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Podiumsgespräch am 21.10.2006 im Deutschen Pavillon Venedig
Welche Anforderungen sind an
die Aus- und Weiterbildung zur
nachhaltigen Stadtentwicklung
zu stellen? – Ist dies nur eine
Herausforderung für Planer?
von links: Armand Grüntuch, Ulrich Kerber, Bernd Heuer, Michael Halstenberg, Almut Ernst, Martin Halfmann, Prof. Rolf Kyrein,
Hubert Garzorz
Teilnehmer:
Almut Ernst, Generalkommissarin Deutscher Beitrag Convertible City
Michael Halstenberg, Leiter Abteilung Bauwesen, Bauwirtschaft und Bundesbau, BMVBS
Prof. Rolf Kyrein, TU Berlin/Mitgründer agenda4-eCommunity e.V.
Hubert Garzorz, MEAG Munich Ergo GmbH, Leiter Objekt- und Projektentwicklung
Ulrich Kerber, Siemens Real Estate GmbH & Co. OHG, Leiter Real Estate Management
Martin Halfmann, Halfmann-Architekten
Moderation:
Bernd Heuer, Vorstand agenda4-eCommunity e.V.
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Einleitung
Die UNI-Dekade 2004-2015 ist der Ausbildung in Nachhaltigkeit gewidmet. In Deutschland ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung engagiert, um Initiativen zu unterstützen, die sich das Ziel
gesetzt haben, Programme und Projekte zu initiieren und durchzuführen, die Ausbildung zur Nachhaltigkeit zum Thema haben.
agenda4 ist eine Initiative, die den Dialog zwischen öffentlicher Hand, Wirtschaft und Wissenschaft in
den Mittelpunkt gestellt hat, um Aus- und Weiterbildungsprogramme für die Umsetzung der Nachhaltigkeit in der Stadt-, Immobilien- und Gebäudeentwicklung zu realisieren, wie sie u.a. anlässlich des
Kongresses Urban 21 in der Berliner Erklärung festgelegt worden sind.
Die 10. Architektur-Biennale in Venedig steht unter dem Motto
Cities ,Architecture and Society‘
und thematisiert unter der Leitung von Richard Burdett die Veränderungen urbanen Lebens zu Beginn
des 21. Jahrhunderts.
Das Thema des deutschen Beitrages, Convertible City – Formen der Verdichtung und Entgrenzung
unter dem Generalkommissar Grüntuch-Ernst führt in den Kernbereich deutscher Städte, zu Orten, mit
denen auch die ältesten Spuren aus der Vergangenheit mit den neuesten Spuren in die Zukunft überlagern. Anhand von beispielhaften Projekten wird die Programmatik von Convertible City umrissen:
Convertible City ist Ausdruck der Kontinuität und der Wandlungskraft urbanen Raumes
Convertible City ist Appell für die Erhaltung der Vielseitigkeit städtischen Lebens
Convertible City ist Aufforderung zur nachhaltigen Nutzung der Kernstädte
Convertible City ist Alternative zur Zersiedlung der Naturräume
Convertible City ist Auslösung von Grenzen im Lebensraum Stadt
Convertible City ist Aufruf zur kreativen Aneignung der städtischen Räume
Convertible City ist Ausdruck eines positiven Lebensgefühls in der Stadt
Convertible City ist Anregung und Stimulation für neue Lebensentwürfe
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Die Podiumsdiskussion unter dem Titel
Convertible City – Convertible Thinking
Welche Anforderungen sind an die Aus- und Weiterbildung zur nachhaltigen
Stadtentwicklung zu stellen? –
Ist dies nur eine Herausforderung für Planer?
strebt eine Bestandsaufnahme in der Aus- und Weiterbildung mit dem am Prozess zur Realisierung der
Nachhaltigkeit der Stadt beteiligten Stakeholder, der Nutzer, der öffentlichen Hand, der Planer, der Architekten, der Ökonomen, der Soziologen, der Ökologen an.
Die Teilnehmer repräsentieren Stakeholder der öffentlichen Hand, der Planer, der Wirtschaft und werden
ergänzt durch die Wissenschaft.
Angeregt durch den deutschen Beitrag zu Convertible City war Ziel der Podiumsdiskussion Denkansätze
zu formulieren, die ein Beitrag zu Convertible City sind und über agenda4 in Forschung und Lehre der
Hochschulen, die Mitglieder bei agenda4 sind, einzubringen.
Podiumsdiskussion mit: (v.l.) Bernd Heuer, Ulrich Kerber, Michael Halstenberg, Hubert Garzorz, Martin Halfmann,
Prof. Rolf Kyrein, Almut Ernst
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Moderator:
Herr Halfmann, Sie sind Vorsitzender des BDA Nordrhein-Westfalen und leiten ein erfolgreiches Architekturbüro. Wie schildern Sie die Ausgangssituation der Architekten und welche Herausforderungen
sehen Sie auf den Beruf des Architekten zukommen?
Herr Halfmann:
Die wirtschaftliche Lage der Bauindustrie erforderte in den letzten Jahren auch von den Architekten
einen Prozess des Umdenkens. Auch wir haben uns in einer Zeit, in der es wirtschaftlich nicht sonderlich gut lief, Gedanken gemacht, wie wir neben dem reinen Planungsbüro weitere Standbeine aufbauen
können. Gutachten wären eine Möglichkeit, das ist dann aber der Unterschied zwischen Geburtshilfe
und Pathologie. Eine Professur wäre eine weitere Möglichkeit, aber dazu braucht man eine Berufung.
Und mehr als ein Berufungsvortrag war mir seinerzeit nicht vergönnt. Nur durch Zufall hat mich eines
Tages ein befreundeter Kollege angesprochen, der für einen Projektentwickler ein Gebäude geplant hat.
Er konnte die Abnahmen nicht selber durchführen, weil er im Auftragverhältnis des Generalunternehmers
gearbeitet hat. So haben wir das halt gemacht. Und das nächste Projekt haben wir dann von Anfang an
begleitet. Auf diesem Wege sind wir mit unserem Büro mit der Projektsteuerung und Bauherrnvertretung
in Berührung gekommen.
Das sind die Standbeine, die wir heute noch haben: Architekturbüro, städtebauliche Themen,
Wettbewerbe, Projektsteuerung. Auf diesen vielen Plattformen versuchen wir, unsere verschiedenen Handlungsebenen und Tätigkeiten zu vernetzen und miteinander zu verweben.
Moderator:
Weichen Sie von dem üblichen Bild des Architekten ab, weil in der Rede, die Sie da einmal gehalten haben, über die Eiszeit der Architekten sprachen, konkret: dass die Architekten durch eine Eiszeit gehen
müssen, um sich in einer Findungsphase ihrer beruflichen Ausbildung neu zu definieren?
Herr Halfmann:
Die Eiszeit war natürlich die Zeit, in der es der Baubranche unglaublich schlecht ging. Sie hat gut 10
Jahre gedauert. In dieser Zeit musste man sich überlegen, wie man überlebt. Es ist ein ganz einfacher
Existenzkampf gewesen. Unsere Lösung dafür war
nicht, sich auf Spezialgebiete zu konzentrieren, sondern ganz im Gegenteil: Sich bewusst zu öffnen,
sich breitbeinig aufzustellen und überall etwas
zu tun. Das ist mit einem kleinen Büro, wie wir
es haben, mit 6 oder 7 Mitarbeitern, gar nicht so
einfach. Es funktioniert aber ausgezeichnet. Es
erfordert aber auch ein kooperatives Miteinander
aller Beteiligten.
Moderator:
Unser nächstes Thema: Welches Anforderungsprofil
müssen Architekten heute erfüllen, um bei der MEAG
einen Job zu bekommen?
Michael Halstenberg, Hubert Garzorz, Martin Halfmann,
Prof. Rolf Kyrein (v.l.)
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Herr Garzorz:
Der Bewerber sollte über mindestens 6 Jahre Berufserfahrung verfügen. Wenn möglich, als Architekt
oder Projektsteuerer mit einer immobilienökonomischen Zusatzausbildung wie MBA oder ebs. Dafür
gibt es mehrere Gründe. Zum einen muss ein Projektleiter auf der Bauherrenseite den sehr komplexen Prozess der Projektentwicklung mit der Projektinitiierung am Anfang bis hin zur Baufertigstellung
und Vermietung am Ende nicht nur theoretisch verstehen, sondern auch praktisch umsetzen können.
Eine langjährige praktische Erfahrung in einem Planungs- oder Projektsteuerungsbüro kann deshalb
als Basis-Grundlage sehr geeignet sein. Zum anderen muss ein Projektleiter bei der MEAG in der Lage
sein, spezifische Aufgaben und Zielsetzungen projektbezogen definieren und strukturieren zu können. Er
sollte auch der Generalist sein, der das interdisziplinäre Planungsteam aus bis zu 30 unterschiedlichen
Planern und Gutachtern zusammenstellen und führen kann. Spätestens bei der Baurealisierung muss
er dann mit ausführenden Unternehmen bis zu 40 Verträge verhandeln und abschließen. Nebenbei sind
Verhandlungen mit der Genehmigungsbehörde zu führen, die Baustelle zu organisieren und zu leiten
sowie die Kosten- und Terminplanung zu steuern. Hinzu kommen noch die manchmal nicht ganz äußerst wichtigen Verhandlungen mit potentiellen Mietern, die bei uns zum Teil auch von den Projektleitern
geführt werden. Wir müssen begreifen, dass Bauen kein Selbstzweck ist, sondern eine von vielen Formen des Investments, dessen Ertrag durch die erfolgreiche Vermietung erwirtschaftet wird. Das ideale
langfristige Immobilieninvestment erfüllt nicht nur die jeweiligen hohen Renditeanforderungen, sondern
vereint gute Architektur und Stadtplanung mit guter Ausführungsqualität, technologischem State of the
Art und einem zufriedenen Mieterklientel. Diese äußerst unterschiedlichen, manchmal auch divergierenden Aspekte bei der Projektentwicklung sind vom Projektleiter alleinverantwortlich zu organisieren
und zielgerecht zum erfolgreichen Abschluss zu bringen.
Sie sehen, die Vielzahl der Aufgabenstellungen und Herausforderungen auf der Seite des Bauherrn erfordern ein Höchstmaß an interdisziplinärer Erfahrung, persönlichem Einsatz und Ausdauer. Ein Universitäts- oder Fachhochschulabgänger, den man direkt nach seinem Studium mit diesen komplexen
Aufgaben konfrontieren würde, wäre damit hoffnungslos überfordert. Aus diesem Grund setzen wir in
der Projektentwicklung nur Projektmanager mit langjähriger Berufserfahrung ein.
Moderator:
Nach den beiden Architekten, Herrn Halfmann und Herrn Garzorz,
möchten ich einen Juristen befragen. Herr Halstenberg, wie können
Sie Ihren Weg in Ihre heutige Position im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung beschreiben?
Herr Halstenberg:
Ja, die Frage ist in der Tat, wie wird man als Jurist ausgerechnet der
für das Bauen zuständige Ministerialdirektor im Bundesministerium
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung? Eine kurze Darstellung meiner beruflichen Entwicklung kann dies vielleicht deutlich machen.
Bernd Heuer, Michael Halstenberg,
Hubert Garzorz (v.l.)
