321 Gentechnologie im Reagenzglas in den λ-Vektor einzuführen. Das wäre einer In-vitro-Rekombination vergleichbar – und damit verstehen wir auch die häufig benutzte Bezeichnung „Rekombinanten-DNA-Technik“. 12.1 Die Strategie der Klonierung beinhaltet das Einsetzen der PassagierDNA, das Einschleusen des beladenen Vektors und seine Vermehrung Dies erlaubt uns, eine allgemeine Strategie für DNA-Klonierung zu formulieren. Im Einzelnen sind folgende Teilschritte zu durchlaufen: 1. Isolierung der Passagier-DNA, 2. Wahl eines geeigneten Vektors, 3. Einbau der Passagier-DNA in den Vektor, 4. Einschleusen des Vektors mit der Passagier-DNA in eine geeignete Zelle. 5. Replikation der Rekombinanten-DNA in der Zelle, 6. a Isolierung der Rekombinanten-DNA, b eventuell Produktion des Genproduktes – oder c Sequenzierung der DNA. 12.1.1 Isolierung der Passagier-DNA Zwei grundlegende Taktiken können befolgt werden: Entweder wird das Gen (bzw. das DNA-Stück), das kloniert werden soll, zunächst isoliert oder alle Fragmente einer DNA werden kloniert, und anschließend wird für die gewünschten Sequenzen selektioniert. Isolierung von Genen Die Isolierung von Genen ist in manchen Fällen relativ einfach: Die Globin-Gene des Hämoglobins z. B. können über die mRNAs gewonnen werden. In Reticulocyten, den Vorstufen der Erythrocyten, wird fast nur Hämoglobin synthetisiert. Entsprechend besteht die mRNA fast ausschließlich aus Globin-mRNA. Das Experiment sieht wie folgt aus: Kaninchen (oder andere Tiere) werden zur Bildung von Reticulocyten angeregt, z. B. durch wiederholte Blutabnahmen. Die Blutzellen werden abzentrifugiert und die roten von den weißen Blutkörperchen abgetrennt. Die roten Blutkörperchen werden lysiert (in Wasser) und die Gesamt-RNA wird durch mehrfaches Ausschütteln der wässrigen Phase mit Phenol isoliert. Zur Entfernung des Phenols kann die RNA durch Ethanol gefällt werden. Die mRNA muss jetzt noch von der ribosomalen und 12 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Die Entwicklung der Gentechnologie, auch Rekombinanten-DNA-Technik oder Klonieren genannt, hat in den vergangenen Jahren zu einer wahren Revolution der Biologie und der Medizin geführt. Es ist nicht absehbar, welche Perspektiven diese neue Disziplin noch eröffnen wird. Durch die Gentechnologie werden Gene und Signale auf der DNA in ausreichenden Mengen zugänglich, um sie zu sequenzieren. Indirekt können so auch die Sequenzen von Proteinen bestimmt werden. Eukaryontische Gene können mit entsprechenden Signalstrukturen in Bakterien eingebracht werden, und die Bakterien produzieren dann die eukaryonten Proteine. Defekte Gene können durch intakte kompensiert werden. So können z. B. erbliche Defekte in Zellen geheilt werden. Intensive Versuche werden unternommen, somatische Gentherapie auch beim Menschen erfolgreich anzuwenden. Was versteht man unter DNA-Klonierung? Ein Zellklon beinhaltet alle Zellen, die durch Zellteilung aus einer Zelle hervorgegangen und deshalb untereinander identisch sind. Analog bezeichnet „klonierte DNA“ die durch Replikation von einer Ausgangs-DNA hergestellten identischen Kopien. In diesem Sinne liefert jede lytische Infektion einer Bakterienzelle durch ein Virus einen DNA-Klon: Die Virus-Nachkommen enthalten alle replikative Kopien der Stamm-DNA. Das Beispiel verdeutlicht auch gleich eines der praktischen Ziele der Klonierungstechniken, nämlich die Vermehrung der zu untersuchenden DNA um viele Größenordnungen. Wir möchten z. B. spezifische Abschnitte eukaryontischer DNA untersuchen. Aus der Bakteriengenetik kennen wir das Phänomen der transduzierenden Viren (S. 289). Unter Verlust eines Teils der eigenen DNA nimmt ein solches Virus ein kurzes Stück des Bakteriengenoms mit auf die Reise, wenn es aus dem Wirtsgenom herausgeschnitten wird. Diese neu erworbene DNA bleibt fester Bestandteil der Virus-DNA. Transduzierende Viren sind für die Genetiker von Interesse, weil die mitgenommene DNA oft komplette Gene oder ganze Operons enthält. So gibt es λ-Phagen, die das Lactose-Operon aus E. coli tragen. Vom Standpukt des lacOperons aus gesehen, fungiert die Virus-DNA bei diesem Vorgang lediglich als Träger oder als Vehikel, das für den Transport und die Vermehrung der lac-DNA als Passagier oder Mitfahrer sorgt. Wir sprechen von der λ-DNA als Vektor oder Vehikel. Prinzipiell ist es möglich, anstelle der lac-DNA beliebige fremde DNA-Stücke durch Reaktion Gentechnologie 12 12 Gentechnologie A–A–A–A–A mRNA Reverse Transkriptase A–A–A–A–A T–T–T–T–T mRNA cDNA RNA-Abbau Auffüllen durch DNA-Polymerase DNA T–T–T–T–T Abbau der Haarnadel durch S1-Nuclease T–T–T–T–T Abb. 12.1 Präparation von komplementärer DNA (cDNA). An mRNA wird mit einem Oligo-T-Starter durch Reverse Transkriptase cDNA synthetisiert. Der RNA-Strang wird z. B. durch alkalische Hydrolyse entfernt. Der zweite DNA-Strang wird durch DNA-Polymerase gebildet und die entstandene Haarnadelstruktur wird enzymatisch durch die S 1-Nuclease geöffnet. der tRNA getrennt werden. Die mRNA besitzt an ihrem 3'-Ende einen Poly-A-Schwanz, an dem sie durch Poly-T-Säulen herausgezogen werden kann. Die mRNA wird durch das Enzym Reverse Transkriptase in den komplementären DNA-Strang, die cDNA, übersetzt (Abb. 12.1). Im alkalischen Milieu wird der RNA-Strang hydrolysiert. An dem verbleibenden cDNA-Strang wird mit DNA-Polymerase I von E. coli der fehlende DNA-Strang synthetisiert. Diese DNA, die fast ausschließlich für Globin codiert, kann als Passagier-DNA eingesetzt werden. Die Fälle, in denen die Natur eine fast reine mRNA präsentiert, sind selten. Meistens ist die gewünschte mRNA begleitet von einer Majorität anderer RNAs. Sehr oft macht eine mRNA nur 0,01–1% der