ IBOmagazin 1/06 5 Häuser der Zukunft Fortsetzung von Seite 5 1947 bis 2004 etwa 20 Tage > 34°C auf, davon allein 16 Tage ab 1991. Eine diesbezügliche Untersuchung von Gebäuden und Kühlkonzepten ist jedenfalls zu empfehlen, insbesondere wenn mit Komponenten wie Nachtauskühlung und Speichermassen geplant wird, da hierbei die Anzahl heißer hintereinanderliegender Tage und die Möglichkeit der Nachtauskühlung bei Außentemperaturen deutlich unter 20°C von Bedeutung sind. Abb. 1: Vergleich Heißwetterperiode aus Testreferenzdaten eines „10 jährig heißen Julis“ mit Messwerten zum Jahrhundertsommer 2003 im Raum Rheintal/Vorarlberg. In Abbildung 1 ist deutlich zu sehen, dass Höchsttemperatur außen, Wochenmittelwert und Anzahl Abb. 2: Wärmelasten in 12 m2 Raum im Vergleich zu üblichen Kühllasten und Heizlasten im Allgemeinen sowie zur Leistungsfähigkeit einer rein passiven Kühlung über Fensternachtlüftung und Speichermassen. Einzelne Wärmelasten ohne Berücksichtigung von Speicherfaktoren und Gleichzeitigkeiten sind für die Gesamtwärmebelastung des Raums nicht einfach addierbar. 6 IBOmagazin 1/05 hintereinanderliegender heißer Tage im „Jahrhundertsommer 2003“ erheblich über den Testreferenzdaten liegen. Im Allgemeinen sind damit Konzepte mit reiner Nachtkühlung und Speichermassen problematischer. Aber auch stark außenluftund raumluftabhängige Konzepte z.B. mit Lüftungskühlung oder Gebläsekonvektoren (FanCoils) verhalten sich ungünstig, da bei steigenden Raumtemperaturen komforttechnisch auch die Zulufttemperatur erhöht werden muss und eine höhere Kühlleistung bei der Außenluftkühlung erforderlich ist. Vorteilhaft dagegen reagieren Kühlkonzepte mit aktiver Speichermassenkühlung über Decke oder Boden und kontrollierter Lüftung. Architektur, Gebäudekonstruktion Art und Regelung des Sonnenschutzes, allfällige Fixverschattungen, Verglasungsqualität und Verglasungsanteil, Fassadenaufbau, thermische wirksame Speichermassen und Lüftbarkeit des Gebäudes wirken sich auf das thermische Gebäudeverhalten und damit auf die sommerlichen Raumtemperaturen bzw. das Ausmaß der Kühlung in Herstellung und Betrieb aus. Die in den letzten Jahrzehnten erheblich verbesserte Verglasungsqualität macht grosse, tageslichttechnisch günstige Glasflächen möglich, deren winterliche Wärmeverluste auf 20–30 W pro m2 Glasfassade reduziert wurden. In Summe ergibt sich mit Ausnahme der Nordseite im Winter oftmals sogar ein positiver Energiegewinn über die Verglasung. Die sommerlichen Energiegewinne können aber ohne erhebliche Verluste beim Tageslicht glastechnisch und durch allfällige Fixverschattungen nicht unter etwa 100–150 W pro m2 Glasfassade gesenkt werden. Eine farbneutrale Sonnenschutzverglasung nimmt den tageslichttechnisch nicht bedeutenden Energieteil der Einstrahlung weg, was zu g-Werten der Verglasung um minimal 30 bis 40 % führt, ohne zusätzliche Verschattung entspricht dies 200 bis 400 W pro m2 Fassade Sonneneintrag! Alles, was darüber hinaus geht, nimmt gleichzeitig Tageslicht weg ... und in unseren Breitengraden ist immer noch der Betriebsanteil mit niedrigerem Tageslicht und diffusem Himmel gegenüber den Sonnentagen in der Mehrheit. Eine in Sommer und Winter sowie auch bezüglich Tageslicht und Aussicht geeignete Fassade ist projektspezifisch zu entwickeln, wobei einfache außenliegende Sonnenschutzsysteme oft bezüglich Aussehen, Wartung und Windbeständigkeit schwierig und nicht gewünscht sind. Weiteres architektonisches und baukonstruktives Thema ist die Speichermasse – mit teils aus ökologischen, teils aus fertigungstechnischen Gründen sinnvollen Bauweisen in Leichtbau oder Holzbau, insbesondere auch für