Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne

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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
Von Jerzy Got (Wien)
1. Teil: Österreich
Einleitung
Das hier darzustellende Thema: die Belagerung und der Entsatz Wiens im Jahre
1683 im Drama und Theater birgt fur den Theaterhistoriker sowohl einen
gewissen Reiz, als auch eine beträchtliche Schwierigkeit. Wie immer bei der
Verfolgung eines Themas, das sich durch einige Jahrhunderte zieht, ist es
interessant, die Verwandlungen des theatralischen Daseins der auftretenden
Personen in nacheinanderfolgenden Werken zu beobachten. Ein anderer, aufschlußreicher Gesichtspunkt ist die Verfolgung eines grundsätzlich gleichartigen Stoffes, der gänzlich verschiedenartigen Zielen zu dienen gezwungen
wird, wie er die mannigfaltigen Ideen und Weltanschauungen zu vertreten hat
und wie er dementsprechend an das Prokrustesbett der Vorstellungen des
Verfassers gewaltsam angepaßt wird. Das geht so weit, daß manchmal zwei
scheinbar identische — sehr deutlich positive oder negative — Bewertungen einer
historischen Person von ganz verschiedenen Voraussetzungen ausgehen und
demzufolge auch unterschiedliche Ideen dem Leser, bzw. dem Zuschauer,
vermitteln sollen.
Im Widerspruch zu dieser mehr oder weniger freien Beleuchtung der
historischen Personen und Ereignisse bleibt ein anderes Merkmal der meisten
Dramen. Es ist die Neigung zur Wiederholung derselben Situationen. Sehr oft
haben wir es in verschiedenen Stücken mit Szenen zu tun, die einige Knotenpunkte der Belagerung darstellen. Es sind u. a. die Besprechung der Lage der
Stadt im Kommandostab, eine oder mehrere Volksszenen, die die Stimmung
der Bevölkerung schildern, das Treffen der Verbündeten vor Wien, der Kriegsrat im Zelte Kara Mustafas, der Einzug in die befreite Stadt. Mögen diese
Szenen in jedem Falle auch eine andere Bedeutung haben, sie verraten den
auffallenden Mangel an Erfindungsgabe der Verfasser und ihre Abhängigkeit
von der Chronik der Belagerung. Nur selten befreit sich der eine oder andere
von diesen Schemata und läßt seiner Vorstellungskraft mehr freien Lauf.
Das sonderbare aber ist, daß auch die fiktive Handlung sehr oft an derselben Ideenarmut leidet und dieselben Fäden, Typen, Situationen, ja sogar
Requisiten wiederholt. So ζ. B. erscheint Kara Mustafa meistens von Odalisken
oder Sklavinnen umgeben, die ihre Tänze zu seiner Belustigung vorführen. Die
in der Liebesgeschichte erscheinenden ungeliebten Dritten sterben — ob Adelige, ob Bürgerliche - den Heldentod. Es gibt auch einigemale eine brennende
Lunte, die gleich die Stadt in die Luft jagen wird. Und immer ist es die Heldin
des Stückes, die sie im letzten Augenblick auslöscht — eine Aufgabe, die
offensichtlich nur eine Dame zufriedenstellend erfüllen kann. Von Zeit zu Zeit
erscheint auch ein Wiener Bürger, der anfangs furchtsam ist, doch im Verlauf
der Belagerung nimmt sein Mut so zu, daß er tapfere Kriegstaten vollbringen
kann.
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Jerzy Got
Es scheint, daß die Belagerung Wiens in der Kollektiverinnerung mehr ein
Ringen zwischen dem Christentum und dem Islam, als ein Krieg zwischen
Osterreich und der Türkei geblieben ist. Die überwiegende Mehrheit der
Dramen betont eben diese Auffassung des Kampfes. Auch spricht der verhältnismäßig große Anteil der Geistlichen unter den Autoren dafür.
Die Biegsamkeit des Themas unter der Feder der verschiedenen Autoren
ist wirklich verblüffend, es dient jedem beliebigen Zwecke. Was aber den
heutigen Leser besonders überraschen muß, sind die seit der Hälfte des 19.
Jahrhunderts manchmal auftretenden Gedanken, die eine enge Verwandtschaft
mit den uns nur allzugut bekannten Ideen der dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts aufweisen. Es sind: die Glaubensbekenntnisse über die deutsche Sendung
die Welt zu regieren (Köberle), die Absicht, in der germanischen My then weit
neue Impulse für das Leben der Nation zu suchen (Kralik), die positive Darstellung eines Führers, der die von ihm begeisterten Menschenmassen verachtet
und zugleich seinen Plänen hörig macht (Hillersperg). Einmal jedoch hören wir
auch warnende Worte, die sich als prophetisch erweisen (Berlichingen).
Freilich gelten die obigen Bewerkungen nicht für alle der hier besprochenen Dramen. Außer denen, die deutlich eine bestimmte, aktuelle politische,
nationale oder weltanschauliche Tendenz zu propagieren versuchen, gibt es die
ausgesprochenen Unterhaltungsdramen, die das Historische nur als Vorwand
nehmen. Dem „vaterländischen" Thema entsprechend entbehren sie der patriotischen Deklamationen nicht, diese sollen aber keine bestimmte Tendenz,
sondern nur die Liebe zur Heimat und zur Stadt im Allgemeinen fordern.
Hauptzweck dieser Stücke bleibt die Unterhaltung.
Natürlich repräsentieren nur einige Dramen die eine oder andere Art in
der vollkommen „reinen" Gestalt, öfter wird beabsichtigt, an die Tendenz die
Vorteile der dramatischen Verwicklung und des Bühneneffektes anzuhängen.
Die Neugier an dem Thema wird auch durch die Mannigfaltigkeit der hier
erscheinenden Theaterformen gesteigert: Familiendrama, historisches oder vaterländisches Schauspiel, Genrebild, dramatisches Zeitgemälde, Festspiel, dramatische Dichtung, Zeitbilder, Volksstücke verschiedener Art (bis zu solchen,
die schon ganz nah der Operette sind), endlich sogar Ballett und Oper. Die
meisten von ihnen haben jedoch eines gemeinsam: keinen oder im besten Falle
nur einen einmaligen Theatererfolg, der übrigens mehr dem Regisseur als dem
Verfasser zuzuschreiben ist. Wir können eine Erscheinung beobachten, die man
den natürlichen Widerstand des Stoffes nennen könnte. Zu diesem unverkennbar epischen Thema konnte offensichtlich kein dramatisches Werk von dauerhaftem Wert entstehen.
Und damit fängt das Unerquickliche an. Die in Frage kommenden Bühnenwerke sind — mit wenigen Ausnahmen — außergewöhnlich miserabel. Nur
einige wenige von ihnen weisen die Bühnengeschicklichkeit eines durchschnittlichen anspruchslosen Volksstückes auf, und j e ernster sie gedacht wurden, desto
schlimmer war das Ergebnis. Somit wird man gezwungen, immer wieder die
albernen Ideen, die dramatische und sprachliche Unzulänglichkeit, die ernst
gemeinten und lächerlich wirkenden Stellen, die schwulstigen Reden und
dergleichen mehr zu bemängeln. N u r selten bietet sich die Gelegenheit, etwas
Vorteilhaftes über ein Stück oder zumindestens über einen Bestandteil oder eine
Person des Stückes zu sagen.
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Trotzdem scheint die Beschäftigung mit dieser Gruppe der Bühnenwerke
nicht unberechtigt zu sein. Die vom Standpunkt der literarischen und dramatischen Kunstbegriffe mit Recht verurteilten Dramen haben einen unbestittenen
Vorzug. Eben dank ihrer Mittelmäßigkeit widerspiegeln sie in besonders klarer
Weise die aktuellen und verbreiteten Meinungen und Ideen. Das betrifft sowohl
das eigentliche Thema - die Belagerung und den Entsatz, die verschiedenartig
beleuchtet werden - als auch das durch die Taten und Worte der handelnden
Personen zum Ausdruck gebrachte Gedankengut. Andererseits, in den seltenen
Fällen des Bühnenerfolges, haben sie auch eine nicht zu leugnende meinungsbildende Wirkung.
Über das plötzliche Absterben des Themas - nicht in der Dichtung,
sondern auf der Bühne - sprechen die Daten der Auffuhrungen eine klare
Sprache. So sind, bis zum Jubiläumsjahr 1883, von den uns bekannten einundzwanzig geschriebenen Dramen mindestens sechzehn, davon einige mehrmals,
auf der Bühne erschienen. Nach diesem Jahr sind noch vierzehn Stücke verfaßt
worden, von denen aber nur zwei aufgeführt worden sind. Und von diesen
zweien ist das eine kein aufsehenerregendes Drama, sondern ein recht geschicktes, doch vollkommen anspruchsloses Volksstück, das dank der enorm aufwendigen, prächtigen Ausstattung einen großen Erfolg bei dem schaulustigen
Publikum erreicht hatte. Das andere Stück wurde nunmehr, anläßlich des
neuen Jubiläums, aufgeführt. Die Ablehnung des Theaters dem Thema gegenüber ist im letzten Jahrhundert klar ersichtlich.
Und diese Ablehnung war vollkommen berechtigt. Die Erfahrungen der
ersten Periode waren entmutigend, sie haben eindeutig bewiesen, daß das Jahr
1683 als solches keinen dramatischen Stoff ergibt und daß man auch mit
verschiedenen Zutaten nicht viel mit ihm anzufangen wußte. Erst dann, als das
eigentliche Thema unter den Zutaten fast völlig verschwand, gab es Chancen
für einen Erfolg. Die begründete Vorsicht konnte also nur durch die besonderen dramatischen Vorzüge des in Frage kommenden Stückes besiegt werden.
Das war aber nicht der Fall. Das Angebot seitens der ziemlich fleißig weiterschreibenden Autoren war im und nach dem Jahre 1883 immer mehr enttäuschend. Das was unterhaltend wirken sollte, war einfach grauenhaft primitiv,
und das, was ernst gedacht war, hatte außer der Verteilung des Textes auf
sprechende Personen keine weiteren Bühnenkennzeichen. Somit wurde das
Schicksal der Belagerungsstücke entschieden.
Die hier besprochenen deutschsprachigen Dramen beschränken sich auf
österreichisches Gebiet. Das ist so zu verstehen, daß sie entweder in den Städten
der Monarchie aufgeführt worden sind oder im Falle, wenn die Aufführung
nicht festgestellt werden konnte, in diesem Gebiet gedruckt oder geschrieben
worden sind. Die einzige Ausnahme bildet ein Singspiel aus dem Jahre 1686,
das in Hamburg erschienen ist und sicherlich dort auch gespielt wurde, das aber
wegen seiner Eigenschaften, auf die weiter näher eingegangen werden wird,
hier zur Abrundung des Bildes berücksichtigt worden ist.
Die dem polnischen Theater zugerechneten Stücke sind jene, welche in der
polnischen Sprache aufgeführt oder geschrieben worden sind und auch die,
welche im 17. und 18. Jahrhundert in den polnischen Klosterschulen in der
lateinischen Sprache von den Lehrern geschrieben und von den Schülern
aufgeführt worden sind. Was die Oper von Franz Doppler, ,Wanda' betrifft,
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gehört sie nicht nur gleichzeitig beiden Gebieten, sondern, wegen der Uraufführung und des ursprünglichen Librettos, auch dem ungarischen Theater an.
Diese Wahl des zu erforschenden Stoffes ist durch das besondere Interesse
der beiden Nationen an dem historischen Geschehen des Jahres 1683 begründet,
welches nicht nur in der riesigen einschlägigen historischen Literatur ihren
Niederschlag gefunden hat, sondern auch durch die Jubiläumsfeiern von 1783,
1883, 1933 und heuer, und endlich auch durch das Drama und Theater bescheinigt wird. Dazu ist noch hinzuzufügen, daß der polnische Anteil an dem
Entsatz Wiens einen wesentlichen Bestandteil nicht nur der polnischen Dramen, was selbstverständlich ist, sondern auch fast aller österreichischen Stücke
bildet.
Auf irgendwelche Diskussion mit den in den besprochenen Stücken geäußerten Meinungen über die historischen Ereignisse und Personen wurde
selbstverständlich verzichtet. Weder hatten die Autoren die Absicht, historische
Werke zu verfassen, noch ist das der Zweck dieses Beitrages. Die Aufmerksamkeit des Lesers wird hier nur manchmal auf besonders krasse Abweichungen
von unbestreitbaren wichtigen Daten - wie Zeitverschiebung oder Personenverwechslung — gelenkt.
Von den polnischen Quellen, die für den zweiten Teil des Beitrages
notwendig waren, befindet sich in Wien nur ein Bruchteil. Einige Recherchen
konnten während einer Reise nach Krakau ergänzt werden. Die Hauptlast
jedoch, der manchmal mühsamen Nachforschungen, übernahmen mit bewährter Zuverlässigkeit und freundschaftlicher Bereitschaft meine polnischen Kollegen und Freunde. Mein verbindlichster und sehr herzlicher Dank gilt den
Damen: Elzbieta Nawrat in Radiin und Krystyna Spiegel in Krakau, und den
Herren: Jaroslaw Maciejewski in Posen, Jan Michalik und Kazimierz Nowacki
in Krakau und Zbigniew Raszewski in Warschau.
Schließlich zwei Bemerkungen zur Schreibweise der Zitate und Namen.
Die Zitate aus den Werken des 17. und 18. Jahrhunderts werden genau nach
dem Original, die aus den Werken und Zeitschriften des 19. und 20. Jahrhunderts in der heutigen Rechtschreibung wiedergegeben. Die Namen der historischen Personen werden - außer, wenn sie in dem unmodernisierten Zitat
vorkommen — nach der Schreibweise der neuesten historischen Werke über die
Belagerung einheitlich geschrieben. In einem Fall aber sind die heutigen Meinungen geteilt — es geht um den bekannten Kundschafter Koltschitzky. Sein
Name wird bis heute in den deutschsprachigen Arbeiten auf zwei Weisen
geschrieben - die erwähnte und die andere: Kolschitzky. Da die erste dem
slawischen Klang des ganzen Namens näher steht als die zweite, wurde hier
diese gebraucht.
Da im Anhang, in der chronologischen Zusammenstellung der aufgeführten Stücke, die Quellen der Theaterberichte genau angegeben werden, sind die
Hinweise aufjene in der Anführung der Pressestimmen nur auf die Namen der
Zeitschriften beschränkt.
Das noch zeitgenössische
Thema
Das erste Stück über die Belagerung Wiens gehört nicht zum österreichischen
Raum. Trotzdem, wie schon angedeutet, wird es hier aus triftigen Gründen
berücksichtigt. Mit diesem Stück kommen zum erstenmal die Hauptpersonen
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der nachfolgenden Dramen auf die Bühne, einige der hier entwickelten Fäden
werden später weitergesponnen, und der Hauptheld des Dramas erscheint
nocheinmal in einem österreichischen Stück zweihundertzweiundsiebzig Jahre
später. Darüber hinaus ist das Stück in seiner aufwendigen Inszenierung ein auf
unserem Gebiet erst nach zwei Jahrhunderten überbotenes Beispiel.
Die Handlung und die ganze Anlage des zweiteiligen Singspiels des Bürgermeisters von Hamburg, Lucas von Bostel, ,Cara Mustapha' (l.Teil — Der
glückliche, 2. Teil - Der unglückliche Cara Mustapha) aus dem Jahre 1686 wird
sowohl von der barocken Opernpracht als auch von den naturalisitschen,
sensationslüsternen Grausamkeitseffekten aus dem Theater der englischen Wandertruppen gekennzeichnet. Dieser verschwenderische Aufwand der Bühnenmittel tritt besonders deutlich hervor, wenn man das Singspiel mit der ein Jahr
früheren, Türckische Tragödia und Christliche Comödia, oder Leben und Todt
des Türckischen Wütterichs und strangulierten Groß-Veziers Cara Mustaphas'
von Thomas Bernhard de Lillis (München 1685) vergleicht. Diese ist noch für
die einfache Sukzessivbühne gedacht und bedient sich nur einiger weniger
Personen. Ganz anders bei Bostel. An handelnden Personen, Verwandlungen
und Maschinen wird nicht gespart. Es treten 41 sprechende und singende
Personen und 7 Chöre, außerdem 25 namentlich genannte und eine unbestimmte Zahl der nur allgemein bezeichneten (Leibwache, Generäle, Offiziere,
Armeen, Wiener) stummen Personen auf. Von den historischen Personen auf
der christlichen Seite darf nur Starhemberg - ganz kurz übrigens — sich hören
lassen; König Sobieski, Max Emanuel von Bayern, Johann Georg von Sachsen
und Karl von Lothringen erscheinen schweigend. Bei den Türken dagegen sind
- außer dem Haupthelden — „stimmberechtigt": Der Sultan, seine Mutter, seine
Schwester, drei Bassen und ein Geistlicher. Im ersten Teil, mit Vorspiel, wird
die Bühne gänzlich oder teilweise 22mal verwandelt, im zweiten findet das
25mal statt (siehe Anhang). Einige Dekorationen und Aufzüge werden als
prächtig bezeichnet, was jedoch nur die Mohammedaner betrifft (der Einzug
des Sultans, sein Zimmer, des Groß-Wesirs Gezelt), die Österreicher begnügen
sich mit verbrannten, verheerten Häusern und Städten, mit der blutgefarbten
Donau, sowie mit gemarterten, verwundeten, übel zugerichteten Personen.
Diese „erschlagenen, verwundeten, krancken und halb todten Menschen"
sammeln jedoch genug Kräfte, um in einer „Aria" den Himmel um Hilfe für
die Stadt zu bitten (II. Teil, I, 4). Diese Einteilung von Pracht und Elend
entspricht nicht nur teilweise den wahren Kriegsumständen, sondern dem
Hauptinteresse des Verfassers. Dieses betrifft, dem Titel gemäß, nicht die
Belagerten und ihre Verteidigung, sondern den Anfuhrer der türkischen Heere.
Wenn wir das allegorische Vorspiel über die Verfolgung der Kirche durch
„der Türcken falschen Prophet Mahometh" ausklammern, dann handelt dieses
Singspiel hauptsächlich vom Schicksal Kara Mustafas, genauer gesagt von
seiner Liebesgeschichte, die zur Triebfeder seines Kriegszuges erklärt wird. Das
pflichtmäßige christliche Liebespaar und der komische, als „des Groß-Veziers
kurzweiliger Diener" bezeichnete Darsteller, sind die üblichen stereotypen
Bühnenfiguren, die kaum Interesse erwecken können.
Die Begründung dieser Auffassung über die Ursache des Krieges ist ziemlich ungeschickt. Der Kriegszug ist fur Kara Mustafa nur eine List, um nach
Ofen zu kommen, wo seine geliebte Baschlari, die Schwester des Sultans, mit
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Ibrahim, dem Bassa von Ofen verheiratet, lebt. Die junge Dame hatte zwar
früher seine Liebe erwidert, doch wurde sie zur Ehe durch Zaime, die Mutter
des Sultans, gezwungen. Eben mit dieser hatte Mustafa „in geheim schon eine
lange Zeit der Buhlerey gepflogen" und diese hatte ihm, jetzt eifer- und
rachsüchtig, die Geliebte auf diese Weise entzogen. Vor seinem Vertrauten
Barac macht der Groß-Wesir kein Hehl aus seinen Absichten, indem er sagt:
Bluth von Feinden,
Oder Freunden,
Ist mir alles gleich viel.
K o m m ' ich nur zu meinem Ziel,
Kann ich nur Baschlari sehn.
M a g der Krieg an allen Enden,
Morden, Rauben, Brennen, Schänden,
Ja das Reich m a g untergehn!
Barac, der Diener des Groß-Wesirs, ist übrigens einer der ersten, wenn
nicht überhaupt der erste komische türkische Diener in Drama und Oper in
der langen Reihe, die ihren Gipfelpunkt später in der Gestalt Osmins erreicht
hat. Feig, dumm, oft betrogen, können diese Domestiken den Versuchungen
des Weines gegen das mohamedanische Verbot nicht widerstehen. So singt
Barac hier ganz unfromm:
Hat uns nicht M a h o m e t schändlich betrogen
Wenn er den Wein in Verachtung gebracht,
Hat der Verfuhrer nicht heßlich gelogen,
Wenn er v o m Sauffen hat Sünde gemacht?
W e r sich nicht labet mit lieblichen Wein,
M u ß wol ein N a r r e mit M a h o m e t seyn.
In Bostels Stück will Kara Mustafa die Belagerung möglichst rasch beenden und die Stadt zerstören. Er singt:
K o m m e t , ihr Furien, k o m m e t zusammen,
Reichet Mustapha die Schlangen und Flammen,
D a ihr die Geister mit brennet und stecht!
Alles soll sterben, verderben, vergehen,
H i m m e l und Erde mit Schrecken ersehen,
Wie mein ergrimmetes Hertze sich rächt.
Er verliert die entscheidende Schlacht dadurch, daß er sich um ein heimliches Treffen mit der geliebten Baschlari kümmert, anstatt die Vorbereitungen
zum Kampf zu treffen.
Der Untergang des Groß-Wesirs wird hier nicht seinem Versagen in der
Kriegsfuhrung zugeschrieben. Er hat sich vor dem Sultan persönlich und
erfolgreich gegen diesen Vorwurf verteidigt, indem er die ganze Schuld dem
von ihm aus Angst und Eifersucht getöteten Ibrahim zugeschrieben hat.
Jetzt aber entdecken die beiden von ihm geschädigten und betrogenen
Weiber, die Mutter des Sultans und Baschlari, dem Sultan die schändlichen
Machenschaften des Groß-Wesirs und erreichen dessen Todesurteil. Kara Mustafa wird auf der Bühne stranguliert, sein K o p f vom Körper abgehauen und
„auff einer langen Picquen" von den Janitscharen zum Jubel der Belgrader
Bevölkerung herumgetragen. Der Mufti, der Sultan und die Janitscharen
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besingen in ihren Arien nacheinander die Nichtigkeit des menschlichen Lebens
und der weltlichen Ehren, sie ermahnen das Publikum:
Bedencket die Leute, leicht heute
Werdt ihr noch dem Tode zur Beute.
