Sensibilisierung und Reaktivierung röntgenbestrahlter

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der größere Teil als Wärme verloren ging. Gegenüber der oft sehr hohen Energieausnützung bei Teilprozessen des Stoffwechsels erscheint diese Rate sehr
gering. Man muß jedoch bedenken, daß diese summarische Betrachtung alle Teilabbauvorgänge, die
durch Synthesen gleich wieder rückgängig gemacht
werden und demnach mit außerordentlich guter
Energiekoppelung ablaufen müssen, außer acht läßt
und damit nur einen Minimumwert der Energieausbeute liefert. Eine experimentelle Erhärtung dieser
Überlegungen durch calorische Messungen wäre auf
jeden Fall sehr erwünscht.
Wie vorliegende Arbeit zeigt, gestattet die Methode der Kultur isolierter Pflanzenteile, die bisher
nur bei Mikroorganismen ausgeführten Bilanzversuche auch auf höhere Pflanzen zu übertragen, und
es ist durchaus aussichtsreich, bei künftigen stoffwechselphysiologischen Versuchen auch dem S.W.
eine größere Beachtung zu schenken. Untersuchungen am hiesigen Institut, die demnächst veröffentlicht
werden sollen, haben eine starke Veränderung des
S.W. durch Wuchsstoffeinfluß ergeben, und es hat
den Anschein, daß sich der S.W. gut für die Charakterisierung von Stoffwechselveränderungen eignet.
Sensibilisierung und Reaktivierung
röntgenbestrahlter Coli-Bakterien durch W ä r m e
Von
H . u . M . LANGENDORFF u n d
K.
SOMMERMEYER
Aus dem Radiologischen Institut der Universität Freiburg i. Br.
(Z. Naturforschg. 8 b, 117—122 [1953]; eingegangen am 7. Januar 1953)
Herrn Prof. Dr. Otto
Renner
zum 70. Geburtstage
gewidmet
Werden Zellen von Escherichia coli B vor der Einwirkung von Röntgenstrahlen kurzfristig
einer höheren Temperatur ausgesetzt, dann vermindert sich ihre Strahlenresistenz. Die mittlere
Letaldosis kann sich dabei bis auf die Hälfte des Kontrollwertes erniedrigen. Durch eine
Wärmenachbehandlung röntgenbestrahlter Keime ist eine Reaktivierung der inaktivierten
Zellen möglich. Bei sensibilisierten Keimen liegt die Reaktivierungsrate wesentlich höher als
bei nicht-wärmevorbehandelten Zellen. Ganz allgemein ergibt sich für Escheridxia coli B die
Regel, daß die Reaktivierungsrate um so höher liegt, je größer die Strahlenempfindlichkeit der
Keime ist. Dies gilt sowohl für die durch ultraviolettes Licht als auch durch Röntgenstrahlen
inaktivierten Bakterien.
S
owohl A n d e r s o n 1 als auch K e i n e r 2 wiesen
erstmalig 1949 nach, daß es möglich ist, durch
ultraviolettes Licht inaktivierte Bakterien zu reaktivieren, wenn diese mit sichtbarem (blauem) Licht
nachbehandelt werden. Bei weiteren Versuchen fanden A n d e r s o n 3 wie auch S t e i n und M e u t z n e r 4 bzw. S t e i n und H a r m 5 , daß mit UV-Licht
inaktivierte Zellen von Escherichia coli nicht nur mit
Hilfe von sichtbarem Licht, sondern auch durch
Wärme reaktivierbar sind. S t e i n und M e u t z n e r 4
beobachteten dabei zugleich, daß bereits unbestrahlte
Coli-Kulturen bei kurzfristiger Heraufsetzung der
Züchtungstemperatur von 37° C auf 44,5° C wesentlich mehr Kolonien bilden als bei 37° C gehaltene
Kontrollplatten. Daraus geht hervor, daß die üblicherweise bei 37° C gehaltenen Kulturen von E.coli stets
1 E. H. A n d e r s o n , Amer. J. Bot. 36, 807 [1949].
2 A. K e i n e r , J. Bacteriol. 58, 511 [1949].
3 A. A n d e r s o n , J. Bacteriol. 61, 389 [1951].
einen gewissen Prozentsatz an inaktiven Keimen enthalten, die erst bei einer Erhöhung der Züchtungstemperatur aktiv werden. Nach Belichtung der Bakterien mit dem UV-Licht einer Xenon-HochdruckLampe und daran anschließender Wärmebehandlung
stellten S t e i n und M e u t z n e r 4 fest, daß eine
zweistündige Bebrütung der Kulturen bei 44,5° C
ausreicht, um ein Höchstmaß an reaktivierten Keimen
zu erhalten.