Meine Ausbildung war zunächst schwerpunktmäßig auf das Steuerrecht ausgerichtet, weshalb auch eine Einstellung bei der Finanzverwaltung in NRW erfolgte. Nach kurzer Zeit unterbreitete mir aber das
damalige Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr
NRW, aufgrund von Vorstellungsgesprächen, zu denen ich einfach
hingegangen bin, ein interessantes Angebot. Ich habe dann einen
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Wechsel vollzogen und gesagt, ich breche das mit dem Steuerrecht ab, obwohl das auch sehr vielversprechend war, und wechsle in eine Ministeriumslaufbahn. Ich habe dann sieben Jahre lang in einer
Wohnungsbauabteilung gearbeitet und mich mit Wohnungsrecht, Mietrecht, Sozialer Wohnungsbauförderung und Wohnungspolitik befasst. Dann habe ich ökonomische Themen übernommen, kommunale
Wohnungsmärkte und Wohnungswirtschaft. Nach einiger Zeit habe ich das wieder losgelassen und etwas ganz anderes gemacht. Ich war dann unter einem Grünen-Minister für die damals neuen Themen
ökologisches Bauen, Energie, neue Energieförderungsprogramme, Windenergieförderung etc. zuständig. Gleichzeitig habe ich die volkswirtschaftlichen Grundsatzfragen des Ministeriums übernommen.
Das heißt, ich habe mich als Jurist in politische, in technische und dann ökonomische Themen eingearbeitet. Ich war dann auch für die Bauwirtschaft zuständig, habe mich dort stark engagiert, die Zukunftsinitiative Bauen in NRW entworfen und geleitet. Im Laufe der Zeit habe ich das Bündnis für Arbeit NRW
für das Ministerium betreut und organisatorische Fragen bearbeitet. Zusätzlich habe ich für fünf Jahre
ein Amt in der Deutschen Bauministerkonferenz übernommen und sämtliche europäischen Themen für
die Bauminister koordiniert und bearbeitet. Dabei habe ich sehr stark internationalen Bezüge und die
EG/EU kennen gelernt und versucht, dieses Thema für die „Bauleute“ erst mal einzuführen. In diesem
Zusammenhang war ich mit bautechnischen Fragen und Normung befasst und gleichzeitig als Justitiar
für die Bauministerkonferenz in Fragen der Bauproduktenrichtlinie und des Bauproduktengesetzes tätig.
Nachdem ich dann in einer Bauabteilung bzw. Hochbauabteilung tätig war und mich neben bautechnischen Themen intensiver mit Vergaberecht, HOAI etc. befasst hatte, bekam ich ein Angebot von der
Bundesregierung, denn man war offensichtlich der Meinung, da ist jemand, der hat schon relativ viel
vom Bauen gesehen und zwar aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Aber man sieht, dass im Anschluss an die eigentliche klassische Ausbildung als Jurist ein enormer Weiterbildungsprozess stattgefunden hat, in dem ökonomische, ökologische, technische und europäische Themen zusammenkamen.
Das führt dann letztendlich dazu, dass man erforderliches fachliches Wissen für eine „Managerposition“
ansammelt, zumal man viele Themen schon selbst handwerklich bearbeitet hat. Und das ist der Grund
für eine Karriere, nicht der Umstand, dass man Jurist ist. Entscheidender ist die Weiterbildung und Qualifizierung, zu der man bereit sein muss, natürlich verbunden mit der Bereitschaft, notfalls auch alle zwei
Jahre loslassen zu können, wenn ein Staatssekretär kommt und sagt, wir brauchen jemanden, der sich
einarbeitet. Man erhält eine solche Leitungsfunktion nicht, weil man Jurist wird. Man wird das auch nicht
automatisch als Architekt, man wird es auch nicht als Ingenieur. Man wird es einfach dann, wenn man
mit einer soliden Grundausbildung in einem Bereich bereit ist, andere Bereiche dazuzunehmen, sich mit
anderen Disziplinen zu befassen, mit Architekten, Ingenieuren aber auch Investoren zu unterhalten, von
denen zu lernen und dann letztendlich viel mehr zu wissen und auf diese Weise Spezialwissen anzuhäufen, das ein Jurist üblicherweise nicht hat. Und das ist auch nötig, wenn man eine Einheit oder eine
ganze Abteilung ein bisschen steuern will.
Moderator:
Wir sehen an der Auswahl des Podiums, dass viele Disziplinen vertreten sind. Gleich, nachdem wir Herrn
Kerber gehört haben, werden wir uns die Definition von Nachhaltigkeit vornehmen. Herr Kerber, wie ist
Ihr Werdegang und wie sehen Sie Ihre Karriere?
Herr Kerber:
Mein Ausbildungshintergrund ist Architektur/Städtebau und Raumplanung. Nach meinem Studium an der
Universität Innsbruck sowie der Architectural Association School of Architecture in London begann ich in
der Bauindustrie als Projektleitungsassistent im schlüsselfertigen Hochbau. Nach Abwicklung, zunächst
als Assistent, später als Projektleiter diverser Büro, Gewerbe- und Wohnbauten in unterschiedlichsten
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Standorten in Deutschland, hatte ich die Möglichkeit eine neue Aufgabe im Projektentwicklungsgeschäft
zu übernehmen und damit meine Erfahrungen in der Immobilien- und Baubranche zu erweitern.
Meine Tätigkeit umfasst die Entwicklung eines innerstädtischen Industrieareals, dem ehemaligen Schwan
Stabilo Gelände am Nordrand der Nürnberger Altstadt, in ein modernes Büro- und Verwaltungszentrum.
Drei Jahre später, nach Verkauf der gesamten Immobilie an einen Pensionsfonds, habe ich meinen bisher letzten beruflichen Wechsel vollzogen und bin bei Siemens Real Estate im Corporate Real Estate Management eingestiegen. Dort bin ich bereits schon seit mehr als fünf Jahren und unterschiedlichsten
Verantwortungsbereichen und leite heute mit zwei Kollegen das Geschäftsfeld Real Estate Management. Darunter versteht man alle Aktivitäten, welche im engeren und weiteren Sinne mit der
Bereitstellung und Betrieb von Fläche für die Bereiche der Siemens AG zu tun haben.
In meinem Verantwortungsbereich liegen dabei geographisch die Regionen Americas und MEACIS sowie
fachlich ganz grob die Themen Immobilienstrategie, M&A Projekte sowie Group Liaison Management.
In den letzten 12 Jahren hatte ich die Möglichkeit, in einem breiten Umfang unterschiedliche Aspekte der
Bau- und Immobilienwirtschaft kennen zu lernen. Beginnend beim Bauen, weiter über das Entwickeln
bis hin zum Betreiben und Managen eines Assetbestandes ergibt sich somit ein sehr nützlicher und
breiter Erfahrungsschatz.
Moderator:
In der nächsten Diskussionsrunde möchten wir dem Begriff Nachhaltigkeit ein wenig Inhalt geben.
Mein Eindruck ist, dass Nachhaltigkeit im Augenblick eine „babylonische Sprachverwirrung“ ausgelöst
hat. Der Architekt versteht etwas anderes unter diesem Begriff als der Ökonom und der Ökologe etc.,
also mit anderen Worten, es ist ein sehr schillernder Begriff, der Gefahr läuft, zerredet zu werden, ohne
ein konkretes Handeln daraus abzuleiten.
agenda4 hat sich bemüht, konkreter zu werden und ich bin sicher, dass Herr Prof. Kyrein, Mitinitiator
von agenda4 und zurzeit im Studiengang REM Real Estate Management an der TU Berlin engagiert, in
wenigen Worten diesen interdisziplinären Aus- und Weiterbildungsstudiengang erläutern wird.
Prof. Rolf Kyrein (2.v.r.)
Prof. Kyrein:
Zunächst möchte ich festhalten, dass die Initiative agenda4 an den Urban 21-Kongress 1998
angeknüpft hat. Bernd Heuer wies bereits darauf
hin. Der Kongress war ein internationaler Kongress
und Sie erinnern sich sicherlich, dass die Ergebnisse des Kongresses in Form einer Schlussresolution zusammengefasst wurde. Damit waren Forderungen der Gesellschaft an die Akteure in der
Stadt-, Standort- und Projektentwicklung formuliert. Architekten, Investoren, öffentlicher Sektor
waren aufgefordert worden, ihre Beziehungen
zueinander zu verbessern, die Prozesse zu optimieren und innovativ zu gestalten. – Also eine
Reihe von Forderungen, die von einer Vielzahl von
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Akteuren formuliert wurden. Diese Forderungen waren leicht formuliert, aber wie sollten diese Forderungen in die Tat umgesetzt werden?
In ersten Gespräche mit den relevanten Institutionen wurde deutlich, dass es wenig Sinn machen würde,
den Versuch zu unternehmen, über die Institutionen Einfluss zu nehmen. Wir haben die Resolution von
Urban 21 einfach als Bildungsziel verstanden.
Wir mussten bald erkennen, dass die Curricula der deutschen Hochschulen eher aus vorhandenen Ressourcen entwickelt sind; notwendig war aber ein Curriculum, das aus dem Bildungsziel entwickelt
wurde. Dies galt sowohl für meine, die volkswirtschaftliche Fakultät, aber auch für die Ingenieurwissenschaften, Stadtplanung, Architektur, das Bauingenieurwesen sowie die Juristische Fakultät. Das
von agenda4 formulierte Bildungsziel erfordert interdisziplinäre Vernetzung von Wissen anstelle
disziplinärer Vertiefung von Forschung und Wissensvermittlung. Die Idee der nachhaltigen Stadtentwicklung erfordert querdenken. Die Ausbildung muss ergebnisorientiert konzipiert werden.
Das Bildungsziel kann alleine durch Bereitstellung von wirtschaftswissenschaftlichen, stadtplanerischarchitektonischen und technischen sowie juristischen Lehrressourcen nicht erreicht werden. Interdisizplinarität erfordert die Vernetzung von Erkenntnisgegenständen. Nur so kann Aus- und Fortbildung zur nachhaltigen Stadtentwicklung organisiert werden. Die Analyse der Curricula relevanter
Studiengänge an deutschen Hochschulen an verschiedenen Fakultäten zeigte, daß die Addition
der Lehrinhalte nicht zum gewollten Ergebnis einer ganzheitlichen interdisziplinären Sicht führt.
Es wurde keine Querschnittskompetenz ausgebildet. Deswegen war unser Vorgehen, der top-downAnsatz richtig. Es war richtig, ausgehend vom Bildungsziel ein Curriculum zu gestalten. Aus diesem top-down-Ansatz ergab sich logischerweise die Fragestellung: Welche Dozenten sind geeignet, die
Curricula zu lehren?
Bernd Heuer hat bereits einen Hinweis auf die European Business School, Herr Prof. Schulte, gegeben.
Prof. Schulte schrieb zum Zeitpunkt der Gründung der Initiative agenda4 einen Aufsatz in dem
er zum Ausdruck brachte, dass bei dieser Konzeption von Forschung und Lehre es einen völlig
neuen Typs Hochschullehrers bedarf. Er beschrieb einen Hochschullehrer, der sich nicht auf sein
verfasstes Recht der Freiheit von Forschung und Lehre beruft, sondern der Forschung und Lehre
aus einem abgestimmten interdisziplinären Blickwinkel betreibt. Unsere Wahrnehmung war, dass
der so beschriebene Hochschullehrer nicht nur der Unterstützung seiner Fakultät und seines Dekans
bedarf, sondern auch der Unterstützung
All dies haben wir im Rahmen unserer Initiative jedoch nicht vorgefunden. Es war deshalb notwendig, einen anderen Weg zu gehen. Neben der interdisziplinären Ausrichtung des Curriculums war die
Beteiligung der Stakeholder wichtig. Unter Stakeholder verstehen wir all jene Kernkompetenten,
die für nachhaltige Stadt-, Standort- und Projektentwicklung Verantwortung tragen: Die Kommunen, also die Planungshoheit, die Grundstückseigentümer, die Finanziers und die Nutzer. Es
war also folgerichtig, das Curriculum nicht nur interdisziplinär, sondern auch unter Einbeziehung
der Stakeholder zu entwickeln. So haben wir etwa in Bayern die Oberste Baubehörde als Stellvertreter des Öffentlichen Sektors eingeladen mit uns zu kooperieren. Die Fragestellungen waren: „Welche
Lehrinhalte sind erforderlich, um die Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst zu befähigen, dem Leitbild
nachhaltiger Stadtentwicklung gerecht zu werden?“ Der Wirtschaft stellten wir die gleiche Frage.