Der Charakter des Helden ist im Stück verschwommen. Er ist eindeutig
schlau, listig, rücksichtslos, blutrünstig und von der Liebe zu Baschlari so
besessen, daß sie ihm jede Niederträchtigkeit zu entschuldigen scheint. In der
entscheidenden Schlacht um Wien zeigt er sich aber als kühner, entschlossener
Feldherr, der mit Todesverachtung zum Kampf antritt. Auf der Flucht nach
der verlorenen Schlacht fordert er alle Mächte der Erde und des Himmels
heraus, ihn zu töten: „Schlag Blitz und Donner los, zerschmettre mich zum
Staub . . . komm, angenehmer Todt!" Zwar wird er durch gewaltige, feindliche
Naturerscheinungen bis zur Ohnmacht erschreckt, doch faßt er sich bald: „Fall,
Himmel, ein, du sollst mich nicht mehr erschrecken", als er aber einige ferne
Heeresbewegungen irrtümlich für die Feinde hält, sucht er so ängstlich ein
Versteck, daß sogar Barac ihn auslacht: „Sol das Courage seyn? Ich muß des
Narren lachen". Im Gespräch mit dem Sultan behält er dann wieder kühlen
Kopf und wendet die ihm drohende Todesgefahr geschickt ab. Als er endlich
das Todesurteil ausgesprochen bekommt, schimpft er nicht nur den Überbringer, den Mufti, sondern verflucht auch seinen Herrscher, bereut seine Liebe zu
Baschlari und belehrt die, die ihre Fürsten „gleich den Göttern" ehren, daß das
Steigen in deren Gust ein Steigen zum Verderben sei.
Die Behandlung des historischen Stoffes ist verblüffend. So erfahren wir,
daß sich in Wien „viel Millionen Menschen" befinden, der regierende Sultan
wird unbeirrt viermal als Soliman III. bezeichnet, der bei Warna gefallene
König Wladyslaw heißt hier Ludwig, Ludwig jedoch fiel bei Mohacs - und
Hermann von Baden leitet die Sitzungen des Kriegsrates in Wien. Anderseits,
während der Sitzungen dieses Rates und bei anderen Gelegenheiten werden die
Verteilung der Aufgaben, mehrere aufeinanderfolgende Verteidigungsmaßnahmen und die sofortigen Entscheidungen der Behörden fast wörtlich nach
den Dokumenten angeführt.
Die Rolle der Polen und ihres in dem Singspiel stummen Königs wird in
einem Bericht hervorgehoben:
Der grosse Sobiesk, so jetz der Pohlen Reich
Als Oberhaupt regiert, und dessen Tapferkeit
Mustapha selbst öffters schon erfahren,
Kommt gleichfals wieder uns zum Streit
Mit seinen Krieges-Scharen.
Doch, verständlicherweise, feiern die befreiten Wiener eindeutig nur ihren
Kaiser als Sieger:
Großmächtigster Held (...)
Wie du uns errettet, die Feinde geschlagen.
Auf die Eigenschaften der türkischen Mentalität und Sprache wird hier
kein großer Wert gelegt. So sagt zum Beispiel Ibrahim zu Baschlari:
Ein Herz, daß Amors Pfeil, wie meines recht durchsticht,
Dehrn graut für andren Wunden nicht.
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Der Pickelhering Barac, Kara Mustafas Diener, mischt in sein Gerede
mehrere französische Worte, sogar ganze Sätze. Er spricht auch italienisch, kann
auch Latein. Baschlari befindet sich in einem „Streit von Lieb' und Ehr'
seufzt: „Tugend, steh mir bey, daß ich mein Hertz regier" und gesteht dem
Groß-Wesir:
D u hättest dieses Hertz schon längst überwunden,
Wärs nicht durch Ehr' und Pflicht zum Widerstand verbunden.
Kara Mustafas Argument: „Verliebte setzen offt die Ehrbarkeit zur Seite"
widerlegt Baschlari mit den Worten „Von solcher gailen Lieb ist dieses Hertze
rein", was ihn insofern überzeugt, als er daraufhin gehen will „wann Sie nur
vergönnt die Hand zu küssen".
Manche Arien gehören dagegen zum Besten, was Bostel hier schuf. Einige
Liebeserklärungen haben die einfache Anmut der Volksdichtung:
So lang mein Hertz noch Athem fuhrt,
Bleibt sie nur drin geschrieben,
S o lange mein Bluth noch rührt
Will ich Baschlari lieben,
U n d soll mit meines Lebens-Lauff
In mir die Treu erst hören auff.
oder:
Laß H i m m e l diese keusche Brunst
B e y bey den e w i g dauren.
B e w a h r e mir der Liebsten Gunst,
S o werd' ich nimmer trauren,
Schick alles, wie es dir gefällt,
Wann nur die Liebe sich erhält.
Die Musik zu dem Singspiel lieferte Johann Wolfgang Franck, der in seiner
Hamburger Zeit (1679-1686) dort siebzehn Opern komponiert hat. Diese war
seine letzte dortige Arbeit.
Auf das eigentliche Feld dieser Betrachtungen, das österreichische Drama
und dessen Aufführungen, fuhrt uns eine berühmte Person - die des Joseph
Anton Stranitzky.
Die vierzehn erhaltenen Haupt- und Staatsaktionen, die ihm zugeschrieben
werden, sind nach der Vorlage italienischer Opernlibretti verfaßt. Jedoch mit
einer Ausnahme: für eines dieser Stücke wurde bisher keine Vorlage gefunden.
Es ist der von Fritz Brukner im Jahre 1933 veröffentlichte .Türckisch-bestraffter
Hochmuth, oder das Anno 1683 von denen Türcken belagerte und von Christen entsetzte Wien ( . . . ) ' .
Als die türkische „Aktion" in Wien gespielt wurde, waren noch nicht viele
Jahre seit der Belagerung vergangen. Ein großer Teil des Publikums konnte sich
noch gut an die Ereignisse erinnern, die auf der Bühne gespielt wurden, für die
jüngeren, die den Krieg nicht erlebt hatten, war er ein wichtiger und lebendiger
Teil der Haustradition. Es ist also anzunehmen, daß die Beurteilung des historischen Geschehens im Stück — wenigstens im großen und ganzen — mit der
Meinung und den Gefühlen des Publikums in diesem Volkstheater im Einklang
bleiben mußte. Wenn wir von diesem Standpunkt die Szenen betrachten, in
denen der König von Polen erscheint, so zeigt es sich, daß er im Andenken der
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Wiener zu Anfang des 18. Jhdts. als eine alles überragende Gestalt weiterlebte:
als der Retter der Stadt. Die Kurfürsten unterordnen sich ihm vor der Schlacht
in voller Bereitwilligkeit, was, wie wir wissen, nicht genau der Fall war, und
nach der Schlacht wird er vom Kurfürsten von Sachsen, General Württemberg,
Starhemberg, Kaplir und Daun auf den Knien als der Held des Entsatzes
gepriesen.
Ein gewisses, wenngleich beschränktes Gefühl fur Reaütät zeichnet das
Stück aus. Vielleicht am deutlichsten kommt es in der Sprache zur Geltung.
Selbstverständlich überrascht es nicht, daß Hans Wurst sowohl in der Wahl
seiner Worte als auch in seiner Denkweise seinen eigenen Stil entwickelt. Es
sind aber andere Personen, die sich ihrer eigenen, fein nuancierten Sprache
bedienen. Der Markgraf von Baden (unter dem gemeinsamen Namen „Baaden " erscheinen hier Hermann im Kriegsrat und Ludwig Wilhelm im Entsatzheer) gebraucht nur die gehobene, schwülstige, gewählte Hofsprache: „So thut
unsere Hoffnung, welche biß daher in Zügen gelegen sich wiederumb ermuntern, und beginnet in dem Hafen des Trostes zu anckern, und Du ermattetes
Wien darffst nach überstandenem Winter Deiner Zeiten einen angenehmen
Frühling hoffen. " Starhemberg wählt seine Worte nach seinem Gesprächspartner: mit dem Markgrafen ist er ganz Höfling, mit seiner Frau vomehm-elegant:
„indem ich dem Martii gedienet, ich denen Blicken der Veneris ihren schuldigen Tribut entzogen", mit dem Volk redet er klar und sachlich: „daferne ihr
nicht ( . . . ) euch friedlich und gehorsam bezeigen werdet, man unter euch Feuer
geben und euere Rädelsführer an die dazu aufgerichtete Galgen hencken wird. "
Seine Frau gesteht „die Blödigkeit des Weiblichen Geschlechts" und „weynet"
wie es sich gehört, dabei aber kann sie sich dem armen Hans Wurst gegenüber
schön grausam zeigen: „Ob er zwar aus Einfalt gethan, so will ich ihm doch
laßen 50 Prügel geben." Der Realitätssinn des Verfassers zeigt sich auch in
einigen Szenen - wie die Aufruhr des Pöbels und die Angst der Herrschaften
(II, 4 und 5), das Exerzieren der Kaufleute (II, 7), oder die Hinrichtung der
Verräter (III, 3).
Der berühmte Kundschafter Koltschitzky stellt sich hier als Raitze, d. i. ein
Serbe, vor. Seine Aufgabe, die Briefe Starhembergs zum Herzog von Lothringen durch das türkische Lager zu schmuggeln, kommt zwar im Stück vor, doch
dadurch, daß ihn Hans Wurst begleitet, bleibt er bei der Übergabe der Schriften
im Schatten seines Begleiters.
Die Person und die Taten des letzteren sind mehr oder weniger logisch in
die Handlung einbezogen, sie nehmen einen der beliebten Volkstheaterfigur
gebührenden Platz ein, doch wegen der Erfordernisse der historischen Ereignisse tritt er nicht übermäßig hervor. In den insgesamt 33 Szenen des Stückes
erscheint er nur in 8. Außer den üblichen Wortverdrehungen, wie Kommandant - Komödiant, zeigt sich Hans Wurst in der Szene von seiner besten Seite,
wo er von den Türken aufgespießt werden soll. Erst bittet er sie, ihm den Podex
nicht zu verstopfen, da er darauf keine Luft kriegt und dazu hat er sich erst vor
kürze „ein Clistir setzen" lassen. Als er sich dann als Gnade die Art des Todes
wählen darf, bittet er: „Daß ihr mir im Ars kriecht, und das Herz abbeißt, so
käm ich der Marter bald loß. " Obgleich diese Späße derb genug sind, so wirken
sie doch im Angesicht des grausigen Todes auch heute, und beim Lesen allein,
unwiderstehlich komisch.
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Die Türken unterscheiden sich kaum untereinander. Sie sind fromme,
tapfere, grausame und barbarische Krieger, sie wollen sich „in der Christen Blut
waschen" (Kara Mustafa II, 1), einem Überläufer läßt der Großwesir die Haut
abziehen (III, 8), die ganze Bevölkerung von Wien soll ermordet und die Stadt
geschliffen werden (III, 8). Im Angesicht der Niederlage, nach einem vorübergehenden Augenblick der Verzweiflung, spricht Kara Mustafa sich selber und
seinen Anführern wie ein echter Feldherr Mut zu: „Mustapha laße den Muth
nicht sincken ( . . . ) sterbe als ein Soldat ( . . . ) Ihr übrige aber schicket euch, mit
mir den Sieg oder den Todt zu behaupten, weil nur eines von beyden uns übrig
ist."
Die Erinnerung an die Macht und Pracht der Belagerungsarmee mußte um
das Jahr 1720 noch immer sehr lebendig sein. Sicherlich um den Erwartungen
des Publikums zu entsprechen, war in dem Stück die aufwendigste und detailliert mit Regieanweisungefi versehene Szene nicht die des Entsatzes, sondern
die des Aufmarsches der türkischen Truppen (s.Anhang).
Familie,
Bürger und
Helden
Die Belagerung Wiens wird mehr als fünfzig Jahre später zur Kuhsse eines
rührenden patriotischen Familiendramas von Paul Weidmann, ,Das befreyte
Wien', das im Jahre 1775 aufgeführt wurde. Die ganze Handlung stützt sich
auf das damals populäre Motiv des Bruderhasses, das in demselben Jahr von
Klinger (,Die Zwillinge') und ein Jahr später von Leisewitz (Julius von Tarent')
mit viel mehr Talent und Ausdruckskraft verwendet worden ist, und sieben
Jahre später in ,Die Räuber' seinen Höhepunkt erreicht hat. Das Stück, die erste
Probe des Komödiendichters auf dem ernsten Gebiete, hält sich streng an die
klassizistischen drei Einheiten, spielt nur in Wien, „beginnt mit frühem Morgen
und währt einen Tag". Den Anlaß zu dieser Wahl des Hintergrundes konnte
die Auffrischung der Erinnerungen an die ruhmvollen Tage durch die im
Vertrag vom 7. Mai 1775 erfolgte Abtretung der Bukowina an Österreich
durch die Türken sein.
Das ganze Schlamassel beginnt mit der Rückkehr des ungestümen, jähzornigen Eduards, eines Sohnes von Baron Witterthal, aus der türkischen Gefangenschaft. Da er tot geglaubt wird, hat inzwischen sein Bruder Ernest sein
Vermögen, seine Würden und nicht zuletzt seine Braut, Emilie, übernommen.
Übrigens liebte Emilie immer Ernest, nur gezwungenermaßen hat sie sich mit
Eduard verlobt. Eduard will seinen Bruder töten, wird vom Vater verflucht
und ausgestoßen, vom Kommandanten gerügt, und um sich zu rächen, bietet
er den Türken seine Hilfe bei der Einnahme der Stadt an. Mit dem bewährten
Mittel der Briefverwechslung kommt sein teuflischer Plan an den Tag, er wird
festgenommen und erwartet den schändlichen Tod. Sein edler Bruder tritt ihm
dann Emilie ab und vertritt ihn in der Verwahrung, um ihm das Kommando
eines Ausfalls zu ermöglichen. Er soll entweder „mit Lorbeem geziert" zurückkehren oder wenigstens ehrenvoll sterben. Wie zu erwarten ist, befolgt Eduard
den zweiten Teil dieser Empfehlung und zum allgemeinen Jubel kehrt er
siegreich, aber todtverwundet in die Stadt zurück. Mit dem Tod des lästigen
Eduards werden alle Probleme der Familie zur allgemeinen Zufriedenheit
gelöst.
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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Der Lustspieldichter Weidmann, der Bruder des berühmten Schauspielers,
lieferte für die Hofbühne mehr oder weniger gelungene Singspiele und Komödien, von denen ,Die schöne Wienerin' und insbesondere ,Der Bettelstudent
oder das Donnerwetter' mehrmals mit Erfolg aufgeführt wurden. Auf dem
Gebiete des ernsten Dramas bewegt er sich eher unsicher. Der Heißsporn
Eduard klagt wiederholt, daß seine — übrigens unbekannten - Verdienste
vergessen und vom undankbaren Volk nicht belohnt werden, wofür die
Mauern der Stadt „über ihre lasterhaften Häupter einstürzen" sollen (II, 3). Er
jammert über „tausend Beschwerden und Elend", die er erlitten hat, und fragt
noch einmal: „Was thut dieß berühmte Vaterland zu meiner Belohnung?" (III,
5). Dann wünscht er sich sehnlichst, daß sich seine Mutter und Emilie Vorwürfe
für den ihm für den Verrat drohenden Tod machen sollen (III, 6). Als aber
gleich darauf Emilie aus unfaßbaren Gründen sich opfert und ihm ihre Hand
reicht, wird er schlagartig ein anderer Mensch: „O itzt fühl ich meine Thorheit
- Was hab ich gethan - " (III, 6). Endlich nach dem Ausfall, tödlich verwundet,
hat er noch genug Zeit, um sich selbst und seine Taten zu preisen, jetzt verdient
er Lob, er vermißt seinen Bruder wegen der gebührlichen Glückswünsche (IV,
7), sterben will er unter dankbaren Segnungen der Bürger und bemerkt zum
Schluß, daß er sich edel gerächt hat (IV, 8).
Mit der Bewunderung für einander sparen die handelnden Personen auch
sonst nicht: „Ihre Tugend reisset mich hin" (II, 2), „wie muß ich dich bewundern" und gegenseitig „ich bewundere dich" (III, 2), „ich benetze ihre Hände
mit Thränen ( . . . ) der Bewunderung" (III, 6), „Familie, die meine ganze
Bewunderung verdient" (III, 8), „ihr verdient meine ganze Bewunderung",
„ich muß deinen hohen Geist bewundern" (IV, 2), „sagen sie ihm, daß ich ihn
bewundere" (IV, 7), „das ganze Volk preiset deinen Namen", „wie bewundere
ich Sie izt" (IV, 8). Auch für sich selbst finden die handelnden Personen
manchmal angemessene Worte: „Ich denke zu groß, als daß ich um ein Leben
zittern oder um Gnade kriechen sollte" (Eduard, IV, 3) oder „Hören sie die
Opfer, die wir ihnen brachten" (Emilie, III, 6).
Der Patriotismus dieser Menschen ist schier übermenschlich. So ζ. B. in
dem Dialog zwischen dem Baron Witterthal und Schnellberg:
Witterthal: Wie geht es?
Schnellberg: Ihrem Sohne?
Witterthal: Ich frage, ob wir siegen? (V, 6)
Die Mutter der Brüder ist ihrem Gatten ebenbürtig:
Elisabeth: Ich vergesse izt Mutter zu seyn, und bin nur Bürgerin (V, 7)
Der dritte im Bunde ist Ernest:
Witterthal: Er (Eduard) starb für sein Vaterland!
Ernest: Also keine Thränen. (V, 9)
Die einzigen echt wirkenden Personen sind die komischen Figuren Baronesse von Schwindheim, Lieutnant Schnellberg und der lustige Koltschitzky. Die Dame gehört zum Fach der „komischen Alten", sie ist eine eingebildete, übermütige, reiche Tante der beiden Brüder, voll Angst vor den Türken
und voll Jammer über ihre Leiden und Verluste. Als komische Person genießt
sie Narrenfreiheit, um sich am Ende des Stücks verblüffend kritisch zur Frage
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Jerzy Got
des Patriotismus zu äußern: „Gott bewahre jede Familie vor diesem schreckbaren Patriotismus. ( . . . ) Er hat keinen Sohn mehr - So geht es den v e r d a m m ten Patrioten. Ich will beten, daß der Himmel die Menschen erleuchtet, und
weniger patriotische Neffen auf die Erde schickt, denn sonst stirbt die Welt
aus." (V, 5)
Schnellberg ist ein wichtigtuerischer Geck, ein naseweises Klatschmaul,
Koltschitzky endlich, immer ein bestgelaunter und humorvoller Bursche, verschmäht den Wein nicht, betrachtet seine gefährüchen Aufgaben von der
heiteren Seite, und nicht ohne Recht meint er: „Man wird einst sagen ( . . . )
Kolschiitzki war ein ehrlicher Kerl, zwar ein Raiz, aber eine gute, treue Seele;
er wagte oft sein Leben." (V, 3)
Eine Spur von Sozialkritik, zugegeben vom M u n d eines Adeligen, hat
Weidmann seinem Drama ohne zwingenden Grund beigemischt. Der K o m mandant, also Starhemberg, der hier diskret nur als Graf S*** erscheint, sagt:
„man überhäuft den Adel mit Würden, und Titeln, da oft der arbeitsame
gemeine Mann sein Blut und Leben u m etwelche Kreuzer hingeben muß; und
doch thut ers willig; er murrt nicht über die Undankbarkeit des Monarchen."
(III, 5)
Über die Uraufführung — 13. Mai 1775 unter dem Titel ,Die Belagerung
Wiens' im Kärtnertortheater — wissen wir nichts. Es ist damals nur eine literarische Kritik des gedruckten Textes erschienen. Hier wird die Vernachlässigung
des im Titel angekündigten Themas zugunsten der Familiengeschichte getadelt:
„so, wie es da liegt, könnte es eben so wohl das befreyte Penzing heissen." Auch
die verzerrte Darstellung der Gestalt Starhembergs, der sich hier nur um die
Familienangelegenheiten seiner Bekannten k ü m m e r t , wird gerügt. In der Enttäuschung über das gescheiterte, aber erwartete heroische Drama verurteilt der
Kritiker die komischen Personen, diese hätten „immer wegbleiben können."
(Realzeitung)
Bald darauf, zwischen August und O k t o b e r 1777, wurde das Drama in Pest
durch die Gesellschaft Karl Wahr's aufgeführt. Z w e i Jahre später, 24.5.1779,
hat der Prinzipal Franz Jakob Scherzer im Bauernfeindschen Saal in der Josefstadt das Stück wiederaufgeführt. Es war eine Festvorstellung anläßlich der
Ratifikation des Teschner Friedens, deren Schluß „ein ganz neu hiezu verfertigtes Friedensdivertissement von Salomoni" machte. (Ε. K. B l ü m m l und G. G u gitz, Alt-Wiener Thespiskarren, Wien 1925, S. 280)
Über die dritte Wiener Premiere des Weidmannschen Dramas,
7. September 1783 im Kärtnertortheater, anläßlich des hundertjährigen Jubiläums der Belagerung, erfahren wir wenigstens einige Einzelheiten. Sie wurde
von der Gesellschaft Barbara Fuhrmann's, die gemeinsam mit der Truppe
Gensickes und dann auch Wilhelms das Theatergebäude benützte, aufgeführt.
Eine geschätzte tragische Heldin, Fräulein Dorn, die „auch Genie und Laune
für die komischen Rollen" hatte, spielte die Baronesse Schwindheim „mit
vielem Anstand" und hat sich „ganz in die Verfassung" versetzt, „welche diese
Rolle erfordert". Die Rolle des jähzornigen Eduards übernahm Josef Beff. Auch
ihm wird „Genie, Einsicht und Bestreben" bescheinigt. Z w a r ein Anfänger
noch, doch verfügt er über „schöne Bildung" und „laute, ungemein verständige, ausdrucksvolle Deklamation". Von ihm weiß man jedoch auch, daß,
wenn er „einen Mann von hohem Rang spielen soll, übertreibt er jederzeit den
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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gehörigen Ton des Ansehens, wird steif und unnatürlich". Es ist zu befürchten,
daß der Text seiner Rolle ihn in eben der genannten Richtung beeinflußt haben
könnte. Als besonders gelungene Leistung wurde die Rolle Koltschitzky's
genannt. Anton Baumann, „ganz Genie für das Lustspiel", hat sie trefflich
gespielt und wurde mit Beff zu den besten Mitgliedern der Truppe gerechnet.
Die Rolle Schnellbergs wurde dem mittelmäßigen Krämer anvertraut. Der
Rest der Besetzung bleibt ungenannt, offensichtlich war seine Wirkung nicht
überwältigend. (Der Spion in Wien)
Zur Unterhaltung und Erinnerung des Wiener Publikums an das Jahr 1683
folgten dem Weidmannschen Stück im September 1783 noch andere Attraktionen. Die nächste war „ein neues, sehenswürdiges Kunstfeuerwerk" Stuwer's,
,Die türkische Belagerung, oder der Entsatz Wiens'. Das „so mühsam als
künstlich" vorbereitete Feuerwerk des k. k. priviligierten Kunst- und Luftfeuerwerkers ist so glänzend ausgefallen, daß der Meister „nebst einer reichen
Einnahme" den einhelligen Beifall der versammelten Menge erntete. (Das
Wienerblättchen vom 12.9.1783, S.68 und vom 17.9.1783, S.40)
Mit einer solchen Augenweide konnte es kein Theaterdirektor aufnehmen.
Erst gar nicht Friedrich Gensicke, der nach dem Zusammenbruch seiner starken
Gesellschaft, nun mit überwiegend sehr schwachen Kräften im Kärtnertortheater sein Glück erneut versuchte. So hat er die ursprünglich auf den 14.
