Praxis Energieeffizienz in Neubau, Sanierung und Instandhaltung Energetische Modernisierung eines Museums – Energieeffizienz bei Nicht-Wohngebäuden mit hohen klimatischen Anforderungen Heike Haracska, LUWOGE consult GmbH Gerhard Kuder, Balck + Partner Facility Engineering Für Wohngebäude wurden in den vergangenen Jahren viele Konzepte für energieeffiziente Modernisierungen entwickelt, vielfach auch mit ganzheitlichem Ansatz und dem Ziel, die wirtschaftlichste Variante herauszufinden. Nichtwohngebäude rücken erst langsam in den Fokus der Öffentlichkeit, noch gibt es kaum Förderprogramme für solche Gebäude. Seit Einführung der DIN V 18599 muss das Gebäude ganzheitlich betrachtet werden, unter Einbeziehung von Hülle, Heizungsanlage und Warmwasserbereitung, Klimaanlagen, Be- und Entfeuchtung, Belüftungssystemen, Beleuchtung und dem Einsatz von erneuerbaren Energien. Am Beispiel der energetischen Sanierung des Wilhelm-Hack-Museums in Ludwigshafen wollen wir aufzeigen, dass auch bei Nichtwohngebäuden durch geschickte Maßnahmenkombinationen bei Anlagentechnik und Gebäudehülle ein energetisch hochwertiges Niveau zu erreichen ist und damit dem Bauherren langfristig Energie- Instandhaltungs- und Finanzierungskosten eingespart werden können. Abb. 1 Das Wilhelm-HackMuseum 205 Energetische Modernisierung eines Museums Ausgangslage Das Wilhelm-Hack-Museum liegt im Stadtkern von Ludwigshafen und prägt als Zeitzeuge der 70er Jahre das Stadtbild. Wahrzeichen des Museums ist eine Keramikwand aus Fliesen von Joan Miró (55 x 10 m) an der Südostfassade. Das Museum bietet sehr unterschiedliche Sammlungsschwerpunkte: konstruktivistisch-konkrete Kunst (Mondrian und Malewitsch), Pop-Art (Warhol, Lichtenstein), sakrale Kunst im Mittelalter sowie Gräberrelikte aus der Völkerwanderungszeit. Die bislang publikumsträchtigste Ausstellung war in 2003/2004 der „Blaue Reiter“. Für 2009 ist eine große Surrealismus-Ausstellung geplant. Zum Erhalt wertvoller Exponate werden sehr hohe Anforderungen an die Klimastabilität, sowohl an die Temperatur als auch an die Raumluftfeuchte, gestellt. Für die dauerhafte Erhaltung von historischem Kulturgut ist es notwendig, das Klima über das Jahr hinweg möglichst konstant zu halten und auch kleinste Schwankungen zu vermeiden. Im derzeitigen Gebäudezustand könnten keine wertvollen Kunstwerke ausgestellt werden. Das Gebäude wurde 1976 in Massivbauweise (Sichtbeton) errichtet und weist die typischen Mängel aus dieser Bauzeit auf: • • • • • • • • Undichtigkeiten von Glasdichtungen, Anschlüssen, Dampfdichtung Hohe solare Lasteinträge Kondensatanfall an der Rahmeninnenseite, Tauwasserausfall Oberflächenverwitterung an Außenbauteilen, Abplatzungen an Sichtbetonflächen Hoher Leistungsbedarf und Verbrauch von Heiz- und Kühlenergie durch schlechte Außenbauteile und viele Wärmebrücken Keine automatischen Sonnenschutzsysteme, dadurch hohe Kühllast im Sommer Keine automatische Lichtsteuerung Hohe Instandhaltungskosten Das Museum hat ca. 30.000 m³ umbauten Raum und ca. 3000 m² Ausstellungsfläche, die fließend ineinander übergeht (Ebenen, die mit Rampen oder Treppen verbunden sind – ohne raumabschließende Wände). Vorhandene Anlagentechnik Die Ausstellungsräume wurden mit einer zentralen Lüftungsanlage be- und entfeuchtet, gekühlt und beheizt. 