Es verwunderte nicht, dass die Akzente völlig unterschiedlich gesetzt wurden. Die Einbeziehung
der Hochschulen in die Fragestellung zog weitere Ergänzungen und Korrekturen am Curriculum nach
sich. Dies war eine sehr interessante Phase. Man kann das Ergebnis sich komprimiert als Matrix vorstellen
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in der in der 1. Spalte und der 1. Zeile jeweils identisch und in gleicher Reihenfolge die Disziplinen Stadtplanung, Architektur, Ökonomie, Recht, Soziologie, Ökologie eingetragen sind. Aus den Schnittstellen
der Disziplinen ergeben sich dann die notwendigen, interdisziplinären Lehrinhalte. Dies war ein völlig
neues Vorgehen.
Nun galt es für diese Konzeption Träger zu finden. Zunächst glaubte die Initiative agenda4 man müsse
den traditionellen Weg der Finanzierung von Stiftungslehrstühlen gehen. Es war naheliegend. Es ist üblich bei Innovation zunächst die Frage der Finanzierung zu stellen.
Urban 21
Agenda 21
Schlüsselqualifikation
Führungs-, Methodenkompetenz,
Dialog-, Teamfähigkeit,
Lösungsorientierung
Interdisziplinarität
Planung, Architektur,
Ingenieurwesen, Wirtschaft, Recht,
Ökologie, Soziologie
Systemübergreifend
Nutzer, Planungshoheit,
Grundeigentümer, Finanzierer
Prozesssicherheit
Beherschung und Sicht der
gesamten Wertschöpfungskette
Nachhaltige Stadt-, Immobilien- und Gebäudeentwicklung
Hochschulen
Wirtschaft
Öffentliche Verwaltung
Quelle: Prof. Rolf Kyrein
Bei näherem Hinsehen entdeckten wir jedoch, es war keine Frage des Geldes, sondern eine Frage der
Organisation, der Kooperation mehrerer Professoren. Eine Frage eine Struktur der Freiwilligkeit
zu generieren, Netzwerke zwischen Wirtschaft und der Hochschule zu schaffen. Wir haben dieses
Leitbild in dem Bild des „agenda4-Tempels“ umgesetzt: Basis der nachhaltigen Stadtentwicklung ist
der öffentliche Sektor, auf dem die Wirtschaft aufbaut, auf beidem wiederum die Hochschule. Das Dach
des Tempels, die nachhaltige Stadtentwicklung, wird getragen von 4 Säulen. Die erste Säule wird von
der Interdisziplinarität, also der Vernetzung von Technik, Wirtschaft, Recht gebildet. Die 2. Säule bildet
das systemische Denken. Dabei geht es darum, die unterschiedlichen Interessen der eingangs bereits
genannten Stakeholder Planungshoheit, Grundstückseigentümer, Finanzier und Nutzer, zum Ausgleich
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zu bringen. Der Einsatz bodenpolitischer Instrumente wie etwa die „Sozialgerechte Bodennutzung in
München“ kann ohne das gegenseitige Verstehen nicht funktionieren. Wir waren der Auffassung, dass
dies im Studium gelehrt werden muss.
Die 3. Säule befasst sich mit den Prozessen, also auch einer Urban 21-Forderung. Es geht um Strukturierung, Optimierung, um Gesamtsicht anstelle sektoraler Beiträge.
Die 4. Säule ist den Skills gewidmet: Moderation, Mediation, Präsentation zu der Frage, wie vermittle ich
eine Projektidee gegenüber verschiedenen Disziplinen und Stakeholdern?
Moderator:
Die von Herrn Professor Kyrein vorgestellten Lehr- und Lerninhalte werden an der TU Berlin und
an der Bergischen Universität Wuppertal vermittelt, demnächst auch an anderen Hochschulen im
deutschsprachigen Raum. Im Weiterbildungsbereich nehmen junge Nachwuchsführungskräfte teil,
die drei bis vier Jahre Erfahrung im Beruf haben, ca. 100 Master of Sciences haben außerordentlich wichtige Impulse für ihre weitere berufliche Karriere gewonnen.
Eine Frage an den Praktiker: Was ist Nachhaltigkeit aus Ihrer Sicht, Herr Kerber?
Wir stellen uns vor, Sie initiieren ein Projekt und präsentieren diese Maßnahme mit dem Hinweis, dass
die Kriterien für die Erzielung der Nachhaltigkeit realisiert werden.
Herr Kerber:
Sie wissen, dass im Corportate Real Estate Management die Immobilie ein bedeutender Produktionsfaktor ist, d.h. sie stellt eine wichtige Grundlage für Wertschöpfung dar. Damit ist klar, dass wir
im Gegensatz zu renditeorientierten Gesellschaften, wie z.B. Fondgesellschaften, nicht eine Maximierung der Rendite aus der Immobilie im Fokus haben. Viel wichtiger für unsere Immobilienentscheidungen sind Fragen, wo sind die Märkte/Kunden unseres Geschäfts und diese decken sich in
vielen Fällen nicht zwangsläufig mit den renditestärksten Immobilienmärkten. Von Bedeutung ist
für uns dennoch, dass der Produktionsfaktor Immobilie, den Geschäftsbereichen zu wettbewerbsfähigen, marktvergleichbaren Konditionen zur Verfügung gestellt wird. Wir betreiben in diesem Bereich
intensives Benchmarking und messen uns mit den „Best in Class“-Teilnehmern des Marktes. Im
Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit betrachten wir auch von Anfang an – auf Grundlage von
klaren Vorgaben, was die Flächennutzung betrifft, d.h. es gibt so eine Art „Kleiderordnung“ – wie wir das
nennen – wie viel Fläche pro Mitarbeiter verwendet wird. Zudem schauen wir uns nicht nur die Investitionskosten der Immobilie an, sondern wir versuchen über eine Lifecycle-Betrachtung auch
die Folgekosten der Immobilie zu optimieren.
Moderator:
Ist Ihre Aussage deckungsgleich mit den sogenannten Lebenszykluskosten der Immobiliennutzungskosten im Immobilienlebenszyklus, die derzeitig diskutiert werden? Ist somit eine Immobilie mit dem
geringsten Immobiliennutzungskosten nachhaltig?
Herr Kerber:
Bekannt ist, dass sich die Investitionskosten einer Immobilie in etwa 1/3 der gesamten Lebenszykluskosten belaufen. Vor diesem Hintergrund ist es sehr wohl wichtig, welche Entscheidung man im Hinblick
auf die haustechnische Ausstattung einer Immobilie trifft. Dies gilt gerade bei den zunehmend weltweit
stark anziehenden Energiepreisen. Die Folge davon ist, die Systeme in der Haustechnik so auszulegen, dass man also durchaus auch in Kauf nimmt, am Anfang höhere Investitionskosten zu tätigen. Das ist natürlich vielleicht in einem Umfeld der Bereitstellung von Unternehmensimmobilien, indem
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man nicht vom ersten Tage nach Fertigstellung unmittelbar auch einem wirklich harten Renditedruck
ausgesetzt ist – vielleicht etwas einfacher.
Nachhaltiges Denken hat mit langfristigem Denken zu tun und kann in einzelnen Fällen auch bedeuten am Anfang höhere Investitionskosten zu Gunsten langfristiger Einsparungen z.B. im Bereich Energie, in Kauf zu nehmen. Architekten, Planer und Bauindustrie sind hier gleichermaßen
gefordert wie Investoren.
Moderator:
Herr Garzorz, die Meag ist ein Tochterunternehmen der Münchner Rück, steht für Nachhaltigkeit und
hat sich in vielen Stellungnahmen insbesondere vor dem Hintergrund des Katastrophenschutzes – dabei
denke ich u.a. an die vor Kurzem vorgelegte Studie des Potsdam-Institutes über die Erderwärmung – zur
Nachhaltigkeit bekannt.
Haben Sie die für die Immobilie für Sie wichtigen Kriterien, die bei der konkreten Umsetzung notwendig
sind, in Ihren derzeitigen und zukünftigen Projekten bereits eingeplant und wie sieht es mit der Rendite
aus?
Herr Garzorz:
Es ist richtig, dass für die Münchener Rück und die MEAG das Thema Nachhaltigkeit eine sehr
große Rolle spielt. Wir haben vor ca. 3 Jahren einen Nachhaltigkeitskatalog aufgestellt, der bei
allen Projektentwicklungen zu beachten ist. Die Empfehlungen reichen von der ressourcenschonenden Nutzung der Sonnenenergie, des Grundwassers bis hin zur ökologisch sinnvollen Materialauswahl. Außerdem achten wir darauf, dass die vielfältigen, manchmal auch sehr einfache Möglichkeiten, Energie einzusparen umgesetzt werden. Zum Zeitpunkt der Entscheidung betrachten
wir dabei nicht nur die Investition selbst, sondern antizipieren auch die zukünftigen Auswirkungen
und Folgeerscheinungen von deutlich höheren Nebenkosten. Aufgrund der gestiegenen Energiekosten werden Vollklimaanlagen bei unseren nationalen Immobilienprojekten nur noch in sehr seltenen Fällen realisiert. Sonderfälle wie Rechenzentren und andere Spezialimmobilien bedürfen einer gesonderten
Betrachtung. Wir legen Wert auf die Verwendung von Baumaterialien, deren Rohstoffgewinnung
eine positivere Energiebilanz aufweist, als die der zur Verfügung stehenden Alternativen. Natürlich
muss im Einzelfall auch immer die Verfügbarkeit und der finanzielle Aufwand in Betracht gezogen werden und im Zweifel gegeneinander abgewogen werden.
Das bedeutet natürlich, dass die Wirtschaftlichkeit und die damit verbundenen Renditeanforderungen grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden dürfen. Vielmehr ist darauf zu achten, dass
man mit geringem Aufwand nachhaltige Bau- und Konstruktionsprinzipien definiert, um damit ein
Maximum an ökologisch sinnvoller Energie- und Materialeinsparung zu erreichen. Nicht zu vergessen sind dabei die zur Anwendung kommenden Materialien und Hilfsstoffe, wie Kleber, Schutz- und Verbindungsmittel, etc. Auch sie müssen sinnvollen und praktikablen ökologischen Kriterien entsprechen.
Inwiefern nachhaltiges Bauen zu Mehrkosten führt, hängt im Wesentlichen von den Spezifikationen des
jeweiligen Projekts ab. Eine generelle Aussage hierzu lässt sich nur sehr schwer formulieren. Verallgemeinernd kann man aber nicht sagen, dass die Nachhaltigkeit die Wirtschaftlichkeit grundsätzlich
ausschließt. Dazu bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtung, die u.a. auch den Lebenszyklus
eines Gebäudes mit in Betracht zieht. Oftmals lassen sich Mehrkosten durch eine entsprechende
Mehrmiete rechtfertigen. In manchen Fällen ist es darüber hinaus auch noch möglich, die Nachhaltigkeit
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unter Marketinggesichtspunkten als Alleinstellungsmerkmal heraus zu stellen. Im Ergebnis kann damit
eine bessere Positionierung des Projekts gegenüber denen der Mitbewerber erreicht werden.