Daß eine Reaktivierung UV-inaktivierter Bakterien
außerdem auch durch bestimmte chemische Körper,
wie z. B. Phenol, Glykokoll, H 2 S u. a., gelingt, haben
L e m b k e , K a u f m a n n , L a g o n i und G a n t z 6
nachgewiesen. Diese Substanzen waren auch nach
4 W.Stein
u. J. M e u t z n e r , Naturwiss. 37, 167
[1950],
5 W . S t e i n u. W . H a r m , Naturwiss. 39, 113 [1952].
6 A. L e m b k e ,
W. K a u f m a n n , H. L a g o n i u.
H. G a n t z , Naturwiss. 39, 112 [1952],
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einer Inaktivierung der Bakterien durch höhere Temperaturen wirksam.
Die Ergebnisse von A n d e r s o n '
und von
K e i n e r 2 gaben Anlaß zu Reaktivierungsversuchen
bei einer Reihe anderer Organismen (Bakterien, Pilze,
Protozoen, Seeigel-Eier, Amphibien-Larven) 7 18 , die,
sofern die Inaktivierung durch ultraviolettes Licht erfolgte, in der Regel zu positiven Resultaten führten.
Eine Reaktivierung röntgen-inaktivierter Zellen mit
Hilfe von sichtbarem Licht war A n d e r s o n 3 selbst
bei Anwendung sehr großer Lichtintensitäten und
langer Bestrahlungszeiten nicht möglich. L a t a r j e t 1 "
berichtet dagegen, daß ihm eine solche bei Verwendung von Bacterium
megatherium
als Versuchsobjekt
gelang. Hingegen war A n d e r s o n 3 , wie es auf
Grund einer kurzen Literaturangabe den Anschein
hat, in der Lage, in geringem Umfange eine Reaktivierung bei röntgenbestrahlten Keimen von E. coli
Stamm B durch Wärme zu erzielen, während der
strahlenresistentere B/r-Stamm keine Anzeichen einer
Reaktivierbarkeit erkennen ließ. Nach Untersuchungen von D u 1 b e c c o 2 0 ' 2 1 scheinen bei den Bacteriophagen sehr ähnliche Verhältnisse zu bestehen,
so daß nach den bisher vorliegenden, wenigen Angaben angenommen werden muß, daß nach einer Inaktivierung von Organismen durch Röntgenstrahlen
keine Reaktivierung nachzuweisen ist bzw. die Reaktivierungsraten sehr gering sind.
1
3
Diese Frage erneut zu prüfen, stellt die Aufgabe
dieser Untersuchung dar. Es wird dabei von Versuchen berichtet, bei denen Keime von E. coli in verschiedener Weise mit Wärme behandelt wurden. Um
ein umfassendes Bild von den Vorgängen zu gewinnen, die sich auch bei einer kombinierten WärmeRöntgenbehandlung in den Versuchsobjekten abspielen, haben wir uns nicht nur mit dem Einfluß einer
der Röntgenbestrahlung nachfolgenden Wärmebehandlung der Bakterien auf die Abtötungsraten beschäftigt, sondern auch höhere Temperaturen vor
bzw. vor und nach der Strahleneinwirkung auf die
Zellen einwirken lassen, wobei zugleich die Dauer
' H. F. B l u m , G. M. L o o s u. ]. C. R o b i n s o n ,
J. gen. Phvsiol. 34, 167 [1950].
8 H. G. B 1 u m u. M. R. M a 11 h e w s , Biol. Bull.
99, 330 [1950].