206 Heike Haracska / Gerhard Kuder • • • • RLT-Anlage Museum mit max. Außenluftanteil von 20 Prozent, 2-stufige Ventilatoren ohne Volumenstromabgleich zwischen Außen- und Fortluft Keine Wärmerückgewinnung Befeuchtung durch elektrisch erzeugten Dampf und damit Gegeneinanderarbeiten von Befeuchtung und Kühlung Hohe Volumenströme notwendig zur Einhaltung der Raumbedingungen Es bestanden folgende gravierende Probleme: • • • Kurzschlüsse zwischen Zu- und Abluft durch Luftführung im Deckenhohlraum Erschwerte Betriebsweise durch Taupunkt an Bauteilen, was zusätzliche Entfeuchtung notwendig macht Unterdruck im Gebäude, der unkontrollierte Einströmung unbehandelter Luft durch Türen und Entrauchungsventilatoren verursacht Aufgabenstellung Der Museumsbetrieb ist ohne Sanierung nicht mehr gewährleistet. Die angestrebten internationalen Ausstellungen sind nur unter Einhaltung konstanter klimatischer Bedingungen möglich: • • • Keine kurzfristigen Schwankungen von Feuchte und Temperatur Sommer: 21–24 °C, 50–58 % rF (Regelungsabweichungen +/-5 %) Winter: 19–23 °C, 48–56 % rF (Regelungsabweichungen +/-5 %) Aufgrund der angespannten öffentlichen Haushaltslage sind nur sehr begrenzte finanzielle Mittel vorhanden, die zwingend eingehalten werden müssen. Durch gestalterische und „denkmalpflegerische“ Zwänge (Mirówand als Kunstwerk, Urheberrecht, Zeitzeuge der 70er Jahre, die Fassade durchdringende Betonkuben etc.) wird die energetische Modernisierung zusätzlich erschwert. Beteiligung der Nutzer Die Museumsleitung wurde im bisherigen Planungsprozess aktiv mit einbezogen. Insbesondere Beleuchtung, Verschattung, Tageslichteinfall, Steuerungseinrichtungen für Beleuchtung und Klimatisierung wurden auf den Museumsbetrieb mit wechselnden Exponaten abgestimmt. Die zu erneuernden Bauteile sollen in Struktur und Oberfläche den einfachen und rauen Charakter des bisher verwendeten Sichtbetons (passend zur „Arbeiterstadt“ Ludwigshafen) erhalten. Der Fokus auf die ausgestellten Exponate soll so wenig wie möglich abgelenkt werden (Gazevorhang vor Glasfassade verwischt innen und außen, gleichmäßige Beleuchtung, Verwendung von Okalux in den Oberlichtern gemäß Nutzerangaben). 207 Energetische Modernisierung eines Museums Konzept der Energetischen Modernisierung Ermittlung des wirtschaftlichsten Modernisierungskonzeptes unter Berücksichtigung von Fördermitteln und Folgekosten Hier musste ein Ansatz gefunden werden, um mit den gegebenen Mitteln ein energetisches Maximum zu erzielen und somit die Kriterien für Fördermittel einzuhalten. Dies konnte nur durch eine ganzheitliche Betrachtung des Gebäudes mit entsprechender Untersuchung der Interaktionen von Gebäudehülle, Technik, solaren Wärmeeinträgen, Kühlung, Befeuchtung und Beleuchtung erreicht werden. Die Energiekosten wie auch die Folgekosten wurden so detailliert wie möglich ermittelt. Mit Hilfe einer thermodynamischen Simulation konnten unsere verschiedenen energetischen Ansätze gerechnet und überprüft werden. Unsere Varianten entstanden aus folgenden Gedankenmodellen: Da der größte Energieverbrauch und somit auch der größte Kostenfaktor bei der Kühlung lagen, wurde bei der Untersuchung der Fokus auch auf die Reduzierung der Kühlleistung und somit innovative Anlagentechnik gelegt. Für die Gebäudehülle lag die Konzentration auf schadhaften und ungedämmten Bauteilen (z. B. undichte