Gesamt-Poly-A-RNA aus. Die Anreicherung gestaltet sich dann schwieriger. Eine Verbesserung der Strategie geht von der spezifischen Hybridisierung von DNA-Sequenzen mit der mRNA aus. Voraussetzung ist, dass ein Stück Sequenz des Gens, z. B. aus der Proteinsequenz, bekannt ist (Abb. 12.2). Ein synthetisches Oligonucleotid des Gens wird als Starter für die Reverse Transkriptase benutzt. Gesamt-mRNA (Poly-ARNA) wird präpariert und mit dem Starter-Oligonucleotid hybridisiert. Die Reverse Transkriptase startet bevorzugt an RNA, die das Starter-Oligonucleotid hat, d. h. es wird bevorzugt von der gewünschten RNA transkribiert. Das Resultat ist eine starke Anreicherung der gewünschten cDNA. Klonierung der Gesamt-DNA Cap AUCAGACCU spezifische mRNA AAAAn Hybridisierung des Starters Cap AUCAGACCU TAGTCTGGA AAAAn Synthese der komplementären spezifischen DNA mit Reverser Transkriptase Cap AUCAGACCU TAGTCTGGA AAAAn RNA-Abbau und Auffüllung durch DNA-Polymerase AUCAGACCU TAGTCTGGA Abbau der Haarnadel durch S1-Nuclease AUCAGACCU TAGTCTGGA Abb. 12.2 Selektion einer spezifischen mRNA mit Hilfe eines spezifischen Starters. Statt wie in Abb. 12.1 die cDNA-Synthese mit einem Oligo-T-Starter beginnen zu lassen, kann als Starter für die Reverse Transkriptase auch ein komplementäres DNA-Oligonucleotid dienen. Diese DNA-Sequenz entspricht einer Region auf einem spezifischen Gen und selektioniert aus den zahlreichen mRNA-Molekülen die entsprechende mRNA heraus, die bevorzugt in cDNA übersetzt wird. Bei sog. Schrotschuss-Klonierungen, d. h. das gesamte Genom wird kloniert (Abb. 12.3), kommt es darauf an, das Genom in möglichst einheitlich lange DNA-Fragmente zu zerlegen. Die Länge der Fragmente richtet sich einerseits nach der Länge der Sequenzen, die man untersuchen möchte, andererseits hängt die Länge des Passagiers auch vom Vektor ab. DNA-Stücke von 20 Kilobasenpaaren (1 kb = 1000 bp) entstehen durch mehrmaliges Passieren durch eine enge Kanüle. Die Anzahl der nötigen Passagen muss empirisch ermittelt werden. Die Brüche erfolgen statistisch entlang der DNA. Hierbei entstehen viele „ausgefranste“, d. h. einzelsträngige Enden. Die Einzelstrangbereiche werden mit Hilfe der Einzelstrang-spezifischen Nuclease S 1 beseitigt, sodass stumpfendige DNA (glatte Enden) entsteht. Eine bessere Methode ist der Einsatz von Restriktionsenzymen wie z. B. HaeIII und AluI. Beide Nucleasen haben eine Erkennungssequenz von vier Nucleotiden (Tab. 12.1). Bei gleichem Vorkommen aller vier Basen ist zu erwarten, dass etwa nach allen 44 = 256 Nucleotiden eine Schnittstelle für diese Enzyme auftaucht. In der Realität bedeutet dies eine relativ geringe durchschnittliche Fragmentlänge. Führen wir bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Nucleasen die Verdauung jedoch so durch, dass nur an einem Bruchteil der möglichen Schnittstellen gespalten wird (engl.: limited digest), so kann durch die Reaktionsbedingungen die Fragmentlänge der DNA recht genau auf eine gewünschte Länge eingestellt werden. Damit ist mit hoher Wahrscheinlichkeit jedes beliebige Stück der DNA unter den Bruchstücken vorhanden und die erhaltene Kollektion von Bruchstücken des Genoms (Genombibliothek) komplett. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 322 12.1 Strategie der Klonierung 323 12.1.2 Der Vektor muss autonom replizieren, Passagier-DNA aufnehmen und in Wirtszellen eingeschleust werden können Die Plasmide pBR322 und pUR222 eignen sich nicht zum Klonieren großer DNA-Stücke. Für diese Aufgabe wurden die Cosmide entwickelt. Cosmide sind Hybride zwischen Einsetzen in Vektor Genombibliothek Abb. 12.3 Schrotschuss-Klonierung. Tab. 12.1 Restriktionsendonucleasen mit den spezifischen Erkennungssequenzen Herkunftsorganismus Spezifische Sequenz -AG'CT- Alul Arthrobacter luteus BamHI Bacillus amyloliquefaciens H -G'GATCC- BglI Bacillus globigii -GCC(N4)'N-GGC- ClaI Caryphanon latum L AT'CGAT- DpnI Streptococcus pneumoniae -GMeA'TC- EcoRI E. coli-Stämme BS 5, RY 13 u. a. -G'AATTC- EcoRV E. coli J62 -GAT'ATC- HaeIII Haemophilus aegyptius -GG'CC- HindIII Haemophilus influenzae -A'AGCTT- HpaI Hameophilus parainfluenzae -GTT'AAC- HpaII Haemophilus parainfluenzae -C'CGG- MspI Moraxella -C'CGG- PstI Providencia stuartii -CTGCA'G- SalI Streptomyces albus -G'TCGAC- SauI Streptomyces aureofaciens -CC'TNAGG- Sau3AI Staphylococcus aureus 3A -'GATC- SmaI Serratia marcescens Sb -CCC'GGG- XhoI Xanthomonas campestris pv. holcicola -C'TCGAG- XhoII Xanthomonas campestris pv. holcicola -Pu’GATCPy- 12 Plasmiden und Sequenzen vom Phagen λ. Von den Plasmiden haben sie die Strukturen für die autonome Replikation sowie Gene für Antibiotikaresistenzen, und von λ haben die Cosmide die spezifischen DNA-Sequenzen, die der Phage für die Verpackung der DNA in die Phagenhülle braucht (Cos-Stellen). Damit besitzen die Cosmide die Vorteile von Plasmiden wie die autonome Replikationsfähigkeit und Gene für Selektion sowie Vorteile von λ wie die Möglichkeit der Verpackung in Phagenhüllen. Durch die Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Als Beispiel sei das Plasmid pBR322 (Abb. 12.4a) angeführt. Es ist ringförmig und trägt Gene für Resistenz gegen Ampicillin und Tetracyclin. Beide Gene können wechselseitig für die Einrekombination von Passagier-DNA ausgenutzt werden. Sowohl im Ampicillin-Gen als auch im Tetracyclin-Gen gibt es einmalige Schnittstellen (s. u.) für Restriktionsendonucleasen. Statt einer Antibiotika-Resistenz kann auch jedes andere Gen ausgenutzt werden. Im Plasmid pUR222 (Abb. 12.4c) befindet sich ein Teil des Lactose-Operons mit Promotor, Operator und dem Gen für β-Galactosidase. In diesem Gen liegen einige einmalige Schnittstellen für