September angesetzte Premiere seines eigenen, anläßlich der Festtage geschriebenen Werkes ,Die belohnte Treue der Wiener Bürger, oder der 12tc
September 1683' auf den nächsten Sonntag, den 21. September, verschieben
müssen.
In einer umfangreichen Ankündigung bemühte sich der Direktor und
Verfasser, zugleich sein Werk und dessen Inszenierung zu preisen und der Gunst
des Publikums zu empfehlen (s. Anhang). Über die Aufführung wissen wir
wenig, das Stück aber rechtfertigt in gewisser Hinsicht das Lob des Autors.
Dieses Schauspiel in drei Akten stellt eine interessante Mischung dar. Einerseits
knüpft es mit seinen allegorischen Personen, mit der Behandlung des komischen Elements und mit dessen Verbindung mit dem Heroischen an das barocke
Theater an, andererseits fuhrt es gewisse neue, originelle Elemente ein, die
teilweise später von verschiedenen Nachfolgern wiederaufgenommen werden.
Die allegorischen Personen — Wiens Schutzgeist, das Gerücht, die Hoffnung und der Friede - erscheinen am Anfang des ersten, des zweiten und am
Ende des dritten Aktes. Redend und singend leiten sie am Anfang die eigentliche Handlung ein und sprechen die Hoffnung aus, „bald wandelt sich Jammer
in Glück". Dann fuhrt der Schutzgeist im Flug über den Köpfen der Bürger
die Hoffnung in die Stadt zurück. Endlich erscheint — wieder im Flug — der
Schutzgeist in Begleitung des Friedens, wobei bei „allen Gegenwärtigen
herrscht der äußerste Grad des Erstaunens", und prophezeit der Stadt die
glücklichste Zukunft unter der Herrschaft des vereinten deutsch-österreichischen Schutzgeistes. Der letztere wird gleich auf der Bühne, in der Mitte des
Tempels der Zukunft, gezeigt. Der Schutzgeist Wiens sollte übrigens hundert
Jahre später im Theater in der Josefstadt eine große Karriere machen.
Der Verfasser bemüht sich in seinem Schauspiel auf eine interessante Weise
um die Gunst sowohl des Monarchen und des hohen Adels als auch des
Bürgertums, wobei das letztere deutlich seinem Herzen näher ist. Die HuiUnauthenticated
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Jerzy Got
digung fur den Kaiser Leopold beschränkt sich auf leere Floskeln über sein
Elend auf der Flucht, w o er mit seiner Familie in Korneuburg „mit wenigen
Eyem zufrieden seyn" mußte. Die Fürstinnen und Gräfinnen waren „auf
offenen elenden Karren ein Raub der brennendsten Hitze und aller Qualen des
Hungers und des Durstes". Ihnen gegenüber befanden sich die Armen, die „mit
dem Elend vertraut" waren, in viel glücklicherer Lage. Es werden außerdem
Guido Starhembergs „Weisheit und M u t h " gepriesen, ohne die „wäre Wien
ein Scheiterhaufen und seine Bürger Leichen" (I, 2) und der „Wunder that"
(III, 3). Der Fehler dabei ist nur, daß von den Taten des wirklich außerordentlich tapferen und verdienstvollen Verteidigers Wiens dann leider zu wenig auf
der Bühne gezeigt wird.
Der Sohn des Oberkämmerers Daniel Fockhy, Hugo, wurde dagegen zum
Sinnbild der heroischen Tugend der Bürgerüchen gewählt. Unter dem Vorwand, zu den Türken übergelaufen zu sein, versucht er in ihrem Lager Kara
Mustafa zu sprechen und ihn zu erstechen. Da es ihm nicht gelingt, legt er ohne mit der Wimper zu zucken — (ein neuer Mutius Scaevola) seine rechte
Hand ins Feuer, um sie dafür zu bestrafen, daß sie den türkischen Feldherrn
verfehlt hat. Ein anderer Vertreter der Wiener Bürger, schlicht Müller genannt,
begnügt sich mit zwar weniger spektakulären, doch sehr eindrucksvollen
Taten. Er kommt als Kundschafter ins türkische Lager, wird gefangengenommen, benimmt sich frech im Angesicht der Folter, befreit sich selber und auch
Hugo aus der Gefangenschaft und als Belohnung für seine Taten erbittet er sich
von Starhemberg, gleich nach der Rückkehr in die Stadt, an einem Ausfall
teilnehmen zu dürfen. Dabei hat er einen gewinnenden Charakterzug — er
nimmt sich und seine Handlungen nicht besonders ernst, ist ein geschwätziger
Spaßvogel, der seine gute Laune nie verliert und um eine Antwort nie verlegen
ist.
Es gibt noch einen anderen heldenhaften Bürgerüchen, der zwar zu Taten
selbst nicht kommt, doch zu jedem Opfer bereit ist. Er tritt einfach als „ein
Greis" auf, was ihm gleich eine repräsentative Bedeutung verleiht. Er ist fast
70 Jahre alt, wurde im dreißigjährigen Krieg mehrmals verwundet, seine neun
Söhne sind bei den Ausfallen während der Belagerung gefallen. Jetzt bittet er
Starhemberg, ihn samt seinem letzten, zwölfjährigen Sohn „mitkämpfen zu
lassen".
Die schon im Titel genannten Bürger werden auf diese Weise, außer
mehreren untergeordneten Figuren, durch drei hervorstechende Personen vertreten, als die eigentlichen Helden der Belagerung dargestellt. Das wachsende
Selbstbewußtsein des mittleren Standes, durch die innere Politik Kaiser Josephs
gestärkt, fand hier seinen Niederschlag.
Auf der österreichischen Seite gibt es noch eine zwar nicht sehr wichtige,
aber für die Entwicklung des Themas bedeutende Person. Es ist die Frau von
Hugo, Therese. Sie erscheint vor Starhemberg in Männerkleidung mit der
Absicht, ins türkische Lager zu gehen um ihren Mann zu befreien, und als der
Kommandant sie am Verlassen der Stadt hindert, beabsichtigt sie sich das Leben
zu nehmen. Sie ist die erste einer Reihe junger Damen, die als Männer verkleidet in verschiedenen, patriotischen und amourösen Angelegenheiten bei
den Türken herumspazieren oder wenigstens in ihrem Lager zu erscheinen
trachten.
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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Bei den Feinden sind drei Personen von Interesse. Kara Mustafa, durch den
Anschlag Hugos beeindruckt, entpuppt sich vom Anfang an als ein Angsthase,
„dessen Aengstlichkeit bey jeder Rede mercklicher wird". Auf die Kunde über
den Angriff des Entsatzheeres jammert er: „mich verläßt Entschlossenheit und
Hoffnung", „ich zittre am ganzen Leibe", und sucht sein Heil beim wiederholt
fieberhaft gerufenen Leibarzt. Auf dessen Anweisung ins Bett zu gehen antwortet er: „Herzlich gern, herzlich gern, aber du darfst nicht von meiner Seite"
(I, 7). Bei seinem nochmaligen Auftritt ist er in Panik, fleht erst den Propheten
um Hilfe an, dann erwartet er den Rat des Arztes: „Schmul, lieber Schmul, rath
mir, hilf mir, was soll ich thun, was soll ich anfangen." (II, 9, 10) Im Ganzen
ist die Rolle des Großwesirs ausgesprochen komisch, was in den Entsatzdramen
eine Ausnahme bildet. Eine originelle und nicht unsympathische, auch komische Person ist eben der Leibarzt des ängstlichen Feldherrn, ein Jude mit dem
bezeichnenden Namen Herzschmul — ein herziger Schmul. Er ist übrigens die
einzige Person, die auch durch ihre Sprache, Wiener Jiddisch, charakterisiert
wird - alle anderen sprechen ein dialektfreies, ordentliches Hochdeutsch. Die
Fachkenntnisse des Leibarztes wirken — wie er sie im II, 9 entfaltet — eher
komisch als überzeugend. Als der Großwesir den Propheten zur Hilfe ruft,
warnt er diesen bei Seite: „Glaub's nit Mahomed. Hat mir auch immer ebbes
versprochen, wenn ich ihn würd haben kurirt, und hat mein Tag nit gehalten
Parol. " Er nützt die Flucht der Türken, um sich ein wenig mit dem zurückgelassenen Schmuck zu versorgen: „könnt ich doch machen a klanen Beschores"
(II, 10). Schließlich wird er vom fidelen Müller zum besten gehalten, als dieser
in ihm den Großwesir zu erkennen vorgibt (III, 3). Er ist eine heitere, harmloskomische Figur, ohne irgendeine Spur von Judenhaß gezeichnet, die eher
entfernt an Schwejk als an Shylock erinnert. Sie ist wohl aus der aufklärerischen
Atmosphäre und den josephinischen Reformen zu verstehen.
Die dritte interessante Figur bei den Türken ist der Hußin, der zum
erstenmal in unseren Dramen erscheinende Renegat. Seine Rolle ist noch wenig
ausgebaut, in späteren Stücken wird sie viel bedeutender. Er ist ein Liebling
Kara Mustafas, von den echten Türken verhaßt, ihn zeichnet nur eine enorme
Grausamkeit aus, ein Fest für ihn wäre die letzte Hoffnung des „Feindes zu
vernichten, eine Stadt in Rauch aufgehen, ihre Einwohner mitverbrennen und
ihre Weiber und Kinder an unsern Spiesen ihr Leben verzappeln zu sehen" (I,
3). Gleich darauf erreicht ihn die wohlverdiente Strafe, er wird von Hugo, der
ihn irrtümlich fur den Großwesir hält, erstochen, wobei ein Bassa dem Renegaten noch heimlich den letzten Stich versetzt (I, 5).
Insgesamt ist das Stück recht unterhaltsam, reich an originellen Charakteren und weist mehrere Züge auf, die später weiter verfolgt und entwickelt
werden. Die deutlich liberale und bürgerliche Tendenz, die halbherzige Haltung den Mächtigen gegenüber haben ihm den W e g zum Erfolg versperrt und
gegen das viel schwächere Werk Paul Weidmanns den kürzeren ziehen lassen.
Vom Entsatzheer sehen wir hier nur einen polnischen Offzizier, der den
Sieg meldet und den Einzug des Königs in die Stadt ankündigt.
Der wackere Theaterunternehmer konnte mit seiner „meistens aus unbedeutenden, elenden Schauspielern" neu zusammengesetzten Truppe keinen
Erfolg erreichen. Die Aufführung der .belohnten Treue' erlitt eine vollkommene Niederlage, obwohl die begabte tragische Schauspielerin, Frau SternUnauthenticated
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heim, als Therese einen großen Erfolg hatte. Ihr Spiel „war edel und machte
ihrer Einsicht in Rollen dieser Art, ihrer richtigen Darstellung derselben und
ihrem wahren Ausdruck des Gefühls Ehre. Sie vereinigte mit diesen Gaben auch
eine gute und deutliche Deklamation." (Der Spion in Wien)
Ähnliche Mißerfolge erlitt Gensicke mit anderen Stücken und bald mußte
er seine Gesellschaft auflösen und die Unternehmung schließen. Sein Stück
wurde doch noch einmal, zehn Jahre später, durch die Truppe der Sophie Seipp
im Landstraßer Theater aufgeführt. Diese zweite und letzte bekannte Vorstellung wurde „zu der Jahres- und Gedächtnisfeier" des Entsatzes in Szene gesetzt
und „mit Arien, Chören, türkischer Musik und denen der Feierlichkeit des
Tages und der Handlung angemessenen Verzierungen der Bühne" ausgestattet
(Blümml und Gugitz, a. a. O. S. 413). Es war eine der letzten Vorstellungen
„einer der besten deutschen Wandertruppen" (Blümml und Gugitz,
a. a. O. S. 267), die sich unter der Direktion des früh verstorbenen Christoph
Seipp und dann unter der kurzen Leitung seiner Witwe (1.7.-15.10. 1793)
nicht nur durch das vornehme Niveau des Repertoires und die sorgfältig
gewählte Gesellschaft auszeichnete, sondern auch durch das „unerbittliche
Schicksal" (Blümml und Gugitz, a. a. O. S. 265) verfolgt wurde. Die ehrenhafte
Prinzipalin begnügte sich mit der Rolle des Friedens, den Schutzgeist Wiens
spielte die begabte Josefa Huber, „die Mutter der später so beliebten Soubrette
Johanna Huber im Leopoldstädter Theater", die Rolle der Therese war mit
Theresia Gubig, deren Veranlagung für das Theater gepriesen wurde, besetzt,
Starhemberg wurde von Friedrich Dahmen dargestellt, einem tüchtigen
Schauspieler und Regisseur, Herzschmul - Gottfried Bürger, der auch ein
wenig literarisch tätig war, und den Kara Mustafa spielte „der später bekannte
Komiker" Gottfried Julius Ziegelhauser. (Blümml und Gugitz, a. a. O. S. 239,
253, 257, 262, 417-438)
Einen deutüchen Gegensatz zu Gensickes Stück bildet das Schauspiel
B. D. A. Cremeris ,Emst Rüdiger Graf von Starhemberg'. Es ist schon aus der
Personenaufzählung ersichtlich, daß hier überhaupt kein bürgerliches Individiuum vorkommt, nur, ganz am Ende des Verzeichnisses, „das Volk". Und dort,
wo dieses Volk auftritt, zeigt es sich als ein Haufen von Feiglingen, die die
Übergabe der Stadt bei Starhemberg zu erzwingen suchen: „Um Gotteswillen
übergeben!" und beim Detonationsknall ruft es: „O Barmherziger! wir sind
verlohren!" (II, 12)
Der Hauptheld des Schauspiels ist, wie der Titel es verspricht, Rüdiger Graf
Starhemberg. Sein Charakter wird schon im Personenverzeichnis angekündigt:
„Entschlossen, voll Muth, Tapferkeit, Weisheit, und unerschütterlich als Soldat, als Bürger eben so sehr Menschenfreund." Von seiner Menschenfreundlichkeit erfahren wir erst später — anfangs stellt er sich als ein harter Anhänger
der Disziplin vor, der die eines Vergehens Schuldigen in den Tod schickt. Dann
aber zeigt er sich von anderen Seiten - er nimmt sich der Familie eines
Kundschafters an, was er selbst kommentiert, „ich bin Soldat, aber auch
Mensch" (I, 8), dann sucht er die mit den Türken verbündeten Ungarn in
Schutz zu nehmen, den türkischen Gesandten fertigt er mit Stolz und Würde
ab. Der vom Patriotismus begeisterte Verfasser legt ihm dann leider eine
Erzählung in den Mund, die in die gefährliche Nähe der vom einjährigen
Freiwilligen Marek komponierten Geschichten rückt: „Dem Hauptmann Mied
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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von der Artillerie wurden beide Hände abgeschossen, dennoch wiech er nicht
von seinem Posten und leistete die stattlichsten Dienste." (II, 1)
Der Artilleriehauptmann Mied ist eine historische Gestalt. Das ungewollt
Komische dieses absurden Beispiels von Heldentum wird dadurch gesteigert,
daß eben dieser Mied als einziger unversehrter Artillerie-Hauptmann die ganze
Belagerung überlebte. (N.Hocke, Kurtze Beschreibung... Wien 1685,
S. 166-167)
Als der Bote, der die Korrespondenz zwischen Starhemberg und den
Kaiserlichen besorgt, erscheint hier der historische Lieutnant Michael Gregorowitz. Es treten auch seine Frau und ihre zwei Kinder auf. Die Dame, im
Verzeichnis als liebevolle Gattin und zärtliche Mutter bezeichnet, reagiert
hysterisch auf die Kunde über die Aufgaben ihres Mannes: „Ha! da ist er!
Grausamer, unmenschlicher Mann!" - begrüßt sie ihn. Starhemberg bekommt
von ihr noch Besseres ab: „Ihre Pflicht ist Tausende mit kaltem Blute morden,
Zehntausend mit eben so kaltem Blute elend machen zu können." (I, 6) Dieser
meint zu ihrem Mann ganz richtig: „Ihre Frau zu beruhigen, das wäre eine
saure Arbeit." (IV, 7)
Als eine blasse Kopie des wackeren Müllers erscheint hier „ein Reuter von
Graf Gözischen Regimente. Ganz Soldat, dabei aber von der lockeren Seite. "
Zum ersten Mal treffen wir hier den Bischof von Wiener Neustadt, Leopold
Graf von Kollonitsch, der durch seine karitative Tätigkeit, wie auch durch seine
finanzielle Hilfe die Verteidigung der Stadt wesentlich unterstützt hat.
Die Türken erscheinen nur im dritten Akt. Kara Mustafa — laut dem
Verzeichnis „tapfer, stolz, geizig, schlau und wild" - weist zum ersten Mal
einen Zug auf, der in späteren Dramen oft erscheinen wird. Er ist kein treuer
Diener seines Herrn, seine Absichten sind erst Wien, dann ganz Deutschland
und später auch Rom zu erobern und dann als Sultan des Westens ein eigenes
Reich zu gründen. Seine Anschauungen sind die eines politischen Abenteurers,
eines verwegenen Glücksritters: „wage es, eine Krone aufzusetzen, und du bist
ihrer würdig. Die Natur macht keine Fürsten, nur der Zufall ( . . . ) Glück ( . . . )
verdeckt alle Fehler und Verbrechen. " u. s. w. (III, 5)
Der von ihm gehaßte Ibrahim, Bassa von Ofen, „ehrlich, voll Muth,
Tapferkeit und Einsicht" (Verzeichnis) soll ihm dabei als Werkzeug dienen.
Cremeri versucht seinen Türken einige charakteristische Eigenschaften zu
geben. Es sind das ein paar türkische Worte, die Kara Mustafa gebraucht (Eblis,
Timar, Spahis) und eine kurze Aussage des Mustafa Aga: „Kara, dessen Sinne
geschärft sind, wie das zweischneidige Schwert Dhul Fectar, das der Prophet
dem heiligen Ali sammt seiner Tochter Fatima verehrte!" (III, 8)
Das Militärische wird durch einen feierlichen Einzug des Entsatzheeres mit
den Gefangenen erledigt. (IV, 3 s. Anhang) Dem polnischen Anteil an dem Sieg
wird viel Anerkennung eingeräumt. In der Begrüßungsrede Starhembergs
wird Sobieski als Sieger der Schlacht, die seinen Namen verewigen wird,
genannt. Kollonitsch zitiert die Bibel: „Es war ein Mensch von Gott gesandt,
der hieß Johannes." (IV, 7)
Der polnische König, im Verzeichnis als „edler, offener Mann, ohne Stolz
und Wildheit, aber ein wenig Pietist" vorgestellt, tritt bescheiden auf, indem
er den Sieg Gott zuschreibt und die Aufgabe des Regierenden nicht in dem
Streben nach Ruhm, sondern in der Erfüllung der Pflichten sieht. (IV, 3 und
IV, 7)
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D e r dem Verfasser wohlgeneigte Ε. v. Komorzynski meint zwar, daß auch
diesem Stück patriotische Absicht zu Grunde liegt, doch auch er m u ß zugeben,
daß sich hier „der Patriotismus gar oft in hohles Pathos" verliert. (Allgemeine
Deutsche Biographie, B d . 47, S. 5 5 3 - 5 5 6 )
Ü b e r eine etwaige Aufführung dieses wenig gelungenen Werkes des ehemaligen Schauspielers und damaligen Regierungskonzipisten und Zensur-Aktuars im Lande ob der Enns liegen keine Mitteilungen vor.
Romantisches
Allerlei
Im ersten Akt des nächsten Schauspiels lesen wir folgenden Dialog:
Sie: u m Gottes willen! laßt mich nicht von euch! - o lieber laßt mich sterben! laßt mich
hier ( . . . )
Er (gepreßt, ihr mit a b g e w a n d t e m Gesicht die Hand bietend): Leb wohl!
Sie (bedeckt seine Hand mit Küssen und stammelt): Leb w o h l - ewig wohl!
Er (geht; an der T ü r blickt er n o c h m a l auf Christine, die ihre A r m e nach ihm ausstreckt,
er geht einen Schritt zurück, beide stürzen sich nochmal mit Heftigkeit in die A r m e ,
stammeln ein): Lebewohl!
Diese dramatische Abschiedsszene der Liebenden findet sich im anonymen
„Schauspiel der V o r z e i t " , das unter dem Titel ,Belagerung Wiens im Jahre
1683' als Handschrift erhalten ist. Zwar sind solche Szenen in den Dramen aus
dem Anfang des 19. Jahrhunderts keine Seltenheit, doch die hier in gekürzter
Form angeführte zeichnet sich dadurch aus, daß sie zwischen Vater und Tochter
spielt. Die j u n g e Dame stellt ihren Vater eindeutig höher als den künftigen
Ehemann: „Ich kann den Mann nicht heben, der mich den Vatersarmen
entreißt." U n d der Vater, der hier so heiß geliebt wird, ist kein anderer als der
Kommandant der Verteidigung Wiens, Ernst Rüdiger von Starhemberg.
Neben diesem Freudschen Zug weist das primitive Stück noch einen
anderen, bemerkenswerten auf. Es ist die naturalistische Schilderung der Hungerleiden der Belagerten. In sechs Szenen des ersten Aktes wird die Familie des
Bäckermeisters Redlich gezeigt, die nur den Duft der frischen Brotlaibe, die
für das Militär unter den wachsamen Augen der Schildwachen gebacken
werden, einatmen kann, aber davon nichts b e k o m m t . Ein LehrÜng und die
kleine T o c h t e r des Meisters schwärmen über „ein altes, schimmeliges Stückchen B r o t " , das mit einem Stück Kerze von ihnen verspeist wurde und wie
Butterbrot geschmeckt hat: „wenn's nur mehr gewesen wäre!" seufzt das Kind.
Ein bei der Familie wohnender alter Krieger muß seinen treuen Freund, das
Pferd, für welches er kein Futter mehr hat, töten und von diesem Fleisch kann
die Familie einen Braten haben:
Rose (freudig): Mutter, darf ich Feuer machen?
Marthe: D u darfst
Rose (im Ablaufen): o Gott! einen Braten! einen Braten!
Anna , eine Nachbarin, die ihren Mann eben verloren hat, berichtet, wie
ihre Kinder um die Leiche des Vaters sitzen „und bitten und schreien ihr zu,
ihnen B r o t zu verschaffen". U n d die Frau des Bäckermeisters wirft ein Tuch
über die v o m alten Soldaten geschenkte Hälfte des Brotes, „um es Annen zu
verbergen." Die Grausamkeit des Krieges wird hier überzeugend veranschaulicht.