Sheddächer, Sichtbetonbauteile mit Korrosionsschäden, kompletter Austausch Verglasung, Undichtigkeiten am Flachdach). Da aus Kostengründen und anderen Zwängen (z. B. Kunstwerksfassade) nicht alle Bauteile modernisiert werden können, wurde eine Prioritätenliste aufgestellt. Die nicht modernisierbaren Bauteile (Mirówand, Schieferfassade) weisen im Gegensatz zu den anderen Bauteilen eine Außendämmung aus 5 cm Mineralwolle auf, so dass es hier nicht zu Schäden kommt. Durch die Computersimulation stellte sich heraus, dass ein großer Kostenfaktor die veraltete Beleuchtungsanlage darstellt. Durch einen Austausch der kompletten Beleuchtung und dem Einbau einer tageslichtabhängigen Steuerung können sowohl der Stromverbrauch als auch die hohen inneren Wärmelasten drastisch reduziert werden. Bislang konnten die Exponate aufgrund zu vieler unterschiedlicher Leuchtmittel mit unterschiedlichen Lichtfarben und ohne gezielte Lichtsteuerung nicht effektvoll in Szene gesetzt werden. Ein weiterer Schwerpunkt ergab sich aus den vorhandenen „Flachdachwannen“ über dem Ausstellungsbereich. Das bestehende Dach weist viele Wärmebrücken auf und ist zerklüftet durch Überzüge, Entrauchungsventilatoren, Oberlichter und Abluftrohre. Eine typische Flachdachdämmung wäre energetisch notwendig, aber sehr aufwendig und teuer aufgrund der vielen Durchdringungs- und Anschlusspunkte. Aus den gerechneten Varianten wird derzeit das folgende Maßnahmenpaket umgesetzt: 208 Heike Haracska / Gerhard Kuder Gebäudehülle Die Fenster werden, einschließlich der Oberlichter und Schrägverglasungen, komplett erneuert und werden nach der Sanierung einen U-Wert von 1,1 W/m²K aufweisen. An alle nicht gedämmten Betonfassaden wird ein Wärmedämmverbundsystem (14–16 cm Mineralwolle WLG 035) angebracht. Die Anbauten, in denen die Verwaltung und die Malschule untergebracht sind, erhalten ebenfalls ein Wärmedämmverbundsystem (14–16 cm Mineralwolle WLG 035). Die Dächer der Anbauten werden mit 20 cm Neopor gedämmt. Die Schieferfassade sowie die Mosaikwand von Miró werden nicht behandelt, da sie bereits über eine Dämmung (6 cm Mineralwolle, funktionsfähig und trocken) verfügen. Dach über Ausstellung Auf die Überzüge des vorhandenen Flachdaches wird ein Leichtdach aus „Satteldach“-Modulen aufgesetzt. Für die Südwestseite bildet dies die Unterkonstruktion für die Photvoltaikmodule, die Nordostseite wird als gedämmtes Dach ausgeführt. Über den bestehenden Oberlichtern werden transluzente Module mit U-Wert 1,1 eingesetzt. Mit dieser Maßnahme werden Flachdachprobleme künftig vermieden. Über die bestehende Hülle wird eine zweite wärmegedämmte Hülle gesetzt und diese in der Neigung der bestmöglichen Ausrichtung für die Photovoltaikmodule angepasst. Im Dachzwischenraum entsteht eine stehende Luftschicht, die im Sommer abgelüftet wird und im Winter als zusätzlicher Wärmeleitwiderstand angesehen werden kann. Abb. 2 Prinzip Leichtdach Beleuchtung Aufgrund hoher Stromkosten durch veraltete Leuchten wird die bisherige Beleuchtung ausgetauscht. Bisher gab es keine lichtabhängige Steuerung und es kam zu hohen inneren Wärmelasten. Außerdem wurden die Exponate wegen der unterschiedlichen Leuchtmittel mit unterschiedlichen Lichtfarben ungleichmäßig ausgeleuchtet. 