Restriktionsendonucleasen. (Eine einmalige Schnittstelle ist gegeben, wenn auf dem gleichen DNA-Molekül für die spezifische Nuclease keine weitere Schnittsequenz existiert.) Wird in den Vektor pUR222 im Gen für β-Galactosidase DNA hineinrekombiniert, wird das Gen inaktiviert. Wenn die Empfängerzellen selbst kein Gen für β-Galactosidase trägt, bleibt sie nach Transformation mit beladenem pUR222 in einer Farbreaktion negativ. Zur Selektion der Zellen, die ein Plasmid aufgenommen haben, eignet sich die Ampicillin-Resistenz. Die transformierten Zellen werden auf Ampicillin-haltigen Platten kultiviert, die den Farbindikator enthalten. Kolonien, die beladenes pUR222 enthalten, sind sofort an ihrer Farblosigkeit zu erkennen (Abb. 12.4c). DNA-Fragmentierung durch Scherkräfte, Restriktionsnucleasen oder DNAasen Gentechnologie Ein geeigneter DNA-Vektor muss drei Bedingungen erfüllen: ▬ Er muss unabhängig vom Hauptgenom der Wirtszelle replizieren, also ein selbstständiges Replikon bilden. Von Vorteil ist dabei, wenn die Vektorreplikation von der des Hauptgenoms abgekoppelt werden kann, so dass eine hohe Kopienzahl der klonierten DNA pro Wirtszelle erreicht wird. ▬ Der Vektor muss die Passagier-DNA aufnehmen können, unter Umständen unter Austausch gegen einen Teil seiner eigenen DNA. ▬ Der Vektor sollte mit hoher Effizienz in die Wirtszelle eingeführt werden können, etwa durch Transformation (auch als Transfektion bezeichnet) oder durch Infektion nach Verpackung in Virushüllen. Sowohl Plasmide wie Viren erfüllen diese Bedingungen und finden deshalb als Vektoren Verwendung. Zweckmäßigerweise ist der Vektor so konstruiert, dass nach dem Einschleusen in die Zelle kontrolliert werden kann, ob er tatsächlich in der Zelle vorhanden ist. Dafür eignet sich z. B. ein Gen für Antibiotikaresistenz. Wenn Antibiotika-sensitive E.-coli-Zellen Empfänger des Vektors mit dem Resistenzgen sind, werden diese gegen das betreffende Antibiotikum resistent. Außerdem muss ersichtlich sein, dass der Vektor Rekombinanten-DNA trägt. Dafür eignet sich ebenfalls ein Gen für eine andere Antibiotika-Resistenz. In dieses Gen wird die Passagier-DNA eingesetzt und damit das Gen für diese Resistenz inaktiviert. Die Zellen, die mit einem beladenen Vektor transformiert wurden, sind resistent gegen das Antibiotikum 1 und sensitiv gegen Antibiotikum 2, während Zellen mit unbeladenem Vektor gegen beide resistent sind. 12 Gentechnologie 0 kbp Res ist en Ampicillin - Sal1 in-Resistenz cycl tra Te 4 1 pBR322 4,362 kbp 3 Ur sp r Xma III 2 un g 1 2 3 AR TS AR TS TR AS AS AS c TS TS Taq I Amp icil l 0 kb in- Re Pvu I sis z ten se Hae III pUR222 Hinf I 2 2,7 kbp Pvu II BamH1 EcoR1 Pst I 1 Sal l Acc l g Hind ll Ursprun Multiklonierungsstelle Bg lI PO G -β- Hinf I Abb. 12.4 Verwendung von Vektoren in der Gentechnologie. a Das Plasmid pBR322 hat 4,362 Kilobasenpaare (kb), 2 ResistenzGene, Tetracyclin und Ampicillin, einen Ursprung der Replikation und sog. einmalige Schnittstellen (EcoRI, HindIII, BamHI, SalI, XmaIII, PstI, PvuI, ScaI). Am Innenring sind die Nucleotidpositionen in Kilobasenpaaren und die Transkriptionsrichtung angegeben. b Antibiotika-Resistenz als Nachweis für ein intaktes Resistenz-Gen: Der Wirt (1) ist empfindlich gegen beide Antibiotika, Ampicillin (AS) und Tetracyclin (TS). (2) Transformation mit dem Plasmid pBR322, das die beiden Resistenz-Gene (AR, TR) trägt, resultiert in Resistenz gegen beide Antibiotika (AR, TR). (3) Transformation einer Zelle mit einem Plasmid, das in dem Tetracyclin-Resistenz-Gen einen Passagier trägt, macht die Zelle resistent gegen Ampicillin, aber die Zelle bleibt empfindlich gegen Tetracyclin (AR, TS). c Plasmid pUR222. Das Plasmid pUR222 ist 2,7 Kilobasenpaare lang, besitzt ein ResistenzGen für Ampicillin, das Gen für β-Galactosidase mit Promotor P und Operator sowie einen Ursprung der Replikation. Am Innenring sind die Nucleotidpositionen in Kilobasenpaaren und die Transkriptionsrichtungen angegeben. Außen sind einige „einmalige Schnittstellen“ eingezeichnet. Eine andere Möglichkeit, große DNA-Fragmente zu klonieren, sind die kleinen, einsträngigen, bakteriellen Viren wie M13 und fd. Bei diesen Viren wird nicht eine vorgefertigte Virushülle mit DNA gefüllt, wobei in so einem Fall aus räumlichen Gründen nur eine bestimmte DNA-Menge verpackt werden kann, sondern die DNA wird durch das Hüllprotein zu einem Filament geformt. Je länger die DNA ist, desto länger wird das Filament. Normalerweise werden diese Viren von den Zellen fortlaufend „ausgeschwitzt“. Dadurch werden hohe Titer erzielt. Besonders geeignet sind diese Vektoren zum Sequenzieren klonierter DNA-Fragmente, weil auf diese Weise leicht große Mengen Einzelstrang-DNA gewonnen werden können. M13 kann auch zu Klonierungszwecken mit dem Gen für β-Galactosidase kombiniert werden. Ein besonders raffinierter M13-Vektor enthält im Gen für β-Galactosidase eine einmalige Schnittstelle und in unmittelbarer Nähe eine Basendeletion. Die Basendeletion bewirkt Rasterverschiebung. Das entstehende Protein ist inaktiv, da stromabwärts falsche Aminosäuren eingebaut werden. Wird an der einmaligen Schnittstelle eine Passagier-DNA eingesetzt, wird diese im Anschluss an das erste Stück der β-Galactosidase in Protein übersetzt. Am Ende der eingesetzten DNA kann sich für den Rest der β-Galactosidase der richtige Leseraster wieder ergeben. Aktive β-Galactosidase wird nur gebildet, wenn der Leseraster durch eingesetzte DNA korrigiert wird. Kolonien mit beladenem Vektor können so an der Synthese von β-Galactosidase erkannt werden. Diese Zellen haben dann auch die Passagier-DNA ausgeprägt. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Leserahmen für diese DNA korrekt ist, ist zu einem Drittel bedingt durch die Triplettkonstruktion. Durch zusätzliche Basendeletionen stromaufwärts entstehen Vektoren, die die Passagier-DNA jeweils in einem der drei möglichen Leserahmen in Protein übersetzen. Diese Vektoren werden Expressionsvektoren genannt. Entsprechend gibt es auch Expressionsvektoren für eukaryontische Zellen. Für die Klonierung besonders großer DNA-Fragmente von mehreren hundert Kilobasenpaaren eignen sich die YACs (yeast artificial chromosomes = künstliche Hefechromosomen). Sie bestehen aus künstlich zusammengefügten Zentromeren, Telomeren und ARSs (autonom replizierende Sequenzen – Ursprung der Replikation) (Abb. 12.6). An der einmaligen Restriktionsstelle wird die PassagierDNA hineinkloniert. Nach Behandlung mit der Restriktionsendonuclease BamH1 fällt das Segment zwischen den Telomeren heraus, sodass ein künstliches Chromosom entsteht mit endständigen Telomeren, einem Zentromer und einem ARS. Dieses künstliche Chromosom wird in der Zelle wie ein natürliches behandelt und vermehrt. Das riesige Fassungsvermögen an Passagier-DNA ermöglicht das Klonieren von großen Genen wie das der Duchenne-Muskeldystrophie (> 1000 kb) oder das Gen für Faktor VIII, das bei der Hämophilie A defekt ist (186 kb). Auch für die Charakterisierung von Abschnitten auf Chromosomen durch „chromosomales Wandern“ ist das YACSystem geeignet. Beim chromosomalen Wandern (chromosome walking) werden große DNA-Fragmente kloniert und durch überlappende Klone eine längere DNA-Strecke überwunden. Größere Distanzen lassen sich mit dem chromosomalen Springen (chromosome jumping) überbrücken (Abb. 12.7). Durch partielle Spaltung von DNA durch eine Restriktionsendonuclease werden große Fragmente erzeugt, Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. BamH1 Sca l Pvu l z Pst l b Möglichkeit, verpackt zu werden, können Cosmide gezielt aus einem DNA-Gemisch isoliert werden. Cosmide lassen sich dann mit hoher Ausbeute in neue Empfängerzellen infizieren (Abb. 12.5). EcoR1 Hind III a tosida alac 324 12.1 Strategie der Klonierung Amp T3P Neo einmalige Restriktionsstellen Cosmid X cos SV40 ori T7 P cos Abb. 12.5 Cosmid X. Das Cosmid X besitzt die Resistenz-Gene für Ampicillin (Penicillin) und Neomycin sowie den „Ursprung der Replikation“ von einem E. coliPlasmid (ori, Neo und Amp) sowie die „Cos“-Stellen des bakteriellen Virus λ zum Verpacken in λ-Hüllen (rotviolett). Daneben hat es einen „Ursprung der Replikation“ des Virus SV40 zur Vermehrung in höheren Zellen und eine Klonierungskassette mit „einmaligen Schnittstellen“ zum Einsetzen von Passagier-DNA. An den Enden der Kassette können starke Promotoren wie hier die von T7 bzw. T3 sein, um diese Region besonders intensiv in Genprodukt übersetzen zu können. Startsequenz Zielsequenz Telomer Plasmid Telomer Pilotsequenz Zirkularisierung DNA Selektion für Pilotund Startsequenz ARS Spaltung mit Restriktionsenzym Zentromer Schnittstelle Abb. 12.6 YACs (yeast artificial chromosomes – artifizielle Hefechromosomen. Aus Zentromeren, Telomeren und ARSs (autonom replizierende Sequenzen – Ursprung der Replikation) zusammengesetzte Vektoren zum Klonieren großer DNA-Fragmente. Abb. 12.7 Chromosomales Springen. Um die Nachbarschaft von bekannten Sequenzen der DNA zu ergründen, wird in beide Richtungen „gesprungen“. DNA wird fragmentiert. Die Stücke werden mit einem „Leit-Gen“ (Pilotsequenz) verbunden und zirkularisiert. Die Ringe werden durch Restriktionsendonucleasen zerkleinert. Fragmente, die das Leit-Gen und die bekannte Startsequenz haben, werden analysiert. Dem Leit-Gen benachbart ist die Endsequenz des ursprünglichen DNA-Fragmentes. Gentechnologie Charakterisierung der Zielsequenz 12 die mit einem Pilot-Gen zirkulär zusammengefügt werden. Das Pilot-Gen markiert die Stelle des Ringschlusses und damit die Enden des DNA-Fragmentes. Mit einer anderen Restriktionsendonuclease werden die Ringe zerschnitten und in einem geeigneten Vektor kloniert. Klone, die das Leit-Gen, flankiert von Passagiersequenzen, tragen, werden isoliert. Auf der einen Seite des Leit-Gens befindet sich die „Startsequenz“, auf der anderen das Ende des ursprünglich großen DNA-Fragmentes, das als Startsequenz für den nächsten chromosomalen Sprung dient. Auf diese Weise erhält man Klon-Contigs. Ein Contig (von contiguous = angrenzend) beinhaltet überlappende, identifizierbare DNA-Klone (z. B. Cosmide oder YACs), die eine zusammenhängende Region des Genoms abdecken. Um die Anordnung bestimmter Gene auf der DNA festlegen zu können, gibt es die Möglichkeit, Cosmid-Contigs eines einzelnen menschlichen Chromosoms herzustellen, sie zu klonieren, nicht-radioaktiv zu markieren und mit Fluoreszenzfarbstoffen zu detektieren. Unter Einzelstrangbedingungen werden diese Cosmide dann an DNA hybridisiert, die auf Objektträger in Form von lang gestreckten DNA-Fäden (Fibern) aufgebracht worden ist. Solche Proben werden Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ori 325 326 12 Gentechnologie a c Abb. 12.8 Fiber-FISH diverser Cosmide eines Contigs vom Chromosom 21. Cosmide mit einklonierter DNA aus dem menschlichen Chromosom 21 wurden mit Digoxygenin 11-dUTP bzw. mit Biotin 16-dUTP markiert und mit Anti-Digoxygenin-Cy3 (rot) bzw. Avidin-FITC (grün) detektiert. Die Aufnahme wurde mit 1 2 M 2000 1500 600 Abb. 12.9 Darstellung des PCR-Produktes der Promotorregion eines Gens in der Agarose-Gel-Elektrophorese. Aus genomischer DNA wurde über PCR eine 600bp große Promotorregion des Gens für ein Enzym des Radikalstoffwechsels amplifiziert und parallel zu einem Größenmarker auf ein Agarosegel aufgetragen. Nach Anfärbung mit Ethidium-Bromid wurde die Bande des DNA-Fragments bei 600bp sichtbar. Spur 1: 1 μg DNA, Spur 2: 0,5 μg DNA, Spur M: 100bp Marker (M. Kontou, M. Schweiger, Berlin). am Ort komplementärer Basen hybridisieren und über Fluoreszenzfarbstoff-tragende Antikörper detektiert (FISH = Fluoreszenz-in-situHybridisierung S.146). Werden die einzelnen Cosmide mit unterschiedlichen Farbstoffen angefärbt, so kann ihre Position zueinander im Fluoreszenzmikroskop ausgemacht werden, wobei überlappende Stellen durch Farbinterferenz deutlich werden (Abb. 12.8a–c). einem Zeiss-Epifluoreszenz-Mikroskop in 630-facher Vergrößerung gemacht. 