Um über die Wirtschaftlichkeit des Gebäudeunterhalts frühestmöglich Auskunft zu erhalten, wird bei
unseren Projekten standardmäßig der Energieverbrauch sowie die Nebenkosten überschlägig vorausberechnet. Außerdem betrachten wir bei einem Gebäude nicht mehr nur die anfänglichen Investitionskosten, sondern lassen zu jedem Projekt auch immer gleich den voraussichtlichen Energieverbrauch überschlägig errechnen. Dies ist deshalb so wichtig, weil die steigenden Energiekosten die
sogenannte „zweite“ Miete in die Höhe treibt und mittelfristig die Gefahr besteht, dass die Grundmiete
unter Benchmark-Gesichtspunkten nicht mehr zu vertreten ist, sinken lässt. In vielen Fällen sind auch
schon heute die voraussichtlichen Nebenkosten der entscheidender Faktor bei der Auswahl der Mietfläche. Damit sind die Nebenkosten zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor und Unterscheidungsmerkmal geworden. Ohne Angaben über die voraussichtlich zu erwartenden Nebenkosten können
heute kaum noch mehr größere Mieteinheiten vermarktet werden. Weiterhin müssen wir die Instandhaltungs- und Wartungskosten des Gebäudes sehr genau betrachten. Wir wissen heute sehr genau, dass
wir im sogenannten „Lifecycle“ eines Gebäudes die anfänglichen Investitionskosten durch Instandhaltung, Wartung und Reparatur mindestens noch einmal ausgeben werden. Wenn man also Gebäude
als mittel- bis langfristige Investition betrachtet, kann es von wirtschaftlichem Vorteil sein, sich intensiv
Gedanken um nachhaltige und ressourcenschonende Bauweisen zu machen. Ein Gebäude, das im
Unterhalt und in der Instandhaltung durch ein cleveres und nachhaltiges Bauen wesentlich weniger Kosten verursacht, kann u. U. in der langfristigen Betrachtung auch eine bessere Rendite
erzielen.
Moderator:
Herr Halfmann, wie mir scheint, sind Sie der richtige Architekt für Herrn Garzorz. Können Sie das erfüllen,
was Herr Garzorz für eine mögliche Zusammenarbeit angedeutet hat?
Herr Halfmann:
Ich habe anfangs schon gesagt, dass Architekten viele Fähigkeiten haben müssen, um auf dem Markt zu
bestehen. Insofern können wir sicher auch für Herrn Garzorz erfolgreich arbeiten.
Ich glaube aber, es gibt noch andere Aspekte der Nachhaltigkeit. Wir springen zu kurz, wenn wir den
Erfolg einer Immobilie nur an Rendite, Nebenkosten und ähnlichen Zahlenwerken festmachen.
Für mich heißt Nachhaltigkeit überspitzt formuliert: Die dauerhafte Erträglichkeit eines Gebäudes.
Und das setzt erst einmal voraus, dass dieses Gebäude belebt ist, dass es nicht leersteht. Das
sind auch die Parameter, die für die Immobilienvermarktung interessant sind. Diese Voraussetzungen
müssen selbstverständlich stimmen. Aber ein Gebäude, eine Immobilie, hat auch einen Wert innerhalb des Stadtgefüges. Sie muss einen Raum füllen, einen Platz besetzen, wird von allen, die dort
vorbeikommen, beachtet, von Bürgern wahrgenommen, von Besuchern begangen. Auch darin liegt ein
hoher Grad von Nachhaltigkeit. Und wir müssen darüber nachdenken, über welche Zeiträume diese Anforderungen in einer kurzfristigen Renditeberechnung und Shareholder-Value-Erwartung
betrachtet werden. Nichts ist schlimmer, als wenn sich unsere Städte alle 10 bis 15 Jahre nach den
üblichen Vertragslaufzeiten von gewerblichen Mietverträgen so komplett umkrempeln, dass wir sie an
der Stelle nicht mehr wiedererkennen können.
Moderator:
Die Zeit titelt ihren Beitrag auf der 10. Architektur-Biennale mit der Überschrift Venedigprinzip – Spielerisch und voller Überschwang entdecken die Architekten neues städtisches Leben. Welche Rolle
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hat das eigentlich bei der Auswahl der Projekte, die für Architekten ein breites Tätigkeitsfeld und neues
Aufgabengebiet andeuten? Nach welchen Kriterien haben Sie die Projekte für die 10. Architektur-Biennale im Deutschen Pavillon unter dem Motto Convertible City angelegt? Welche Bedeutung hat das
Thema Nachhaltigkeit gehabt?
Frau Ernst:
Beim Thema Nachhaltigkeit denken Architekten immer gleich an Gebäude und die Möglichkeit der Einsparung von Betriebsenergie. Das
ist ja auch ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit. Die Frage stellt
sich: Wie können wir Betriebsenergie so reduzieren, dass sie nicht
mehr über die Hälfte der globalen Energien verbrauchen, was Gebäude ja momentan tun, und natürlich macht es Sinn, baukonstruktiv über Solarenergie zu forschen. Einen viel größeren Hebel bewegt
man aber mit der Nachhaltigkeit im Städtebau. Gebäude brauchen
ja eine Ver- und Entsorgung mit Wasser, Strom, Straßen etc. Da die
bereits vorhandenen Siedlungsstrukturen vielfach noch nicht wirklich nachhaltig genutzt werden können wir unter diesem Hintergrund eigentlich nicht mehr verantworten, dass immer noch weitere
Naturräume erschlossen werden um diese Versorgung zu haben.
Die immer weitere Ausweitung von grünen Wiesen zu Bauland – zur Zeit
100 ha am Tag – ist der falsche Weg: wenn alle diese freistehenden
Eigenheime dann Solarpanele haben, hat das mit Nachhaltigkeit nicht
viel zu tun. Nachhaltigkeit im Umgang mit begrenzten Naturräumen
bedeutet letztendlich ja auch die Sicherung der Lebensqualität in
den Städten. Denn wir brauchen naturnahe Erholungsräume und wir
können es uns eigentlich nicht erlauben, dass die urban sprawl die
Grüngürtel um die Städte verdrängt.
Armand Grüntuch, Almut Ernst
Aber Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur das Stoppen der Zersiedlung, und da setzen wir eigentlich mit
Convertible City an, es bedeutet auch Wachsen und Verändern der Innenstadtbereiche. Die Baustoffe, aus denen sich die gebaute Umwelt zusammensetzt, sind unsere baulichen Ressourcen.
In unserem gebauten Erbe gibt es eben nicht nur die schönen Bestandsgebäude, die einen gewissen
Charme vermitteln. Architekten müssen oft eigentlich gar nicht mehr viel tun, denn die emotionale Bindung ist schon in vielen Fällen automatisch da. Es gibt eine Menge Gebautes aus dem Nachkriegserbe, wo die emotionale Bindung verlorengegangen ist und wo wir jetzt nicht jedes Mal Tabularasa
schaffen können. Natürlich ist die Wegwerf-Mentalität schneller zu kalkulieren, das kann ich durchaus
nachvollziehen und man weiß auch, worüber man redet, weil man weiß, was Abriss kostet und was
Neubau kostet. Schwieriger sind die Wandlungsprozesse mit offenem Ausgang, bei denen erst mal
die Frage gestellt wird: Gibt es nicht doch noch etwas, was man im Bestand, mit dem Bestand,
mit vorhandenen Identitäten weiterbauen kann – das ist natürlich schwieriger, weil man es auch
schlechter kalkulieren kann. Trotzdem sind wir da natürlich besonders gefordert im Umgang mit dem
vorhandenen baulichen Erbe weiterzumachen und eben alle materielle Ressource und Identitäten
zu nutzen. Und das ist etwas, wo wir für die Biennale recherchiert haben um Beispiele zu zeigen. Das
ist gestalterisch eine Herausforderung für Architekten: wie gehen wir damit um, wenn alt und neu zusammenkommen. Also wir wollen da eine Wahrnehmungsverschiebung fördern, denn nicht nur der tolle
Solitär ist eine super Bauaufgabe, sondern auch in diesem Verwandeln von Bestandssituationen liegen ungeheure Potenziale. Für das Rollenverständnis der Architekten in unserer Gesellschaft werfen
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viele Projekte auch spannende Fragen zum Zusammenwirken der einzelnen Akteure beim Bauen auf:
Ist es nach wie vor gerechtfertigt, dass Architekten sich sozusagen immer zurücklehnen und als
Dienstleister abwarten, bis jemand eine Idee hat und Geld mitbringt und jemanden sucht, der ihm
das umsetzt? Wichtig sind auch die Projekte, bei denen Architekten selber aktiv werden und im Sinne
einer gesellschaftspolitisch relevanten Nachhaltigkeitsdiskussion Aufgaben erkennen, initiieren
und dann nach Teampartner für die Umsetzung suchen.
Moderator:
Ich glaube, Sie haben mir Ihrem Beitrag viele Impulse gesetzt. Der Minister war hier, hat die Biennale
eröffnet. Herr Dr. Lütke-Daldrup war in Venedig, mit ihm war ich in China. Wie ist Ihr Eindruck? Und
vielleicht gleich die überleitend auf die Frage: Sie haben ja das Projekt Forschungsinitiative Zukunft Bau
gestartet, wo viele Schlagworte oder viele Themen, die jetzt hier genannt worden sind, auch auftauchen.
Gibt es einen Rahmen, in dem Sie die Projekte hier einmal initiiert haben, die Forschungsprojekte, und
welche Rolle – wenn ich das gleich zusätzlich fragen darf – spielt das Thema Nachhaltigkeit und wie will
man nachhaltig endlich messen oder ist es gar nicht zu messen? Wie ist Ihr Eindruck erst mal von der
Biennale und was steckt hinter dem Projekt Zukunft Bauen.
Herr Halstenberg:
Zum erfolgreichen Bauen brauchen Sie vier Dinge: Sie brauchen erst einmal ein Ziel, eine Qualität, die sie
am Anfang beschreiben, dann brauchen sie eine Organisation, mit der sie diese Ziele umsetzen können
und zwar mit dem Personal, das in der Lage ist, im Rahmen dieser Organisation die Ziele zu erreichen.
Da ist die Frage der Ausbildung dann angesiedelt. Und letztendlich brauchen sie – als viertes – Transparenz. Die ganzen Systeme funktionieren nicht, die Qualität funktioniert nicht, wenn nicht eine absolute
Transparenz vorhanden ist, damit alle den Gesamtvorgang auch ökonomisch richtig bewerten können.
Solange das Gesamtverständnis für den Bauprozess nicht vorhanden ist, sondern jeder nur einen Ausschnitt sieht, wird er nie eine Gesamtqualität erzeugen können, nie insgesamt ökonomisch erfolgreich
sein und kein erfolgreiches Projekt machen können.
Moderator:
Da wird mir ganz warm ums Herz. Entschuldigen Sie, wenn ich da unterbreche, weil Sie ja jetzt mehr
oder weniger sagen, was wir hier machen, ist ein vernünftiger Ansatz.
Herr Halstenberg:
So, und jetzt steige ich bei dem ersten Thema Qualitätsziele ein. Dabei sind alle irgendwo in diesem
Rahmen beteiligt. Und alle wollen eigentlich Qualität. Und dabei bin ich der Meinung, dass wir einen
unglaublich komplexen Qualitätsbegriff brauchen. Die Frage Nachhaltigkeit kann den Inhalt in etwa beschreiben. Auch das Thema Baukultur kann für diese komplexe Qualität stehen. Denn die Qualität,
die wir erzeugen müssen, muss vielschichtig sein, sonst funktioniert dieses gesamte Projekt nicht. Sie
müssen anfangen mit einer ästhetischen Qualität, mit einem schönen Bild, mit einer guten Architektur,
bis hin zu Kunst am Bau. Wir müssen Stadtentwicklung mit einbeziehen: Was für Stadträume schaffe ich
mit dem Projekt? Bis hin zu der Frage von soziologischen Ansätzen, weil ja die Menschen auch diese
Stadt, diese Räume, dieses Gebäude akzeptieren sollen. Was für Probleme auftauchen, wenn sie das
nicht hinbekommen, haben wir in Frankreich erlebt, wenn die Leute ihre Stadt nicht mehr als Wert empfinden, sondern bedrückend, dann wehren sie sich. Das muss man bedenken. Dann muss ein Gebäude
schlicht auch technisch funktionieren. Es muss einfach vernünftig über seine Lebensdauer effizient und
solide betrieben werden können. Es muss des weiteren wirtschaftlich realisierbar sein, aber nicht nur
gemessen an den Baukosten, sondern auch gemessen an den gesamten Folgekosten. Damit sind wir
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beim Thema . Bei Büro- oder Wohngebäuden entfallen ca 30 % der Kosten auf die Baukosten, 70 % auf
die Bewirtschaftung. Wenn sie die Baukosten zu Beginn runterrechnen um 3, 4, 5 % sich dafür aber 3, 4,
5 % Betriebkosten mehr einfangen, ist das wirtschaftlich betrachtet kein vernünftiges Vorgehen.