9 H. F. B l u m , J. C. R o b i n s o n u. G. M. L o o s ,
Proc. nat. Acad. Sei. USA. 36, 623 [1950],
10 J. S. B r o w n , J. Bacteriol. 62, 163 [1951].
n j . C h r i s t o p e r s e n u. W. K a u f m a n n , Naturwiss. 39, 67 [1952].
12 A. C. G i e s e , C. L. B r a n d t u. P. H. W e 11 s ,
Anatom. Ree. I l l , No. 3 [1951].
is S. H. G o o d g a l , Genetics 35, 667 [1950],
Dauer der
Aktivierung
Stdn.
1
2
4
20
Zellen
vor
nach
Aktivierung
4715
5500
5431
5500
°/o an
aktivierten
Zellen
5093
7900
8802
8992
8,3
43,6
62,1
63,5
Tab. 1. Das Verhalten von Escherichia coli bei Aktivierung
durch Wärme (44,5° C) bei verschieden langen Aktivierungszeiten.
der Wärmebehandlung variiert wurde. Schließlich
untersuchten wir noch den Einfluß des Mediums, in
dem sich die Bakterien während der Wärmebehandlung bzw. Röntgenbestrahlung befanden, auf den sich
in den Zellen abspielenden Reaktionsprozeß.
Vorversuche
In Übereinstimmung mit S t e i n und M e u t z n e r 4
stellten wir zunächst fest, daß bei einer Bebrütung der
Kulturen des B-Stammes von E. coli mit 37° C nicht
sämtliche auf dem Agar-Nährboden befindlichen
Keime Kolonien bilden. Die höchste Kolonienzahi
wird vielmehr erst dann erreicht, wenn die beimpften Kulturplatten einige Stunden lang bei 44,5° C
gehalten werden. Wie aus Tab. 1 ersichtlich, steigt
die Zahl der Kolonien zunächst mit Zunahme der
Einwirkungszeit der höheren Temperatur an, um bei
einer Einwirkungsdauer von 4 Stdn. den Höchstwert
zu erreichen. Dieses Ergebnis erfährt dann weiterhin
keine Veränderung mehr, selbst wenn die Einwirkungsdauer der höheren Temperatur bis auf 20 Stdn.
ausgedehnt wird.
Die Frage, ob die nach der Aufbringung der in
Bouillonflüssigkeit suspendierten Keime auf den
Agar-Nährboden bei Temperatursteigerung beobachtete Aktivierung durch eine Wärmevorbehandlung der
suspendierten Keime ersetzt werden kann, suchten
wir in der Weise zu lösen, daß wir die Bakterienaufschwemmung verschiedenen Temperaturen ver14 A. K e i n e r , J. gen. Physiol. 34, 835 [1951].
is R. F. K i m b a 11 u. N. T. G a i t h e r , Genetics 35,
118 [1950],
16 A. M a r s h a k , Biol. Bull. 97, 244, 315 [1949],
i" A. N o v i c k u. L. S z i 11 a r d , Proc. nat. Acad.
Sei. USA. 35, 591 [1949],
18 P. A. S w e n s o n
u. A. C. G i e s e , J. cell, comparat. Physiol. 36, 369 [1950].
i g R . L a t a r j e t , C. R. Seances Soc. Biol. Filiales
232, 1713 [1951],
R. D u l b e c c o , Nature [London] 163. 949 [1949].
21 R. D u l b e c c o , J. Bacteriol. 59. 329 [1950].
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schieden lange Zeit aussetzten. Dabei ergab sich, daß
eine 4-stdg. Wärmebehandlung der Bakteriensuspension bei Temperaturen von 50° und 60° C zu einer
Schädigung der Keime führt. Zwischen 37° C und
44,5° C kam es dagegen innerhalb dieser Einwirkungszeit zu einer sehr starken Vermehrung der
Keime. Bei einer 2-stdg. Wärmebehandlung der
Keime war bei 37° C der Zellzuwachs mit 1 4 % noch
relativ gering, im Unterschied zu einer solchen bei
40° C, bei der sich die Keime um 4 0 0 % vermehrten.