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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Noch einmal, im vierten Akt, wird auf die Frage eingegangen. Ein achtjähriger Bub schildert Starhemberg, wie die Fremden seiner Familie das Essen
weggenommen haben und er will ein vom Kommandanten versprochenes
Stück Brot gut verstecken „und Niemand, als die Mutter und die Schwester
soll davon bekommen". Außerdem wird die Stimmung der Bevölkerung kurz
vor der Befreiung als ziemlich mutlos geschildert. Die Rede Starhembergs, der
zum Ausharren aufruft, wird durch Murren der Menge unterbrochen und dann
rufen die Bürger: „Die Not - der Hunger - wir sterben!" (IV, 1)
Sechs Szenen des zweiten Aktes spielen im Zelt des polnischen Königs. Sie
sollen seinen Charakter enthüllen. In einem längeren Gespräch mit einem
Adjutanten entwickelt der König seine Gedanken über die Macht des Zufalls,
der „nach Willkür mit den Menschen spielt", wie es sich am Beispiel des Kaisers
Leopold nun zeigt. Als der Adjutant die bedrängte Lage des Kaisers zur
Erreichung der Ländervorteile für Polen auszunützen rät, ist der König über
diesen Gedanken entsetzt: „Pfui, Zamoyski! Einem Unglücklichen, einem
Tiefgebeugten muß man nicht noch den Fuß auf den Nacken setzen" und dann:
„ich will nicht, daß die Geschichte mich einst groß nenne, wenn sie mich nicht
auch edel nennen kann." Sobieski ist tief religiös - der Dank der Kirche fur
den zu erwartenden Sieg wird der schönste Diamant seiner Krone sein.
Der tapfere Guido Starhemberg hat in diesem Stück die banale und
undankbare Rolle des Liebhabers zu spielen. Er wird erst mit der fiktiven
Tochter Rüdigers, Christine, die nur ihren Vater liebt, verlobt, dann rettet er
sie aus der türkischen Gefangenschaft, wodurch er ihre Liebe doch gewinnt
(„jetzt hat die Dankbarkeit der Liebe den Weg gebahnt" III, 12). Sie werden
vom König in Anwesenheit des Kaisers feierlich vereinigt.
Dazu ist zu bemerken, daß Guido, wie berichtet wird, angeblich fur das
weibliche Geschlecht ganz unempfindlich, ein Ritter und später Großkomtur
des deutschen Ordens, nie verheiratet oder auch nur verlobt war.
Gleich nach der Entscheidungsschlacht erscheint der Kaiser, der meint:
„Gott hat meinen Waffen Sieg verliehen" und schenkt die ganze Beute den
Wiener Bürgern. Dann, Sobieski die rechte, Starhemberg die linke Hand
bietend, geht er in die befreite Stadt, womit das Stück schließt. (IV, 7)
Der Kommandant von Wien ist, außer in der rührenden Szene des Abschieds am Anfang des Stückes, eher konventionell dargestellt. Er erteilt brav
die notwenigen Befehle, hält Reden an seine Offiziere (I, 2), an die Bürger (IV,
1) und an den Kaiser (IV, 7), macht aber damit keinen großen Eindruck. Seine
kräftigste Äußerung, über die verzweifelte Lage der Stadt und die schrecklichen
Folgen im Falle der Eroberung, wurde ihm vom Regisseur gestrichen (IV, 1).
Im türkischen Lager sehen wir nur untergeordnete, eher komische Personen, die sich um die gefangengenommene Christine reißen, von Christine
eingeschüchtert und von Guido zum Narren gehalten werden und im übrigen
brav Wein trinken. Demgemäß erfahren wir auch von Kara Mustafa nur, daß
er zwar ein frommer Muselmann sei, die schönen Weiber aber mehr als den
Propheten verehrt (II, 7).
Es ist nicht gelungen, die Aufführung des Stückes festzustellen. Das in der
Theatersammlung der Nationalbibliothek erhaltene handschriftliche Exemplar
(Nr. M 1592) weist jedoch sowohl die Genehmigung der Wiener Zensur aus
dem Jahre 1814 als auch die Striche des Regisseurs auf. Daher kann man
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Jerzy Got
annehmen, daß es zur Aufführung des Schauspiels kam. Auch liegt die Vermutung nahe, daß dieses Stück mit dem, auch anonymen, unter demselben
Titel in Pest zwei Jahre zuvor aufgeführten identisch ist. Für beide Annahmen
fehlen jedoch die Beweise.
Bald nach der vermutlichen Aufführung der .Belagerung Wiens' haben
wir mit der sicheren, leider aber sehr ungenügenden Nachricht über die
Uraufführung eines neuen Schauspiels zu tun. Einer der beliebtesten Wiener
Volksdichter, J . A. Gleich, war der nächste, der sich für das Thema der Belagerung, oder zu mindestens des Entsatzes, interessiert hat. Das Stück ist uns nicht
erhalten geblieben, sein Titel aber: ,Georg Kolschützky, der erste Kaffeesieder
in Wien' läßt vermuten, daß es des historischen Hintergrundes nicht entbehrte.
Es war kein Originalwerk Gleichs, er hat sein „vaterländisches Schauspiel" nach
einem unbekannten Vorbild bearbeitet. Leider hat weder die Uraufführung im
Theater in der Leopoldstadt (8. Juli 1815) noch die eineinhalb Monate spätere
Premiere im Theater in der Josefstadt das Interesse der Kritiker geweckt, und
außer der berechtigten Vermutung, daß Koltschitzky hier die Hauptrolle
spielte, dürfen wir nichts mehr hinzufügen.
Benedict Freiherr von Püchler (1797-1842), eine schillernde Wiener Biedermeiergestalt, gehört auch zu dem Kreis der Belagerungsdichter. Er war ein
Zögling des Theresianums und nahm später keinerlei Beschäftigung an, sondern blieb „ein nach Zerstreuung jagender Gentleman, der den Becher der
Freude und des sinnlichen Vergnügens mit vollen Zügen schlürfte und leider
oft aus trüben Quellen schöpfte." (C. Wurzbach, Biographisches Lexikon des
Kaiserthumes Oesterreich, Bd. 24, S.54) T i e f in Schulden steckend, verdiente
er sich sein karges Brot mit der Schriftstellerei und starb, noch nicht alt, als
Bettler in der Vorstadt Magdalenengrund. Über seine dramatische Begabung
hat Schreyvogel im Jahre 1828 ein eindeutiges Urteil gefallt: „Dem Verfasser,
der das k. k. Hoftheater seit etwa zehn Jahren mit seinen Sudeleien behelligt,
ist oft genug der Rat erteilt worden, sich mit etwas Nützlicherem zu beschäftigen, und die Liebhaberei für eine Kunst aufzugeben, zu der er nicht das
geringste Talent hat." (in: K. Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen
Dichtung, Bd. 11/2, S.313)
Püchler ist der Verfasser des dramatischen Zeitgemäldes in 3 Abteilungen
,Die Brigittenau', das sich in der ersten Hälfte des 19. Jhdts. einer gewissen
Beliebtheit erfreute. Es besteht aus drei selbständigen Stücken. Das erste spielt
im Jahre 1645, also nahe dem Ende des dreißigjährigen Krieges, in der Au bei
Wien, die später Brigittenau genannt wurde. Der zweite Teil spielt in und um
Wien im Jahre 1683, während der letzten Tage der Belagerung. Der dritte Teil
stellt den Kirchtag in der Brigittenau im Jahre 1832 dar und ist für uns
belanglos.
Im ersten Teil lernen wir einen schwedischen Fahnenführer von Stern
kennen, der die Tugend einer jungen Wienerin, Brigitte, vor den Gelüsten
seiner Kollegen rettet. Diese „drückte im Gefühl der Dankbarkeit einen heißen
Kuß auf seine Lippen" und rief „Großmütiger Schwede! Brigitte wird deine
Edeltat nie vergessen, nie dich, ihren Retter!" (Sz. 2). Und wirklich, bald ändert
sich das Kriegsglück, die schwedische Truppe soll von den Österreichern
vernichtet werden. Also kommt die Brigitte „in der Kleidung eines österreichischen Kriegers, doch in einem Mantel gehüllt" und bietet dem edlen Schweden,
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Das J a h r 1683 im D r a m a und a u f der B ü h n e
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dem Retter ihrer Ehre, ihre Hilfe an: „verlasse schnell die Fahne unserer Feinde,
ich führe dich durch unsere Vorwachen ( . . . ) und rette so dein Leben. " Wie
zu erwarten ist, lehnt der ehrenhafte Schwede das Anerbieten ab („laß mich
deiner würdig sterben"), obwohl das Mädchen ihn sanft erpreßt: „wenn du
fällst, muß auch Brigitte sterben" (Sz. 4). Da nichts mehr zu machen ist, folgt
der Abschied von Kanonenschüssen — wie es sich gehört - begleitet: „Brigitte
sinkt mit dem Ausdruck der höchsten Empfindung an seine Brust. (Kanonenschüsse)
Stern: Leb W o h l ! A u f Wiedersehn (Kanonenschüsse)
Brigitte (mit überwältigendem Schmerz nach oben zeigend):
D o r t ! (sie eilt ab).
Doch so schlimm wird's nicht. Nachdem die tapfere Brigitte einen Schweden erschossen und damit das Leben des österreichischen Heerführers Herzog
Leopold Wilhelm von Österreich gerettet, und später noch ein Leben, diesmal
das des geliebten Sterns, vor dem Säbel ihres Bruders bewahrt hat („bot sie ihre
Brust dem Todesstreiche, der ihm gegolten" - Sz. 9) — werden die beiden
tapferen und edlen Helden des Stückes vom Herzog vereinigt. Die Au wird
nach dem Namen des Mädchens benannt und Stern zum Förster dieser Au.
Im zweiten Teil treffen wir den inzwischen schon alt gewordenen Stern,
der seine Frau und die Kinder verloren hat und nur mit der Enkelin Thekla lebt.
Ein Krieger im kaiserlichen Heer, Albert, ist sowohl ein Bote Starhembergs
zum Herzog von Lothringen, als auch der Verlobte Theklas. Diese wird
wiederum vom Jägersburschen Fußt heiß und stürmisch — jedoch ohne ihre
Gegenliebe - begehrt. Fußt hat leider einen niederträchtigen Charakter. Von
Leidenschaft für Thekla gepeinigt, verrät er den glücklichen Nebenbuhler
Albert an die Türken. Die blöden Türken lassen sich aber ohne weiteres von
Albert an der Nase herumführen und schicken ihn frei nach Wien. Fußt fühlt
sich als „Verräter an Wien und meinem Kaiser" nicht wohl und indem er
Thekla vor den Türken beschützt, bezahlt er mit dem eigenen Leben seine
Schuld:
Fußt (stürzt): Thekla! Verzeihung Vaterland! (stirbt).
Dann kommt Albert, die Liebenden umarmen einander und alle rufen:
„Der Kaiser lebe hoch!" (Sz. 19).
A m Rande dieser spannenden Handlung werden auch historische Ereignisse berücksichtigt. Hauptsächlich betrifft das das polnische Entsatzheer. Albert
schildert es ziemlich breit in seiner Ausstattung und zitiert, auch nach der
Überlieferung, die Äußerungen des Königs vor der Schlacht. (Sz. 4 und 13)
Die Rolle Starhembergs beschränkt sich fast ausschließlich auf das Anhören
von Alberts Bericht (Sz. 11-13). Die Türken - darunter Kara Mustafa und
Ibrahim - haben nicht viel zu reden (Sz. 7-10); sie sind, wie gesagt, wenig
gescheit, jedoch haben sie für den Verräter Fußt, trotz seiner Dienste, nur
Schimpfworte.
Bei allen hier ersichtlichen Schwächen hat Püchlers Stück des unstreitbare
Verdienst, zum ersten Mal einen christlichen Schurken einzuführen. Zwar wird
dieser am Ende mehr oder weniger rehabilitiert, doch bei der ganzen Naivität
der Zeichnung bringt er etwas Lebendiges in die künstliche, von Heldentum
und Patriotismus triefende Atmosphäre des Stückes.
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Jerzy Got
Piichlers „Zeitgemälde" erlebte seine Uraufführung im Theater an der
W i e n am 17. Juli 1832. Die Kritiker waren ziemlich einig in der abwertenden
Beurteilung des literarischen Wertes des Dramas und in der Anerkennung der
W a h l des Stoffes. Doch war der eine nur fur den S t o f f - besonders in den beiden
ersten Abteilungen - dankbar (der ,Wanderer'), so begründete der andere seine
Meinung ein wenig ausführlicher. Die Erscheinung des Werkes auf der Bühne
ist „zeitgemäß", indem es „sich allenthalben auf Erinnerungen stützt, die dem
Vaterlandsfreunde teuer sind" und für ein weniger gebildetes Publikum durch
historische Beziehungen anziehend ist.
In Übereinstimmung mit dieser Stellung hob er besonders die „ganze
Nationalität "des Volksfestes hervor. Diese hat eine „überraschende W i r k u n g "
erzielt und konnte „nicht wahrer und effektvoller auf die Bühne gebracht
werden". Hier zeige sich der „schöpferische Geist" des Direktors Carl. Nicht
so überschwenglich, aber deutlich genug wurden auch die Kampfszenen in der
ersten Abteilung gespriesen ( W A T , unterstrichen im Original). Während also
den Kritiker des,Wanderers' der billige, eher groteske Patriotismus des Stücks
kalt läßt, wird der andere von ihm gefesselt. Deswegen tadelt er auch den
Verfasser für die „eigentümliche" Darstellung des „Charakters der unteren
Volksklasse", womit er sicherlich die unangebrachte, das einheitliche Bild
zerstörende Erscheinung des elenden Fußt meint. Auch über die Aufnahme des
Stücks durch das Publikum wird unterschiedlich berichtet - „ziemlich beifällig" heißt es beim ersten, „ungeteüt stürmisch" beim anderen.
Bald werden wir sehen, daß die Unterschiede in der Beurteilung durch die
Kritiker der ideologischen Werte der anderen Dramen viel stärker, viel krasser
zum Ausdruck kommen.
Die Besetzung war glänzend, u. a. haben Nestroy, Scholz und Carl mitgewirkt. Das Stück hatte wirklich großen Erfolg - es blieb im Repertoire des
Theaters bis zum Jahre 1857 und wurde in dieser Zeit 71 mal aufgeführt.
( A . B a u e r , 150 Jahre Theater an der W i e n , Zürich 1952, S . 3 3 4 )
Als Carl auch das Leopoldstädter Theater übernahm, erinnerte er sich des
Erfolges. Vielleicht war er auch durch den Gedanken angeregt worden, in der
Nähe des Ortes der Handlung den lokalen Vorstadtpatriotismus auszunützen.
Er führte Püchlers W e r k am 4. Dezember 1841 auf. Diesmal war aber die
Kritik schon strenger: der interessante historische Stoff wurde unter der „zu
flüchtigen Feder" zerstückelt, „erlitt eine außerordentliche matte Behandlung"
und muß zu den „wertlosen Erscheinungen" gerechnet werden. Einen Hauch
Leben verdankte die Aufführung nur dem Spiel von Scholz. (J. H. Hrastnigg,
D e r Wanderer)
Die Premiere der ,Brigittenau' im Theater in der Josefstadt (25. Juli 1847)
wurde von der Kritik übersehen. Es war jedoch sicher kein Kassenmagnet
mehr, da bei der Gelegenheit der Neueinstudierung des Stücks im Carltheater
(28. Juni 1854) der einzige Kritiker, der sie bemerkt hatte, meinte, daß „auch
diesmal" sich die „Aufwärmung eines abgestandenen Stückes nur eines mäßigen Erfolges" erfreute. (Die Presse)
Auch die Lemberger Premiere (14. Mai 1858), als die „große, außerordentliche Vorstellung" angekündigt (Lemberger Zeitung 1858, Nr. 133), erlitt trotz
der Mitwirkung einer Kunstreiter-Gesellschaft die verdiente Niederlage und
wurde von keinem Berichterstatter erwähnt.
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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Dreizehn Jahre nach der Uraufführung des Piichlerschen Werkes wurde
das Jahr 1683 zum Thema einer neuen Auffuhrung. Und zwar einer überraschenden. Im k. k. Hof-Operntheater nächst dem Kärtnertor konnte das Wiener Publikum ein „großes Ballett in zwei Akten nebst einem Prolog und zehn
Tableaux", von Hrn. Rossi gedichtet und in Szene gesetzt, mit Musik von Carl
de Barbieri, bewundern. Der Titel lautete ,Die Belagerung von Wien'
(30.7.1845).
Auf der Suche nach neuen Themen für die beim Publikum immer mehr
beliebten und geforderten Ballette machte die Gier der Librettisten und Choreographen vor nichts halt. Da die Antike schon vollkommen strapaziert
worden war, fing man an, den Stoff in der neueren Geschichte zu suchen. Auf
diese Weise fiel auch die zweite Belagerung Wiens der Erfindungsgabe der
Ballettkünstler zum Opfer. Freilich nur teilweise, denn mit der geschichtlichen
Wirklichkeit wurde hier in der ballettartigen Weise leicht und frei herumgesprungen. Der Dichter, ein nicht besonders hervorragendes Mitglied des Wiener Balletts, hat sich in seinem Erstlingswerk die Hauptrolle - Zrinyi — selbst
vorbehalten.
Dieser Zrinyi - es ist Johann Anton Zrinyi gemeint — entführt im Prolog
als Zigeuner verkleidet eine junge Dame, deren Schwester eben auf dem
Schloße Ferronay ihre Verlobung mit dem polnischen Gesandten feiert. Der
letztere „tanzt im Kostüm eines englischen Reiters oder Seiltänzers". Gleich
darauf wird das Schloß von Tataren geplündert. Im ersten Akt verschwören
sich Zrinyi und Tököly in Munkacs gegen Österreich, dann - in Anwesenheit
von Starhemberg und Zrinyi — beten die Wiener Bürger und Bürgerinnen und
tanzen einen Ländler auf der Dominikanerbastei. Der Verräter Zrinyi wird
dabei von Gewissensbissen gepeitscht, wobei diese laut Programm „durch das
ausbrechende Gewitter noch immer gesteigert werden". Dann wird Zrinyi im
Vorzimmer des Kaisers verhaftet. Man sieht auch oft den Kundschafter Koltschitzky, ohne zu wissen, was er will. Der Akt endet mit der Szene im
türkischen Lager, wo ungarische Tänze zu ungarischen Melodien zur Belustigung des Großvezirs von den Türken vorgeführt werden.
Im zweiten Akt sieht man zuerst Zrinyi, schon wahnsinnig, im Gefängnis.
Als er aber vom Kaiser begnadigt wird, folgt sogleich eine so gute Besserung
seiner Gesundheit, daß er zum Kampf fortläuft. Im Zelt Kara Mustafas tanzen
Sklavinnen und der Feldherr gesteht, nach einer Walzermelodie, seine heiße
Liebe seiner Favoritin Branzinsky. Bald darauf erscheint der polnische König
„mit sechs oder sieben tapferen Polen und erobert das feindliche Lager". Der
gebesserte Zrinyi bringt noch einige Türken um und Wien ist entsetzt. (H.
Adami; WAT) Adami teilt mit, daß auch das Publikum entsetzt war und
„konnte nicht umhin, sich mißbilligend über dieses in jeder Hinsicht verfehlte
Machwerk auszusprechen". Laut seinem Bericht wurden die „Beifallsäußerungen einzelner Freunde und Gönner" vom Rest der Zuschauer zurückgewiesen.
Für ihre Leistungen zeichnet er mehrere Tänzer aus. Was die mimischen Rollen
der historischen Personen betrifft, so hatten sie nicht viel mehr zu tun, als auf
die Bühne zu kommen und von ihr abzugehen, was „in manchen Szenen fast
mit einem lächerlichen Anstriche" geschah. Es waren „verkümmerte, fast
lächerliche Gestalten. "
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Jerzy Got
Die anderen Kritiker waren milder. Die Wiener Zeitung hat, ganz in der
Hofmanier, dem Versuch „eine neue Bahn ein(zu)schlagen " beigestimmt, die
Richtung als „verheißungsvoll" bezeichnet, das Benehmen des Publikums
„freundlich" genannt. Allein, der Gang der Handlung wurde auch hier verurteilt und der Prolog als vollkommen überflüssig bezeichnet.
Ungeteiltes Lob fur das Werk und die Aufführung sprach nur Ferdinand
Seyfried aus. Dies ist aber wenig nützlich, da der ungemein gutmütige Kritiker
in jeder Auffuhrung den Anlaß zu Lobreden fand. Hier ging er soweit, daß er
sogar das „klare, verständliche Vorwärtsschreiten der Handlung sowie die
glückliche Vermischung des mimischen Teils mit dem getanzten" pries (Seyfried, Der Wanderer). Einhellig verpönten die Kritiker die lärmende, unoriginelle Musik Barbieris, die darüber hinaus durch „häufige Schwankungen
zwischen dem Orchester und der auf der Bühne befindlichen Militär-Musikbande" einen „höchst peinlichen Eindruck" gemacht habe (Wiener Zeitung).
Da es aber im Ballett hauptsächlich ums Tanzen geht und einige Teile der
Choreographie bei allen drei Kritikern Anerkennung fanden, konnte das Ballett elfmal wiederholt werden.
Nach einer vierzehnjährigen Unterbrechung erschien in Wien ein neues,
vaterländisches Schauspiel aus der Geschichte der Belagerung. Im Sommertheater in der Braunhirschen Arena wurden ,Die tapferen Bürger von Wien,
oder Kara Mustafa' eines anonymen Verfassers am 17. Juli 1859 aufgeführt. Das
Stück blieb uns nicht erhalten, wir erfahren nur aus einer zwei Jahre später
gefällten Bemerkung, daß es ein altes, nun neu in Szene gesetztes Stück wäre.
In der Arena erschienen die Janitscharen zu Pferde, es wurde nach Herzenslust
gehauen, gestochen und geschossen, dabei war auch „ein Kern der Handlung,
ein Gipfelpunkt des Interesses" (Morgenpost 1861, Nr. 68). U m so mehr ist es
zu bedauern, daß in acht überprüften Zeitungen kein einziges Wort über die
Auffuhrung zu finden war und die einzige Zeitschrift, die sicherlich etwas
darüber geschrieben hätte, „Der Zwischen-Akt" in der Zeit vom 4. Juli bis zum
15. August nicht erschienen ist. Vom Theaterzettel wissen wir nur, daß sich die
historischen Personen auf Rüdiger Graf Starhemberg, Karl von Lothringen,
Heinrich Kielmannsegg, Guido Starhemberg und Koltschitzky einerseits und
Kara Mustafa und seine sechs Befehlshaber andrerseits beschränkt haben. Dagegen waren die Bürger mit sechzehn Personen, Liebenberg Inbegriffen, und die
Studenten mit sieben Gestalten vertreten. Da das weibliche Element nur durch
zwei Töchter eines Bürgers gegenwärtig war, kann man sich unschwer vorstellen, daß wenigstens eine von ihnen die Rolle der unentbehrlichen Liebhaberin
übernahm. Bei der Fülle der Herren kann man ihr keinen Partner zuweisen.