Auch müssen Sie das Ganze in dem Rechtsrahmen, der vorgegeben ist, in den Bebauungsplänen usw.
abwickeln können. Dann stellt sich die Frage welche Nutzer sollen dieses Gebäude eigentlich nutzen?
Denn das Gebäude kann noch so toll sein, noch so ökonomisch sein, wenn sie keinen Nutzer finden,
der sich auf Dauer in dem Gebäude wohl fühlt, ist das Projekt nicht erfolgreich. Das geht hin bis zu der
Frage, was mache ich, wenn der Nutzer, dieses Gebäude nur 10, 20, 30 vielleicht auch 50 Jahre nutzt?
Was passiert anschließend? Sie müssen auch die Endphase dieses Gebäude mit einbeziehen. Wie kann
ich es gegebenenfalls verwerten? Notfalls: Was kostet es, das Gebäude nach 30 oder 40 Jahren wieder
zu entsorgen? Das alles sind wesentliche Aspekte einer Gesamtprojektqualität, die sie am Anfang erst
mal so komplex beschreiben und einbeziehen müssen, und das Optimum erreichen sie dann, wenn sie
die Zielkonflikte, die da drin stecken, bezogen auf das konkrete Projekt so optimal lösen, dass man sagen kann: alle Aspekte sind zum Tragen gekommen, und zwar in der richtigen Wertigkeit, die durchaus
immer anders gewichtet sein können. Auf diese Betrachtung muss man sich verständigen. Allerdings
besteht auch die Gefahr, dass z. Bsp. das Thema Baukultur oder Nachhaltigkeit von einzelnen Gruppen übermäßig bestimmt bzw. interpretiert wird und die eine dieser Qualitäten besonders betonen und
hervorheben und sagen, da liegt der Schwerpunkt. Und das ist falsch. Da das ist genau der Grund für
diesen interdisziplinärer Ansatz, den wir brauchen, denn Baukultur wird bislang im Wesentlichen von
Städtebauern und Architekten beherrscht, jedenfalls wird es vielfach so wahrgenommen. Und deshalb
muss man aufmerksam verfolgen, wer kommt denn zu so einem Konvent, wer kümmert sich denn um
das Thema, denn davon hängt ab, ob sie eine Schwerpunktbildung haben. Wenn das so ist, dann werden die anderen Bereiche verkümmern, sie werden Leute treffen, die sagen, das war ganz schön, aber
das scheint ja doch eine Architektenveranstaltung zu sein. Und dann gehen die wieder. Dann gehen die
Investoren, dann geht die Bauwirtschaft weg und dann besteht die Gefahr, dass sie die Gesamtqualität
nicht mehr hinbekommen, weil die Gewichtung nicht stimmt. Und das ist eben unglaublich wichtig in
einem solchen Prozess und deshalb muss man eben akzeptieren, dass Bauen eben auch von Juristen
und Ökonomen ganz massiv mitbestimmt wird und sie können es den Gebäuden ansehen, was derjenige, der das zu verantworten hatte, an Qualität in den Vordergrund gesetzt hat. Das können sie oft an dem
Gebäude ablesen, oder eben auch an Bilanzen ablesen, und dementsprechend wissen wir auch, dass
da ein enormer Qualitätssprung möglich ist, wenn wir erst mal diese Qualitäten und die Organisation
dieses Qualitätsbewusstseins in der Form akzeptieren. So, das ist aber nur der erste der vier Bausteine,
zu den anderen drei kommen wir später.
Moderator:
Diese Broschüre Baukultur dokumentiert in Ansätzen Ihre Vorstellungen. Wie sieht aber die Realität aus
zu dem, was Herr Halstenberg ausgeführt hat?
Wie ist das mit dem Qualitätsbegriff, der jetzt von ihm definiert worden ist?
Herr Kerber, wie ist das Leben wirklich? Ist das schon erreicht, was die Bundesregierung bei Baukultur
formuliert hat?
Herr Kerber:
Nein, das sehe ich nicht, dass dies schon erreicht ist. Aber ich denke, alle die wir hier sitzen sind wir uns
dieser Verantwortung bewusst und haben entsprechend auch den Weg dahin eingeschlagen. Ich bin
überzeugt, dass es hier noch Einiges zu tun gibt, um wirklich in vollem Umfang, dem Plädoyer, dem ich
mich nur voll anschließen kann, auch zu entsprechen.
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Moderator:
Wie sehen Sie das, Rolf Kyrein?
Herr Prof. Kyrein:
Mich hat an der Debatte zur Nachhaltigkeit die monokausale Sicht irritiert. Ich fand den Beitrag
zweier Umweltministerinnen im Rahmen der Jahrestagung des Rates für Nachhaltigkeit, interessant, der forderte, die Ministerien nicht mehr Umweltministerium, sondern Nachhaltigkeitsministerium zu nennen. Und das – wie ich meine – mit gutem Grund, da Nachhaltigkeit fälschlicherweise oft nur mit ökologischen Problemstellungen gleichgesetzt wird. Interessant war außerdem
die Aussage der Podiumsdiskutanten, es gäbe kein Defizit an Erkenntnisgegenständen, es sei alles
bekannt. Es gäbe auch kein Defizit an Diskussionsbeiträgen – wie man auch in dieser Veranstaltung
sieht – es gäbe aber sehr wohl ein Defizit an Umsetzung. Vielleicht ist dies etwas trivial, ich meine
aber, dass die Umsetzung eine andere Kultur der Kooperation fordert: Zur Umsetzung der Ziele
der Nachhaltigkeit ist ein interdisziplinäres und intersystemisches Team unterlässlich. Es bedarf
gegenseitiger Akzeptanz und gegenseitiger Empathie. Dies ist Basis einer Nachhaltigkeitskultur
und nachhaltigen Lebens miteinander. Ich bin allerdings im Zweifel darüber, dass die bestehenden
Strukturen in Deutschland in der Generation der 68-er noch geändert werden können. Ich habe allerdings die Hoffnung, die nächste Generation zu befähigen, interdisziplinär und intersystemisch zu
denken und zu arbeiten. Ich sehe im täglichen Umgang mit den Studenten sowohl in grundständigen
Studiengängen als auch in postgradualen Studiengängen wie aufnahmefähig die Studenten für solche
Ideen sind. Gerade die Hörer in postgradualen Studiengängen, die in der Praxis ihre Defizite erkannt haben, sind besonders motiviert. Sie verlassen ihre Familien um am Wochenende zu studieren
und am Montag ihr Wissen in ihren Büros einzusetzen. Sie verstehen sehr schnell worum es geht.
Moderator:
Also Baukultur setzt Prozesskultur voraus. Nicht Gerichtsprozesse zu führen, sondern wie man miteinander umgeht im Dialog, ist vielleicht die Zusammenfassung.
Prof. Kyrein:
Die Dialogfähigkeit.
Moderator:
Herr Halfmann, ist die Ausbildung, die derzeitig die jungen Leute an den Hochschulen in dieser Hinsicht
bekommen, eigentlich auf diese Herausforderungen, die sie, Herr Halstenberg, formuliert haben, noch
ausgerichtet? Bevor sie sich dazu äußern, vielleicht eine Zwischenbemerkung: Wir wissen u.a. über
PISA-Studien, wo Deutschland im globalen Wettbewerb steht. Ich darf ihnen da noch eine Zahl nennen:
Gesamtbildungsausgaben in Deutschland rangieren bei 1,0 % des Bruttosozialprodukts. Wir sind damit
unter dem OECD-Durchschnitt und sind Schlusslicht mit Griechenland und Tschechien. Das heißt, das
Thema Ausbildung ist bei uns eine Defizitangelegenheit. Wir von agenda4 vertreten die Forderung, dass
diese Branche, die volkswirtschaftlich die wichtigste Branche ist, 3 bis 5 % für Forschung, Ausbildung
und Entwicklung ausgeben sollte. Werden die Architekten noch richtig ausgebildet, oder was müsste
man machen, um mit diesen Forderungen, die wir hier nur streifen konnten, wirklich den jungen Leuten
eine Perspektive zu eröffnen?
Herr Halfmann:
Ob unsere Studenten noch richtig ausgebildet werden, weiß ich nicht genau. Da hätten sie vielleicht
einen Hochschullehrer einladen müssen, nicht einen Architekten. Für mich heißt Studium immer Spiel17
wiese. Und ich plädiere immer ganz stark dafür, das so zu lassen. Wir sollten unseren Nachwuchs nicht
mit Zwängen einengen und mit Realitäten überfüttern, die bekommen sie in ihrem Berufsleben schnell
genug mit. Ich bin eher der Auffassung, wir sollten die Spielwiesen vergrößern, die Zahl der Mitspieler erhöhen, die Spielregeln lockern, um auf diesen Spielwiesen miteinander zu kommunizieren.
Die Aufgaben, die wir heute haben, sind so komplex geworden, dass wir sie nur noch in funktionierenden Netzwerken lösen können. Diese Vernetzung und alles was wir dazu brauchen, kann
nur im Studium begründet sein und dort eine Selbstverständlichkeit werden. Das erreicht man am
besten, indem man möglichst frühzeitig die späteren Akteure der Bauwirtschaft zusammenbringt und
ihren natürlichen Umgang miteinander intensiv fördert. Aufgabe der Hochschulen ist es, den Horizont zu
erweitern um all die Themen, die an unsere eigentlichen Kernkompetenzen direkt anschließen. Interdisziplinäres Denken muss selbstverständlich werden. Das ist für mich einer der wesentlichen Ansätze.
Wir müssen aber auch aufpassen, dass unsere Netzwerke nicht zu closed-shops werden. Das
ist der falsche Ansatz, weil Insellösungen uns bei der Thematik der Nachhaltigkeit in keinster Art
und Weise weiter bringen. Da hilft nur ein offenes Netzwerk, in dem sich alle einloggen können,
an das wir die Jugend heranführen. Ein Netzwerk, in dem sich die Kreativität der Jungen mit der
Erfahrung der Alten mischen kann, die Impulse von außen mit den Ressourcen von innen. Wir
müssen über unsere Tellerränder schauen, das Fremde akzeptieren, Neues ausprobieren. Das werden
wir ohnehin tun müssen, um der Vergreisung unserer Gesellschaft ein wenig entgegenzuwirken, denn
eines Tages müssen wir gemeinsam die anstehenden Aufgaben lösen, und nicht jeder für sich alleine.
Dazu braucht unser Nachwuchs eine gute Ausbildung.
Moderator:
Freude und Spaß, eine Ergänzung des vorhandenen Bestandes durch kreative Lösungen. Ich glaube, wir
konnten uns alle ein bisschen davon überzeugen, was Sie, Frau Ernst, für Ihren Beitrag ausgewählt haben. Unwahrscheinlich anregend. Wie kann man Spaß auf Architekturausbildung, vor dem Hintergrund
der ja aktuell nicht gerade attraktiven Berufsaussichten von Architekten, eigentlich steigern?