Wurde die Temperatur auf 44,5° C erhöht, dann kam
es zu einem Rückgang der Zuwachsrate auf 2 7 , 5 %
der Ausgangszahl. Die Keimzahl blieb dagegen unverändert, wenn die Bakterienaufschwemmung eine
Stunde lang bei Temperaturen zwischen 37° und
44,5° C gehalten wurde. Bei einer Temperatur von
50° C trat allerdings schon innerhalb dieses Zeitraumes eine starke Schädigung der Keime ein.
Wurden die Keime 2 Stdn. in der Bouillonflüssigkeit bei 37°, 40° oder 44,5° C gehalten, bevor sie auf
die Kulturplatten kamen, und wurden sie danach
nochmals einer 5-stdg. Temperatureinwirkung von
44,5° C unterworfen, dann war die Zahl der zur Entwicklung kommenden Kolonien stets größer als bei
alleiniger Wärmevorbehandlung gleicher Dauer und
gleicher Temperatur. Am wirksamsten erwies sich
eine Wärmevorbehandlung mit 37° C, bei der nach
erfolgter 5-stdg. Wärmenachbehandlung ein Anstieg
der Aktivierungsrate um 8 3 % gefunden wurde, während diese bei 40° C 2 5 % , bei 44,5° C 2 7 % betrug.
Bei nicht-vorbehandelten Keimen ergab sich ein Prozentsatz von 4 4 % aktivierten Bakterien.
Die Prüfung der Abhängigkeit der L D 50 vom
Medium, in dem sich die Keime während der Röntgenbestrahlung befanden, zeigte zunächst, daß keine
Unterschiede in der Strahlenempfindlichkeit zwischen
den in Bouillonflüssigkeit und in physiologischer
Kochsalzlösung suspendierten Keimen vorhanden
sind. Unterschiede treten auch dann nicht auf, wenn
die auf Nährbodenplatten ausgespatelten bestrahlten
Bakterien anschließend daran noch 5 Stdn. bei 44,5° C
gehalten werden.
Unterwirft man jedoch die in Bouillonflüssigkeit
suspendierten Zellen einer Wärmevorbehandlung,
dann läßt sich nach Röntgenbestrahlung feststellen,
daß durch die Wärmevorbehandlung die L D 50 erniedrigt wird. Die Strahlenempfindlichkeit der Keime
wird also durch die Wärmevorbehandlung erhöht;
diese führt somit zu einer Sensibilisierung der Bakterien gegenüber Röntgenstrahlen.
Erfolgt dagegen die Wärmevorbehandlung der
Keime in physiologischer Kochsalzlösung, dann tritt
keine Zunahme in der Strahlenempfindlichkeit der
Zellen ein. Während der Schädigungsprozentsatz bei
einer Wärmevorbehandlung der Keime in Bouillonflüssigkeit bei 800 r bei 6 3 , 3 % lag, ergab sich bei den
in NaCl-Lösung befindlichen Keimen ein solcher nur
von 52,7 % . Umgekehrt war dafür bei diesen die Reaktivierungsrate geringer als bei den wärmevorbehandelten, in Bouillonflüssigkeit suspendierten Bakterien.
Bei den NaCl-Keimen betrug der Prozentsatz an
strahlengeschädigten Zellen nach Wärmeaktivierung
3 3 , 0 % , dagegen ging er bei den in Bouillonflüssigkeit
suspendierten Keimen bis auf 1 9 , 8 % bei gleicher
Strahlendosis zurück.
Die Frage, ob die durch eine Wärmevorbehandlung
der Bakterien hervorgerufene Sensibilisierung für
Röntgenstrahlen im Laufe der Zeit wieder abklingt,
untersuchten wir in der Weise, daß wir die in der
Nährflüssigkeit suspendierten Bakterien nach der
Wärmevorbehandlung mit 37° C zunächst 4 Stdn. bei
3° bzw. 20° C aufbewahrten, bevor wir sie mit 800 r
bestrahlten. In jedem Falle blieb die bereits beobachtete hohe Strahlenempfindlichkeit der vorbehandelten Bakterien in vollem Umfange erhalten.