die Decken, ist konzeptionell zu überlegen, wie mit dem Thema „sommerlicher Wärmeschutz“ umgegangen wird, beziehungsweise die nicht mehr gegebenen thermischen Speichereigenschaften ersetzt werden. Innere und solare Wärmelasten Abbildung 2 zeigt typische Bandbreiten zu inneren und solaren Wärmelasten im Wohn-, Schul- und Bürobau im Vergleich mit Heiz- und Kühlleistungen typischer Heiz-/Kühlsysteme. Es ist deutlich, dass die Größenordnungen der einzelnen Wärmelasten durchaus in der Größenordnung der Heizleistung eines modernen Gebäudes liegen und dass notwendige Kühlleistungen insbesondere ohne Optimierungsstrategie betreffend Kühlung und Wärmelasten im Allgemeinen die winterliche Heizlast übersteigen können. Konzeptkomponenten, Optimierungsstrategin Grundsätzlich ist im Kühlkonzept zwischen passiver und aktiver Kühlung zu unterscheiden. Als passive Kühlung werden hierbei sämtliche Komponenten bezeichnet, die Wärmelasten vermeiden oder „natürlich“ abführen z.B. fixer und beweglicher Sonnenschutz der Fassade, Wärmeschutz, thermisch wirksame Speichermassen, Belüftbarkeit, Nachtquerlüftungsmöglichkeit u.a.. Aktive Kühlung ist dagegen die durch Kältetechnik und technische Kälteabgabesysteme hergestellte Kühlung. Aus thermischer, energetischer und komforttechnischer Sicht ist die passive Kühlung vorrangig zu behandeln, im Allgemeinen sind hier auch deutlich höhere Wärmelasten vermeidbar, als auf der Kälteabgabeseite mit einfachen und kostengünstigen Systemen erzeugbar sind. Alles, was das Gebäude nicht kann, muss schließlich die Technik leisten, wobei im Allgemeinen die Lebensdauer der Technik niedriger ist und sich ein Investment in das länger bestehende Gebäude auch längerfristig bezahlt macht. In der Konzeptionierung ist vor allem das Zusammenarbeiten sämtlicher Konzeptkomponenten entscheidend. Wie Abbildung 3 zeigt, ermöglicht Thema erst ein gesamtheitliches Konzept mit mehreren gebündelten Maßnahmen eine relativ einfache, energetisch und ökonomisch günstige Kühlung oder überhaupt den Verzicht auf eine aktive Kühlung. Kälteerzeugung Neben der Optimierung von Gebäude und Kälteabgabesystem ist eine energetisch, ökonomisch und ökologisch optimierte Kälteerzeugung erforderlich. Mit einfachen Fundamentabsorbern, z.B. unter Bodenplatten von Tiefgaragen oder Untergeschoßen, oder wenigen Bohrlochsonden lassen sich zwar nur geringe Kühlleistungen im Dauerbetrieb erzielen. Werden diese Systeme jedoch nur im Spitzenlastbetrieb betrieben, z.B. ausschließlich für die Außenluftkühlung an Tagen über etwa 28°C, so sind durchaus höhere Kühlleistungen möglich. Sind aus statischen Gründen eine Pilotierung oder Schlitzwände für das Gebäude notwendig, so lassen sich diese auch zur Kältegewinnung nutzen. Bivalente Systeme mit Erdkältenutzung und konventioneller, technisch effizienter Kältetechnik ermöglichen einen effizienten Kühlbetrieb mit jeweiliger Nutzung der systemspezifischen Vorteile. Bei solarer Kühlung ist neben der technischen und solaren Möglichkeit vor allem zu überprüfen, ob ausreichend Wärmeabgabesysteme und Rückkühlmöglichkeiten zur Verfügung stehen. ➤ Abb. 3: Optimierungsschritte eines Kühlkonzepts (in willkürlicher Reihenfolge), entsprechende Kühllasten und mögliche Raumtemperaturbandbreiten ohne Kühlung im Vergleich zu den Kühlleistungen von Raumkühlungssystemen (Raumkühlungssysteme für sehr hohe Wärmelasten nicht betrachtet). IBOmagazin 1/06 7 Häuser der Zukunft Praxisbeispiele Fortsetzung von Seite 7 Dienstleistungs- und Verwaltungszentrum, Barnim, Eberswalde Neben der energetischen Projektzielsetzung eines Primärenergieverbrauchs für Heizung, Warmwasser, Lüftung, Kühlung, Beleuchtung