Frau Ernst:
Ja, das sind schon so fast parallele Vorgänge. Wenn man sich jetzt unsere ältere Generation anguckt,
die sich biographisch fast parallel und linear verhalten hat indem sie nach der Ausbildungszeit an
den Stadtrand gegangen und dort auch geblieben ist, passieren ja jetzt andere Dinge. Viele junge
Leute – meine Generation – mit Kindern verbleiben ja jetzt in der Stadt und fordern dort eben andere Qualitäten ein und gleichzeitig kommen ältere Leute zurück in die Stadt, weil Stadt nicht nur
bebaute Dichte, sondern auch Dichte im Kommunikationsangebot darstellt. Also das sind einfach
mal zwei Dinge, die sich auch in statistischen Daten messbar verändern. Innenstadt wird nicht mehr nur
als laut, dreckig und Ort der sozialen Degration verstanden. Eine neue Lust an der Stadt wird spürbar,
Stadt ist zum freiwillig gewählten Freizeitort am Wochenende geworden zum Beispiel. Oder dass
auch Stadt wieder Lebensqualität für Kinder entwickeln kann und sich dort etablieren kann. Aber um
jetzt noch mal auf Ihre Frage zurückzukommen – es ist auch gefährlich, wenn wir hier so einen Planungsoptimismus ansteuern, wo wir glauben, dass wir über Analysen, über Kommunikation eine
Leitlinie finden, wo wir alles unter einen Hut kriegen. Ich denke, dass dieser kleinste gemeinsame
Nenner nicht automatisch Erfolg ist - im Gegenteil: Es kann auch ein Problem sein. Die Gesellschaft
ist einfach sehr heterogen geworden und hat ganz unterschiedliche Ansprüche. Hier möchte ich noch
einmal zurückgehen auf meine eigene Ausbildung und Professor Rittel zitieren: das hab ich auch hier in
den Katalog aufgenommen, …
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Moderator:
Sie hatten ja auch gesagt, wir sollten den Katalog mitnehmen, unbedingt.
Frau Ernst:
Prof. Rittel ist jemand, der an der Universität Stuttgart unterrichtet hat in der Architekturfakultät, obwohl
der Mathematiker und Philosoph war, und er hat eben damals diesen Spagat zwischen Berkley und
Stuttgart gemacht und hat über das Dilemma der Planungstheorien gesprochen. Er hat Thesen aufgestellt, die sehr lesenswert sind. Ich kann die natürlich nicht alle vorlesen, aber es fängt schon damit an,
dass er vor 30 Jahren gesagt hat: „Der wachsende Pluralismus der heutigen Öffentlichkeit führt
dazu, dass verschiedene Gruppen von Individuen unterschiedliche Werte haben, was den einen
zufrieden stellt, ist für den anderen schrecklich.“ Und das gilt für Architekten in der funktionalen
Ebene wie auch in der formalen Ebene. Ich glaube nicht, dass es ein Ziel sein kann, dass wir auf diesen
beiden Ebenen versuchen, so was wie den kleinsten gemeinsamen Nenner zur Qualität zu erklären.
Denn wir leben auch von der Lebendigkeit der Heterogenität.
Moderator:
Herr Kerber, wenn sich Architekten bei Ihnen bewerben, und auch Herr Garzorz, wie gehen Sie damit
um. Wer wird Sieger? Wer wird eingestellt? Welche Anforderungen stellen Sie? Vielleicht Sie ein kurzes
Statement, Herr Garzorz, und Sie, Herr Kerber?
Herr Garzorz:
Wie ich schon vorher erwähnt habe, ist eine der Grundvoraussetzungen die langjährige Erfahrung
im Projektmanagement. Wünschenswert ist auch, wenn der Bewerber bereits z.B. ein oder mehrere
Großprojekte abgewickelt hat. Vor allem sollte aber der Bewerber einige Zeit in verantwortlicher
Position als Projektleiter in der „ersten Reihe“ gearbeitet haben. Nur dann kann man voraussetzen,
dass, verfügt man über genügend Erfahrung, komplexe Immobilienprojekte zielsicher realisiert werden.
Moderator:
Also mit anderen Worten, Sie stellen keine jungen Architekten ein, oder welche Voraussetzungen müssen von Architekten erfüllt werden, um Ihre anspruchsvollen Aufgaben, die sich aus den Projekten ergeben, zu erfüllen.
Herr Garzorz:
Sie brauchen sechs bis sieben Jahre Erfahrung als Architekt oder Projektmanager. Er sollte also in
einem Architektur- oder Projektsteuerungsbüro gearbeitet haben, um überhaupt den komplexen
Bau- und den Planungsprozess begreifen zu können und später selbstständig große Planungsmannschaften führen zu können. Er muss in der Lage sein, mit den sich täglich stellenden Problemen
umgehen zu können und diese auf eine sinnvolle und ökonomische Art und Weise zu lösen. Dies erfordert zum einen eine analytische und strukturierte Vorgehensweise. Zum anderen ist auch ein gehöriges Maß an Kreativität erforderlich, um intelligente Lösungen für die vielfältigen Problemstellungen,
die nicht nur die Gestaltung des Gebäudes oder die Bautechnik alleine betreffen, aufzeigen zu können.
Der Projektleiter muss auch Grundkenntnisse im Bau- und Vertragsrecht und dem Steuerrecht
haben. Aufgrund der heute sehr auf Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Immobilieninvestitionen, ist es
heute nahezu obligatorisch, dass der Bewerber seine kaufmännischen Kenntnisse im Zuge von postgraduierten Weiterbildungsmaßnahmen wesentlich vertieft hat. Denn ohne Cash-Flow-Berechnungen, die die hausinternen Rendite-Vorgaben erfüllen, werden heutzutage keine Investitionen
mehr genehmigt. Man kann also resümieren: Neben der technisch-gestalterischen Ausbildung als
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Architekt, Bauingenieur oder Städteplaner sind unbedingt kaufmännische und juristische Grundkenntnisse erforderlich, die möglichst in einem integrierten Zusatzstudium vertieft wurden.
Moderator:
Wir machen mal ein kleines Experiment, wir beide, wir werden mal die jungen Leute, die an dem agenda4-Wettbewerb teilgenommen haben, das sind ja auch interdisziplinäre Wettbewerbe von jungen Menschen, die noch studieren. Interdisziplinär das heißt Architekten müssen Ökonomen suchen, oder ein
Ökonom muss sich einen Architekten suchen, oder sie müssen sich einen Juristen suchen, um dann
als Team eine konkrete Aufgabenstellung zu übernehmen. Und die jungen Leute, die einen Wettbewerb
gewonnen haben, die schicken wir Ihnen mal, und – wenn Sie damit einverstanden sind – die werden
von Ihnen interviewt, ob die vielleicht Defizite in der Berufserfahrung durch das Miteinander arbeiten
überwunden haben. Ich wollte Ihnen nur ein Versprechen ablotsen.
Prof. Kryrein:
Nur eine ergänzende Bemerkung zu der Frage, warum agenda4 in diesem Zusammenhang: Man erkennt die Lücke zwischen der Anforderung, die der Arbeitgeber an Studienabgänger stellt und der
Befähigung nach Abschluss des Studiums. Die Forderung nach Berufserfahrung ist verständlich.
Wir leben damit, dass wir ein Leistungsbild fordern, das nur zu 1/3 in einer Disziplin gelehrt wird,
zu 2/3 in den 2 Komplementärdisziplinen selbst erlernt werden muss oder noch schlimmer, sich
erst durch learning by doing aufbaut. Das ist Realität. Wir sollen interdisziplinär arbeiten, werden
aber nur in einer Disziplin ausgebildet. Dies erscheint mir eine katastrophale Erkenntnis zum Bildungsstandort Deutschland.
Moderator:
Die Katastrophe wollen Sie jetzt unterstreichen oder reicht es schon mit der Darstellung.
Herr Garzorz:
Nein, ich muss sie unterstreichen. Denn selbst wenn ein Architekt oder Projektleiter sie mit 6 oder 7 Jahren Berufserfahrung zu uns kommt, bedarf es nach wie vor einer Zusatzausbildung, vorzugsweise in
der Bauökonomie oder einem MBA mit kaufmännischem Schwerpunkt. Die wichtigen Bereiche der
Vermietung und Vermarktung sowie der Steuerung von großen Planungszielen sollten ebenfalls vertieft
worden sein. Es sind ja oftmals in der Regel 20-30 Fachingenieure und Gutachter mit involviert, die es
gilt kompetent auf ein gemeinsames Ziel hin zu steuern. Man kann nicht einfach nur mit Gewalt versuchen alles und jeden in den Griff zu bekommen. Viel wichtiger ist die klare und eindeutige Definition
des Zieles und der Aufgabenstellung. Hieraus ergibt sich bereits im Vorfeld die Logik der Projektrealisierung. Zur Lösung von Problemen ist oftmals auch sehr viel Fingerspitzengefühl gefragt. Außerdem sind
die meisten Auftragnehmer erfahren genug, um festzustellen, ob der Auftraggeber auch über genügend
Fach- und Managementkompetenz hat. Sollte der Projektleiter hier Schwächen aufweisen, kann dies
den Bauherrn u.U. sehr viel Lehrgeld kosten. Eine klare hierarchische Projektorganisation mit teamorientierter Arbeitsweise kann hier organisatorisch sehr hilfreich sein.
Um ein gemeinsames Bauprojekt schaffen zu können, müssen alle ein Mitspracherecht haben und
integraler Bestandteil des Projektteams sein. Selbstverständlich darf es nicht in einen Debattierclub
ausarten. Es muss eine Zeit der Planung und Diskussion und eine Zeit des Handelns bzw. Realisierung
geben. Manchmal ist es auch erforderlich den jeweiligen Partnern die gemeinsamen Ziele nochmals
zu verdeutlichen, weil möglicherweise der Blick fürs Ganze in den Diskussionen und den Detailplanungen verloren gegangen ist. Man sollte aber voraussetzen, dass immer alle den gemeinsamen
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Erfolg anstreben. Menschliche Führungsqualitäten sind natürlich auch eine wesentliche Voraussetzung,
um solch große Planungs- und Bauteams erfolgreich leiten zu können.
Moderator:
Bei Ihnen müssen Sie auf alle Fälle Englisch sprechen, Herr Gazorz?
Herr Garzorz:
Englisch ist mit Sicherheit eine notwendige gute Voraussetzung. Die MEAG ist sehr international
ausgerichtet und tätigt Immobilieninvestitionen in ganz Europa, Amerika, Südostasien und China. Wir
machen zwar keine eigenen Projektentwicklungen im Ausland. Für die mit lokalen Partnern durchgeführten Due Diligence Prüfungen benötigen unsere Projektleiter grundsätzlich verhandlungssichere englische Sprachkenntnisse. Meistens werden die Berichte entweder in der Landessprache oder in Englisch
abgefasst. Wer bei der Prüfung dieser Berichte nicht in der Lage ist, den Inhalt zu verstehen, ist für diesen Job ganz einfach nicht ausreichend qualifiziert. Darüber hinaus gilt natürlich wie in vielen anderen
Branchen auch: Kenntnisse einer oder mehrerer Sprachen sind nicht nur erwünscht sondern auch schon
fast Voraussetzung. Das betrifft aber nicht nur die Zusammenarbeit mir Partnern im Ausland. Durch die
zunehmende Internationalisierung des deutschen Immobilienmarktes ist es erforderlich geworden, auch
hier in Deutschland Verhandlungen in englischer Sprache zu führen zu können.
Moderator:
Muss man in dem Programm Baukultur umgeschrieben, erweitert oder in dem Bereich Aus- und Weiterbildung und Forschung ergänzt werden?
