e x tra green ideas rubble master hmh gmbh Rubble Master Maschinen des Linzer Unternehmens verarbeiten Baurestmassen wie etwa Betonabbruch Grünbauten Eine EU-Initiative zielt auf massive Energieeinsparung bei Bürohäusern ab – auch in Wien laufen Großprojekte. Das Schlagwort „Green Building“ dient aber nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch als Marketingargument. Von Robert Prazak F ossile Brennstoffe raus, Klimaschutz rein: Ausgerechnet dort, wo bis vor wenigen Jahren die Zentrale der OPEC in Wien stand, wird derzeit ein Bürohochhaus errichtet, das im Hinblick auf Umweltschutz vorbildlich sein soll. Der 80 Meter hohe Zubau zum bestehenden Raiffeisen-Haus im zweiten Wiener Bezirk wird ab Ende dieses Jahres rund 900 Mitarbeitern der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien Platz bieten. Von außen wird das Gebäude am Donaukanal nicht viel anders aussehen als die meisten anderen Bürogebäude dieser Größe in Wien – und doch ist es ein grünes Gebäude. Durch den Einsatz ausgeklügelter Architektur und ausgetüftelter Haustechnik wird eine Energieeffizienz erreicht, wie 56 profil extra • Juni 2012 man sie sonst nur bei Passivhäusern im Wohnbau kennt. Das Konzept sieht Kühlung über Donaukanalwasser, Nutzung von Erdwärme sowie eine Fassade vor, die aus zwei Schichten besteht und somit für bessere Zirkulation sorgt. Für Energiezufuhr sorgt eine Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung auf Biogasbasis, die rund 40 Prozent des Wärmebedarfs decken wird. Bürotürme hatten bisher vor allem zwei Aufgaben zu erfüllen: viel Humankapital auf wenig Raum pressen und gut aussehen. In vielen protzigen Glastürmen macht das Arbeiten aber nicht uneingeschränkt Spaß. Im Sommer brennt die Sonne durch die Glasscheiben, und die Klimaanlage läuft auf Hochtouren. Im Winter mühen sich die Heizanlagen, eine erträgliche Temperatur zu erzeugen. Die Energie- und Umweltbilanz der meisten Bürogebäude älteren Datums ist dementsprechend ernüchternd. Um das zu ändern, hat die EU-Kommission 2005 die „GreenBuilding-Initiative“ gestartet. Damit soll die Energieeffizienz wirtschaftlich genutzter Gebäude erhöht werden. Freilich: „Wo Blue Building oder Green Building draufsteht, ist oft nur Marketing drinnen“, urteilt Robert Lechner, Chef des ÖkologieInstituts. Beim EU-Projekt geht es jedenfalls ausschließlich um die Energiebilanz eines Gebäudes. Paolo Bertoldi ist im Joint Research Centre der Europäischen Kommission für Forschung zur Energieeffizienz zuständig und leitet die Green-Building-Initiative der EU. „Mit der Zahl der Gebäude sind wir recht zufrieden und hoffen, bald die Marke von tausend zu knacken. Aber vor „Es kann nicht mehr sein, dass wir planen und bauen, ohne an die Ressourcen zu denken“ Wolfgang Vasko, Immobilienexperte wed Raiffeisen-zubau in wiensse Kühlung mittels Donauwasser, Heizung mit Erdwärme, kluge Fassadenkonstruktion aus zwei Schichten franz ertl/vasko + Partner DC Tower 1 Das künftig höchste Gebäude wird nach den Green-BuildingStandards errichtet Bürotürme mit gutem Gewissen allem ist die Qualität in puncto Energie­ effizienz dieser Gebäude wichtig. Und die ist sehr hoch.“ „Der Trend zu Green Buildings ist auf einem guten Weg, dennoch müssen ihn alle mittragen, vor allem auch die Bauherren, und hier sehe ich noch Potenzial“, sagt auch Wolfgang Vasko, Chef des Wiener Ingenieurbüros Vasko & Partner, das beim Raiffeisen-Haus als Generalkonsulent tätig war. „Ganz egal, wie wir die Gebäude nun benennen, ob Green oder neuerdings auch Blue Building, es kann nicht mehr sein, dass wir planen und bauen, ohne an die Ressourcen zu denken.“ In Zukunft sei generell mehr Flexibilität gefordert. „Gerade bei Büro- und Gewerbeimmobilien müssen Grundrisse und Raumkonzepte geschaffen werden, die für jeden anderen Nutzer leicht adaptierbar sind und keine großen Folgekosten verursachen.