8a und 8b zeigen größere und kleinere aneinander grenzende Cosmide, 8c zeigt Überlappungsstellen (gelb) (MarieLaure Yaspo, Berlin). Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Für die Sequenzierung von DNA ist die Klonierung nicht Voraussetzung. Über eine Vervielfältigungstechnik, die Polymerase-Kettenreaktion, können auch geringste Mengen DNA der Sequenzierung ohne vorherige Klonierung unterworfen werden. Das Prinzip der Polymerase-Kettenreaktion ist die wiederholte Synthese spezifischer DNA-Teile (Abb. 12.9, Abb. 12.10). Die Spezifität wird erzielt durch die Hybridisierung der Starter-Oligonucleotide an die denaturierten DNA-Stränge. Praktisch verläuft die cyclische DNA-Synthese über die Stufen Schmelzen der DNA durch Temperaturerhöhung, Hybridisierung der Starter-Oligonucleotide und Synthese der komplementären DNAStränge. Für den Start des nächsten Cyclus wird die Temperatur wieder erhöht. Temperaturunempfindliche DNAPolymerase (Taq-Polymerase) übersteht die Temperaturerhöhungen ohne Inaktivierung. Die vervielfältigten DNAStränge können direkt sequenziert oder kloniert werden. Es kann auch von mRNA ausgegangen werden, die dann in einem ersten Schritt mit Reverser Transcriptase in DNA umgeschrieben wird (RT-PCR). PCR hat sich zu einer äußerst wichtigen Methode entwickelt, da kleinste Mengen von Nucleinsäure-haltigem Ausgangsmaterial bereits zu Analysen ausreichen. In der Klinik wird diese Methode mittlerweile routinemäßig angewandt. Neben Mutationsanalysen in der Humangenetik (z. B. Nachweis der häufigen ΔF508-Deletion im Cystischen-Fibrose-Gen) können in der Infektiologie bakterielle und virale Erreger nachgewiesen werden (z. B. HIV-Infektion). Spektakuläre Anwendung findet sie in der Kriminalistik. Aus kleinsten Spuren von Blut, Samenzellen oder Speichel kann die DNA über PCR vervielfältigt werden, sodass über DNA-Muster nach Restriktionsverdau Individual-Zuordnungen getroffen werden können. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. b 12.1 Strategie der Klonierung 1x 3. Zyklus 3' 5' a' x' b' a 5' 3' Polymerisation mit Taq 72°C 1x 2x 3' 5' a' x' b' a x b 5' 3' 1x Denaturierung 95°C 3' 5' a' x' b' a' x' b' 3' 5' a x b 5' 3' 2. Zyklus Primer-Hybridisierung 50°C 5' 3' a x b b' 3' 5' 3' 5' a' x' b' a 5' 3' 5' a a' 3' 3' a' a 5' 3' x b x' b' 5' 5' x' b' x b 3' 3' 5' a' x' b' a 5' 3' 5' 3' a x b b' 3' 5' Polymerisation mit Taq 72°C 3' a' a 5' 3' a a' 5' x' x x x' 5' b' b 3' 5' b b' 3' Denaturierung 95°C 1x 3x 4. Zyklus 5' 3' a x b 3x 1x 5' 3' a x b 3' 5' a' x' b' 5' 3' a x b 5' a a' 3' 3' a' a 5' 5' a a' 3' 5' a 3' a' 5' a 3' a' 3' 5' a' x' b' 5' 3' 2x a x b 3' 5' 1x a' x' b' Primer-Hybridisierung, Polymerisation 5' 3' a' x' b' 1x a x b 5' 3' 5' 3' a x b 2x a' x' b' 3' 5' 3' 5' a' x' b' 1x a x b 5' 3' Denaturierung 1x 3' x b x' b' 5' 5' x' b' x b 3' 3' x b x' b' 5' x b 3' 3' a' 5' a 3' a' 5' a 1x 5' x' b' 3' x b 5' x' b' 3x 3x 1x 5' x' b' 3' x b 5' x' b' 3' x b Hybridisierung Polymerisation Denaturierung Beginn 5. Zyklus Beginn 6. Zyklus Beginn 7. Zyklus 1x 1x 1x 1x 1x 1x 4x 5x 6x 4x 5x 6x 11 x 11 x Abb. 12.10 Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Die Sequenz des Genabschnitts x bzw. x’ soll amplifiziert werden. Zu diesem Zweck wird der DNA-Doppelstrang durch Hitze in einzelsträngige DNA überführt. Kurze Oligonucleotid-Primer (in unserem Fall a und b’), komplementär in ihrer Sequenz zu der 5’- bzw. 3’-Nachbarregion von x/x’, binden derart an b bzw. a’, dass eine spezielle Polymerase (Taq) in 5’-3’-Richtung an beiden Einzelsträngen einen neuen Strang synthethisieren kann. Die entstehenden Doppelstränge werden anschließend ebenfalls denaturiert. An allen vier Einzelsträngen binden 22 x 26 x 26 x 52 x 57 x 57 x 114 x 5' a 3' a' 3' a' 5' a 3' a' 5' a x b x' x' x x' x 3' 5' b' 5' b' 3' b 5' b' 3' b bleibt konstant bleibt konstant nimmt linear zu nimmt linear zu nimmt exponentiell zu usw. wiederum die Primer, und ein neuer Synthesecyclus findet statt. Die Reaktionen: Denaturierung, Primerbindung und Polymerisation können im Eintopfverfahren durch Temperaturanpassung automatisiert gesteuert werden, da die Taq-Polymerase ein hitzestabiles Enzym ist. Im rechten Teil der Skizze ist die Anzahl der verschiedenen Produkte verzeichnet, die im Laufe der Cyclen akkumulieren. Es wird deutlich, dass die gewünschte Sequenz x/x’ zusätzlich der angrenzenden Primersequenzen exponentiell angereichert wird. Gentechnologie 5' 3' a x b a' x' b' 3' 5' 3' a 5' Primer-Hybridisierung 50°C 5' 3' a x b b' 3' 5' 2x 3' 5' a' x' b' 3' 5' b' 1. Zyklus 5' 3' a x b 1x 12 12.1.3 Entscheidend ist der gezielte Einbau der Passagier-DNA in den Vektor Soll eine Passagier-DNA in einen Vektor eingebaut werden, dann müssen die Enden der beiden beteiligten DNAs zugeschnitten werden. Das Zuschneiden erfolgt mit Hilfe von Restriktionsendonucleasen (S. 301), die in streng spezifischer Weise DNA-Sequenzen erkennen und schneiden. Als Beispiel sind in Tab. 12.1 eine Reihe derartiger Enzyme aufgeführt, und es ist ersichtlich, dass einige die gleichen Spezifitäten besitzen. Einige Restriktionsendonucleasen werden durch