209 Energetische Modernisierung eines Museums Durch den Einsatz neuer elektronischer Vorschaltgeräte und T5-Lampen mit Spiegelreflektoren wird die Lichtqualität in Bezug auf Flimmer- und Blendfreiheit verbessert. Eine tageslichtabhängige Steuerung der Beleuchtung reduziert die Überschneidungen von Tages- und Kunstlicht und mindert den Energiebedarf. RLT-Anlage/MSR Im Ist-Zustand wurde viel Energie für Kühlung und Entfeuchtung aufgewendet. Durch variablen Außenluftanteil bis 100 Prozent, eine regenerative Wärme- und Feuchterückgewinnung und Einsatz von Sprühdüsenbefeuchtern statt Dampfbefeuchtern (Adiabatische Kühlung) kann die Kühlleistung erheblich minimiert werden. Der Elektroenergieaufwand für Befeuchtung entfällt. Die notwendige Nachwärmung wird über die kostengünstigere Fernwärme vorgenommen. Bisher waren die Volumenströme nur in 2 Stufen möglich. Durch Verbesserung der Gebäudehülle und der inneren Last können die Volumenströme reduziert werden. Durch Luftqualitätsfühler in den Ausstellungsräumen wird nur der Außenluftanteil, der zur Aufrechterhaltung der Qualität notwendig ist zugeführt. Die Gebäudeautomation fährt die jeweils energetisch günstigste Variante an Außenluft, Umluft, Zu- und Abluftvolumenstrom. Damit wird der Energiebedarf für Wärme-, Kälte- und Elektroenergie minimiert. Ausschreibung und Vergabe gemäß lebenszyklusorientierten Ausführungsplanungen In dieser Phase geht es im Rahmen der lebenszyklusorientierten Ausrichtung um die Bewertung strategischer Bauteile im Hinblick auf Lebenszykluskosten. Vor allem wird in dieser Phase vermieden, dass Angebote für Produkte und Bauleistungen ausschließlich nach Preisen entschieden werden. Relative Mehrkosten bei höherwertigen Produkten müssen allerdings im Rahmen einer Amortisationsrechnung und einer an nachhaltigkeitsorientierten Qualitätsbewertung auf ihre Vorteilhaftigkeit hin geprüft werden. Inbetriebnahme und Performance-Messung Im Zuge der Inbetriebnahme werden nach Mängelbeseitigung und der Einschwingphase im Anlagenbetrieb die zuvor in Simulationen und Optimierungsberechnungen festgelegten SOLL-Werte mit den im Betrieb gemessenen ISTWerten verglichen. Dies geschieht auch im Laufe des ersten Betriebsjahres nach der Inbetriebnahme. Mit diesen Maßnahmen konnte ein energetisches Niveau entsprechend den Anforderungen an ein Förderprogramm der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) errechnet und mit der Simulation überprüft werden. In diesem Programm muss sowohl der spezifische, auf die wärmeübertragende Umfassungsfläche bezogene Transmissionswärmetransferkoeffizient HT als auch der Jahres-Primärenergiebedarf QP 40 Prozent unter EnEV Neubau-Niveau erreichen. 210 Heike Haracska / Gerhard Kuder Durch die Aufnahme in das zinsgünstige Förderprogramm können wir über die gesamte Laufzeit die Kreditzinsen des Bauherrn halbieren. Darüber hinaus spart der in der Simulation errechnete Energieverbrauch dem Bauherren künftig ca. 60 Prozent der bisherigen Energiekosten (Heizung/Kühlung/Be-und Entfeuchtung/Hilfsenergie) pro Jahr. Die erste Ausstellung des Museums wird noch im Baustellenambiente erfolgen. Die Wiedereröffnung des Museums ist für Anfang 2009 mit einer Präsentation aller Werke aus dem Museumsbestand geplant. Kontakt Heike Haracska, LUWOGE consult GmbH E-Mail: [email protected] Gerhard Kuder, Balck + Partner Facility Engineering E-Mail: [email protected] 211 212