In Ubereinstimmung mit A n d e r s o n 1 ' 3 und
L e m b k e 6 fanden auch wir, daß eine Reaktivierung
bestrahlter Coli-Bakterien nur innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nach der Strahleneinwirkung
möglich ist. Zur Bestimmung dieses „ReaktivierungsZeitfaktors" röntgenbestrahlter Keime von E. coli bewahrten wir die mit 800 r bestrahlten Bakterien bis
zu einer Dauer von 2 Stdn. bei 3° bzw. 24° C auf,
ehe wir sie auf die Kulturplatten zur Reaktivierung
(Wärmenachbehandlung) übertrugen. Das Ergebnis
dieser Versuche zeigte, daß die Reaktivierbarkeit der
Bakterien bei der niedrigen Temperatur selbst 90 Min.
nach der Strahleneinwirkung noch voll erhalten ist,
während sich bei den auf 24° C gehaltenen von einer
Stunde nach der Bestrahlung an ein rascher Rückgang der Reaktivierungsrate bemerkbar macht, so daß
2 Stdn. nach der Bestrahlung keine Reaktivierung
mehr möglich ist.
Die
speziellen
bei
den
Versuchsbedingungen
H aup tve rsuch en
Die Ausgangskulturen für die Hauptversuche züchteten wir 24 Stdn. lang auf Bouillon-Agar-Nährböden
bei 3 7 ° C. Von diesen Kulturen ausgehend wurden
Aufschwemmungen in physiologischer Kochsalzlösung
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hergestellt, die wir dann mit Bouillonflüssigkeit verdünnten. Die Verdünnung der Bakteriensuspension
wurde so gewählt, daß sich in 1 cm 3 Flüssigkeit etwa
1 X 1 0 4 Keime befanden.
Die Röntgenbestrahlung der Keime erfolgte in der
Suspensionsflüssigkeit entweder unmittelbar nach der
Herstellung der Bakterienaufschwemmung bei Zimmertemperatur von 20° C oder erst nach einem Aufenthalt der Suspension im Brutschrank bei 37° C.
Bestrahlt wurden die Keime mit 200 kV-Röntgenstrahlen bei einem Strom von 10 mA, Gefiltert wurde
die Strahlung mit 0,5 mm Cu + 1 mm AI. (HWS:
0,95 mm Cu.) Die verabreichten Strahlendosen
Dosis
Abb. 1. Dosis-Wirkungskurven von Escherichia coli nach
Röntgenbestrahlung. A. Normale Dosiswirkungskurve,
B. Dosis-Wirkungskurve nach Reaktivierung, C. DosisWirkungskurve nach vorausgegangener Aktivierung,
D. Dosis-Wirkungskurve nach kombinierter Wärmebehandlung.
variierten zwischen 200 und 3200 r. Die Bestrahlungsintensität betrug 100 r in 39 Sekunden.
Im Anschluß an die Röntgenbestrahlung beimpften
wir die Agar-Nährbodenplatten mit 0,03 cm 3 bestrahlter Bakteriensuspension (jeweils 5 Platten/Dosis/Einzelversuch) und setzten dann die Platten
24 Stdn. einer Temperatur von 37° C aus. Bei den
Reaktivierungsversuchen wurden die auf den Platten
ausgespatelten Keime zuvor noch 5 Stdn. bei 44,5° C
gehalten.
Insgesamt wurden 4 Versuchsreihen mit röntgenbestrahlten Bakterien durchgeführt (abgesehen von
den bereits beschriebenen Vorversuchen). Untersucht
wurde:
1. das Verhalten der röntgenbestrahlten Bakterien bei
normalen Zuchtbedingungen,
22 R. W. G. W y k o f f , J. exp. Med. 52, 769 [1930].
23 D. E. L e a , R . B . H a i n e s u. E. B r e t s c h e r .
J. of Hvg. 41, 1 [1941],
2. das Verhalten der röntgenbestrahlten Bakterien bei
5-stdg. Wärmenachbehandlung mit 44,5° C (Reaktivierung),
3. das Verhalten der röntgenbestrahlten Bakterien bei
1-stdg. Wärmevorbehandlung der Bakterienaufschwemmung mit 37° C (Sensibilisierung),
4. das Verhalten der röntgenbestrahlten Bakterien bei
1-stdg. Wärmevorbehandlung mit 37° C und einer
unmittelbar an die Röntgenbestrahlung anschließenden Wärmenachbehandlung mit 44,5° C für die
Dauer von 5 Stdn. (Sensibilisierung + Reaktivierung).