Methylierung eines DNA-Einzelstranges, manche nur durch Doppelstrang-Methylierung, wieder andere überhaupt nicht gehemmt. Diese Unterschiede in der Methylierung können zur Aufspürung von Methylierung an bestimmten Stellen der DNA-Sequenz ausgenutzt werden, ein Umstand, der an Interesse, gewinnt, wenn man bedenkt, dass methylierte Basen in der DNA als Signale benutzt werden. Die Methylierung der Cytosine in Eukaryonten-DNAs erfolgt in der Sequenz 5'CmG3'. Diese Sequenz ist z. B. Teil der Erkennungssequenz der beiden Restriktionsendonucleasen HpaII und MspI: CCGG. HpaII wird gehemmt, wenn das zentrale Cytosin methyliert ist, während MspI in seiner Aktivität durch diese C-Methylierung nicht be- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 5' 3' a x b a' x' b' 3' 5' Denaturierung 95°C 327 12 Gentechnologie 5' 3' GGGGGG Terminale dGTP Nucleotidtransferase dCTP GGGGGGGG CCCCCCC CCCCCCC Alternativ zu den Schwänzen können auch mit DNA-Ligase Verbindungsstücke angefügt werden. Dazu benutzt man synthetische Oligonucleotide, die in ihrer Sequenz zu gewünschten Restriktionsenden passen. Nach dem Ankoppeln der Gegen-DNA wird mit DNAPolymerase aufgefüllt und mit DNA-Ligase die kovalente Bindung hergestellt. Der kovalente Einbau der Passagier-DNA in den Vektor erfolgt durch DNA-Ligase C G C G C G C G C G C G C G C G C G C G DNA-Polymerase zum Auffüllen der Fehlstellen Ligation G C G C G C G C G C G C G C G C G C G C G C G C Abb. 12.11 G-C-Schwänze zur Kombination von DNA-Stücken mit glatten Enden (Homopolymeren-Ligation). einträchtigt wird. Ein Paar von Restriktionsendonucleasen, die die gleiche Erkennungssequenz besitzen, aber unterschiedlich empfindlich gegen Methylbasen sind, werden Isoschizomere genannt. Mit verschiedenen Paaren von Isoschizomeren kann die Methylierung in spezifischen DNA-Regionen studiert werden (Epigenetik S.168). Verbindungsstücke und künstliche Schwänze ermöglichen das Einsetzen bei „glatten“ DNA-Enden Die Schnittstellen für die Restriktionsendonucleasen können in beiden Strängen des DNA-Doppelstranges an der gleichen Stelle liegen, sodass glatte Enden entstehen, oder sie können versetzt liegen, dann resultieren überstehende Enden. Glatte DNA-Enden sind ungünstig für das Einsetzen in Vektoren. Diese Schwierigkeit kann durch Anhängen von Schwänzen oder von Verbindungsstücken behoben werden. Durch das Enzym Terminale Nucleotidtransferase können an das 3'-Ende Guanin-Nucleotide bzw. Cytosin-Nucleotide gehängt werden. Es entstehen dann OligoG- bzw. Oligo-C-Schwänze, je nachdem, ob in der Reaktion GTP oder CTP angeboten wird (Abb. 12.11). Am günstigsten ist es, die Passagier-DNA mit G-Schwänzen und die Vektor-DNA mit C-Schwänzen zu versehen – oder umgekehrt. Da immer G mit C paart, aber nicht G mit G oder C mit C, ist sichergestellt, dass die Passagier-DNA mit Vektor-DNA und nicht PassagierDNA miteinander oder Vektor mit Vektor verbunden wird. Schwänze können nicht nur an glatte DNA-Enden gehängt werden, sondern auch an überstehende. Das ist immer dann notwendig, wenn Passagier- und Vektor-DNA mit verschiedenen Restriktionsnucleasen geschnitten wurden, die Enden bilden, die nicht zueinander passen. Nach dem Anhängen der Schwänze muss mit DNA-Polymerase aufgefüllt werden. Genauso wie für den Schneidevorgang sind auch für das Verschweißen der DNAs von Vektor und Passagier geeignete Enzyme notwendig. Dazu gehören die DNA-Ligasen, zu deren natürlichen Aufgaben die Reparatur von Einzelstrangbrüchen gehört (s. Kap. 2, S. 83). Diese Enzyme können dazu gebracht werden, im Reagenzglas untypische Reaktionen durchzuführen. So ist die Ligation stumpfendiger DNAs eine unphysiologische Reaktion. Ihre Durchführbarkeit in vitro eröffnet jedoch vielfältige experimentelle Möglichkeiten, da dadurch beliebige DNA-Fragmente ligiert werden können. Ähnliches gilt für die RNA-Ligase. Ergänzend zu diesen beiden Enzymen sei die Terminale Nucleotidtransferase erwähnt, die zur Anheftung einzelsträngiger Enden verwendet und auch für die Nucleinsäure-Sequenzierung eingesetzt wird. Die Zirkularisierung linearer bakterieller Virus-DNA liefert ein Beispiel für eine In-vitro-Ligation. Hierbei werden komplementäre (kohäsive) Enden benutzt. Da viele Restriktionsenzyme ebenfalls, wenn auch kurze, kohäsive Enden erzeugen, kann dies bei der Invitro-Ligation ausgenützt werden. Durch stumpfendige Ligation haben wir darüber hinaus die Möglichkeit, kurze DNA-Adaptorfragmente anzuhängen. Diese Fragmente enthalten eine oder auch mehrere Restriktionsschnittstellen, die durch entsprechende Enzyme freigelegt werden können. Diese Methode wird benutzt, wenn die Passagier-DNA etwa durch mechanisches Scheren gewonnen wurde. Ein wichtiger Gesichtspunkt bei der In-vitro-Ligation von Vektor und Passagier ist die Wahl geeigneter Reaktionsbedingungen, um unerwünschte Nebenprodukte zu unterdrücken. Dazu gehören die Zirkularisierung des Vektors ohne Passagier, die Ring- oder Polymerenbildung der Passagierfragmente und andere Kombinationen. 12.1.4 Einschleusen des Vektors mit der Passagier-DNA in die Wirtszelle erfolgt durch DNA-Transformation, Infektion oder Elektroporation In den meisten Fällen wird die Rekombinanten-DNA in Escherichia coli vermehrt. Die höchste Effizienz beim Einschleusen haben Vektoren, die sich von E.-coli-Viren ableiten, wie λ-Abkömmlinge, Cosmide oder M13 bzw. fd. Die DNA wird in einer In-vitro-Reaktion in Virus-Hüllprotein verpackt und dann über Infektion eingeschleust. Plasmide werden in kompetente Zellen transfiziert: Durch entsprechende Vorbehandlung wird erreicht, dass möglichst viele Zellen DNA aufnehmen. Die Effizienz der DNA-Transformation ist um mehrere Zehnerpotenzen geringer als bei der Infektion. In höhere Zellen wird DNA durch Copräzipitation mit Calciumphosphat eingeschleust. Das Copräzipitat von DNA und Calciumphosphat wird von Zellkultur-Zellen über Phagocytose aufgenommen. Die Fraktion von Zellen, die DNA aufnimmt, ist gering und liegt meistens unterhalb 0,1%. Vektoren auf viraler Basis können auch in höhere Zellen über Infektion eingeschleust werden. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 328 12.1 Strategie der Klonierung Im Wirt wird der Vektor entweder als Plasmid oder wie ein Virus vermehrt. In jedem Fall handelt es sich um eine sehr unphysiologische Situation, und die Zelle versucht, die parasitäre DNA loszuwerden. Deshalb reicht es nicht aus, einen beladenen Vektor in die Zelle zu bringen, sondern es muss mit Selektionsdruck dafür gesorgt werden, dass sich nur Vektor-haltige Zellen vermehren. Dafür sind z. B. die Antibiotikaresistenzen der Vektoren geeignet. Entsprechend kann über β-Galactosidase – durch Wachstum auf Lactose – das Überleben des Vektors begünstigt werden. Die Proliferation von Passagier-DNA in geeigneten eukaryontischen Vektoren verläuft analog den bei Bakterien benutzten Techniken. Der bisher gängigste Vektor, das SV40-Virus, kann bis zu 2 kb an Passagier-DNA aufnehmen, wenn komplette Viruspartikel in einem lytischen Cyclus gebildet werden sollen. Durch Cotransfektion mit einem Helfervirus, das die durch Passagier-Insertion verlorenen Funktionen beisteuert, werden auf einem konfluenten Rasen geeigneter Zellen Plaques erzeugt. Die Plaques werden auf die Anwesenheit des gesuchten DNA-Klons hin getestet und dann weiter proliferiert. Nicht Proliferation, sondern permanente Einführung eines fremden DNA-Stückes wird mit der stabilen Transformation der Wirtszelle selbst verfolgt. Hierbei dient das virale Vektorgenom nur dazu, die Passagier-DNA in die Wirtszelle hineinzulotsen. Es gibt inzwischen, wie in Kap. 12.1.4 ausgeführt, zahllose Möglichkeiten, FremdDNA in Zellen zu transfizieren. Sind die Umstände günstig, wird das Passagierfragment durch Rekombination in das Wirtsgenom stabil integriert und exprimiert. Durch ein geeignetes selektives Medium werden die Transformanten angereichert. Diese Form der Genmanipulation hat große Bedeutung im medizinischen Anwendungsbereich gewonnen. 12.1.6 Die Selektion für spezifische, klonierte DNAs kann über die DNA oder die Genprodukte erfolgen Nach der Vermehrung von beladenen Vektoren müssen die spezifischen Klone identifiziert und isoliert werden (Tab. 12.2). Häufig liegt hier das Hauptproblem für das Selektion durch Enzymkompensation Im einfachsten Fall soll ein Gen kloniert werden, das dem Wirt fehlt und für das selektioniert werden kann, wie z. B. Enzyme zum Verdauen von spezifischen Substraten. Wenn das spezifische Substrat als einzige Kohlenstoff(oder Stickstoff-)Quelle angeboten wird, wachsen nur die Zellen, die das fehlende Gen erhalten haben. Diese Selektion ist auch für eukaryontische Gene in E. coli möglich. Die Passagier-DNA muss von mRNA als cDNA gewonnen werden. Durch einen Expressionsvektor wird dann das Gen in Bakterien in Protein übersetzt, das nunmehr das fehlende Gen kompensieren kann. In gleicher Weise kann auch in Eukaryonten-Zellen selektioniert werden. Wenn ein Cosmid als Vektor benutzt wird, kann die Coshaltige DNA-Sequenz durch In-vitro-Virusverpackung spezifisch isoliert und anschließend in E. coli vermehrt werden. Selektion mit Antikörpern Spezifische Gene können über ihre Genprodukte (die in diesem Fall bekannt sein müssen) mit Hilfe von Antikörpern identifiziert werden (Abb. 12.12). Diese Technik eignet sich auch zur Massenselektion. Dazu wird cDNA (oder auch geschnittene Genom-DNA) in einen Expressionsvektor, z. B. pUR222 (oder den λ-Abkömmling λgt11), eingesetzt. Diese Vektoren enthalten das Gen für β-Galactosidase mit „einmaligen Schnittstellen“, in die die cDNA eingesetzt wird. Ausgehend von den Startsignalen des Lac-Operons wird Protein synthetisiert, das von den eingesetzten Sequenzen codiert wird. Das Antigen kann durch spezifische Antikörper sichtbar gemacht werden. Dazu werden die Plasmid-haltigen Bakterien bzw. die infizierten Zellen auf Agar plattiert. Es bilden sich Kolonien, die mit Detergenzien lysiert werden: Im Falle von λgt11 entstehen Phagenplaques. Mit Nitrocellulosefiltern wird ein „Abklatsch“ Tab. 12.2 Strategien zur Identifizierung menschlicher Gene Identifizierung auf dem DNA-Niveau: Hybridisations-Selektion ▬ Verwendung einer spezifischen tierischen cDNA-Probe zur Identifizierung des betreffenden menschlichen cDNA-Klons ▬ Isolierung einer spezifischen mRNA aus hoch spezialisierten Zellen und Anlegen eines cDNA-Klons ▬ Hybridisierung einer cDNA-Bank mit radioaktiver mRNA, die von Zellen gewonnen wurde, die aufgrund ihres Differenzierungszustandes oder eines genetischen Defektes eine bestimmte mRNA nicht bilden; Isolierung des nicht-markierten cDNA-Klons ▬ Verwendung synthetischer Oligonucleotide zur Identifizierung des betreffenden cDNA-Klons ▬ cDNA-Selektion durch Starter für Reverse Transkriptase Selektion über das spezifische Genprodukt Nachweis durch Komplementation in E. coli ▬ in eukaryontischen Zellen Immunoselektion ▬ 12 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 12.1.5 Die Vermehrung von beladenen Vektoren erfolgt als Plasmid oder als Virus Klonieren einer DNA. Wenn das Ausgangsmaterial für die Passagier-DNA eine angereicherte, aber nicht einheitliche RNA war, oder bei „Schrotschuss-Klonierungen“ (Abb. 12.3) ist die Selektion unbedingt notwendig. Gentechnologie Eine bessere Effizienz der DNA-Aufnahme konnte durch die Feldsprung-Methode (Elektroporation) erreicht werden. Die DNA wird zu den Zellen gegeben und kurzfristig ein hohes elektrisches Feld angelegt. Die Membran wird für kurze Zeit permeabel und die DNA kann in die Zellen gelangen. DNA kann auch durch Fusion mit DNA-beladenen Liposomen in höhere Zellen eingeschleust werden. Liposomen sind kleine Bläschen aus Phospholipiden, die mit der gewünschten DNA beladen werden können. Sie haben die Tendenz, mit Membranen, die ebenfalls aus Phospholipiden bestehen, zu verschmelzen und ihren Inhalt in das Zellinnere zu entleeren. Liposomen können durch Ultraschall in einer wässrigen DNA-Phospholipid-Suspension gebildet werden. 