“ Generell werden bei Bürogebäuden nicht nur vordergründige Werte wie Mietund Betriebskosten betrachtet, sondern es wird der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes bedacht, mit allen Kosten, Aufwänden und Veränderungspotenzialen. „Der Trend zur Nachhaltigkeit umschließt ja nicht nur die ökologische Seite, dazu zählt ebenso der soziale wie auch der wirtschaftliche Aspekt“, sagt Vasko. Solche Ansätze sollen auch beim DC ­Tower 1 berücksichtigt werden, der nach Fertigstellung im Frühjahr kommenden Jahres das höchste Gebäude Österreichs sein wird. Der von Dominique Perrault geplante Wolkenkratzer wird auf der Donauplatte im 22. Wiener Bezirk, zwischen Donauinsel und UNO-City, hochgezogen und soll den Green-Building-Vorgaben der EU entsprechen. Als einer der ersten Mieter hat sich der Pharmakonzern Baxter angekündigt, der von der Kombination aus Höhe und grünem Gewissen überzeugt ist und gleich sieben Stockwerke belegen wird. Ein anderes Vorzeigeprojekt steht bereits in Wien: Das Bürohaus Energybase im 21. Bezirk, errichtet vom Wiener Wirtschaftsförderungsfonds WWFF, verbraucht dank optimierter Dämmung und einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung angeblich rund 80 Prozent weniger Energie als herkömmliche Bauten. Gekühlt und geheizt wird das Gebäude, das unter anderem von der FH Technikum Wien genutzt wird, ausschließlich mit erneuerba- aucon NameStandortNutzflächeFertigstellung Zubau Raiffeisen-HausWien 2 20.000 m2 Herbst 2012 Bürogebäude „Silbermöwe“Wien 3 17.500 m2 Herbst 2012 DC Tower 1Wien 22 43.700 m2Frühjahr 2013 TownTown CB 21Wien 3 40.200 m2 Mitte 2015 Altbau in der BiberstraSSe Eineinhalb Jahre Sanierungszeit, um das Gründerzeithaus ökologisch zu adaptieren rer Energie, nämlich Sonnenenergie und Erdwärme. Betont umweltbewusst sind auch Bürogebäude und Fabrikshallen des Linzer Unternehmens Rubble Master, die nach den Passivhaus- respektive Niedrigenergiestandards errichtet wurden. „Irgendeine Zertifizierung ist mir da nicht so wichtig. Es kommt darauf an, wie so etwas gelebt wird“, erläutert Firmengründer und Geschäftsführer Gerald Hanisch. Die Gebäude verbrauchen nicht nur um die Hälfte weniger Energie als sonst üblich, sie bieten den Mitarbeitern auch ein besseres Arbeitsklima. „Das lässt sich zwar nicht in Zahlen ausdrücken, doch es ist viel wert“, sagt Hanisch. Das grüne Bauen passt hier perfekt zur Firmenphilosophie: Rubble Master stellt Maschinen her, mit denen Baurestmassen wie etwa Betonabbruch Juni 2012 • profil extra 57 e x tra green ideas 58 profil extra • Juni 2012 mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Bedeutung“, so Stauber. Ein weiterer Sanierungsfall ist das Bürohaus „Silbermöwe“ im dritten Wiener Bezirk, das von der CA Immo um 30 Millionen Euro auch in Bezug auf den Energieverbrauch modernisiert wird. Durch Maßnahmen wie eine Alu-Glas-Fassade und ein Kühldeckensystem Wolf D. Prix, soll das Gebäude um Architekt die Hälfte weniger Energie verbrauchen als zuvor. Wolf D. Prix hat das Company Building 21 des Bürostandorts TownTown in Wien 3 konzipiert – auch dieses Bürohochhaus soll energieeffizient werden, etwa durch eine ausgeklügelte Umlenkung des Tageslichts. Und doch will sich der prominente Architekt mit dem derzeitigen Green Building nicht zufriedengeben: „Das ist eine Missinterpretation von Nachhaltigkeit. Da wird Energiesparen mit der Bereitstellung zusätzlicher Energie verwechselt.“ Prix, einer der Gründer des Architekturbüros Coop Himmelb(l)au, ist bekannt dafür, keine halbherzigen Lösungen zu akzeptieren. „Will man Green Building wirklich konsequent umsetzen, würde das eine neue Ästhetik bedeuten, ein totales Umkrempeln der Stadt“, nichts weniger als eine „neue industrielle Revolution“. Mit efeubewachsener Außenfassade und Fotovoltaikanlagen alleine werde man nicht auskommen. „Was ich gar nicht liebe, sind diese Renderings von grünen Hochhäusern mit grünen Pflanzen oder begrünten Balkonen drauf. Das ist Lady-Gaga-Architektur: Oberflächlichkeit statt Inhalten.“ Die Lösung laute: Häuser müssen mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen. Prix: „Wir haben Projekte entwickelt, bei denen durch eine spezielle Fassade mehr Energie ins Netz Auf Gebäude entfallen rund 40 Prozent des gesamten gespeist als entnommen europäischen Energiebedarfs. wird. Doch das kommt nicht zustande, aus politischen Gründen.