und technisches Equipment < 100 kWh/m 2a (ohne nutzungsspezifische Einrichtung i.b. ohne EDV) sind auch hohe Anforderungen an eine kostengünstige Herstellung und an einen guten sommerlichen Komfort gegeben. Dies hat zu einem relativ einfachen Haustechnikkonzept mit Heizkörpern in den Büroräumen, einer betondeckenintegrierten Lüftung sowie einer Fußbodenheizung/-kühlung in den mittigen Kombi- und Gangflächen geführt. Darüber hinaus ermöglicht ein natürliches Nachtlüftungskonzept über motorische Fensterflügel eine Querlüftung der Erschließungsflächen mit Zuluft von der Fassade und Abluft über die Brandrauchentlüftungsklappen der Innenhöfe. Aufgrund der Nachtlüftung und der Fußbodenkühlung werden die innenliegenden Gebäudekerne und Kombiflächen auch bei sehr heißen Außentemperaturen unter 26°C gehalten. Die Büros sind transparent und offen zu den Innenzonen gehalten (überwiegend Großraum-/Kombibüros oder Einzelbüros mit Schiebetüre). Sie verfügen über eine speicherwirksame Decke und einen außenliegenden Sonnenschutz. Durch die thermische Wechselwirkung der Büros mit der Innenzone, die thermische Aktivierungsmöglichkeit der Decke über die Luftführung sowie durch ein mit dem Bauherrn vereinbartes energiesparendes EDV-Konzept können die Büroräume bei angenehmen sommerlichen Raumtemperaturen von in der Regel um 26°C mit einem geringen Betriebsstundenanteil bis maximal um 28°C gehalten werden. Gleichzeitig ergibt sich ein sehr kosteneffizientes und im Betrieb nachhaltiges Haustechnikkonzept. Fotos und Grafiken: team gmi Akademisches Gymnasium, Innsbruck Im Sommer verträgliche Raumtemperaturen werden im Zubau des Akademischen Gymnasiums Innsbruck durch einen effizienten Sonnenschutz der hohen Verglasungen sowie durch eine Nachtlüftungskonzept über motorische Fensterklappen erreicht. Die im Bestand relativ geringen Speichermassen (Holztramdecken) konnten durch die ca. 2 m vorgesetzte Fassadenzone des Neubaus erhöht werden (Untersichten Stahlbeton gespachtelt). Die Nachtlüftung über automatisch öffenbare Fenster wird ebenfalls zur Belüftung der Klassen verwendet, wobei auch ein für die Nutzer manuell betätigbarer Fensterflügel vorhanden ist. Die notwendige Branddruckbelüftung der Stiegenhäuser wird zusätzlich als Zuluftanlage unterstützend für die Nachtlüftung und die natürliche Klassenraumbelüftung eingesetzt. 8 IBOmagazin 1/06 Thema Passivhaus – StudentInnenheim Molkereistrasse, Wien Energetische Zielsetzung in der Errichtung des StudentInnenwohnheims Molkereistrasse ist vor allem die Erreichung der Passivhauskriterien, im Besonderen Heizwärmebedarf < 15 kWh/m2a und Heizlast < 10 W/m2 gemäß Passivhausprojektierungspaket für jede Wohnung, sowie Primärenergiebedarf < 120 kWh/m 2a. Zudem ergibt sich durch das entwickelte Gebäudeklimakonzept auch ein hoher Kühlkomfort, so dass auch eine EDV Nutzung in den einzelnen Zimmern bei angenehm kühlen Temperaturen möglich ist. Dies wird erreicht durch einen effizienten außenliegenden Sonnenschutz, einen moderaten Verglasungsanteil, hohe Speichermassen, eine Nachtbelüftung und Nachtkühlung des innenliegenden Gebäudekernes sowie eine Kühlung der Außenluftzufuhr im Sommer über einen wassergeführten Erdreichwärmetauscher (Fundamentabsorber). Abb. 4: Sommerverhalten PassivhausstudentInnenwohnheim Molkereistrasse, Zimmer = Regelzimmer ohne EDV Nutzung. Bei EDV-Nutzung ergeben sich je nach Wärmelast üblicher EDV etwa 2 K höhere Raumtemperaturen und damit insgesamt guter Kühlkomfort in Relation zu 31 bis 34°C Außenlufttemperatur Weitergehende Informationen zu Projekten, Konzepten, und Planung: www.teamgmi.com Christoph Muss teamgmi IBOmagazin 1/06 9