Der äußere Aufwand verhalf dem Stück nur zu fünf Vorstellungen, was für
ein Pferde- und Schießpulverschauspiel recht wenig war. In der Besetzung
findet sich nur ein bekannter Name — der des Josef Swoboda, der Starhemberg
spielte.
Zum Vehikel der großdeutschen Idee und darüber hinaus der deutschen
Weltherrschaft wurde das Volksschauspiel mit Gesang und Tanz in 5 Akten
von Georg Köberle, ,Bruder-Herz, oder die Wiener im Jahre 1683' umfunktioniert.
Der Verfasser war eine in politisch gut unterrichteten Journalistenkreisen
ziemlich bekannte Person. Ein ehemaliger Zögling des von den Jesuiten geleiteUnauthenticated
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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ten „Collegium germanicum" zu Rom, verließ er dieses nach einigen Monaten
und wandte sich der schriftstellerischen Tätigkeit zu. Einen beträchtlichen Teil
dieser Tätigkeit stellen die Schriften gegen die Jesuiten und das Papsttum dar.
Im Jahre 1848 hat er sich als linker Liberaler erklärt, der u.a. gegen die
Vorrechte des Adels hervortrat. Trotzdem schaffte er es, den Posten des Direktors des Hoftheaters zu Heidelberg zu bekommen (1853—1856). Später kam er
nach Wien und wurde in einem Pressebureau angestellt, durch welches „das
Inland wie das Ausland über die Vortrefflichkeit des zu Grabe getragenen
Systems aufgeklärt werden sollten" (Die Presse, 1861, Nr. 69). Jetzt, wie wir
gleich sehen werden, suchte er sich in den aktuellen Fragen der österreichischen
Politik, auf eine ziemlich ungeschickte und grobe Weise, einzumengen.
Um seinen Ideen mehr Überzeugungskraft zu verleihen, ist Koltschitzky
(nach seinem oft verwendeten Ausspruch „Bruderherz" genannt) ihr Träger
und leidenschaftlicher Verfechter. Über seine ursprüngliche Nationalität äußert
er sich nicht deutlich, er gibt nur kund, daß die Hütte seiner Eltern „zu Zambor
(richtig: Sambor), tief unten in Galizien stand", trotzdem fragt er: „bin ich
nicht Wiener?" (I, 2). Für diese Meinung kann er recht überzeugende, bis heute
gültige Gründe anführen: an den Wiener Häusern liest man „deutsche und
ungarische, czechische und italienische und andere Namen brüderlich durchund nebeneinander" (I, 2). Soweit, so gut. Bald aber kommt er recht in
Schwung. Erst langsam, indem er Österreich sein „armes, bedrängtes Vaterland" (I, 5) und sich selber einen „kernigen Österreicher" nennt (III, 5) und
dementsprechend seine Freunde beim Auftritt im IV. Akt begrüßt „Gott
erhalte Österreich". Dieses Land - setzt er weiter fort — kann man „zwar
bedrängen und treten, wer es aber vernichten will, rennt an dem Koloß zuletzt
seinen eigenen Schädel ein" (IV, 6). Dann, in Begeisterung, ruft er überschwenglich seine Freunde zum Ausfall auf: „Hinaus! Hinaus! dem Genius von
Wien wird es zu enge hinter Schloß und Mauer" u. s. w. (IV, 7). Bald erfahren
wir, daß der brave Koltschizky in diesem Gefecht nicht weniger als dreißig
Türken eigenhändig erschlagen hat (V, 1), was ihn offenbar zur folgenden
prophetischen Äußerung bewegt: „unsere Befreiungsschlacht verkündet dem
staunenden Europa, was Österreich im Bunde mit Deutschland vermag. Ein
Jahrhundert solche Einheit und das große germanische Reich beherrscht die
Welt." (V, 9)
Es waren keine hundert Jahre nötig (die Uraufführung des Stücks fand im
Jahre 1861 statt), um dem wirklich staunenden Europa und der ganzen Welt
die Folgen des „Bundes" und des Strebens nach der deutschen Weltherrschaft
zu zeigen.
Übrigens klärt der Prophet des germanischen Weltreiches das Volk über
den wahren Charakter der Franzosen auf, die allein an dem Übertritt der
Ungarn auf die türkische Seite schuld sind, entlarvt die Spionagetätigkeit des
französischen Agenten, der ihm noch dazu seine Braut stehlen möchte, ohne
falsche Bescheidenheit preist er den eigenen Entschluß, als Kundschafter zu
handeln, als „groß und edel" (I, 8) und verspricht „als Retter Wiens" zurückzukehren (I, 8). Endlich kommt er glücklich mit seinen Kaffeesäcken zurück,
beginnt Kaffee auszuschenken und bekommt seine Leopoldine zur Frau. Auch
in den heiklen innenpolitischen Fragen ist er um die richtige Stellungnahme nie
verlegen. Auf die Kritik der „verkehrten Beamtenwirtschaft", die „Rebellion
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Jerzy G o t
erzeugt" (was übrigens v o m Regisseur oder der Zensur gestrichen worden ist),
empfiehlt er die Verschiebung solcher Probleme fur ruhigere Zeiten (I, 4).
Gegenüber dem Reichtum an Ideen und Heldentaten dieses Giganterls
treten die anderen Personen und ihre Handlungen ganz in den Hintergrund.
Es gibt hier einen Sekretär von Caprara, der in der türkischen Gefangenschaft
der Geliebten Kara Mustafas „das Licht des Christentums erschloßt (I, 4),
worauf diese, mit Begleitung „einer Art von Mandoline" dem Großwesir ein
Loblieb aufJesus vorsingt (II, 8). Starhemberg tritt zwar auf, ist aber hauptsächlich mit der Regelung der LiebesafFäre Koltschitzkys und Leopoldines beschäftigt und in den kritischen Stunden der Belagerung versäumt er nicht, sich zur
künftigen Hochzeit einzuladen und sich den ersten Ländler mit der Braut zu
reservieren.
Außer der neuen Figur des französischen Agenten, der hier noch wenig
ausgenützt ist und in den späteren Dramen eine viel wichtigere Rolle spielt, ist
noch eine Person bei den Wienern zu erwähnen: der Volkssänger Augustin.
Sein erstes Erscheinen in einem Belagerungsdrama zeichnet sich durch besondere Stupidität aus, die in seinen Liedern zur vollen Geltung kommt. So ζ. B.
im Lied über die erste Belagerung und Soliman:
Weil das T o r gesperrt war, Sultan,
W u r d e Euer Essen kalt,
D o c h tut Wien noch, was es tun kann,
Schickt es Euch hinaus gar bald!
D a flucht er draußen: treff der Blitz
Die Wiener für den bitteren Witz,
Den Witz, den Wiener Witz.
Was einen der Anwesenden zu der Bemerkung bewegt: „die Gedenkblitze
des Witzes, sie leuchten immerfort in der Kaiserstadt" (IV, 4).
Unter den Türken ist Kara Mustafa unbeständig, einfältig und grausam.
Er trinkt Wein und gedenkt sein eigenes Reich zu gründen. Einstweilen setzt
er sich auf einen Thron, um die Tänze zu beobachten, wobei „das mystische
Bild" erscheint: „man sieht über Mustafas Haupt sich einen Genius mit einer
Krone herniederneigen, umringt von reizend kostümierten Hauris" (II, 13).
Ibrahim von Ofen schimpft zweimal den Großvezier „Eseltreiber" und lacht
„diabolisch", worauf er enthauptet wird.
Obwohl, wie wir von Koltschitzky wissen, die Entscheidungsschlacht nur
von den Deutschen und Österreichern ausgefochten wird, werden irgendwie
auch die Polen erwähnt. Einmal in einer ausfuhrlichen Erzählung des Kundschafters über den Vormarsch der Verbündeten, über die heilige Messe am
Kahlenberg und die Rede Sobieskis an das Heer, ein anderes Mal in der
vorletzten Szene erscheinen der König „mit seinem Generalstab" und „deutsche und polnische Waffengattungen und Ritterschaften" in einem stummen
Triumphzuge, an dessen Spitze Kaiser und Kaiserin schreiten. Das alles geschieht dreieinhalb Monate nach dem Anfang der Belagerung (V, 8), also etwa
Ende Oktober! Ähnlich albern ist die Erzählung über die Übersendung des
Kopfes Kara Mustafas durch den Janitscharen-Aga an den Kaiser.
Wie zu erwarten ist, gelten viele Vorwürfe der Theaterkritiker der Tendenz des Stückes. Es fängt mit dem Hinweis an, daß die Wiener v o m Jahre 1683
Phrasen reden, die sie „sich wahrhaftig nicht träumen ließen" (Morgenpost),
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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sie wissen „auf ein Haar genau, in welche Bedrängnisse und Verlegenheiten
Österreich im Jahre 1861 geraten werde" (Wanderer). Die Bemühung Köberles, in die Politik einzugreifen, wird bissig verspottet: „Auch in Patriotismus
macht Herr Köberle; wir wissen nicht, wie teuer er die Elle verkauft, aber wir
versichern, daß er schlechte Geschäfte macht." (Der Zwischen-Akt.) Die aufgepfropften „modernen politischen Kraftausdrücke" machen das interesselose
Drama „nicht um ein Haar wirksamer" (Ost-Deutsche Post), nur wirken sie
auffallend bei der totalen Farblosigkeit des Werkes. (Wiener Chronik.)
Es wird in dem Stück mehr „über Zentralisation, Beziehungen zu Deutschland u. dgl." diskutiert, als heutzutage in den Wahlversammlungen. (Wanderer)
Klaren Beifall erntete das Werk nur bei dem Berichterstatter des „Fremdenblattes". Er preist das interessante Gemälde aus Wiens Geschichte, dessen
Rahmen „ernste und komische Szenen, Tanz und Gesang, Kriegslärm und
süßes Liebesplaudern" abwechselnd gebildet haben. Die Aufnahme war im
allgemeinen „sehr warm" und besonders dankbar war das Publikum fur „die
vielen politischen Anspielungen". Dazu war die Darstellung „vorzüglich".
Das konservative klerikale , Vaterland' hat sich von dem einfältigen
„Volksschauspiel" distanziert. Zwar wird die Figur des braven Koltschitzky die
„einzige kräftige Zeichnung" genannt, der sonst „schleppende, ohne
Schwung" vorgetragene Dialog durch die „zeitgemäßen Anspielungen" gewürzt, doch es werden die zu karge Handlung, die ungeschickte Aneinanderreihung der Szenen, die matt gezeichnete Liebesgeschichte gerügt. Charakteristisch für die Stellung des Berichtes ist der Satz über das Publikum: es „verhielt
sich sehr passiv und beklatschte nur einige politische Anspielungen". Es drängt
sich der Eindruck auf, daß der Kritiker die Tendenz des Dramas mehr oder
weniger teilt, aber nur über deren stümperhafte Ausführung verärgert ist.
Außer diesen beiden Stimmen sind die anderen einhellig vernichtend. Das
ganze wird „alberbe Hanswurstiade" (Zwischen-Akt), ein Machwerk „von
Phrasenwerk und polterndem Pathos überströmt" (Blätter fur Theater, Musik
und Kunst) genannt, das „selbst den bescheidensten Anforderungen" nicht
ensprechen kann (Zwischen-Akt) und „alle sind zu betrauern", die „damit zu
tun und die es anzuhören hatten" (Telegraf). Das Benehmen des Publikums
wird mit den Worten „wenig Anklang" oder „nicht sehr erfreut" benannt
(Ost-Deutsche Post, Morgenpost).
Das „Volksschauspiel" Köberles erlitt im Carltheater (6. März 1861 uraufgeführt) die verdiente Niederlage und wurde nach der zweiten Vorstellung
abgesetzt.
Einen Grenzfall, beziehungsweise eine national undeutliche Schöpfung, die
das Werk nicht leicht zu dem österreichischen, polnischen oder ungarischen
Theatergut zählen läßt, stellt die Oper .Wanda' dar. Diese war durch den
sowohl zu den polnischen als auch zu den österreichischen Komponisten gerechneten Franz (Franciszek Wojciech) Doppler, zu dem ungarischen Text von
Theodor Bakody, im Jahre 1851 in Budapest komponiert worden und auch
dort aufgeführt worden. Dann wurde die Oper durch Otto Prechtler, dem von
Grillparzer geförderten und zu seinem Nachfolger als Archivdirektor im Finanzministerium ernannten Wiener Schriftsteller - mit einigen Änderungen ins Deutsche übersetzt. Früher noch, zwischen der Uraufführung und der
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Jerzy Got
zweiten Pester Premiere (16.12. 1856) haben der Komponist und der Librettist
das W e r k von einem tragischen, mit dem T o d e der Titelheldin endenden, ins
Romantische, mit der Verbindung der Liebenden am Schluß, umgearbeitet. In
dieser zweiten Fassung wurde die Oper in Wien, Dresden, Lemberg und Posen
in deutscher Sprache, in Lemberg, Posen und Warschau in polnischer Sprache
mehrmals aufgeführt. Den T e x t der Oper hat der Pester Rezensent richtig als
„nicht geradezu baaren Unsinn", aber schablonenhaft und spannungslos bezeichnet ( - 1., Pester Loyd 1856, Nr. 296). In der Gegend um Krakau wird die
Verlobung von Wanda, der Tochter des Starosten Sobol, mit seinem Pflegesohn Hippolit gefeiert. Die heitere Stimmung wird durch die Ankunft des
Herolds, der die waffentauglichen Männer zum Entsatz Wiens aufruft, getrübt.
Hippolit und Sobol schicken sich in den Krieg, Wanda verzweifelt. Im zweiten
Akt wird Wanda, die heimlich ihrem Verlobten gefolgt ist, von den Türken
vor den Mauern Wiens festgenommen und für den Harem ihres Führers T i m u r
bestimmt. Dieser, durch irgendwelchen geheimen K u m m e r bedrückt, schaut
sich die Tänze seiner Odalisken ganz gleichgültig an und erst das Erscheinen
der Heldin belebt seine Sinne und macht ihn sogar zudringlich. Diese Gefahr
weiß aber die Gefangene durch Hochhalten eines kleinen Kruzifixes und die
W o r t e : „Fall auf die Knie, ich stehe in Gottes Hand" zu bannen, worauf T i m u r
das Gesicht mit den Händen bedeckt und niederfällt. Im dritten Akt bringt der
Starost Sobol ins polnische Lager die Kunde, daß seine Tochter in der Nähe,
aber in türkischer Gefangenschaft sei, worauf die polnischen Krieger sich in den
K a m p f stürzen. Nach der Verwandlung sieht man Wanda in Timurs Zelt
betend und dann sich den jetzt ganz ernstlichen Zudringlichkeiten des Feindes
erwehrend. Da der Dolch, mit welchem sie ihre Verteidigung begonnen hat,
sich als ungenügend erwiesen hat, greift sich zum Medaillon mit dem Bildnis
ihrer Mutter und dieses verfehlt auch nicht seine Wirkung. T i m u r erkennt in
dem Portrait seine eigene Mutter und logischerweise in der Gefangenen seine
Schwester. Diese Entdeckung von Timurs Herkunft ist übrigens die Erfindung
Prechtlers. Er eilt also um sich um das Leben seines Vaters und dessen Pflegesohnes bei ihrem Angriff zu kümmern, was ihm auch um den Preis einer tödlichen
W u n d e gelingt. Sobol erkennt seinen sterbenden Sohn, der einst in Eifersucht
seinen Bruder erschlagen hat und zu den Türken geflohen ist. T i m u r stirbt und
die Liebenden, bei dem Sieg der Christen im Hintergrund, vereinigen sich
glücklich.
Es gibt wohl mehrere ähnlich kitschige und schablonenhafte Opernlibrettos, mit welchen dem Komponisten jedoch eine erfolgreiche oder sogar in
musikalischer Hinsicht sehr wirksame Oper zu erschaffen gelang. Dies war aber
hier nicht der Fall. Doppler, ein sehr fähiger und geschätzter Flötist, ein
begabter Dirigent, hat zwar einige Opern komponiert (u. a. „Judith", mit dem
Libretto von S. H. Mosenthal, aufgeführt in der Wiener Hofoper am 3 0 . 1 2 .
1870), doch keine von ihnen hat einen dauerhaften W e r t . Ihre Stärke beruhte
nur auf einer sehr geschickten, routinierten Instrumentierung und auf der
wirklichen Begabung, nationalen Kolorit in einzelnen Opernfragmenten zu
erreichen. Sonst aber fehlte es Doppler an schöpferischem Geist; Spohr, Marschner, W e b e r , Meyerbeer, Flotow, Halevy und auch italienische Komponisten
von Bellini über Donizetti bis zu Verdi werden von den Kritikern in seinen
Werken als Vorbilder, die er reichlich benützte, erkannt.
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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Das betrifft in vollem Ausmaße auch die „Wanda". Bei ihrer Wiener
Premiere (27.9. 1862) waren die Kritiker ziemlich übereinstimmend in der
Beurteilung der Oper — sie unterschieden sich nur von einander in der Hervorhebung der Vor- oder Nachteile des Werkes. Einstimmig wird von allen
Berichterstattern die erste Szene des zweiten Aktes gelobt, das Morgengebet
des Derwisch (Tenorsolo hinter der Bühne) im Wechselgesang mit dem Chor,
wo „geschickte Benützung orientalisch-monodischer Sangweise einen hübschen Effekt" hervorbringt. „Die melodischen und harmonischen Elemente
orientalischer Musik (...) sind mit feinem Sinn für das Charakteristische, dabei
ohne photographische Härte wiedergegeben." (v. Br., Wiener Zeitung; Ed. H.
[Hanslick], Die Presse) Der strenge Hanslick würdigt außerdem im allgemeinen
ein „manchmal feines musikalisches Gefühl für Wohlklang und formale Symmetrie", spricht aber dem Komponisten eine „ausgesprochene Persönlichkeit
und schöpfende Kraft" ab. Die Nachahmungen der fremden Stimmen hängen
Doppler „wie Kletten an". Als lebendig, frisch und ein „recht kräftiges,
wirksames Genrebild" erscheinen ihm die Szenen der ersten Hälfte des ersten
Aktes, die mit der „glücklichen Lokalfärbung" polnischer Prägung „allerbeste
Wirkung" erreichen. Die anderen Kritiker äußern sich ähnlich, nur in der
Beurteilung der Inszenierung und Besetzung gehen die Meinungen auseinander. Von der „glänzenden Darstellung" bis zum „tandelhaften Aussehen",
„geschmacklosen Inszenesetzung" und „ärmlicher Ausstattung", vom Lob für
einzelne Sänger bis zur „unzureichenden Besetzung" und zum strengen Tadel
reichen die Meinungen. (Fremden-Blatt; Der Zwischen-Akt; E. H. [Hanslick],
Die Presse; W . F., Morgen-Post; A. S., Wanderer; L. A. Zellner, Blätter für
Musik und Kunst; Wiener Theater Chronik; v. Br., Wiener Zeitung; A. Tuma,
Das Vaterland) Das letzte betrifft insbesondere Fräulein Wildauer als Wanda.
Sie wurde meistens reichlich mit Lob überschüttet - so z. B.: „geniale Künstlerin, große dramatische Gestaltungsgabe, imposante Darstellung, herrliche
Leistungen" (Der Zwischen-Akt), andererseits aber als zu alt für die ersten
Partien, für welche ihre Stimme nicht mehr ausreichend ist, angegriffen. (K.
J. Kinderfreund, Oesterreichische Signale für Theater, Kunst, Literatur)
Sonderbarerweise finden wir eine über alle Erwartungen strenge Beurteilung der Oper in der Korrespondenz aus Wien an eine polnische musikalische
Fachzeitschrift. Hier meint der anonyme Kritiker, daß ,Wanda' eigentlich eine
„unvermeidliche Niederlage" wegen des völligen Mangels an Originalität, der
Schwäche der dramatischen Partien und der unzulänglichen Beherrschung der
orchestralen Mittel verdient habe. Nur die Einführung einiger frischer charakteristischer polnischer Melodien in die Oper, das Melodische und endlich das
leicht Begreifliche der musikalischen Ideen haben den Mißerfolg abgewendet
und dem Werk eine kurzlebige Anerkennung bei den Dilettanten gesichert.
(Pamiçtnik Muzyczny i Teatralny)
Die zweite Aufführung der Oper wurde durch die Anwesenheit des Kaiserpaares ausgezeichnet und der Komponist bedankte sich bei der Direktion der
Hofoper für die Aufführung seines Werkes öffentlich. (Der Zwischen-Akt
1862, Nr. 276)
Die nächste Premiere der ,Wanda' fand im österreichischen Theater in
Lemberg, 21.2.1863, statt. Laut einer Korrespondenz nach Wien war es sowohl
für den persönlich das Orchester dirigierenden Komponisten als auch für die
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Jerzy Got
Mitwirkenden ein ehrenvoller Erfolg. Auch hier wurde die erste Szene des
zweiten Aktes als eine der eindruckvollsten hervorgehoben (P., Wiener Theater
Chronik). Laut einer späteren Nachricht war die O p e r „in Lemberg wegen der
nationalen Anklänge" sehr beliebt (Deutscher Liederkranz 1864, Nr. 10).
A m 6 . J u n i 1866 wurde ,Wanda' im Dresdner Hoftheater aufgeführt. D e r
Termin war unglücklich gewählt. B e i m Ausbruch des deutschen Krieges
wurde das Theater geschlossen und die Oper verschwand nach zwei Vorstellungen von der Bühne. Nach der Premiere wurden Doppler musikalische Bildung
und geschickte Instrumentation zuerkannt, „populäre, frische Melodik, belebte
Rhythmik und einfache und wohlklingend gestaltete Behandlung" hervorgehoben, ohne jedoch in seinem W e r k e „poesiereiche Erfindung, geistvolle
Faktur, dramatische Charakteristik und Tiefe" finden zu können. Die O p e r
sollte „vortrefflich einstudiert und inszeniert" werden (Wiener Theater C h r o nik).
T r o t z zweifelhaftem Erfolg wurde .Wanda' in Dresden am 11. N o v e m b e r
1870 in einer neuen Einstudierung wiederaufgeführt. In dem Bericht über die
Premiere finden wir diesmal lauter Lob für den Komponisten und sogar für
das schön romantische Libretto! In der Musik gibt es „meisterhafte Stellen",
wie i m m e r wird der Anfang des zweiten Aktes besonders gepriesen. Die
„massenhaft versammelten Zuhörer" spendeten der Aufführung „donnernden
Applaus". V o m „herrlichen Ensemble" wurde besonders die „großartige Leistung" Fräulein Zimmermanns in der Titelrolle hervorgehoben (O. C . , Wiener
Theater Chronik).