329 12 Gentechnologie Replika-Plattierung zu selektionierende Klone Reaktion mit Antikörpern spezifisches Antigen bindet Antikörper Reaktion mit Anti-Antikörper, der markiert ist identifizierte Kolonie ist der gesuchte Klon Markierung zeigt, welche Kolonie Antigen hat Abb. 12.12 Strategie zur Klonierung: Immunscreening. Zellen, die das gesuchte Gen in exprimierbarer Form enthalten, werden auf Agarplatten plattiert. Abzüge dieser Kolonien werden mit Antikörpern versetzt. Der Antikörper bindet nur an die das spezifische Antigen produzierende Kolonie. Durch einen markierten Anti-Antikörper wird der gebundene Antikörper sichtbar gemacht. Die im Nachweis aufscheinende Kolonie wird auf der Meisterplatte als gesuchter Klon identifiziert. Protein Partialsequenz Genbank (z.B. Plasmid) Synthese eines entsprechenden Oligonucleotids Aussaat auf Agarplatte Markierung durch γ- 32P-ATP und PolynucleotidKinase Replika („Abklatsch“) auf NitrocelluloseFilter angefertigt, der anschließend mit den spezifischen Antikörpern inkubiert wird. An Stellen, an denen sich das gesuchte synthetisierte Antigen befindet, wird der Antikörper gebunden. Dieser kann durch einen markierten Antikörper, der seinerseits gegen den ersten Antikörper gerichtet ist, sichtbar gemacht werden. Zur Markierung des Anti-Antikörpers eignet sich ein Enzym, das eine Farbreaktion katalysiert, oder Biotin, das Avidin binden kann. Von angefärbten Flecken auf den Filtern kann dann auf das Vorliegen einer Kolonie (oder eines Plaques), die das spezifische Antigen synthetisiert hat, geschlossen werden. Selektion durch DNA-DNA-Hybridisierung Für Massenfahndung nach einem spezifischen Gen eignet sich die DNA-DNA-Hybridisierung (Abb. 12.13, Abb. 12.14). Teilsequenzen des gesuchten Gens können z. B. aus der Aminosäure-Sequenz des Genprodukts abgeleitet werden. Die gewünschte DNA-Sequenz wird chemisch synthetisiert. Für die Synthese von DNA-Sequenzen gibt es automatisch arbeitende Maschinen. Die vorhandene Teilsequenz wird für die Klonsuche radioaktiv markiert. Dies kann über Nick-Translation erfolgen (Abb. 12.15). Dabei werden durch DNA-Polymerase I, die an Einzelstrangbrüchen startet und Teile des alten Stranges durch Neusynthese ersetzt, radioaktive Nucleotide eingebaut. Die so radioaktiv markierte DNASequenz kann für die Suche nach Klonen, die komplementäre DNASequenzen enthalten, eingesetzt werden. Von den ausgesäten Zellen, die beladenen Vektor enthalten, wird mit Nitrocellulose-Papier eine Abdruckplatte hergestellt. Einige Zellen aus jeder Kolonie bleiben hängen. Diese Zellen werden lysiert. (Die Zellen der Meisterplatte bleiben intakt.) Die frei werdende DNA wird an die Nitrocellulose gebunden. Der ganze Filter wird mit der markierten DNA bei höheren Temperaturen inkubiert und anschließend wird die nicht gebundene DNA weggewaschen. Nur dort wo die radioaktiv markierte DNA komplementäre Sequenzen zum Hybridisieren gefunden hat, bleibt Radioaktivität an dem Filter gebunden. Nach der Autoradiographie können die positiven Kolonien durch Schwärzung identifiziert werden (Abb. 12.13, Abb. 12.14). 12.1.7 Präparation der klonierten Passagier-DNA Lyse der Zellen durch Detergens Hybridisierung, Waschen Trocknen des Filters Autoradiographie Abb. 12.13 Strategie zur Klonierung: Autoradiographie. Das Protein, dessen Gen kloniert werden soll, wird gereinigt und nach proteolytischem Abbau ein Stück Partialsequenz ermittelt. Das sich aus dieser Sequenz ergebende Oligonucleotid wird bei der Synthese radioaktiv markiert. Über Hybridisierungstechnik werden Klone mit homologen Sequenzen gesucht. Dazu wird die DNA der Klone an Nitrocellulose-Filter fixiert. Homologe Sequenzen hybridisieren mit dem markierten Oligonucleotid, das dadurch seinerseits an den Filter fixiert wird. Die radioaktive Markierung wird durch Schwärzung des Filmes sichtbar (autoradiographische Methode) und lässt Kolonien, die homologe Sequenzen tragen, in Erscheinung treten. Nach der Identifizierung von Zellklonen, die die gesuchten Sequenzen tragen, soll die klonierte DNA präpariert werden. Das ist einfach, wenn sich der Vektor vom Virus λ ableitet. Die Cos-haltigen Sequenzen werden durch das λVerpackungssystem verpackt und können als Pseudo-λ über Zentrifugation gereinigt werden. Alternativ kann die ringförmige Vektor-DNA von der Passagier-DNA über differenzielle Zentrifugationen abgetrennt werden. Nach dieser Methode werden auch die Plasmid-Vektoren präpariert. Die Passagier-DNA kann vom Vektor durch Herausschneiden mit einer Restriktionsendonuclease getrennt werden. Meistens wird diejenige zum Schneiden benutzt, die bei der Öffnung des Vektors zur Konstruktion der Beladung dient. Vektor und Passagier-DNA können elektrophoretisch getrennt werden. Häufig soll die klonierte DNA charakterisiert werden. Dafür wird in einen anderen Vektor umkloniert, der für die Charakterisierung besser geeignet ist. Wichtig ist diese Prozedur für das Umklonieren in Einzelstrang-Phagen wie M13: die klonierte DNA kann dann anschließend sofort sequenziert werden (S. 333). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 330