Herr Halfmann, wie ist Ihre Meinung?
Herr Halfmann:
Entschuldigung, ich muss da mal reingrätschen. Das kann man so nicht stehen lassen. Ich halte – wie
gerade gesagt – das Architekturstudium für ein Generalistenstudium. Und ich halte es auch – und
da muss ich Ihnen völlig Recht geben – für ein autodidaktisches Studium. Architekt zu sein, bedarf heute eines großen und breiten Wissensspektrums. Das kann man sich nicht nur im Studium
alleine erwerben, sondern auch im Berufsleben. Da muss ich gleich wieder einhaken: Zur Ausbildung
unseres Nachwuchses müssen alle beitragen: Die Industrie, die private Bauwirtschaft, die Architekturbüros. Auch wir stellen die jungen Kollegen von der Hochschule in unserem Büro ein. Wir
bilden sie aus, wir schicken sie auf die Baustellen. Wir lassen sie Wettbewerbe zeichnen und Ausschreibungen machen. Und irgendwann verlassen sie uns wieder, um dann vielleicht zur MEAG
zu gehen. An dieser Stelle muss ich Sie in die Pflicht nehmen, Herr Garzorz. Warum ziehen Sie
nicht ihren eigenen Nachwuchs heran? Warum nehmen Sie nicht ein paar frische Absolventen? Auch
die sollten nach einer vernünftigen Ausbildung an der Universität Denkmuster und Wege zu Problemlösungen gelernt haben. Der Erfahrungsschatz kommt dann mit der Arbeit in der Wirtschaft. Zu diesem
Ausbildungsbeitrag sind wir alle verpflichtet, die Projektentwickler und die Bauwirtschaft genauso wie wir Architekten und die Hochschulen.
Moderator:
Herr Halstenberg, Sie haben einmal zustimmend Ihre Augen bewegt, manchmal auch sehr ablehnend.
Wie finden wir die Mitte jetzt, was Sie empfehlen und erreichen wollen? Ich halte es jedenfalls für desaströs, dass die Ausbildungsstätten in Deutschland Architekten ausbilden, die mehr oder weniger dann
in der Arbeitslosigkeit enden. Das ist nicht zu verantworten.
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Wie kann Baukultur mit den Impulsen, die Sie setzen wollen durch Ihre Forschungsprogramme, versehen werden?
Herr Halstenberg:
Der Konflikt besteht nicht darin, sich über einen Begriff Baukultur oder Nachhaltigkeit zu einigen. Das
bekommen wir zusammen nämlich alle schnell hin. Die Konflikte tauchen bei den anderen Themen auf,
nämlich wie organisiere ich den Prozess. Im öffentlichen Bereich haben wir z.B. das Problem, dass
wir zumindest teilweise immer auf eine sehr hohe architektonische Qualität geachtet haben, dass man
staatliche Bauten auch als solche erkennen soll usw., und deshalb „Stararchitekten“ und Wettbewerben
genutzt haben, und das Ergebnis dann auch irgendwie in einem vertretbaren Kostenrahmen realisiert
werden sollte. Das war das eine Problem. Und das andere Problem entsteht da, wo wir nicht „staatstragend“ bauen und der Finanzminister sagt, Hauptsache die Baukosten gehen runter. Keine Lebenszyklusoder Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sondern, reine Fixierung auf die Baukosten. Im Kern findet man das
auch in der Privatwirtschaft wieder und wir alle kennen doch ungefähr die Bauszene, wir kennen die
Renditen, die am Bau verdient werden, wir wissen, was am Bau in den letzten 10 Jahren los gewesen
ist: Ein Preiskrieg ohne Ende. Immer nur das Thema Baukosten, Baukosten, Baukosten, diese soweit
es geht noch mal drücken, die damit verbundenen Probleme mit den Subunternehmen, und mittlerweile
die auch deshalb auftretenden Qualitätsprobleme. Denn man kann ökonomisch nicht davon ausgehen,
dass man immer nur an der Preisschraube drehen und dann erwarten kann, dass die gleiche Qualität
geliefert wird. Ich sage immer, aus juristischer Sicht gibt es einen entscheidenden Zeitpunkt, nämlich
wann die Gewährleistungsfristen ablaufen. Der Auftragnehmer zittert dem entgegen, weil er hofft, dass
der Bauherr die Mängel nicht findet, und der Bauherr zittert dem entgegen, weil er Angst hat, dass er die
Mängel bis dahin nicht aufgedeckt hat. Das beschreibt vielfach das Verhältnis am Bau und das bringt
natürlich nicht die Qualität, die wir vorhin skizziert haben.
Moderator:
Das ist eine Unkultur.
Herr Halstenberg:
Es ist eine Unkultur am Bau, wie die Leute miteinander umgehen. Es hat ja nichts mehr mit Partnerschaft
zu tun. Ich kenne Leute, die haben bei ihrem konkreten Bauprojekt die Architekten eingespart, um mit
dem Geld von vornherein einen Juristen zu finanzieren. Die Prozessvorbereitung erfolgt mit Aushebung
der Baugrube. Es ist doch auch die Kultur der Planung und Umsetzung, die man konkret lebt, die über
die Qualität entscheidet, über die wir uns vorhin unterhalten haben.
Das zweite Problem ist dann natürlich das Personal. Das Personal muss in der Lage sein, einen solchen
Prozess partnerschaftlich zu optimieren, ihn zu verstehen, und, das haben wir noch nicht erwähnt, es
muss dann hinterher bei der Lösung, der Zusammenführung der Ziele, auch noch innovativ sein. Denn
wir alle stehen in einem Wettbewerb. Das heißt, wir können nicht immer die gleiche Lösung abliefern
und wir haben ja auch nicht immer die gleiche Aufgabenstellung, also Innovation muss auch noch dazu
kommen. Aber so wie wir das Bauen organisiert haben, haben wir oft genau das Gegenteil erreicht. Die
Innovation ist vielfach auf der Strecke geblieben. Statt dessen Standardisierung, Kompromisse bei der
Qualität. Also das funktioniert nicht. Innovation funktioniert nur, wenn wir die Schraube qualitativ nach
oben und nicht wenn wir sie immer weiter runterdrehen.
Dazu kommen immer auch Missverständnisse Beispielsweise kommen die Leute mit so einem Thema
wie Public Private Partnership. Hierzu lese ich Aufsätze, deren erste Sätze lauten etwa: PPP führt dazu,
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dass die Baukosten weiter gesenkt werden können und führt zu Haushaltssanierungen. Dann schließe
ich meistens die Bücher, weil ich nach einer halben Seite weiß, der Mensch weiß nicht, wovon er redet.
Denn der Witz an PPP ist eigentlich, dass der Bauherr wahrscheinlich gerade bei den Baukosten und bei
der Planung wesentlich mehr investieren muss, weil er dann auf die Gesamtprojektlaufzeit bezogen ein
deutlich ökonomischeres Ergebnis erwarten kann. Aber die Haushalte sind immer auf ein Jahr fixiert und
damit werden von vornherein die ganzen Anreize falsch gesetzt. Und da kann ich nur sagen, wenn die
Leute sich das gefallen lassen, dann scheinen sie selbst die Qualität nicht zu besitzen, oder zumindest
die Ausbildungsqualität nicht zu besitzen, um den gesamten Prozess zu analysieren. Sie haben eben
nur eine einzige Qualität vor Augen, und die wählen sie aus und sagen, wenn diese eine Qualität, z.B.
niedrige Baukosten, nicht optimiert wird, läuft das nicht. Und dann trimmen sie das Projekt da hin. Und
dabei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die aber nicht für alle transparent sind. Zur Illustrierung ein
Beispiel. Experten sagen Ihnen, die Realisierung des Projekts kostet 20 Millionen. Der Bauherr will es
aber für 18 Mio. haben, was nicht geht. Trotzdem wird oft gesagt, wir machen es für 18 Mio.. Aber wie
geht man jetzt mit dem Thema Qualität um? Man kann sie reduzieren, aber auch erhalten. Man könnte
sich z.B. dafür entscheiden und Energiecontracting machen. Dann wird die Investition z.T. über den
Strompreis finanziert. Wir könnten dann sagen, wir schaffen es auch für 18 Mio. und der Bauherr sagt:
Toll, wie haben sie das nur gemacht? Ja, mit mangelnder Transparenz, wir machen einen Teil in PPP,
prima. Aber der Auslöser war dann nicht das Ziel Wirtschaftlichkeit, sondern Senkung der Baukosten
und das muss nicht in jedem Fall effizienter sein.
Die Gesprächspartner sehen aber das Gesamtkonzept nicht. Sie verstehen die ökonomischen Zusammenhänge nicht, und sie verstehen nicht an welchen Schrauben wir gedreht haben und wir spielen ihnen
ein Theater vor. Und das geht. Aber dann merkt man, die Prozesse stimmen nicht. Die Beteiligten haben
keine ausreichenden Kenntnisse und die Entscheidungen können nicht stimmen, weil sie auch die erforderliche Transparenz nicht haben.
Moderator:
Sie stimmen zu, Herr Halfmann, Sie, Herr Garzorz stimmen zu, und Sie Herr Kerber, oder sind Sie anderer Meinung?
Herr Kerber:
Ich kann mich den Ausführungen von Herrn Halstenberg sehr gut anschließen.
Deutlich wird daraus, dass sich die Rolle des Architekten im Bauprozess in den letzten Jahren
entscheidend verändert hat. Die Ausbildungsinstitutionen haben darauf aus meiner Sicht noch
nicht ausreichend reagiert. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit, das Verständnis für andere
Fachgebiete muss stärker in die „Köpfe“ der Architekten.
Zu oft erfinden wir in der Ausführung von Bauvorhaben das Rad aufs Neue. Standardisierung
bedeutet nicht Kapitulation vor der Industrie. Sie kann, wenn richtig gemacht, bedeuten, dass
Qualität und Kosten verbessert werden und dies nicht zu Lasten der Gestaltung.
Zu dem Thema Transparenz, Baukosten ist zu anzumerken, dass sich nach wie vor Bauherren und
Investoren zu stark von Anfangsinvestitionen leiten lassen und aus kurzfristigen Renditeüberlegungen alles daran setzen diese zu minimieren. Dem ist zunächst auch mal nichts zu entgegnen.
Aufgabe und Verantwortung der Architekten und Fachplaner ist es jedoch aufzuklären und durch
transparente Darstellung einer langfristigen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung aufzuzeigen, dass
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diese kurzfristige Minimierung von Baukosten nicht zwangsläufig unter der langfristig nachhaltigen Perspektive die vorteilhafteste Lösung ist.
Ich würde mir wünschen, dass es zukünftig kreative Modelle gibt, welche Architekten und Fachplaner die Möglichkeit geben am langfristigen „Erfolg“ einer Immobilie zu partizipieren und das
Einbringen von innovativem Know How nicht nur über die HOAI vergütet wird, sondern auch langfristige Incentives vereinbart werden könnten, d.h. die unternehmerische Verantwortung nicht mit
dem Zeitpunkt der Abnahme/ Übergabe von Gebäuden endet.
Prof. Kyrein:
Ich wollte nur kurz zu den Prozessen, die Sie ansprechen, noch etwas zur Diskussion stellen. Nämlich,
ob wir in Deutschland im Rahmen der Diskussion und zur Baukultur und Nachhaltigkeit nicht auch
das Wettbewerbswesen auf den Prüfstand stellen sollten. Ich bewundere die masochistische Bereitschaft der Architekten und Planer, ihre Beiträge im Wettbewerb unter enormem Ressourceneinsatz zu erarbeiten. Werden sie dann Preisträger, werden die Arbeiten so lange professionell „deformiert“ bis der Entwurf des Preisträgers oft nicht mehr erkennbar ist. Es scheint mir ein großes Problem
in diesem System zu sein. Ich meine also, es wäre dringend notwendig neue Standards kooperativer
Planung zu entwickeln und in der Praxis zu erproben.