Drei Jahre später kam es in Posen zu einer Art von Bühnenduell mit dieser
Oper zwischen dem deutschen und dem polnischen Theater. D e r mit totalem
Zusammenbruch seiner Unternehmung erfolgslos kämpfende Direktor Carl
Schäfer, oder vielleicht eher seine unternehmungslustige, energische Frau A u guste, die „mit fester Hand" sich „um die Erhaltung des Theaters" bemüht hat
(H. Knudsen, Deutsches Theater in Posen, Bad Nauheim 1961, S. 98—99), kam
auf die Idee, Dopplers W e r k aufzuführen. Mit viel Sorgfalt, mit gewissem
Aufwand an den Dekorationen und Kostümen, mit viel Mühe des eher guten
Opernensembles erreichte man nur drei Vorstellungen. W e d e r waren die
Deutschen beeindruckt noch die Polen zufrieden mit der Darstellung des
polnischen Adels; das deutsche Publikum hatte auch nicht viel für die polnische
Fabel und polnische Melodik übrig. Durch diesen Vorfall angeregt, hat der
Direktor des polnischen Theaters, Karol Doroszynski, bald darauf die O p e r
aufgeführt.
Sein Erfolg, zumindest in finanzieller Hinsicht, war unbestritten. Zweiunddreißig Vorstellungen in ununterbrochener Reihe, sechzig insgesamt haben die
Richtigkeit seiner Entscheidung bestätigt. Freilich war der Erfolg nicht rein
künstlerischer Natur. Das polnische Ensemble hatte weder echte O p e r n - noch
C h o r - noch Ballettkräfte. Der schlaue Direktor hat nicht nur alles PolnischNationale, was in der Oper schon steckte, hervorgehoben, sondern darüber
hinaus diesen Faden durch seine eigenen Ideen in der Inszenierung ergänzt. In
Posen, w o die polnisch-deutschen Beziehungen i m m e r heikel und besonders
zu dieser Zeit, der Zeit des Kulturkampfes, zumindest unfreundlich waren,
konnte solch ein Appell an die nationalen Gefühle am Beispiel der ruhmreichen
Vergangenheit seine Wirkung nicht verfehlen. (Z teki aktora, Echo Muzyczne,
Teatralne i Artystyczne 1898, Nr. 52 (795) S. 6 2 8 - 6 2 9 )
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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Die weiteren Schicksale der Oper sind wenig interessant. Sie wurde noch
auf anderen polnischen Bühnen bis zum Jahre 1913 mit mehr oder weniger
großem Erfolg aufgeführt, dann verschwand sie vom Repertoire.
Der Übergang von .Wanda' zum nächsten Bühnenwerk ergibt sich ganz
natürlich. Das Schauspiel in 4 Aufzügen von Friedrich Diener ,Die Belagerung
von Wien' könnte, nach kräftigen Strichen, ein leidliches Opernlibretto bilden.
Die Besetzung ist sofort klar: Starhemberg - Heldenbariton, Kara Mustafa basso profondo, Selim — lyrischer Heldentenor, Guido - zweiter Tenor und
Mathilde Koloratursopran. Die restlichen Personen sind mit zweitrangigen
Sängern zu besetzen oder im Chor bequem unterzubringen. Die Ausdrucksweise der Gestalten, der Bau der Verse und die Art der Reime erinnern in
diesem Stück gezwungenermaßen an gesungene Arien oder Duette (s. Anhang).
Zwei gleichwertige Handlungen laufen parallel: der Krieg und die Liebesafiare. Der Krieg wird — breit und weit — von Starhemberg erzählt. In seinen
nie zu Ende gehenden Monologen und Reden erzählt er die Vorgeschichte, den
Verlauf der Kämpfe und den Zustand der Verteidigung der Stadt, am Ende
seiner weitschweifigen Äußerungen von Koltschitzky abgelöst, der die Entscheidungsschlacht beobachtet und ihren Verlauf den Anwesenden detailliert
schildert.
Die Aufmerksamkeit des Lesers muß aber die andere Handlung mehr
fesseln. Einen Janitscharen-Aga, der als Botschafter Kara Mustafas nach Wien
kommt, ergreift die Liebe auf den ersten Blick zu der jungen Adeligen Mathilde, die von Guido Starhemberg angebetet wird. Der Aga, Selim mit Namen,
ist übrigens bescheiden und großzügig, erwartet von Mathilde nicht zu viel:
Durch einen güt'gen Blick aus Deinem Auge
(...)
Ist selbst mein Leben im voraus bezahlt
Nach der Eroberung Wiens wird er als „Dein treuer Sklave zu Dir eilen"
(II, 3). Da Mathilde gleich fühlt, daß „bei seiner kühnen Rede Fluß" ihr Herz
„so heftig schlug" (II, 3), hofft ihre Freundin, daß Gott ihr die Kraft zum
Besiegen dieser nicht angemessenen Liebe gibt (II, 4). Als dann die Liebeserklärung Guidos an Mathilde von dieser nur mit Verehrung beantwortet wird,
behauptet er, daß „Graf Starhemberg bleibt seiner Liebe treu" (II, 6). Irgendwie
wird dann Mathilde zur Sklavin der Türken und zum Objekt der niedrigen
Begierde Kara Mustafas, der als dritter in der Reihe der Bewerber erscheint.
Nicht so edel wie die beiden anderen erpreßt er Mathilde mit der Drohung,
ihren Vater, der sich auch in türkischer Gefangenschaft befindet, zu ermorden.
Glücklicherweise gibt er ihr Bedenkzeit. Mathilde überläßt die Entscheidung
Gott. Inzwischen focht Guido „wie ein Rasender", um sie zu befreien (III, 3).
Doch nicht er, sondern Selim befreit Mathilde von der schwierigen Wahl
zwischen „des Vaters Leben oder meiner Ehre". Nach der Rettung Mathildens
und ihres Vaters wird der ritterliche Janitschar, als Anfuhrer eines Sturms, von
Guido verwundet und gefangengenommen. In der Gefangenschaft wird allmählich klar, daß der edle Türke in Wirklichkeit kein Türke ist, sondern der
als Kind entführte Sohn des polnischen Grafen Jelinki, womit einerseits sein
Edelmut erklärt, andrerseits die Hindernisse für die Verbindung mit Mathilde
behoben werden.
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Jerzy G o t
Außer d e m Schuft Kara Mustafa triefen alle Personen von Tapferkeit,
Edelmut und Frömmigkeit. Mit den echten Menschen haben sie wenig gemeinsam. Z w a r protestieren die Bürger bei Starhemberg kurz gegen die Verbrennung ihrer Vorstadthäuser, doch gleich besinnen sie sich:
Wir sind bereit, für unser liebes W i e n
Für unsern Kaiser und das treue Oesterreich
Mit Freuden Gut und Leben einzusetzen.
Es gibt keine zweideutige, geschweige denn niederträchtige Person. Die
Gräfin Starhemberg besitzt außer Heldenmut auch die Sehergabe - sie sieht im
T r a u m den Genius Österreichs (der auch Engel genannt wird), der ihr die
Rettung der Stadt verspricht. Dieser Himmelsbote teilt ihr auch mit, daß Wien
dereinst „den höchsten Wohlstand sich erwerben" wird und schildert die
Gründung der Ringstraße, w o „Verkehr und Handel neue Blüten" treiben
werden (IV, 2). Von den poütischen Informationen des Genius' ist die Kunde
über den Verfall des türkischen Reiches hervorzuheben.
In der Schlußszene hat Starhemberg die Aufgabe, sich zu österreichischen
Fragen des 19. Jahrhunderts zu äußern. Er n i m m t den Wahlspruch Kaiser Franz
Josephs v o r w e g :
Den schönen Wahlspruch: ,Mit vereinten Kräften'
Sollt' es für i m m e r auf die Fahnen heften
und meint, daß die größte Wohlfahrt in Österreich erlangt wird:
W e n n nicht gefährdet wird sein inn'rer Friede
Durch seine Sprach- und Stammesunterschiede.
Sowieso können die kleinen S t ä m m e selbständig nichts erreichen - meint
er—, also sollen sie zu einem großen Volk werden (IV, 7).
Die Geschichte wird nicht sehr ernst g e n o m m e n . Z w a r ist der Verlauf der
Ereignisse in volkstümlicher Fassung genau dargestellt, doch es wird in Wien
im Jahre 1683 die Nationalhymne gespielt (II, 7) und im polnischen Heer treten
die Ulanen auf (IV, 6).
Auch in den wichtigen Einzelheiten des christlichen Ritus ist der Verfasser
nicht sehr gut unterrichtet. Selim wurde als K i n d , vor der Entfuhrung, bereits
getauft (IV, 5), trotzdem soll er noch einmal getauft werden (IV, 7).
Irgendeine Auffuhrung dieses Schauspiels konnte nicht festgestellt werden.
Nach den besten Mustern der rührenden Dramen über entführte und
vertauschte Kinder hat Julius Megerle ein Volksstück mit Gesang und Tanz in
3 Akten und einem Vorspiel, ,Die Belagerung von Wien im Jahre 1683',
zusammengestellt.
Im Prolog raubt in U n g a r n „der Geheimschreiber" der Gräfin Murany,
Caffarelli, mit Hilfe des Zigeuners K a i m a n den kleinen Sohn der Bäuerin
Edelka, und ordnungshalber steckt er ihr Haus in Brand. Das wird die Enkelin
der Gräfin ersetzen, da Graf Thuroczy, der Ehemann ihrer Tochter, diese nach
der Geburt eines Mädchens verstoßen und sich scheiden lassen würde.
Das eigentliche Stück spielt zwanzig Jahre später in und u m Wien während
der Belagerung. Das ausgesetzte Kind der Herrschaften, Helena, lebt als vermeintliche Tochter Edelkas und wird selbstverständlich von dem jungen Grafen Laszlo Thuroczy, der in Wirklichkeit Edelkas Sohn ist, vor den sie beläUnauthenticated
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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stigenden Studenten verteidigt. Es folgen mehrere Verwicklungen und Abenteuer, der Hauptbösewicht Caffarelli will den Kaiser und die Stadt dem Tököly
ausliefern, er bringt auch den Nebenbösewicht Kaiman um und wird dann
selbst, gerechterweise, umgebracht. Edelka, im Haß gegen die Familie Thuroczy, unterstützt Caffarelli und will sogar den Tod des jungen Grafen herbeifuhren, dann aber, als sie erfährt, daß er ihr Sohn ist, rettet sie ihn im letzten
Augenbück. Am Ende vereinigt die Gräfin ihre Enkelin mit dem falschen
jungen Grafen, indem sie sich auf „Gott, der das Schicksal der Menschen
gnädigst lenkt" beruft.
Von den Nebenpersonen sind Augustin, Koltschitzky und Kara Mustafa
zu nennen. Augustin singt das berühmte Lied „o du lieber Augustin", Koltschitzky wird vom Volk auf den Händen getragen und erzählt seine Heldentaten, Kara Mustafa stürmt an der Spitze seines Heeres die Löbelbastei, dann
aber liegt er auf dem Diwan, raucht Nargileh und wird von Odalisken unterhalten, die „in reichen orientalischen Kleidern (...) in reizenden Gruppen um
ihn herum gelagert" sind.
Der Verfasser wünscht sich, daß „das Ganze muß ein üppiges orientalisches
Bild geben". Auf die Kunde über das Ankommen des Entsatzheeres befiehlt
Kara Mustafa den Odalisken: „tanzt und musiziert, ich will mich in süße
Träume wiegen, während die Meinen den Sieg für mich erkämpfen." Nur
unter dem Druck und den Drohungen seiner „Generäle" geht er schließlich in
den Kampf (III, 9).
Die Gräfin Murany ist so aristokratisch, wie man es sich nur erträumen
kann. Sie spricht mit Abscheu von den „untersten Schichten des Volkes",
meint: „das Blut des Plebejers, trotz Erziehung und Gewohnheit wird es sich
niemals verleugnen" und nennt die von ihr unglücklich gemachte Edelka
„grausames Weib" (III, 8).
In diese mehr oder weniger zusammehängende Geschichte hat Megerle
eine Szene eingebunden (II, 5, anfangs .Samuel Oppenheimer', dann einfach
,Der Jude' genannt), die sich durch einige wenige Züge der Wahrhaftigkeit von
den anderen unterscheidet. Sie spielt am Fleischmarkt, in der Nähe einer
Bäckerei, deren Inhaber zwar große Vorräte Mehl, doch keinen Gewinn am
Brotbacken hat und deswegen seine Tätigkeit eingestellt hat. Das aufgebrachte
Volk will in den Laden einbrechen, doch beim Erscheinen des Hoffaktors
Oppenheimer wendet sich die Wut der Menge gegen diesen: „Gib dein Überfluß heraus, Jud!", „Der Jud hat uns lang genug bestohlen", "Nieder mit dem
Judenhaus". Der so bedrängte Faktor wird durch das Erscheinen Starhembergs
aus seiner Bedrängnis befreit. Außer der Judenfeindlichkeit, die in Krisenzeiten
eine oft sich wiederholende Erscheinung ist, wird hier auch die Abneigung
gegen Ausländer erwähnt. Nach dem Verhör des Bäckermeisters sagt Starhemberg: „Und er will ein Wiener sein?", worauf einer der Anwesenden die
Niederträchtigkeit des Bäckers vollkommen erklärt: „Er ist ein Ausländer",
was vom Regisseur in ein „Er ist kein Wiener" abgeschwächt worden ist.
Die Ausgeburt, die große dramatische Versündigung, ein Attentat auf die
Geschichte, Beleidigung des gesunden Menschenverstandes, einfacher Mordspektakel — mit solchen Bezeichnungen erteilten die Rezensenten der Uraufführung des Megerleschen Machwerkes im Theater an der Wien, am 14. August
1864, eine Abfuhr. Einem von ihnen, dem strengen Schlesinger, schien sogar
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Jerzy Got
die Idee, eine Kritik des Stückes zu schreiben, zu absurd, er beschränkt sich auf
kurze Bemerkungen über die Schauspieler und die Inszenierung (MorgenPost). Ein anderer meinte, „das beste an dem Ganzen waren die lebendigen
Rosse, die an Stelle des Autors gerufen wurden" (Constitutionelle Oesterreichische Zeitung).
Die Einzelheiten der verschiedenen Berichte näher anzuführen, scheint
zwecklos. Stattdessen, als Probe des Hohns, zu d e m das Stück Anlaß gab, ein
längerer Auszug aus einem Theaterbericht: „Die zwölf nebeneinander gestellten Tableaux bilden ein wahres Zellensystem. In j e d e m derselben wird Langweile und Unverstand strenge bewacht und, trotzdem jede der Zellen dieselben
Sünden beherbergt und zu einer Verbrecherfamilie gehört, bilden sie nur
höchst selten einen schwachen Zusammenhang. Mit einem sanften Kinderraub
und einer bescheidenen Brandlegung wird das Stück inauguriert, hierauf folgt
ein kleiner Schändungsversuch, dem sich ein löblicher Verrat brüderlich anschließt, mittlerweile wird eine versuchte Judenplünderung vergegenwärtigt,
der ein artiger Meuchelmord unmittelbar zur Seite steht." Dann „hält der
grausam gutmütige Hr. Megerle (es) mit der blutrünstigen Tragik und gießt
in Oel getauchte Genugtuungswonne in die aufgeschundenen Gemüter. Zwei
Stallpagen des Pferdehändlers Roth, als Sobieski und Karl von Lothringen
verkleidet, befreien Wien (...) und schließlich genießt das Publikum noch den
seltenen Anblick Frl. Bony mit Hrn. Berent als Staffagen einer bengalisch
beleuchteten Apotheose in die Luft gezogen zu sehen." (Blätter für Theater,
Musik und Kunst)
Es ist noch hinzuzufügen, daß die Leistungen Rotts (Augustin) und Frieses
(Kaiman) mahrfach gelobt wurden, sowie auch das „effektvolle, überraschend
schöne Arrangement der lebenden Tableaux" (Schlesinger!), die „stürmisch zur
Wiederholung begehrt" wurden (Fremdenblatt, ähnlich Neue Wiener Theaterzeitung). Obgleich die Schaulust aufs Üppigste befriedigt w u r d e - sechs
Pferde auf der Bühne, lebende Bilder, Aufzüge, Gefechte, Raketen, T ä n z e - ,
erlebte das Stück nur acht Auffuhrungen und verschwand in die Vergessenheit.
Eine romantische Liebesgeschichte, voll von Aufopferung und Heldentaten, bildet den Stoff des Dramas von Reinhold E d m u n d Hahn ,Starhemberg,
oder Die Bürger von Wien'. Unter dem männlichen Decknamen des Autors
verbarg sich Frau Karoline Pierson, die früher unter ihrem Mädchennamen
Leonhardt eine gefeierte Stegreifdichterin war und in den Jahren 1840-1843 auf
mehreren deutschen Höfen auftrat. Diese haben offensichtlich unverwischbare
Spuren in ihrem Gemüt hinterlassen, wie das in ihrem Drama deutlich zum
Ausdruck k o m m t .
Der Titel des Werkes ist irreführend — weder Starhemberg noch die Bürger
sind die Helden des Stückes. Es sind dies der Kurfürst von Bayern, der j u n g e
Maximilian Emanuel, und Magdalena, Gräfin von Karolyi. Sie lieben einander
im Geheimen, aber schweigen, die Staatsraison Bayerns anerkennend. Vor
dieser Liebe flieht Magdalena, in Männertracht, in das belagerte Wien. Der
Kurfürst, voll Mitleid mit dem Kaiser Leopold, eilt der Stadt zu Hilfe.
Was Dank! Ein edles Herz
Fragt nicht nach Dank, es folgt dem mächt'gen Triebe.
In der Folge wird er mit seinen Truppen als die Hauptkraft der V e r b ü n deten dargestellt. Z w a r v/ill Magdalena in Wien ins Kloster eintreten, doch als
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Das J a h r 1683 i m D r a m a und a u f der B ü h n e
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„ein Ungarisches Mädchen durch und durch", im Gegensatz zu den „durch
Verstand und Strenge" gelenkten Deutschen, folgt sie zuerst „des Herzens
Z u g e " (I, 1). Dazu hat sie ein etwas grausames, männliches Temperament:
Ich wollt' ich war ein Mann, ich stünde oben
A u f der Bastei und könnte Graus und T o d
M i t kühner H a n d auf uns're Feinde schleudern! (II, 1)
Das tut sie zwar nicht, doch, als kein Bote und Kundschafter Starhemberg
zur Verfugung steht, geht sie in türkischer Männerkleidung durch das feindliche Lager, selbstverständlich direkt zum Kurfürst. Von diesem gebührlich
bewundert, wird sie auf dem Rückweg von Kara Mustafa persönlich gefangengenommen, aber als Kind seines Freundes zwar festgenommen, doch liebevoll
behandelt. So ist es auch gut, denn dadurch hat sie Gelegenheit, etwas über die
von den Türken in der Stadt heimlich (mit Hilfe einiger Verräter) deponierten
Pulvervorräte, die bald entzündet werden sollen, zu erfahren. Darüber schickt
sie eine Nachricht, nicht etwa an Starhemberg, sondern an den Kurfürst (an
wenn sonst?), der persönlich die Gefahr beseitigt. Zum Schluß verlobt sich der
Kurfürst, der für Magdalena ganz entflammt ist:
Sie ist ein M ä d c h e n , in der ganzen Welt
Gibt's keine zweite (IV, 10)
mit der Kaisertochter, Maria Antonia („nicht freudig, aber artig und ehrenhaft"), (IV, 11), und Magdalena geht nun doch endlich ins Kloster.
Das Stück erschien im Jahre 1865. So sind vermutlich einige kritische
Akzente, die die internen politischen Verhältnisse im Deutschen Reich betreffen, aus der aktuellen Rivalität Österreichs und Preußens um die Führung in
Deutschland zu verstehen, der Rivalität, die schon bald zugunsten Preußens auf
dem Schlachtfeld entschieden sein sollte. Sie richten sich gegen die deutschen
Fürsten, die entweder die eigene Gefahr verkennen oder für ihre eventuelle
Hilfe den Kaiser erpressen wollen. Es sind auch einige, die sich die Niederlage
Österreichs wünschen (I, 3; II, 3). Dadurch wird die ganze Reichsarmee zum
„Firlefanz" (II, 3).
Es wird auch auffällig viel über den Verrat in den eigenen Reihen gesprochen. Der so mutige Starhemberg meint sogar, daß die Türken siegen müssen,
weil außer ihrer Übermacht und dem Hunger der Verrat sie unterstütze (II, 5).
Kara Mustafa erscheint nur, um ein wenig über seine Eroberungspläne zu
plaudern (Österreich, Deutschland, Rom) und sich dann mit Magdalena zu
unterhalten.
Die Schlacht wird von einem sie beobachtenden Offizier erzählt, es werden
die Taten der Bayern unter dem Kurfürsten, aber auch die der Polen erzählt.
Die „hauen wie Rasende", „Schnell, gewandt" „Das nenn' ich Reiterei!" (IV,
3). Wie in dem Drama von Diener, sind es ja wieder die Ulanen!
Beim feierlichen Ritt der Sieger in die Stadt (von einem Beobachter
erzählt) reitet Sobieski an des Kaisers Seite (IV, 7).
Soviel bekannt ist, hat weder die prächtige Rolle der Magdalena eine
ehrgeizige Schauspielerin noch das rührende Drama einen Theaterdirektor zur
Auffuhrung des Werkes geködert.
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Jerzy Got
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Apropos
Gegenwart
Drei Jahre vor dem Selbstmord, der seinem abenteuerlichen Leben ein Ende
setzte, wurde Arthur Müller, ein in Deutschland ziemlich bekannter Volksschriftsteller, an das Theater an der Wien als Theaterdichter engagiert. Sein
angeblich szenenweise, in höchster Eile dem Regisseur geliefertes Volksschauspiel in fünf Akten ,Die Türken vor Wien' ist, als erste Novität der neuen
Direktion Geistinger—Steiner, im August 1869 aufgeführt worden.
Die Fabel ist mittels oft gebrauchter und schon ziemlich verbrauchter
Klischees fabriziert: „A Bisserl a Lieb, a Bisserl a Treu, a Bisserl a Falschheit
is allweil dabei" (J. Oppenheim, Die Presse). Im belagerten Wien wird ein
teuflisches Attentat vorbereitet. Der französische Agent Marquis v. Aquila
bringt mit Hilfe des niederträchtigen Stadtgardistens Xaveri 300 Zentner
Pulver in einem Keller unter, um mit dessen Sprengung die Stadt den Türken
auszuliefern. Für diesen Dienst sollen die siegreichen Türken dem französischen
König mehrere Länder am Rhein und an der Oder abtreten! Wien wird aber
von der Heldin des Stückes, Marie, gerettet, indem sie - die Schwester des
Schurken Xaveri - die schon brennende Lunte zertritt. Diese junge Dame, eine
Kellnerin von Beruf, liebt den braven, ritterlichen Grafen Königseck, der sie
auch hebt, nur hatte er lange Zeit wegen der Standesunterschiede schwere
Bedenken. Doch die Liebe siegt, und zwar so umwerfend, daß der Graf, mit
Liebeserklärungen beschäftigt, seine soldatischen Pflichten vergißt und erschossen werden soll. Gott sei Dank mischt sich in diese Angelegenheit ein Waffenschmied, der Starhemberg zur Gnade bewegt, und der Graf darf durch wundervolle Heldentaten seine Ehre und sein Leben retten. Der wohltätige Waffenschmied, der übrigens umfangreiche politische Belehrungen von sich gibt und
unerwiderter Liebe zu Marie schmachtet, läßt sich taktvoll tödlich verwunden
und darf dafür sterbend den Hochzeitszug Mariens und des Grafen beobachten.