24 Stdn. nach Beginn der Bebrütung der Versuchsplatten bei 37° C stellten wir dann die Zahl der auf
den Kulturplatten vorhandenen Kolonien fest. Aus
dem Verhältnis der Kolonienzahl auf den Versuchsplatten zu der Zahl der Kolonien auf den Kontrollplatten errechneten wir dann den Prozentsatz an
röntgengeschädigten Keimen sowie die Aktivierungsais auch Reaktivierungsrate nach Wärmebehandlung.
Die Zahl der ausgezählten Kolonien bei den Kontrollen betrug im Durchschnitt 5000—7000 Kolonien/Dosis/Einzelversuch. Die wiedergegebenen Resultate
stellen Mittelwerte aus jeweils 3 — 6 Einzelversuchen
dar.
Ergebnisse
der
H auptversuch e
Bei der Bestrahlung der Coli-Bakterien in Bouillonflüssigkeit mit steigenden Röntgendosen erhielten wir
in Übereinstimmung mit Ergebnissen von W y k o f f 2 2 ,
L e a 2 3 , D o b s o n 24 u. a. gleichfalls eine exponentiell
verlaufende Dosis-Wirkungskurve. Irn Unterschied zu
bisher vorliegenden Angaben erwies sich die Strahlenempfindlichkeit der Keime des von uns verwendeten
B-Stammes von E. coli besonders groß. Während von
L e a 23 die mittlere Letaldosis für E. coli bei Röntgenbestrahlung mit 6040 r angegeben wird, lag in unseren Versuchen die L D 50 bei normalen Zucht- und Bestrahlungsbedingungen bei 1000 r (Abb. 1, Kurve A).
Das Verhalten der röntgenbestrahlten Bakterien
nach 5-stdg. Wärmenachbehandlung mit 44,5 °C läßt
die Kurve B der Abb. 2 erkennen. Bemerkenswert erscheint in diesem Falle das starke Ansteigen der
L D 50, die mit 1600 r um 6 0 % höher liegt als bei
normalen Bedingungen. Dagegen behält die Kurve
ihren exponentiellen Charakter.
Im Unterschied hierzu zeigt sich bei den wärmevorbehandelten Keimen ein Anstieg der Strahlen24 R. L. D o b s o n ,
1951.
USAEC UCRL-1140,
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28. Febr.
empfindlichkeit. Die L D 50 liegt mit 500 r also um
die Hälfte unter der L D 50 bei normalen Versuchsbedingungen. Abweichungen vom exponentiellen Verlauf der Dosis-Wirkungskurve traten jedoch auch
hier nicht auf (Abb. 1, Kurve C).
Den geringsten Schädigungsgrad ließen die Keime
erkennen, die einer kombinierten Wärmebehandlung
unterworfen wurden. Gegenüber den Kontrollen lag
hier die L D 50 mit 2100 r um etwa 1 0 0 % höher als
normal. Eine Änderung der Kurvenform trat dagegen
auch hier nicht ein (Abb. 1, Kurve D).
Diskussion
1. D i e
der
Versuchsergebnisse
3. D i e
Reaktivierung
Eine Reaktivierung durch Röntgenstrahlen inaktivierter Coli-Bakterien läßt sich durch eine Wärmenachbehandlung erzielen. Der Absolutbetrag der Reals bei
den
Reaktivierungen, die nach einer Inaktivierung
aktivierung
ist dabei zwar
der
Bakterien durch UV-Licht beobachtet wurden. Die
erreichbaren Effekte sind jedoch noch immer beträchtlich und liegen weit außerhalb der Fehlergrenzen.
