Sind Herpesinfektionen auch nützlich - Klinik

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Sind Herpesinfektionen auch nützlich?
Im Tierversuch Schutz vor anderen Infektionen
Herpesviren geniessen keinen guten Ruf, verursachen sie doch eine Vielzahl von teilweise schweren
Krankheiten. Fast revolutionär klingt es vor diesem Hintergrund, wenn den Erregern nun auch
positive Eigenschaften bescheinigt werden. So haben amerikanische Forscher in Untersuchungen bei
Mäusen entdeckt, dass die Viren den Wirtsorganismus indirekt vor Angriffen bakterieller Erreger
schützen.[1] Inwieweit diese bei Tieren beobachteten Zusammenhänge auch für den Menschen
Gültigkeit besitzen, lässt sich zwar noch nicht beantworten. Unabhängig davon werfen sie aber ein
neues Licht auf die Beziehung zwischen Herpesviren und ihren Wirten. Denn anders als bisher
vermutet scheint diese nicht rein parasitischer Natur zu sein, sondern eben auch symbiotische Züge zu
tragen.
Abwehrzellen in Alarmbereitschaft
Ursprünglich wollten der Immunbiologe Erik Barton und seine Kollegen von der Washington
University Medical School in St. Louis, Missouri, herausfinden, welche Rolle der Botenstoff InterferonGamma, ein bedeutsamer Vermittler der Immunantwort, beim Wiederaufflammen von
Herpesinfektionen spielt. Zu den Eigenheiten dieser Viren zählt nämlich, dass sie sich nach der
Erstinfektion in gewissen Körperzellen verschanzen. Bei ihren Studien nutzten die Forscher eine mit
dem menschlichen Epstein-Barr-Virus eng verwandte Herpesviren-Art der Maus, das Gamma-HV68.
Wie sie dann eher zufällig entdeckten, waren wichtige Immunwächter - die auch Fresszellen
genannten Makrophagen - selbst Monate nach Abklingen der Symptome der akuten Infektion noch in
erhöhter Alarmbereitschaft.
Zurückführen liess sich die ungewöhnliche Kampfeslust der Makrophagen offenbar auf die Tatsache,
dass das Immunsystem die Herpesviren nicht vollständig beseitigen kann und sich daher gegen einen
erneuten Grossangriff der Erreger wappnet. Die Aufrüstung des Immunsystems, die unter anderem
mit einer vermehrten Produktion der immunologischen Botenstoffe Interferon- Gamma und TNFalpha einherging, schien zugleich aber auch andere Aggressoren abzuwehren. Denn Mäuse mit latenter
Gamma-HV68- Infektion waren sehr viel resistenter gegen die Attacken bestimmter Bakterienarten darunter Listerien und die Erreger der Pest - als Nager, die keine solchen Viren in sich trugen.
Vergleichbar abwehrstärkend waren chronische Infektionen mit einer weiteren Herpesviren-Art, dem
Zytomegalie-Virus. Allerdings vermittelten die Herpesviren keinen allumfassenden Schutz - im Kampf
gegen den West-Nil-Virus hatten derart vorbelastete Tiere keinen Vorteil.
In Jahrmillionen an den Wirt angepasst
Wie Reinhard Kurth, der Präsident des Robert- Koch-Instituts in Berlin, anmerkt, sind Symbiosen
zwischen Viren und Wirt im Tierreich extrem ungewöhnlich. Dass ausgerechnet Herpesviren eine
Infektionsstrategie entwickelt haben, die nicht nur ihnen selbst, sondern auch ihrem Wirt zugute
kommt, hält Walter Bossart vom Institut für Medizinische Virologie am Universitätsspital in Zürich
andererseits für wenig überraschend. Die menschlichen Herpesviren hätten sich im Verlauf von
Jahrmillionen an ihren Wirt angepasst und somit genügend Zeit gehabt, einen Infektionsmodus zu
etablieren, der ein langfristiges Überleben im menschlichen Körper garantiere. Denn auch dem Virus
bringe es keinen Nutzen, wenn der von ihm infizierte Mensch schwer erkranke oder vorzeitig sterbe.
Denkbar sei daher, dass der Erreger die Immunabwehr seines Wirts durch seine andauernde Präsenz
stärke, um diesen vor den Attacken bakterieller Erreger zu schützen.
Laut Bossart sprechen etliche Beobachtungen für einen solchen «Masterplan». So gebe es etwa
Hinweise darauf, dass das zur Gruppe der Herpesviren zählende menschliche Zytomegalie- Virus die
Infektanfälligkeit verringere. Dennoch wiesen die Betroffenen häufiger eine verminderte
Lebenserwartung auf - möglicherweise, weil sich ihr Immunsystem aufgrund der dauerhaft erhöhten
Alarmbereitschaft schneller erschöpfe. Inwieweit es sich bei diesen Beobachtungen um ursächliche
oder eher zufällige Zusammenhänge handle, werde derzeit in einer grösseren Studie am
Universitätsspital Zürich untersucht.
Nicola von Lutterotti
27. Juni 2007, Neue Zürcher Zeitung
[1] Nature 447, 326-329 (2007).Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter:
http://www.nzz.ch/2007/06/27/ft/articleF9LTO.html
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