Episodisch treten Starhemberg, Kollonitsch, Abraham a Santa Clara, Koltschitzky, der permanent beschwipste Augustin und König Sobieski auf, der
letzte nur, um den Wiener Bürgern zu danken und vor ihnen das Haupt zu
entblößen (V, 12). Dadurch hebt er sich günstig von den schwatzhaften Hauptpersonen des Schauspiels ab.
Diese Hauptpersonen schwanken in der Zeichnung des Charakters zwischen den damals modernen Vorstellungen und den Nachklängen der schablonenhaften Romantik. Auch sonst haben sie schwer zu bewältigende Probleme
— der Graf mit seiner Liebe zur Kellnerin, diese wiederum wird zwischen den
Gedanken ans Klosterleben und an tapfere Kriegstaten hin und her gerissen.
Einig sind sie nur in hurrapatriotischen Äußerungen, denen der überwiegende
Teil des Stückes gewidmet ist. Das Wort „Vaterland" wird auf ärgste Weise
mißbraucht. Diese österreichische Hyperloyalität ist insofern bedenklich, als
Müller sich in seinen früheren Dramen als preußischer Nationalist und Österreich-Gegner klar bekannt hat (so in: ,Eine feste Burg ist unser Gott', ,Gute
Nacht Hänschen', ,Die Verschwörung der Frauen, oder die Preußen in Breslau'). Als neuangestellter Wiener Theaterdichter hat er offensichtlich versucht,
sich anders zu orientieren. Und da er zwei Monate vor der Uraufführung der
.Türken vor Wien' Sardou's neues Drama ,Das Vaterland' fürs Theater an der
Wien übersetzte (wie einige meinten „ins Deutsche arg überhunzt" hat - J . J.
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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K., Wanderer 1869, Nr. 221), war er mit Ideen und auch einigen fertigen
Szenen ausreichend versehen. Aufmerksame Rezensenten haben dieses Verfahren bemerkt und es als kompromittierend bezeichnet ( . . . Allgemeine VolksZeitung, ähnlich -ss, Morgen-Post). Auch sonst ist Müller mit Vorbildern frei
umgegangen. Sein Abraham a Santa Clara ist ein Abklatsch des Kapuziners von
.Wallensteins Lager', die quasi barocken Gleichnisse und Scherze sind von
Shakespeare kopiert. Leider mit weniger Geschick wie hier: „Ich wollte, die
Welt wäre eine gefüllte Schweinsblase und läge zu meinen Füßen, das gäbe
einen Knall!" Auch der Witz des Verfassers ist einigermaßen fraglich: nachdem
der Graf Königseck den Marquis einen Halbaffen genannt hat und dieser
darüber empört ist, sagt der Graf: „Ich habe nichts dagegen, wenn sie die andere
Hälfte auch nehmen."
Die Unkenntnis des Wiener Bodens, seiner originellen Züge und der
Wiener Atmospähre gehört zu den weiteren Schwächen des Stückes. Auch hat
sich Müller nicht viel Mühe mit dem historischen Hintergrund gemacht. Als
der brave Waffenschmied übergescheit und breit die Wiener Bürger über ihre
Pflichten dem Vaterland gegenüber belehrt (I, 5), erwähnt er auch die Niederlage Süleyman II. bei Szigeth. Wie bekannt, starb dort Süleyman I., „Der
Prächtige", und Süleman II. regierte erst nach der zweiten Wiener Belagerung
(1687-1691). Die erste Belagerung Wiens wurde - nach seinen Worten - vom
Kaiser Karl V. siegreich entschieden.
Dieser Waffenschmied Jobst ist eine sonderbare Figur. Erst jammert er vor
Marie über seine unerwiderte Liebe, bemitleidet sein „zuckendes Herz", das
sich doch endlich einmal „zur Ruhe hämmern" wird. Man weiß nicht genau,
wer an seinem Elend Schuld ist. Einmal Marie: „Ja, es ist doch deine Schuld,
aber ohne Deine Schuld eine Schuld", dann wird sein Problem auf psychologische, moralische und gottesfürchtige Ebene umdisponiert:
Seit meine Hoffnung aber von dem Baume der Erkenntniß gegessen, ist sie sterblich
geworden ( . . . ) . W a r u m hat Gott Schlangen und Äpfel geschaffen? Siehst Du, Du weißt
auch keine Antwort! Kein Mensch weiß eine, keiner - und das ist aber der Jammer,
der die Sünde und die Not der Menschheit läßt in Blüten und Samen schießen, Jahr
aus, Jahr ein, bis an der Welt Ende.
Gleich nach dieser tiefsinnigen Erklärung vergißt er die Frage nach der
verhängnisvollen Schaffung der Äpfel und Schlangen und wird ein politischer
Fachmann, der scharfsinnig die Lage des Landes beurteilt:
Uns ist von unserem ganzen, großen heiligen Vaterlande nichts geblieben, als der
Schmerz um seine verlorene Macht ( . . . ) . Man hat uns allmählig um Alles gebracht:
um die Freiheit und das Recht, um den Stolz auf uns selbst, um das Vertrauen auf unsre
eigene Kraft, um die Liebe und den Haß und sogar den Zorn! Zu einem Volk von
Bienen hat man uns herabgedrückt, denen man zwar die Werkzeuge zur Arbeit ließ,
um ihre Weisel standesgemäß zu ernähren, denen man aber wohlweislich den Stachel
ausgebrochen hat, aus Furcht vor ihrer W u t und ihrem Zorn.
Das interessanteste an der Aufführung dieses Stückes ist der Beifall eines
bedeutenden Teils der Rezensenten. Freilich haben sich nur wenige so vorbehaltslos geäußert wie Heinrich Seyfried: kerniges Volksstück, geschmackvolle
Ausstattung, fleißige Aufführung. Ohne auf die Einzelheiten einzugehen, wird
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Jerzy Got
alles in Bausch und Bogen von ihm gepriesen (Allgemeine Theater Chronik,
Nr. 36, S. 365—366). Die ungleichmäßige Verteilung des Dialoges und der
Handlung, zu viele nebeneinanderlaufende Episoden, die Weitschweifigkeit des
Stückes werden von anderen Berichterstattern zwar milde getadelt, doch das
Lob überwiegt klar: es ist ein ernstes Schauspiel, das den bekannten Stoff
interessant darstellt, die Handlung ist einfach, aber originell und ziemlich
geschickt geführt, der Dialog hat dramatische Frische und ist in der schönen,
edlen, durchaus gewählten Sprache verfaßt (Die Donau, Der Zwischen-Akt,
Die Debatte, Ig. Α., Blätter für Theater, Musik und Kunst, Wiener Theater
Chronik, Theater-Figaro). „Erfolgsichernd" werden die patriotischen und
zeitgemäßen Anspielungen genannt (Die Debatte). „Müller hat Schwung,
Wärme und seine Bilder sind oft von treffender und eigentümlicher Art", wenn
ihm auch noch die Fähigkeit der dramatischen Bündigkeit fehlt. Es ist eine
natürliche Folge „unseres noch jungen, freien politischen Lebens in Österreich,
die Wirkung der neuhumanistischen Zeit (...), unter deren Macht die Parteien
sich scharf sondern, die Blicke und Urteile noch schwankend sind" (Ig. Α.,
Blätter für Theater, Musik und Kunst).
Nicht so deutlich positiv, aber eher wohlwollend, ohne Vorwürfe, mit
Hervorhebung der äußerlichen „Zutaten" sprechen die Rezensenten der ,Morgen-Post', des ,Fremden-Blattes' und der .Neuen Freien Presse' über die Vorstellung. J. Oppenheim in der ,Presse' beschäftigt sich ausschließlich mit dem
dramatischen Wert des Stückes, und der scheint ihm miserabel. Die historischen
Personen, wie Starhemberg und Sobieski, erregen kein Interesse. Der letztere
macht sich bemerkbar „nur durch das hübsche Pferd aus der Roth'schen
Reitschule". Kara Mustafa und Ibrahim Pascha erinnern nur an die an den
Trafiken gemalten rauchenden Türkenfiguren, die Heldin läuft „wie ein
schlechtgezahltes Klageweib flennend durch das ganze Stück". Und dazu wird
in dem Stück geredet oder eher peroriert ohne Erbarmen. Auf die dramatische
Unzulänglichkeit des Dramas weist auch der Kritiker des .Neuen Wiener
Fremdenblattes' hin - hochtrabende Reden anstatt Handlung, ungenügende
Zeichnung der Charaktere, die wie im Traumdasein auf der Bühne wandeln.
Ernst ins Kreuzfeuer gerät der Verfasser erst in den letzten drei Kritiken. Im
.Wanderer' ist sein Werk als „saftloses, schleuderhaftes Machwerk, das sich nur
durch unschöne Kraftstellen und durch eine Überfülle von Gemeinplätzen und
Kasimiriaden" auszeichnet, abgefertigt. Der Waffenschmied „hält süßliche,
langweilige Reden, als wollte er Reichskanzler werden", im ganzen Stück
findet sich „kein gesunder Gedanke, kein frisches Wort". Im Lob des Kritikers
J. J. K. für den Theaterfriseur Reinisch fur treffliche Masken gipfelt die rücksichtlose Veruruteilung der ganzen Aufführung. Sigmund Schlesinger im
,Neuen Wiener Tagblatt' interessiert sich ausschließlich für die politische Aussage des Dramas. Er sieht in ihm nur eine deutliche Reklame der Politik, die
der Reichskanzler Beust mit dem angestrebten Bündnis mit Frankreich, das als
Sicherung der Expansion auf den Balkan und gleichzeitig als eine Allianz gegen
Preußen dienen sollte, damals verfolgt hatte. Diese Meinung läßt sich insofern
nicht von der Hand weisen, als damit das umfangreiche, obenangeführte Zitat
aus Jobsts Rede, das mit der Lage Österreichs im Jahre 1683 nicht viel gemeinsam hat, wohl aber mit der Situation im Jahre 1869, erklärt wäre.
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Das J a h r 1683 i m D r a m a und a u f der B ü h n e
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Von beiden Seiten, der literarischen und der politischen, greift die Rezension Müller in der .Allgemeinen Volks-Zeitung' an. Der Kritiker meint, daß
von fünf Akten des Stückes viereinhalb überflüssig sind. Das Wort „Vaterland"
wird in den Tiraden so unbarmherzig strapaziert, daß es „zum Davonlaufen"
ist. Und: „wenn unser Patriotismus nicht aufbesseren Stützen ruht, wenn wir
uns jeden Abend im Theater die Liebe zum Vaterland vorbrüllen lassen müssen,
weil wir sonst darauf vergessen könnten, dann ist's damit ohnedies schlimm
genug bestellt." Müller soll eher seinem Urteil glauben, als dem jener, die „aus
welchem Grunde immer" einen dauerhaften Erfolg versprechen. „Er wird's ja
erleben!"
Der letztzitierte Kritiker sollte Recht behalten. Trotz der prächtigen,
wirklich effektvollen, sogar luxuriösen Ausstattung, trotz wirkungsvollen
Kampfbildern und glanzvollem Einzug Sobieskis, trotz schöner Dekorationen
und prächtiger Kostüme wurde das Schauspiel nur siebenmal aufgeführt und
dann abgesetzt.
Es soll noch bemerkt werden, daß der von einigen Rezensenten erwähnte
Applaus von der Claque mit „Geheule, Gejohle und Gebrüll (...) mit Händen
und Füßen und Stöcken" erzeugt wurde (Allgemeine Volks-Zeitung, Wanderer). O b dieser außergewöhnliche Applaus von der Theaterverwaltung oder
von einer anderen Seite arrangiert worden war, ist unbekannt. Dieses Beifallsgeschrei stimmt irgenwie mit der Milde und sogar dem Gefallen einiger
Kritiker an dem Stück zusammen. In beiden Fällen könnten politische Gründe
im Spiel gewesen sein. Wir wissen zum Beispiel, daß die Phrase „Die Geistlichen haben kein Vaterland" heftig beklascht wurde, was im Jahre 1869, kurz
vor der Kündigung des Konkordates und in der Zeit der antiklerikalen Gesetze
besonders aktuell klang. Vermutlich eben in der antiklerikalen Färbung liegt
die Ursache des auffallenden Unterschiedes in der Beurteilung dieses und des
nachfolgenden Dramas.
Nicht ganze vier Monate nach der Premiere des Müllerschen Stückes kam
es auf der Hofbühne zur Uraufführung des „Schauspiels in 5 Akten aus Wien's
Geschichte" von Hippolit Schaufert, das den knappen Titel ,1683' hatte. Das
ungedruckte und auch in der Handschrift nicht erhaltene Drama ist uns aus den
zahlreichen, umfangreichen Rezensionen hinlänglich bekannt. Der Inhalt wird
nach der einzigen wohlmeinenden Kritik wiedergegeben:
A m b r o s i u s Frank, Bäckermeister und Mitglied des äußeren Rates, besitzt eine Tochter
Adelheid, welche sich freiwillig mit d e m geckenhaften Niederlügner Augustin Peikhardt verlobt. In diesem Augenblick k o m m t die Nachricht von dem Anrücken der
Türken. D e r wohlfrisierte Lion Peikhardt denkt sogleich an feige Flucht, während die
schöne Adelheid sich von der B e g e i s t e r u n g ihres Vaters hingerissen fühlt und jeden
Gedanken an Flucht v o n sich weist. In diesem patriotischen Gefühle begegnet sie sich
mit ihrem verschmähten Verehrer, d e m Bäckergesellen Antonius Schärdinger. W o es
gilt, die B ü r g e r zu ermutigen, Freischaren zu bilden, d e m Feinde kühn die Stirn zu
zeigen, ist Antonius stets der erste. Er w i r d dafür von Starhemberg öffentlich belobt
und Adelheid kredenzt ihm auf Befehl des Oberfeldherrn den Weinpokal, aus dem
soeben die Führer getrunken haben. Diese Szene bringt in ihrem Herzen eine erklärliche U m w a n d l u n g hervor: der Vergleich zwischen ihrem verschwundenen Verlobten,
dem feigen Peikhardt und d e m braven Antonius kann nur zu Gunsten des Letzteren
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Jerzy Got
ausfallen. A d e l h e i d liebt ihn. D i e w e i t e r e V e r w i c k l u n g besteht n u n darin, d a ß A n t o n i u s
bei e i n e m A u s f a l l e z u r ü c k b l e i b t - w i e m a n g l a u b t , in den H ä n d e n des Feindes. A d e l h e i d
w i r f t sich in M ä n n e r k l e i d e r , u m zu k ä m p f e n . P e i k h a r d t w i r d in e i n e m Keller v e r b o r g e n g e f u n d e n u n d v o n S t a r h e m b e r g z u m T o d e verurteilt. D a erscheint A n t o n i u s ,
w e l c h e r sich g l ü c k l i c h g e r e t t e t hat u n d die K u n d e v o n d e m N a h e n des Entsatzheeres
b r i n g t . Er erbittet sich u n d erhält als seine B e l o h n u n g das Leben Peikhardt's. A d e l h e i d
w i r f t d i e s e m ihren V e r l o b u n g s r i n g v o r die Füße. In d e m H e r z e n A n t o n i u s ' regt sich
das G e f ü h l des verletzten S t o l z e s u n d d r o h t seine L i e b e zu besiegen. A d e l h e i d w i r d
w ä h r e n d der letzten e n t s c h e i d e n d e n S c h l a c h t v e r w u n d e t . A n t o n i u s erhält die K e n n t n i s
v o n ihrer i n n i g e n L i e b e f u r ihn u n d B e i d e w e r d e n vereint.
Schon diese ernst gemeinte Zusammenfassung in der einzigen Theaterkritik, die dem Stück Anerkennung spendet und den Verfasser verteidigt,
enthüllt unwillkürlich einen Teil der Schwächen des Stückes - die Einfachheit,
wenn nicht Einfalt der Vorstellungen des Verfassers. Es wäre aber ein Fehler,
ihn des O p p o r t u n i s m u s zu verdächtigen, den wir bei Müller vermuten konnten. Der ehemalige Polizeikommissar kleiner Städte in der Pfalz hatte mit
seinen dramatischen Werken längere Zeit keinen Erfolgt erreicht, bis ihm mit
der von der Burgtheater-Intendanz mit dem ersten Preis unter 197 eingelangten
Stücken ausgezeichneten K o m ö d i e .Schach dem K ö n i g ' ein verdienter Durchbruch gelang. Er k a m nach Wien, wurde zum bewunderten Liebling der
noblen Gesellschaft; eine große Z u k u n f t des deutschen Lustspiels wurde von
ihm erwartet. Selbst die Mutter des Kaisers, Erzherzogin Sophie, hat sich seiner
a n g e n o m m e n und ihn zum Verfassen des unheilbringenden Dramas über die
Belagerung Wiens angeregt. Seine in diesem Stück so aufdringlich und manchmal primitiv vorgetragenen christlich-patriotischen Äußerungen waren jedoch
sein eigenes Gut und seine tiefe, ehrliche U b e r z e u g u n g . Er hat später, in seinem
von der Zensur verbotenen D r a m a , Vater B r a h m ' , dieselben Gedanken in einer
anderen, christlich-sozialen Richtung weitergeführt, indem er einen Kriegsruf
gegen den Kapitalismus i m N a m e n des katholischen vierten Standes erhob.
S o w o h l seine kurz vor dem T o d geschlossene Ehe mit Maria Görres, der
Enkelin von J o s e f Görres, wie auch seine unveröffentlichten Hymnen auf den
Papst bescheinigen die Echtheit seiner Gefühle, seiner Ansichten und seiner
Ideologie.
Die Ehrlichkeit des Dichters konnte aber weder die Unzulänglichkeit und
die Gebrechen des Stückes decken noch die Bühnenkatastrophe vermindern.
Die einzige positive, schon zitierte Theaterkritik in dem reaktionären, antisemitistischen .Vaterland' geht von der allgemeinen Beurteilung des Wiener Publikums und dessen Weltanschauung aus. In Wien fuhren nun nicht die Starhembergs und Kollonitsch das große W o r t , sondern die jüdischen Bankiers. Hier
strebt man nicht das Christentum gegen die Ungläubigen zu verteitigen,
sondern überläßt diesen „mit häßlicher Resignation das Feld". Unter diesen
Umständen kann nur ein D r a m a E r f o l g haben, w o Cancan getanzt wird und
w o man den „Repräsentanten des auserwählten Volkes als ein Ideal von Rechtschaffenheit, Uneigennützigkeit und Edelmut erscheinen" läßt. „Gott und Vaterland" ( . . . ) sind ein für alle Mal von der Bühne verbannt".
Es darf auch Wien als Hauptstadt der Christenheit nicht gepriesen werden,
„da es doch weit mehr diejenige Israel's ist". Von diesem Standpunkt betrachUnauthenticated
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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tet, erscheinen dem Kritiker sämtliche Schwächen des Dramas als lauter V o r züge.
Entgegen dieser Lobesstimme des .Vaterlands' sind die Meinungen der
übrigen Wiener Kritiker einhellig vernichtend, manchmal voll des Hohnes.
Vornehm zurückhaltend hat sich nur die .Wiener Zeitung' aus der Affäre
gezogen: „Die Ablehnung ist keine unverdiente" (Wiener Zeitung).
Zur allgemeinen und oft malizösen Verurteilung des Stückes und dessen
Auffuhrung haben zwei zufällige Tatsachen beigetragen. Die erste: Das Drama
wurde im Burgtheater aufgeführt, von dem man wesentlich mehr als von
anderen Bühnen zu fordern und zu erwarten gewohnt war. Zweitens — eine
nicht zahlreiche Gruppe der Anhänger Schaufferts, durch die Claque unterstützt, hat den Verfasser dreimal hervorgerufen. Dieser erschien als SalonFigur, mit frisch gemachter Frisur, im tadellosen Frack, glänzenden Lackstifletten, prächtigem Zylinder und mit weißen Glaceehandschuhen. Er war offensichtlich schlecht beraten. Ein anscheinend belangloser Fehler, unter den U m ständen aber ein verhängnisvoller. Der läppische Applaus für das mißlungene
Drama und den geckenhaften Autor hat die Kritiker in blinde W u t versetzt.
N u r am Rande der umfangreichen boshaften Äußerungen waren einige von
ihnen fähig, die gelungenen Fragmente des Stückes zu würdigen oder die
Schuld an diesem Debakel dem Theater zuzuschreiben. Dieses hätte das Stück
erst überhaupt nicht zur Auffuhrung annehmen, und wenn schon, es dann
durch kräftige Striche und geschicktere Inszenierung von den unwillkürlich
komisch wirkenden Stellen befreien sollen (Neues Wiener Tagblatt 1869, N r .
333; S. Schlesinger, Neues Wiener Tagblatt 1869, N r . 334; Allgemeine Theater
Zeitung; J. Geiger, Morgen-Post; Neues Fremden-Blatt; — r., N e u e Freie
Presse). Sonst regnet es beißenden Spott - Gift und Galle. Das Drama ist
kindisch naiv, verrät die Unkenntnis der zahllosen W e r k e über die Belagerung,
das Publikum kennt den Stoff besser als der Bearbeiter, dessen Dilettantismus
sich überall verrät. (Dr. G -η, Wanderer; Neues Wiener Tagblatt 1869, N r . 333;
S. Schlesinger, Neues Wiener Tagblatt 1869, N r . 334; O., Blätter für Theater,
Musik und Kunst; J. J. K., Die Tages-Presse). Zerissene Szenen, deren chaotische Reihenfolge in den letzten drei Akten beliebig geändert werden kann, ein
Sammelsurium von 49 Szenen, von denen 3 gefielen, w u r d e mit 30 Personen
oder eher puppenhaften Gestalten ausgestattet, die d e m sprechenden Bilderbogen, nicht aber den lebenden Menschen glichen (St., Wiener Theater C h r o nik; Fremdenblatt; O., Blätter für Theater, Musik und Kunst; Neues FremdenBlatt; Allgemeine Volks-Zeitung; Die Presse; N e u e Freie Presse). Weitbauschige, langatmige Deklamationen, unerquickliche Redseligkeit, leere, effekthaschende und phrasenhafte Sprache, w u r d e n so gnadenlos wie die Tendenz
des Dramas verurteilt (S. Schlesinger, Neues Wiener Tagblatt 1869, N r . 334;
Fremdenblatt; O . Blätter für Theater Musik und Kunst; D r . G -η, Wanderer;
Die Presse). Verhöhnt wurden sowohl die „ermüdende Geschmacklosigkeit der
Loyalitätsdeklamationen", die „unleidlichen patriotischen Deklamationen" als
auch die unendlichen Phrasen „von Gott, Gebot und Christenheit", die mit der
„pretentiösen Miene eines völlig apostoÜschen Ernstes" an einen „dramatisierten Hirtenbrief" denken ließen. „Die Hauptrolle im Stück spielt der liebe
Herrgott, der (...) in jedem M u n d e der dreißig handelnden Personen jedes
dritte und vierte W o r t ist. Nächst dieser Gottseligkeit ist es ,Se. kaiserliche
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Jerzy Got
Majestät', von welcher das mit dickstem Patriotismus geschmückte Stück
geradezu trifft" (Neues Wiener Tagblatt 1869, Nr. 333; S. Schlesinger, Neues
Wiener Tagblatt 1869, Nr. 334; St., Wiener Theater Chronik; Fremden-Blatt;
Dr. G —n, Wanderer; Die Presse,J.J. K., Die Tages-Presse;J. Gaiger, Morgenpost).
