Sommer­tauglich bauen Um die Energieeffizienz von Gebäuden zu steigern, wurden in den vergangenen Jahrzehnten intensiv Möglichkeiten zur Verringerung von Heizwärmeverlusten bei Gebäuden diskutiert. Gleichzeitig kommen verstärkt energieeffiziente Wärme­ erzeuger und Ökoenergieträger zum Einsatz. Der stark steigende Energiebedarf aktiver sommerlicher Kühlung von Gebäuden findet dagegen deutlich weniger Beachtung. Und das, obwohl dieser Bedarf gerade im modernen Verwaltungs- und Dienst­leistungsbereich in vielen Fällen dem Aufwand für Heizung gleichkommt oder diesen sogar noch übertrifft. sommertaugliches Gebäude passiv im Komfortbereich aktiv heizen aktiv kühlen aktiv heizen klima-unabhängiger Energieverbrauch -10 -5 0 5 10 15 20 klima-unabhängiger Energieverbrauch 25 30 -10 -5 mittlere Aussentemperatur in °C Während bei herkömmlichen Gebäuden im Nichtwohnbereich an nur ein relativ wenigen Tagen im Jahr ein angenehmes Raumklima ohne Heizen und aktivem Kühlen erreicht wird, kann in modernen Gebäuden, bei entsprechender Planung, dieser Bereich wesentlich erweitert und damit Heiz- und Kühlenergie gespart werden. Wichtig ist es, dem sommerlichen Wärmeschutz schon in der Planungsphase große Bedeutung beizumessen! Sommerliche Überwärmung wird lt. ÖNORM 8110-3 als vermieden betrachtet, wenn am Tag 27°C und in der Nacht 25°C nicht überschritten werden (siehe auch 0 5 10 15 20 25 30 mittlere Aussentemperatur in °C Oö. Bautechnik-Verordnung bzw. OIB-Richtlinie 6). Voraussetzung dafür sind unter anderem strenge gesetzliche Anforderungen an den Kühlbedarf von NichtWohngebäuden: maximal zulässiger außeninduzierter Kühlbedarf KB* pro m3 Bruttovolumen Neubau 1,0 kWh/m3a umfassende Sanierung 2,0 kWh/m3a bzw. Nachweis der Vermeidung der sommerlichen Überwärmung gemäß ÖNORM B 8110-3 Sommertauglich bauen (1) Energiebedarf, qualitativ bisheriges Gebäude 37 Verminderung des Wärmeeintrags Glasarchitektur Wie beim Heizenergiesparen gilt auch hier: Vermeiden geht vor Reparieren. Der sommerliche Wärmeeintrag eines Gebäudes wird bestimmt von: Nach wie vor sind Ganzglas-Gebäude ein häufig gewähltes Architektur-Konzept. Sie stehen für Transparenz, Kommunikation und Innovation. Nicht zuletzt deshalb werden viele dieser Gebäude realisiert, obwohl sie häufiger Innenklimaprobleme haben, die nur mit erheblichem technischem Aufwand gemeistert werden können. Besonnungszeit / Dauer des solaren Eintrags Sommertauglich bauen 38 (zu beachten ist auch, dass im Sommer die Wärmeeinstrahlung ost- und westseitig höher ist als südseitig) Einstrahlungswinkel Verhältnis: Größe verglaste Fläche/Größe nichttransparente Fläche (tatsächlich sind die Wärmeerträge über die nichttransparenten Flächen im Vergleich zu den transparenten Flächen für den Sommerfall eher zu vernachlässigen, beim Wärmeabfluss im Winter spielen sie allerdings eine wesentliche Rolle.) Glasqualitäten: Transmissionsgrad, Energiedurchlassgrad und U-Wert Wärmedurchgang und Wärmekapazität nichttransparenter Flächen Möglichkeiten der Verschattung durch Sonnenschutz, auskragende Bauteile, Bepflanzung etc. Interne Wärmequellen (Personen, Beleuchtung, Geräte) Außenlufteintrag (Lüftung, Luftwechsel) Speichermasse Reduzierung innerer Wärmelasten (zB. durch effiziente Beleuchtung und Geräte) Der Verglasungsanteil orientiert sich bei einer an Nutzung, Wohlbefinden und Energieeffizienz ausgerichteten Planung an der erforderlichen Belichtung und der Möglichkeit eines ausreichenden visuellen Außenbezugs. Das bedeutet einen transparenten Anteil von max. 50 Prozent der Fassadenfläche. Grundsätzlich gilt, dass Ganzglasfassaden ohne technische Klimatisierung nur mit großem technischem und finanziellem Aufwand zu beherrschen sind und an Südund Westseiten häufig keinen ausreichenden Schutz vor sommerlicher Überhitzung gewährleisten können. Bei Bürogebäuden tragen Verglasungen unterhalb der Arbeitsfläche weder zur Belichtung noch zum Ausblick bei, erhöhen aber den Wärmeeintrag bei solarer Einstrahlung. Grundsätzlich lassen sich