“ startete die EU-Kommission die Green-BuildingVorerst wird man Initiative, mit der die Energieeffizienz wirtsich wohl mit kleineren schaftlich genutzter Gebäude – etwa Bürohäuser oder FaSchritten begnügen briken – gesteigert werden soll. Im Gegensatz zu anderen müssen. Das RaiffeisenÖko-Zertifikaten im Bauwesen geht es ausschließlich um den Haus, für das Wolfgang Energieverbrauch, Faktoren wie Raumklima oder Einsatz beVaskos Ingenieurbüro stimmter Materialien werden nicht beachtet. Hintergrund der auch eine Nominierung Initiative: Gebäude verbrauchen rund 40 Prozent des gesam­ für den Staatspreis für ten Energiebedarfs in der EU. Zwar sind davon zwei Drittel Umwelt- und EnergieWohngebäude, doch auch im Gewerbesektor ist das Energietechnologie einheimste, sparpotenzial hoch. könnte aber schon ein Ein Green-Building-Pickerl darf auf jene Gebäude geklebt größerer Schritt sein. werden, welche die nationalen Richtlinien um ein Viertel unVasko: „Ich bin überterbieten – also nochmals weniger Energie verbrauchen, als zeugt, dass dieser Zubau das jeweilige Land vorschreibt. Angesichts der vergleichsweiSignalwirkung haben se strengen Vorgaben in Österreich ist das kein leichtes Unterwird.“ Zumindest die fangen. In der EU haben mit Mitte Mai 719 gewerblich geOPEC-Minister werden nutzte Gebäude die Kriterien erfüllt. Österreich ist mit 58 Gesich bei ihren nächsten bäuden die Nummer drei hinter Schweden und Deutschland. Besuchen in Wien mit Laut EU wurde durch das Green-Building-Programm im VorSicherheit wundern, jahr insgesamt eine Energieeinsparung von 514.000 Megawie umweltfreundlich watt erreicht. Zum Vergleich: Das umstrittene Kernkraftwerk ihr ehemaliger Standort Dukovany in Tschechien kommt auf eine Jahresleistung von geworden ist. ■ rund 1800 Megawatt. Clemens Fabry wiederverwertet werden. Das Besondere dabei: Diese Maschinen sind mobil zu verwenden, eine Rubble-Master-Anlage kam am Ground Zero zum Einsatz. „Nachhaltigkeit wird in der gesamten Baubranche immer stärker ein Thema“, so Hanisch. Einen gut aussehenden Klotz in die Landschaft zu stellen ist inzwischen jedenfalls zu wenig. Architekten stehen dem Trend allerdings nicht nur wohlwollend gegenüber – gerade bei der älteren Generation ist eine vornehme Zurückhaltung zu spüren. „Tatsächlich ist die Kombination aus hoher architektonischer Qualität und hoher Nachhaltigkeit schwierig“, sagt Robert Lechner. Das Vorurteil: Grüne Bauten sind hässlich, schöne Bauten nicht grün. Das ändert sich langsam, aber sicher. Vasko: „Die Einstellung hat sich bereits bei vielen Kollegen, aber auch Auftraggebern geändert.“ Paolo Bertoldi sagt: „Verbreitung, Information und Training über die Vorteile müssen sich gleichermaßen an Architekten, Ingenieure und Eigentümer richten.“ Denn bisher würden nur einige der Tausenden Firmen der EU am GreenBuilding-Programm teilnehmen. „Doch das Bewusstsein wächst.“ Neue Bürogebäude mit grünem Gewissen zu bauen ist die eine Sache – bestehende Energiefresser zu sanieren eine andere. „Wir können gar nicht so viel bauen, als dass die Sanierung bestehender Gebäude nicht doch mehr bringen würde“, sagt Lechner. Ein Beispiel dafür ist ein Gründerzeithaus in Wien: In eineinhalbjähriger Sanierungsarbeit wurde aus einem Altbau in der Biberstraße ein auch in ökologischer Hinsicht vorzeigbares Bürohaus. Die gesamte Nutzfläche von rund 3000 Quadratmetern wird an die Rechtsanwaltskanzlei Lansky, Ganzger & Partner vermietet, die ab September dort ihre 140 Mitarbeiter betont umweltbewusst unterbringen wird. Bisher war die Kanzlei auf mehrere Standorte verstreut. „Green Building war einer der Gründe, weshalb wir uns für dieses Objekt entschieden haben“, sagt Oliver Stauber, Steuerrechtsexperte der Kanzlei und für das Umzugsprojekt verantwortlich. „Das entspricht einfach unserer Firmenphilosophie, bei der Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor ist. Neben der Senkung der Energiekosten um 33 bis 35 Prozent ist auch der Komfort für unsere Mitarbeiter ein wichtiges Kriterium.“ Dass es ein Gründerzeithaus ist, war zwar nicht unbedingt ausschlaggebend, doch in der Innenstadt gibt es eben nicht viele Neubauten. „Für uns ist die Erreichbarkeit „Das ist Lady-GagaArchitektur: Oberflächlichkeit statt Inhalten“ Der Klima-Kraftakt 2005