Moderator:
Rauterberg, Redakteur der Wochenzeitung Die Zeit, hat einen Artikel über die Architektur-Biennale betitelt: Das Venedig-Prinzip, mit dem Untertitel: Spielerisch und voller Überschwang entdecken die
Architekten neues städtisches Leben – fernab aller Ordnungsraster – Ein Rundgang über Venedigs Architektur-Biennale.
Wir kommen nun zur letzten Runde und ich möchte Sie fragen: die Architektur-Biennale läuft mehr oder
weniger parallel zur Film-Biennale in Venedig. Was halten Sie davon, wenn Deutschland einen Oscar
auslobt für die Sustainable City bzw. Sustainable Building?
Dieser Oscar wird von der Schinkelschen Bauakademie verliehen, gewissermaßen der Oscar der Schinkelschen Bauakademie. Grundlage dieses Preises könnten evtl. Wettbewerbe sein, die interdisziplinär
organisiert sind, also nicht nur Ergebnisse von städtebaulichen bzw. Architekturwettbewerben darstellen. Mittelpunkt für die Bewertung stellen die Nutzungskosten von Stadt, Immobilien bzw. Gebäude
dar, die im Rahmen eines Lebenszyklus betrachtet werden. Möglich wäre z.B., dass Städte bzw. Unternehmen sich nominieren lassen und sich einer drei Jahre laufenden „Überprüfung“ unterziehen, um die
Nachhaltigkeit nach festzulegenden Kriterien zu ermitteln. Die Finanzierung des Oscars würde zu 50 %
von der Wirtschaft erfolgen und der Rest ist von der öffentlichen Hand aufzubringen. Natürlich sind auch
andere Quoten möglich.
Herr Kerber, was halten Sie von dieser Idee?
Herr Kerber:
Man muss ja ganz klar sagen, dass die Immobilienbranche ja solche Oscars grundsätzlich hat. Sei es
auf der MIPIM oder auf der EXPO REAL, die jetzt am Montag wieder in München beginnt, nur, wenn man
dahinter schaut, so sind diese Oscars einfach heute noch „Bilder-Oscars“. Was schwerpunktmäßig betrachtet wird, ist das städtebauliche Konzept und ein „fancy design“, die „coole“ Architektur von Gebäuden. Um was dies zu ergänzen wäre, sind genau jene Beurteilungskriterien, welche wir heute diskutiert
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haben. Ich bin der Meinung, dass es ein pragmatischer und erfolgreicher Ansatz wäre, die Vergabe von
bereits bestehenden Oscars stärker mit den Aspekten der Nachhaltigkeit zu verbinden.
Das bedeutet, es müssen klare Kriterien entwickelt und aufgestellt werden, die ein Immobilienprojekt
auch vor dem Hintergrund der langfristigen Nutzung bewerten.
Moderator:
Herr Halstenberg, Sie können sich mit dieser Sache anfreunden?
Herr Halstenberg:
Wir unterstützen das grundsätzlich. Weil es geht ja auch darum, dass sich hier ganze Wirtschaftszweige
präsentieren wollen. Und das Bauimage ist nicht gerade das beste. Aber wir leben auch von den Investitionen und der Investitionsbereitschaft, also muss man auch seine Leistungen zeigen und dafür sind natürlich auch solche Preise immer hervorragend geeignet. Ich stimme dem auch deshalb zu, weil – soweit
ich es überblicke – die Deutschen Architekturpreise oft sehr stark auch auf die Entwurfspolitik, Architekturqualität, städtebauliche Qualität fixiert sind, auch wenn ich erfreut mittlerweile feststelle, dass die
Preisgerichte immer mehr andere Qualitäten in die Diskussionen einbeziehen. Immer mehr wird schon
zu Beginn gefragt: funktioniert das Gebäude – auch von den Kosten? Dann schaut man schon mal auf
ökologische Qualitäten. Wie ist es denn mit den energetischen Qualitäten bestellt? Dabei ist es immer
sehr hilfreich, wenn Preisrichter sagen, das Gebäude kenne ich, damit habe ich mich befasst. Also
man merkt, diese Aspekte nehmen – aus meiner Sicht – an Bedeutung zu. Auch wird vermehrt gefragt,
werden denn die Baukosten eingehalten? Das kann man natürlich weiter unterstützen, indem man sagt,
dann sollten in den Preisgerichten auch Leute integriert werden, die sich auf diese Fakten konzentrieren.
Und dann ergeben sich oft sehr überraschende Ergebnisse. Wir haben z. Bsp. Untersuchungen zu diesen großflächigen Glasfassaden, wie diese denn in der Praxis funktionieren, und zwar kostenmäßig, und
ökologisch, und dann stellen wir fest: sind viele auch gar mehr nicht bereit, Zahlen zu veröffentlichen.
Von daher kann ich sagen, so ein Preis könnte da ein bisschen was durcheinander bringen.
Moderator:
Ja, gut, dann machen wir das doch mal. Herr Halfmann, würde Sie dieser Preis von Herrn Halstenberg
anstacheln, da mitzumachen?
Herr Halfmann:
Dazu würde ich gern eines ergänzen: Der Oscar ist so interessant, weil er in verschiedenen Kategorien
vergeben wird. Die Preise, die wir im Moment für Architektur vergeben, beziehen sich in der Tat
nahezu ausschließlich auf Entwurfsaspekte. Aber ich kann jetzt schon ankündigen: Es wird einen
Archtitektur-Oscar geben, der in Kassel im nächsten Jahr zum ersten Mal verliehen wird. Der
BDA wird dort und in der Folge alle drei Jahre einen Preis in verschiedenen Kategorien ausloben,
zu dem nicht nur Architektur und Städtebau gehören, sondern auch wirtschaftliche, soziale und
ökologische Kategorien. Es wird diesen Preis in 10 oder 12 Kategorien geben. Darauf bin ich sehr
gespannt.
Moderator:
Unser agenda4-Wettbewerb ist vielleicht eine Anregung. Herr Professor Kyrein bitte beschreiben Sie in
wenigen Worten, wie der agenda4-Wettbewerb neben den bekannten studentischen Wettbewerben, wie
Schinkel-Wettbewerb bzw. Lenné-Wettbewerb positioniert ist.
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Prof. Kyrein:
Die Studenten sind aufgefordert auf Grundstücken namhafter Grundstücks-Stakeholder wie IVG, RWE,
Aurelis etc. Projektkonzepte zu entwickeln. Grundlage ist eine Standort- und Marktanalyse. Auf dieser
Erkenntnisbasis sind städtebauliche, architektonische und technische Konzepte zu entwickeln.
Auf dieser Basis sind Investitions- und Rentabilitätsrechnungen zu erstellen mit praxisnahen Rentabilitätsvorgaben. Danach ist eine Konzeption zur juristischen Umsetzung zu erarbeiten: Konzepte
für Satzung und zu Bebauungsplänen, städtebaulichen Verträgen. Letztlich werden auch Grundzüge
zivilrechtlicher Verträge für die Projektbeteiligten abgefordert. Der Prozess ist mindestens in einer
Meilensteinliste abzubilden und zu strukturieren.
Moderator:
Welche Wettbewerbe und Preise können noch hinzugefügt werden?
Frau Ernst:
Ja, ich möchte eine kurze Sache noch sagen, und zwar geht es darum, wer eigentlich so einen Preis
verdient. Wir haben ja im letzten Jahr einen Bauherrnpreis bekommen. Einen Preis nicht nur an die
Architekten, sondern auch an die Bauherrn, denn das gute Zusammenspiel ermöglicht erst die
Qualität. In der öffentlichen Wahrnehmung geht Lob und Kritik oft zu einseitig an die Architekten.
Moderator:
Vielleicht wäre es sinnvoll, einmal einen Wettbewerb bzw. Preis, der weltweite Bedeutung hat, zu entwickeln bzw. vorhandene zu profilieren und zu positionieren, um von den vielen Preisen, die nur begrenzt
eigene Profile haben, sich abzuheben.
Herr Halstenberg:
Ich bin nächste Woche eingeladen, um zur Bauforschung zu sprechen, zu unserem Programm und unseren Planungen. Wir haben bei der Bauforschung zwei große Defizite. Das erste Defizit ist: Wir wissen
unheimlich viel, es gelingt uns aber nicht, es in die Praxis umzusetzen, das ist ein Riesenproblem. Wir
haben ganze Bibliotheken voll Wissen, und können es praktisch in der Praxis nicht nutzen.
Der zweite Punkt ist, dass die gesamte Forschungslandschaft im Baubereich eingerostet ist. Gerade
was die Bauunternehmen angeht, gibt es zu wenig Innovatives. Wenn Sie sich die Zahlen ansehen,
die neuesten veröffentlichten Zahlen zur Frage der Brancheninnovationen – die letzte Untersuchung ist
drei/vier Monate alt – dann sehen Sie, der Bau hinkt komplett hinterher. Das hat aber auch was – ich
will hier keinen Vortrag zu Innovationen halten – mit der Qualifizierung und Ausbildung im Baubereich zu
tun. Sie ist unterdurchschnittlich und ist im europäischen Vergleich zurückgegangen. Für einen Standort
wie Deutschland ist es eine Katastrophe, denn ohne Qualifizierung und Weiterbildung bekommen Sie
keine Innovation, ohne Innovation bekommen Sie kein gutes Image und ohne gutes Image kriegen Sie
keinen Nachwuchs. Das sind ganz viele Bausteine, die in negativer Weise ineinander greifen und unsere
gemeinsame Aufgabe in den nächsten vier Jahren besteht darin, mit dieser Forschungsinitiative dazu
beizutragen, die ganze Forschungs- und Innovationslandschaft im Baubereich wieder funktionsfähig zu
machen.
Moderator:
Besser könnte ein Statement, wir von Ihnen, Herr Halstenberg, formuliert, gar nicht sein.
agenda4 ist der Meinung, dass 3 bis 5 % des Umsatzes der an dem Prozess der nachhaltigen
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Stadtentwicklung beteiligten Unternehmen für Aus- und Weiterbildung und Forschung investiert
werden sollten. Das sind bei einem geschätzten Umsatz von 1 Bio. Euro ca. 30 bis 50 Mrd. p.a.
Die Investitionsbereitschaft ist – so die Erkenntnisse der Wirtschaft – unterentwickelt. Weiter gibt es
dazu, wie in anderen Branchen für die Bereiche Stadtplanung, Architektur, Bau-, Immobilien- und Finanzwirtschaft, Ver- und Entsorger, Bauzulieferindustrie, Verkehrswirtschaft etc. keine Zahlen.
agenda4 empfiehlt, die Forschung, Aus- und Weiterbildung zwischen der Wirtschaft und der öffentlichen Hand, d.h. auf der Ebene der EU, des Bundes, der Länder und der Kommunen zu bündeln. Am Anfang stände eine Vision, die die Branchen für die Zukunftsfähigkeit der europäischen
Stadt bzw. der globalen Metropolen haben. In der Bundesrepublik Deutschland verfügen wir über
eine Vielzahl von Forschungsinstituten, die – soweit bekannt ist – von der öffentlichen Hand finanziert werden. In welcher Weise können evtl. über Wettbewerbe die Leistungsfähigkeit dieser
Institutionen angeregt werden, auch ihre personellen und finanziellen Kapazitäten zu bündeln.
Ein gemeinsames Ziel für die nachhaltige Stadtentwicklung ist für Wirtschaft, Wissenschaft und
öffentliche Hand der Ausgangspunkt für die Umsetzung der Nachhaltigkeit, die im Mittelpunkt die
Reduzierung der Nutzungskosten der Stadt und ihrer Immobilien zum Inhalt haben.
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