Lochfassaden thermisch besser regulieren und optimieren. Innere Wärmelasten Als Richtwert für den maximalen Wärmeeintrag um ein Gebäude mit einfacher Ausstattung ohne Klima und Kühlaggregate im Sommer wirkungsvoll betreiben zu können, gelten 300 W pro Person. Um diesen Wert nicht zu überschreiten, ist eine Optimierung innerer Lasten erforderlich, z.B: Materialien und Baustoffe mit hoher Speicherkapazitäten, effiziente Bürogeräte & Beleuchtung. Bilanz interne Wärmelast ~ 300 W Mensch -100 W Lade/ BeleuchPC Drucker Netztung geräte 50-90 W 20-55 15-20 W 10-30 W W Bildschirm 20-35 W Fax, Kopierer, Kaffeemaschine Strahlungsbilanz am Fenster 13 % 6% 27 % 46 % 17 % ) 14 % 27 % 13 % 54 % 16 % 5% 48 % Speichermasse ) 14 % 86 % mit innenliegender Jalousie mit außenliegender Jalousie aus “Handbuch der passiven Kühlung“ Das stabilisierende Element der Innenraumtemperatur ist die Speichermasse des Gebäudes. Je träger das Temperaturverhalten, desto langsamer die Wärmeaufnahme und desto wirkungsvoller die Kühlespeicherung. In der Regel ist durch den Einsatz massiver Bauteile (Betondecken, gemauerte Innenwände) ausreichend Speichermasse gegeben, wenn diese nicht durch Verkleidungen (z.B. abgehängte Decken etc.) von der umströmenden kühlen Nachtluft abgeschirmt wird. Sonnenschutz tank und das Wärmeträgerfluid strömt durch Kanäle in einen Wärmeüberträger; das PCM befindet sich makroverkapselt in PCM-Modulen, die im Speicherbehälter positioniert sind und vom Wärmeträgerfluid umströmt werden; das PCM ist Bestandteil des Wärmeträgerfluids und erhöht dessen Fähigkeit, Wärme zu speichern. Es kann somit an jeden beliebigen Ort im System gepumpt werden, wo es direkt Wärme freisetzt oder aufnimmt. Wärmeträgerfluid und PCM bilden zusammen ein pumpfähiges Speichermedium – auch als “PCMSlurry“ bezeichnet. Während für die ersten beiden Konzepte Luft sowie Wasser oder andere Flüssigkeiten als Wärmeträgerfluid eingesetzt werden können, eignet sich Letzteres lediglich für Flüssigkeiten. Zu unterscheiden ist zwischen passivem, feststehendem Sonnenschutz und aktivem, beweglichem Sonnenschutz Einfluss von verschiedenen Abschattungsvorrichtungen auf die Sonnenenergiezufuhr in einem Raum. Abschattungsvorrichtungen Wirkung Außenjalousie, Fensterläden mit Jalousie­ füllung (beweglich, unterlüftet, Belichtung ohne künstliche Beleuchtung möglich) 0,27* beschattungswirksame Vordächer, Balkone und horizontale Lamellenblende 0,32 Rolläden, Fensterläden mit voller Füllung 0,32 Markisen (seitlicher Lichteinfall möglich) 0,43 Zwischenjalousie 0,53 Innenjalousie (je nach Farbe und Material) 0,75 helle Innenvorhänge, Reflexionsvorhänge und Innenmarkisen Bepflanzung hoch das Speichermaterial befindet sich in einem Speicher- Bei Gebäuden ohne technische Klimatisierung ist auf den besonnten Fassaden ein Sonnenschutz unverzichtbar. Beschichtungen von Gläsern gewährleisten bis dato keinen ausreichenden Schutz vor Überhitzung. Ein wirksamer Sonnenschutz in Kombination mit natürlicher Lüftung ermöglicht unter hiesigen klimatischen Bedingungen und wenn keine zu großen inneren Wärmelasten vorhanden sind, den Verzicht auf technische Klimatisierung. Wirkung Neue Materialen wie PCMs (Phase Change Materials) erhöhen die Speicherfähigkeit. Speichersysteme mit unterschiedlichen Wärmeträgerfluiden sind energetisch sehr effizient. Mit PCM-Slurries als flüssigen, pumpfähigen Speichermedien können zusätzlich große Wärmespeicherkapazitäten erreicht werden. In innovative Gebäude­ lösungen eingebundene Wärme- und Kälte-Speicher beruhen im Wesentlichen auf drei verschiedenen Konzepten: 0,75 0,50-1,00 keine Abschattung niedrig PCM-Konzepte für die Gebäudetechnik 1,00 Der effektivste Sonnenschutz ist außenliegend bzw. im Fensteraufbau integriert. Interne Wärmequellen Interne Wärmequellen spielen v.a. bei Verwaltungsgebäuden eine entscheidende Rolle. Belegungsdichte, Beleuchtung sowie der Einsatz von Geräten tragen wesentlich zu einer Aufheizung bei. Zeitgleich mit wärmetechnischen Verbesserungen