Zum Vergleich können hierbei die von S t e i n und
H a r m 5 bei der Reaktivierung von UV-inaktivierten
Bakterien erhaltenen Ergebnisse angeführt werden,
da die Reaktivierung bei ihren Versuchen ebenfalls
mit Wärme an Zellen des B-Stammes von E. coli vor-
Aktivierung
Wie schon S t e i n und M e u t z n e r
bemerkten,
wird durch eine Heraufsetzung der TempeiHtur über
den normalerweise bei der Züchtung von E. coli angewandten Temperaturbereich von 37° C die Zahl der
zur Kolonienbildung schreitenden Keime erhöht. Die
Ursache für das Vorkommen derartiger, bei normaler
Züchtungstemperatur inaktiver Keime ist noch unbekannt. Möglich wäre, daß die Inaktivität dieser
Bakterienzellen in Zusammenhang mit gewissen Viskositätsunterschieden des Plasmas der einzelnen Zellen steht, obgleich „Dauerformen" bei E. coli im
üblichen Sinne bisher nicht beobachtet wurden.
4
genommen wurde. Wenn die zur Inaktivierung der
Keime verwendete UV-Dosis von S t e i n und H a r m
so gewählt wurde, daß 5 % der bestrahlten Keime
überlebten, stieg die Zahl der überlebenden Zellen
nach erfolgter Wärmereaktivierung
Sensibilisierung
Eine Sensibilisierung von Bakterien für Röntgenstrahlen durch eine Wärmevorbehandlung im Bereich
zwischen 30° und 45° C, bei der die L D 50 auf etwa
den halben Wert absinkt, wurde bisher nicht festgestellt. Diese Sensibilisierung (die formal treffertheoretisch durch eine Erhöhung der Wirkungswahrscheinlichkeiten für die primären Ionisationen, grundsätzlich aber auch durch eine Vergrößerung des strahlenempfindlichen Volumens beschrieben werden kann),
ist anscheinend dadurch bedingt, daß die Bakterien
bei Wärmebehandlung in eine von der Ausgangsform
abweichende Modifikation übergehen können. Diese
Wärme-Modifikation bleibt, wie aus unseren Versuchen hervorgeht, offenbar so lange erhalten, solange
sich die wärmebehandelten Bakterien in der Nährlösung oder auf den Nährbodenplatten fortpflanzen.
Ihre Zurückverwandlung in die durch eine geringere
Röntgenstrahlenempfindlichkeit ausgezeichnete Ausgangsform erfolgt erst, wenn die Vermehrung dieser
Keime durch Entzug des Nährmediums eingestellt
wird.
auf etwa 8 0 %
des Ausgangswertes an. Im Unterschied dazu betrug in unseren Versuchen die Zahl der kolonienbildenden Keime 3 0 — 4 0 %
von der Ausgangszahl,
wenn durch die Röntgenbestrahlung 9 5 % der Zellen
inaktiviert wurden.
Es
hat sich
weiterhin gezeigt, daß durch
eine
Wärmevorbehandlung nicht nur die von uns verwendeten Coli-Bakterien
2. D i e
geringer
sensibilisiert
werden
können,
sondern daß die für Röntgenstrahlen sensibilisierte
Modifikation bei Wärmenachbehandlung auch eine
viel höhere Reaktivierungsrate aufweist. Im Unterschied zu den nicht-sensibilisierten Keimen, bei denen
durch die Wärmenachbehandlung
die L D 50 nur
etwa auf den 1,6-fachen Wert der normalen L D 50
ansteigt, erreicht die mittlere Letaldosis den vierfachen Wert der L D 50 sensibilisierter Zellen.
Dieser Befund ordnet sidi ein in die offenbar allgemeine Regel, daß bei Escherichia
coli die Reakti-
vierungsraten desto höher liegen, je größer die Strahlenempfindlichkeit
der
Bakterienzellen
ist.
Dieser
Auffassung entspricht auch das Ergebnis von A n d e r s o n 3 , der bei dem gegenüber Röntgenstrahlen resistenten B/r-Stamm von E. coli
keine Reaktivierung
erreichen konnte. Ganz analog hierzu zeigte auch ein
von S t e i n und H a r m 5 gezüchteter UV-resistenter
B-Stamm eine relativ viel geringere Reaktivierbarkeit
als die von ihnen verwendete Ausgangskultur. Die
Regel von der größeren Reaktivierbarkeit inaktivierter Zellen bei herabgesetzter Strahlenresistenz
gilt
also dem Anschein nach sowohl für die Abtötung von
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Bakterien durch Röntgenstrahlen als auch durch ultraviolette Strahlen.
der Aufstellung
Hieraus geht hervor, daß ganz allgemein zu unterscheiden ist zwischen primären Effekten, welche mit
sehr großer Wahrscheinlichkeit zunächst nur geringfügige Störungen in den Zellen hervorrufen und die
daher durch den Einfluß äußerer Faktoren rückgängig
gemacht werden können (reversible, d. h. reaktivierbare Schäden) und solchen Störungen, die irreversibel
sind, dafür aber nur mit kleiner Wahrscheinlichkeit
erzeugt werden.
Die Versuche von S t e i n und H a r m 5 mit ultraviolettem Licht einerseits und unsere Röntgenversuche
andererseits lassen dabei zugleich erkennen, daß die
Unterschiede in der Wirkung der ultravioletten Strahlen und der Röntgenstrahlen nicht qualitativer, sondern nur quantitativer Art sind. Sowohl mit UV-Licht
als auch mit Röntgenstrahlen erzielt man reversible
und irreversible primäre Schädigungen. Nur die relative Wahrscheinlichkeit, mit der die reversiblen und
irreversiblen Schäden ausgelöst werden, ist bei den
beiden Strahlenarten verschieden; dazu kann sie
außerdem noch durch genetische Selektion oder auch
durch eine Wärmevorbehandlung beeinflußt werden.
Im Vergleich zu dem UV-Licht überwiegen bei den
Röntgenstrahlen grundsätzlich die irreversiblen Schäden, während bei einer Einwirkung von ultravioletten
Strahlen die reversiblen Bestrahlungswirkungen im
Vordergrunde stehen.
lenwirkung auf die Chromosomen höherer Organis-
4. D i e p r i m ä r e n
Reaktionen
Was die Natur der primären Schäden betrifft, so
ist auf die Möglichkeit wiederholt hingewiesen worden, daß die reversiblen Schäden mit der Bildung
oder Blockierung aktiver Gruppen von Enzymen in
Zusammenhang stehen, also auf eine Beeinflussung
des Gesamtstoffwechsels der Zelle zurückgehen, wobei dann diese Gruppen bei der Reaktivierung
wieder zerstört bzw. wieder freigegeben werden. Bei
von
Deutungsmöglichkeiten
kann
man sich aber auch von der Analogie mit der Strahmen leiten lassen. Danach könnten die irreversiblen
Schäden
als Kettenreaktionen
in den biologischen
Elementareinheiten (Genen, Chromosomen) angesehen
werden. Auf derartige Kettenreaktionen sind z. B.
die vollständigen, d. h. nicht restituierbaren Chromosomenbrüche zurückzuführen. Schließlich besteht auch
noch die Möglichkeit, daß eine geringe Störung im
Gefüge
des
Elementarkörpers
(Chromosom,
Gen)
nicht sofort, sondern erst im Laufe der weiteren Entwicklung der Zellen durch eine Kettenreaktion im
Elementarkörper zu einem nicht-restituierbaren Schaden führt, der im Anfangsstadium noch durch Blaulicht, Wärme oder eine Behandlung mit bestimmten
chemischen Körpern behoben werden kann, ähnlich
wie
dies bei
den
unvollständigen
Chromosomen-
brüchen der Fall ist.
Zu der Frage, welche von diesen verschiedenen
Deutungsmöglichkeiten hier in Betracht kommt, leisten unsere Versuche zunächst keinen Beitrag. Sie eröffnen jedoch einen aussichtsreichen Weg zur Klärung, auf dem zugleich auch nähere Einblicke in die
primäre Vorgänge bei der Einwirkung energiereicher
Strahlen auf das biologische Objekt möglich erscheinen. Bei den höheren Organismen werden bekanntlich
nicht-restituierbare
Chromosomenbrüche
mit
desto
größerer Wahrscheinlichkeit erzeugt, je größer die
spezifische
Ionisation
der
angewandten
Strahlung
ist. Wir beabsichtigen, die Frage der Analogie mit
Vorgängen bei den höheren Organismen zu verfolgen, und werden daher unsere weiteren Versuche insbesondere mit a-Strahlen durchführen.
Die vorliegende Untersuchung wurde in dankenswerter
Weise von der D e u t s c h e n F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t und dem B a d i s c h e n
Landesverband
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