sind die Gerätedichte und die Nutzungsdauer elektronischer Geräte gestiegen, so dass auch längerfristig mit entsprechendem Strombedarf und Wärmeabgabe zu rechnen ist. Elektrische Beleuchtung als Wärmequelle lässt sich durch Tageslichtnutzung wesentlich reduzieren. Zur Beleuchtungsergänzung ist der Einsatz tageslichtabhängiger Steuerungssysteme für Kunstlicht sinnvoll. Typischer Tagesgang der internen Lasten eines Verwaltungsgebäudes 25 Personen Beleuchtung Sonstiges Arbeitshilfen Leistung (W/m2) 20 15 10 5 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Tageszeit 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Sommertauglich bauen (2) Richtwerte gemäß ÖNORM B 8110-3; *27% der Sonnenenergie kommen durch, 73% werden abgeschattet 39 Kühlung Solare Kühlung Bei längeren Sonnenperioden im Sommer müssen manche Gebäude gekühlt werden. Dies kann durch passive, hybride oder aktive Kühlung geschehen. Grundsätzlich sollte passiven Systemen der Vorzug gegeben werden. Ein neues Anwendungsgebiet der Solarthermie, das in den kommenden Jahren vor allem für Nicht-Wohngebäude zunehmend an Bedeutung gewinnen wird, ist die solare Kühlung. Dabei wird die gewonnene Energie der Solaranlage mit einer thermischen Kältemaschine in Kälteenergie umgewandelt. Die Solaranlage hat in vielen Fällen eine Dreifachfunktion: Warmwasserbereitung, Heizungsunterstützung und Kühlung. Als passive Kühlung bezeichnet man Systeme, die ohne mechanische Antriebe arbeiten. Dazu gehören bauliche Vorkehrungen zum sommerlichen Wärmeschutz, Beschattung und Belüftung bzw. Gestaltung des Mikroklimas. Hybride Systeme gründen auf einfachen haustechnischen Komponenten und nutzen natürliche Kältequellen wie z.B. Erdreich, kühle Nachtluft, Grundwasser in Verbindung mit Speichermedien wie z.B. Betondecken. Aktive Systeme wie z.B. Kältemaschinen müssen dann eingesetzt werden, wenn aus Planungsdefiziten oder speziellen Nutzungsansprüchen besondere Wärmelasten entstehen, die mit Passivsystemen nicht steuerbar sind. Zum Beispiel wurde im neuen Amtsgebäude der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach eine der ersten solaren Kühlanlagen installiert: Die 124 m² große Solaranlage, 2 x 4.000 l Pufferspeicher und eine 30 kW Absorptionskältemaschine sorgen im Sommer für die Kühlung des Gebäudes. Auch Hersteller von Solarkollektoren setzen auf Ihren Betriebsgebäuden solare Kühlung ein. Nachtkühlung Sommertauglich bauen Die einfachste Form passiver Kühlung ist die Nachtkühlung. Diese wirkt, wenn die Nachttemperatur für mindestens fünf Stunden unter 21°C liegt. Dies ist in unseren Klimazonen nahezu immer gegeben. 40 Die manuelle Fensterlüftung verlangt allerdings ein entsprechendes Verhalten der Nutzer/innen. Durch Einsatz von Querlüftungen kann das Ergebnis optimiert werden. Mit einem mechanischen Lüftungssystem können Kühllasten nachts gezielter und gesteuert abgeführt werden, wobei der Hilfsenergieaufwand für den notwendigen Luftwechsel zu berücksichtigen ist. Pflanzen für ein gutes Raumklima Daneben kann eine fachgerechte Auswahl und Betreuung von Pflanzen im Gebäudeinneren das Raumtemperaturempfinden merklich beeinflussen. Pflanzen regulieren den Feuchtigkeitshaushalt der Räume und weisen auch eine signifikante Kühlleistung durch Transpiration auf. Alles Wichtige auf einen Blick Schritte zum sommertauglichen Gebäude – es gilt: “Vermeiden geht vor Reparieren“ und passiven Konzepten den Vorrang zu geben Tag Nacht (Bauteile nehmen Wärme auf und reduzieren den Temperaturanstieg) (Bauteile geben Wärme an die kühle Nachtluft ab) radiativer und konvektiver Wärmeübergang konvektiver Wärmeübergang Nachtlüftung standortgerechte Architektur, Gebäudeausrichtung sehr gute Wärmedämmung, ausreichend Speicher­masse außenliegender Sonnenschutz wenn möglich, Nachtlüftung vorsehen Reduktion innerer Wärmelasten v.a. durch Tageslichtnutzung in Kombination mit effizienter Beleuchtung und Ausstattung mit effizienten Bürogeräten ev. Pflanzen zur Regulierung des Feuchtigkeitshaushaltes der Räume