Nicht nur über das Fiasko des Abends berichtet man, sondern auch über
die „lustige Einsargung", bei welcher das Publikum gezischt, gelacht und
endlich die Flucht ergriffen hat (Allgemeine Theater Zeitung; Allgemeine
Theater Chronik; Der Zwischen-Akt; Fremdenblatt; Dr. G-n, Wanderer;
Neues Fremden-Blatt; die Presse; Neue Freie Presse). Die nachlässige Inszenierung hat der Aufführung den Rest gegeben und nach zwei Vorstellungen
verschwand das Stück aus dem Repertoire. Nach zweieinhalb Jahren ist offensichtlich der peinliche Theaterabend aus der Erinnerung verschwunden und im
Nekrolog des irregeführten Verfassers konnte man lesen: dessen „Stück ,1683',
das 1869 vor das Publikum kam, hatte ebenfalls vielen E r f o l g . . . " (Wiener
Theater-Figaro 1872, Nr. 17).
In der Unmenge der Vorwürfe und in den Ausbrüchen des Spottes gab
es doch einige interessante Versuche der tiefergreifenden Analyse, die nach der
Feststellung der allgemeinen Ursachen des Mißerfolges trachtete.
Als eine um diese Zeit aktuelle Ursache wurde das zu den noch immer
lebhaften und schmerzlichen Erinnerungen an die Schlachten bei Magenta und
Solferino, bei Königsgrätz, an die Ergebnisse der beiden Kriege, peinlich
unpassende „hochtrabende Phrasentum über Österreichs Waffenglück" genannt. „Das Siegestrunkene" war in dieser Zeit fehl am Platz (Dr. G-n.,
Wanderer; O., Blätter für Theater, Musik und Kunst). Eine generelle Schwierigkeit, die Begeisterung des Publikums für den geistigen Inhalt solcher Dramen zu entfachen, sah ein Kritiker in der Tatsache, daß Wien eine Hautstadt
des Vielvölkerstaates ist und dessen Bewohner „Niederösterreicher, Oberösterreicher, Ungarn, Steirer, Böhmen, Mährer, Tiroler, Juden, Griechen und so
weiter" sind. Es fehlt also das einheitliche nationale Interesse des Publikums an
dem historischen Geschehen, das zum Beispiel, unter ähnlichen Umständen, in
Paris nicht gefehlt hätte (X. R., Allgemeine Volkszeitung). Noch etwas wurde
hervorgehoben - einerseits die nachhaltige Wirkung der Theatertradition, wo
seit langem ein Türke zur komischen Figur bestimmt worden war, also als
Dramaperson schwer ernst zu nehmen war. Andrerseits - kurz gefaßt - „wir
hassen den Feind von damals nicht mehr", „ein Apell an das Volksbewußtsein
und an die Volksempfindung" trifft ins Leere. „Darum wird mit Franzosenstücken zum Beispiel, mit Preußenstücken immer noch fortreißende Wirkung
zu erzielen sein" (S. Schlesinger, Neues Wiener Tagblatt).
Diese Bemerkungen, die wir dem Schauffertschen Stück verdanken, betreffen nicht nur dieses allein, sondern weisen auf die Hindernisse hin, mit
welchen sämtliche Belagerungsstücke behaftet waren.
Das geschichtliche Volksstück in sechs Bildern von Friedrich Kaiser ,Pater
Abraham a Santa Clara' bezieht sich direkt auf die Belagerung nur in einem,
dem fünften Bilde. Die historischen Ereignisse sind aber auf eine einzige
Zeitspanne zusammengezogen, da sowohl die Ernennung des Paters zum
Hofprediger (1677) als auch die Pest in Wien (1679) in das Jahr 1683 versetzt
werden. Die an sich eher selbständigen Bilder werden durch die Person des
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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Augustiners und durch die Liebesintrige zusammengebunden. Im Vergleich
mit den vorher erwähnten Werken ist es ein gelungenes, publikumswirksames
Volksstück, das einige recht interessante Züge aufweist. Der Aufgabe der
allseitigen Schilderung der Persönlichkeit des Mönches ist zwar Kaiser nicht
gewachsen, die Liebesgeschichte entbehrt nicht der verbrauchten Klischees
(uneheliches Kind, am Ende vom reichen, adeligen Vater anerkannt), doch die
Handlung ist abwechslungsreich, es herrscht viel Leben auf der Bühne, und an
den hier nur skizzierten Charakteren gibt es einen Reichtum, der die Tiefe
völlig ersetzt.
Der Titelheld ist ein derb-witziger, kernguter Kerl, dessen Lebenserfahrung ihn gelehrt hat, daß die aktive Tätigkeit zum Wohl der Menschen mehr
dem Geist des Christianismus entspricht als lange Gebete in der Kirche, und daß
die höheren Kreise, den Klerus Inbegriffen, ein Pack von Schurken seien.
Charakter und Herz hat nur das gemeine Volk, besser gesagt - die Bürgerlichen. Das wirklich gemeine Volk nämlich, wie die Figuren des Bänkelsängers
Augustin, der Kellnerin Sali und des gewesenen Dieners, dann Wirts Tollinger
(Inhaber der „verrufensten Schenke der ganzen Stadt") belehren, ist oft falsch,
geldgierig und niederträchtig.
Dem Kleinbürgertum gehört die Zukunft, was durch den Ritterschlag des
tapferen Antons und seine Ehe mit der reichen Baronesse jedem klar gemacht
wird.
Das Bild der besseren Gesellschaft ist trüb: die Höflinge sind feige, listig
und eifersüchtig, der höhere Adel dumm, verschwenderisch, scheut sich vor
keiner Untat, um zu Geld zu kommen, und wird von Abraham a Santa Clara
zum bestehn gehalten.
Die Geistlichen sind in der Mehrheit habsüchtig und ohne Verständnis fur
das Schiksal der Menschen. Selbst der Kaiser zeigt sich nicht von der besten
Seite. Zwar erhebt er am Schluß des Stückes den jungen Helden in den
Ritterstand, doch sonst wird er (zweimal) nur ein Opfer der Kabalen seiner
Günstlinge.
Zu den einigermaßen originellen Figuren gehören Laikus, ein Novize des
Augustiner-Ordens, und der Volkssänger Augustin. Laikus, ein ehemaliger
Soldat, tritt aus dem Orden aus, kehrt zum Militär zurück und heiratet.
Augustin, sonst von den Autoren liebevoll behandelt, wird hier als ein liederlicher, gemeiner Trunkenbold dargestellt, der für Geld und Wein alles zu tun
fähig ist. Als der brave Laikus ihm seine Gehebte nimmt, tut das niemandem
leid. In seinen Liedern jedoch zeigt er Begabung.
In der Reihe der Belagerungsdramen erscheint hier zum ersten Mal eine
in der Wiener Volkskomödie schon gut bekannte und fast unentbehrliche
Figur, ein Wiener Tscheche, der Tischler Spanizek. Er böhmakelt munter
durch das ganze Stück und ist eine durchaus sympathische Erscheinung. Er ist
ein überzeugter Österreicher, wie er das in seinem besten Deutsch bekräftigt:
„Satrazene, wer mich nochmal schimpft auf Landsmann böhmische, schlag ich
Kup ein!" (I, 8).
Die historischen Personen sind hier ohne Bedeutung, sie bilden nur einen
dürftigen Hintergrund. Koltschitzky erscheint zwar auch als mutiger Kundschafter in diesem Stück, doch ist er nur eine Randfigur. Die Polen werden
erwähnt („unser edler Bundesgenosse, der Polenkönig Sobieski") und erUnauthenticated
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Jerzy Got
scheinen dann, nach der gewonnenen Schlacht, in dem Triumphzug: „Sobieski
zwischen dem Herzog von Lothringen und dem Grafen Starhemberg, die er
beide umschlungen hält, polnische und deutsche Generäle." Das einzige, was
König Jan zu sagen hat, ist: „ich leere den Pokal auf das Wohl Wiens und seiner
tapferen Bürger." Er wird jedoch von Abraham Befreier der Christenheit
genannt (V, 12). Starhembergs Rolle ist ähnlich bescheiden, er hat in zwei
Bildern insgesamt drei Sätze zu sprechen.
Das interessanteste an diesem Stück scheint eine Reihe von Äußerungen
Abraham a Santa Claras zu sein, die insgesamt romfeindlich zu nennen sind.
Anfangs schimpft er nur allgemein die Leute, die den Menschen „statt
Glauben Aberglauben beigebracht haben", um sie leichter zu regieren (III, 3)
und bedauert das gesunkene Ansehen der Geistlichkeit (III, 8). Dann, von seinen
Feinden, den „großen Herren", und den neidischen Wiener Priestern falsch
beschuldigt, wird er vom General der Augustiner in Rom als Prior suspendiert
und in ein kleines Kloster verschickt. Er flieht von dort, um an der Verteidigung der Stadt teilzunehmen, und meint: „Was General-Prior in Rom! Wien
ist zweite Heimat, und ich bin des Kaisers Untertan" (V, 5). Endlich durch die
Vermittlung Kollonitsch's in seine Würden zurückversetzt, wendet er sich an
den Kaiser mit der Bitte:
W a s an mir geschehn, das zeigt, daß das nichts taugt, wenn über die Priesterschaft, die
dahier ihre Pflicht übt, ein General-Prior in R o m entscheidet. W i e kann der Mann bei
dem besten Willen, unserm Lande so fern, wissen und beurteilen, wie wir uns unserm
Volk gegenüber halten sollen? Kennt er das Volk? Nein! Kennt er dessen geistige
Entwicklung und Bedürfnisse? Nein! W e i ß er, was nottut, u m nach den schweren
Zeiten, die Oesterreichs Völker durchgemacht haben, den wahren Glauben von eingerissenem U n - und Aberglauben zu reinigen? Nein! W e n n wir nach unserm Einseh'n
und Gewissen wirken sollen, darf uns kein Befehl z u k o m m e n aus so entlegnem Land',
- dürfen wir nicht das Opfer von Verleumdungen werden, die auf dem weiten W e g '
von einer M ü c k e zum Elefanten anschwellen! D a r u m , Majestät! wollt' mir allergnädigst U r l a u b erteilen, daß ich nach R o m zum Papst selbst reis' und unserm Orden
die Unabhängigkeit von römischen Verfügungen erwirk'. ( . . . ) und nicht eher soll
mein Fuß wieder die Schwelle meines Klosters betreten, als ich meinen Brüdern die
Freudenkunde bringen kann: Unabhängig von R o m !
Mit den Worten „Unabhängig von R o m " endet das Stück.
Das Werk wurde zuerst auf mehreren Provinzbühnen - Krems, Graz,
Troppau, Reichenberg in Böhmen, Pilsen, Carlsbad - in den Jahren 1871 und
1872 aufgeführt, bis es dann im Theater in der Josefstadt, am 27. Februar 1873,
seine Wiener Premiere hatte. Diese wurde von der Kritik überwiegend freundlich begrüßt. Der Humor, die brillante Charakteristik, die bühnentechnische
Geschicklichkeit des Verfassers, die natürlichen und doch spannenden Situationen, der kräftige Dialog ernteten manchmal übertriebenes Lob. Weiters
wurden hervorgehoben: der sittliche Ernst, der sich günstig von dem üblichen
Repertoire der Wiener Vorstadtbühnen - Pariser Operetten und Ehebruchstükke — abzeichnet, sowie auch der Verdienst Kaisers, die zu unrecht vergessene
und so verdienstvolle Person des Predigers dem Publikum in Erinnerung
gebracht zu haben (Die Donau; Das Neue Fremden-Blatt; Neue Freie Presse;
Morgen-Post). Im allgemeinen hat man sich auf den Namen eines Effekt- und
Zugstücks geeinigt. Die Aufführung gab auch Anlaß zu einem Feuilleton in
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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dem .Illustrierten Wiener Extrablatt' (Nr. 59), in dem O. F. Berg die Verdienste
Kaisers in der Pflege des Volksstückes der Vorliebe für die aus Frankreich
importierten blödsinnigen Operetten gegenüberstellte. Auch in der ,Donau'
(Nr. 9) wurde nach zwei Wochen gutbesuchter Vorstellungen mit Zufriedenheit festgestellt, daß das Stück auch ohne Cancan und ohne Ehebruch erfolgreich ist.
Die strengeren Kritiker haben jedoch mit Vorwürfen nicht gespart: die
historischen Personen sind nur blaße Silhouetten, die übrigen haben fast keine
Eigenschaften der Epoche, „historisches" Volksstück könne man es also nicht
nennen. Die Wirkung wird teilweise durch die den Werken des Paters entnommenen Sentenzen „eine Anthologie Pater Abraham'scher Kemsprüche" erzielt,
der Sarkasmus des Predigers ist nur in den zwei ersten Bildern spürbar, dann
ist er nur noch ein „sentimental schwärmerischer Pfarrer" (Neues FremdenBlatt; Fremden-Blatt, Neues Wiener Tagblatt; Neue Freie Presse).
In zwei Berichten wird auf die Aktualität des Stückes eingegangen. Die
Schilderung eines liberalen Priesters entspricht der momentanen Wiener Zeitströmung - meint der Kritiker der .Blätter für Theater, Musik und Kunst'.
Näher erörtert das Problem .Die Tages-Presse': „Die maßlosen Übergriffe der
(kirchlichen - J. G.) Hierarchie, wie sie namentlich in unserer Zeit wieder ihr
für den Staat wie für die Familie unheilvolles Wesen treibt ( . . . ) , mochten
Friedrich Kaiser auf den Gedanken gebracht haben, dem Volke einmal einen
echten Priester, einen Priester, wie er sein soll, vorzuführen." Mit den Anspielungen auf die Verhältnisse der Kirche zum Staate und zu den Privatpersonen war „nicht gespart worden" und die haben „zündende Wirkung"
hervorgebracht - meint der Berichterstatter. Jedenfalls wurde das Stück zum
Theatererfolg, es kam vierzigmal en Suite zur Aufführung.
Von den Urteilen der Rezensenten über die drei zuletzt besprochenen
Stücke - die Müller's, Schauffert's und Kaiser's — wäre zu schließen, insofern
diese Stimmen als repräsentativ für größere Gesellschaftsgruppen betrachtet
werden können, daß in den Jahren 1869—1873 einige allgemein aktuelle Gefühle
und Meinungen in den Belagerungsdramen ihren Niederschlag gefunden haben und entweder regen Beifall oder schroffe Ablehnung bei beträchtlichen
Teilen der öffentlichen Meinung erweckten. So wurde infolge des nationalen
Traumas nach den unglücklichen Kriegen jeder bombastischen WafFenprahlerei eine Abfuhr erteilt, dagegen erfreuten sich die Äußerungen, die durch die
feurige Darstellung der mißlichen Lage zur Wiederherstellung der früheren
Macht rufen, einer unbestreitbaren Popularität. Willkommen waren auch die
Proteste gegen den Einfluß der Kirche auf das Staatsleben und — im Gegensatz
dazu - wurde das vorbehaltslose, aufdringliche Lob der Regierenden gleichwie
die salbungsvollen, glaubenseifrigen und kirchentreuen Deklamationen zurückgewiesen.
In dieser kurzen Periode mengen sich die Belagerungsdramen am deutlichsten in das öffentliche, aktuelle Leben und die Absicht, dieses zu beeinflussen,
kommt am stärksten zum Vorschein.
Auf dem Gebiete der Repertoiregestaltung mehren sich die Stimmen gegen
die Übersättigung mit französischen Operetten und — meistens auch französischen - Ehedramen.
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Jerzy Got
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N u r am Rande des Themas bleibt die Komödie von K. Bohrmann .Majestät'. Der Verfasser, damals Direktor des Preßburger Theaters, inszenierte selber
sein Werk auf dieser Bühne (26. Feber 1877). In dem Stück werden die französischen Intrigen auf dem Warschauer Königshof dargestellt, deren Hauptziel die
Verhinderung der polnischen militärischen Hilfe gegen die Türken im Jahre
1683 sein soll. Eine der Hauptrollen hat der österreichische Gesandte, Graf
Waldstein.
Die Komödie, von anonymen Korrespondenten weidlich gelobt, wurde
nur zweimal gespielt. Angeblich sollte sie sich durch feine Komik, treffliche
Intrige und offensichtliche historische Studien auszeichnen. Sie wurde sogar als
„hervorragende Erscheinung der deutschen Bühnenliteratur" gepriesen (Wiener Theater Chronik; Tydzien Literacki, Artystyczny, Naukowy i Spoleczny).
Da der Text nicht erhalten geblieben ist, kann man die Zweifel an diesem Urteil
nicht begründen, doch ist anzunehmen, daß die Komödie nicht zu unrecht in
Vergessenheit geraten ist.
Ein im Jahre 1878 erschienenes Genrebild von Anton Langer ,In der
Brigittenau 1683' gehört nicht zu seinen Bühnenerfolgen, wie z.B. die Possen
,Vom Juristen tage' oder ,Eine verfolgte Unschuld'. Es ist ein anspruchloses
Bildchen, das die Belagerung nur als Hilfsmittel zur Durchführung der Liebesintrige benützt.
Als der brave Forstmeister in der Brigittenau zusammen mit einigen
Flüchtlingen aus Nußdorf, die bei ihm leben, am Abend des 11. September 1683
sich nach dem Kahlenberg auf den Weg macht, bleiben seine Tochter und die
Weiber und Kinder der Flüchtlinge unter der Obhut seines Forstjungens.
Dieser, namens Pietro Galli, ist ein Schurke. Er bedrängt Martha, des Forstmeisters Tochter, mit seiner Liebe, und als diese ihm gesteht „Mein Herz gehört
einem Anderen", schwört er Rache. Er läßt die Türken kommen, um mit ihrer
Hilfe sich des Mädchens zu bemächtigen, wird aber von ihnen erst beschimpft,
dann gerechterweise (hinter der Bühne) erschossen. (Genau dasselbe Schema,
das wir schon aus Püchlers ,Brigittenau' kennen, und das später, mit unwesentlichen Änderungen, von Landsteiner [1883] übernommen wird.) Martha ihrerseits erschießt den Aga und „die Fenster des Forsthauses öffnen sich, die Weiber
und Kinder feuern aus denselben". In dieser lebhaften Szene erscheint Martha
„weiß angezogen, mit wallendem Haare, ein Myrthenkränzlein in demselben".
Marthas Liebhaber ist ein tapferer Kürassier, der nach der Entlarvung Koltschitzkys durch die Türken die Aufgabe des Boten von Starhemberg zum
Herzog von Lothringen übernimmt. Pietro scheint allen, außer dem guten
Forstmeister, gleich verdächtig („i trau dem Wälschen nix Gutes zu" - sagt eine
Frau aus Nußdorf), blickt finster und sorgt für die effektvolle Schlußszene.
Martha ist eine Heldin schlechthin, die sich im Falle des Todes ihres Geliebten
ins Kloster begeben will. Wenn die Türken siegen sollten, bittet sie Gott nur:
„laß uns gut österreichisch sterben"
„Ein närrischer Kauz, aber ein ehrlich österreichisches Herz" ist Chirurg
Seitler, genannt Dr. Zipf. Seine Komik beruht hauptsächlich auf Wortverstümmelung (Achkitz statt Achkatzel, Voßprezier und Soßgrepier statt Großwesir),
er möchte sich an Kara Mustafa rächen, indem er ihm alle Zähne langsam
reißen will. Seine Angehörigkeit zur Wiener medizinischen „Difficultät" ehrt
diese nicht übermäßig, umsomehr, als er sich rühmt, daß während der Pestzeit
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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von seinen 20 Parienten nicht mehr als 19 gestorben sind. Einen Hinweis auf
die Abstammung dieser Figur gibt es in einer ernsten Szene, wo der Verfasser
fordert: „Dr. Zipf darf hier nicht durch Lazzi stören." — Er und die Nußdorfer
sprechen mehr oder weniger Wiener Dialekt (Nöt's kloanste Schinackel", „I?
U m koan Gschloß"), die anderen Personen hochdeutsch. Die Nußdorfer und
Marthas Vater sind so patriotisch, daß sie einander versprochen haben, „keinen
Tropfen Wein zu trinken, so lang die armen belagerten Wiener vielleicht nicht
genug Wasser zu trinken.haben".
Noch weniger anspruchsvoll, noch mehr „volkstümlich" und noch mehr
Wienerisch ist das kleine Genrebild von C. Metzenhofer ,Die Türken vor
Wien'. Es ist gänzlich im Wiener Dialekt geschrieben und spielt in der Familie
eines kleinen Schustermeisters. Die Handlung ist in einem Satz zu erzählen. Am
Ende der Belagerung erreicht der pfiffige Lehrjunge durch eine einfaltige List
seine Freisprechung und bekommt die Tochter des Meisters zur Frau, wobei
zuerst ein türkischer Pantoffel und dann die türkische Verkleidung des Burschen eine sehr wichtige Rolle spielen.
Die Sprache ist wie gesagt Wienerisch, aber selbstverständlich ganz modern. Die einzige ernste Einlage im ganzen Stück ist am Anfang die Bemerkung
der Wirtschafterin des Schusters (der komischen Alten):
„Das is die Malefizg'schicht, daß mir Weaner mit unserer Guatheit überall
verlassen san ( . . . ) , wann wir dann z'Grund gangen san, so ham unsere Nachbarn a Feud!" Der Lehijunge nennt seinen künftigen Schwiegervater „Dalkendüppl" und als er den ominösen Pantoffel gefunden hat, sagt er zu seiner
Geliebten: „weg'n dem muß do' der Schlapfen zu unser'm Glück fuhr'n". Der
Meister droht seiner Tochter, daß er sie aus dem Haus jagen wird, „wann dö
G'spusi mit dem Buam ka End* nimmt". Doch schließlich muß er zugeben:
„No i siech's es nutzt mi nix — dupirt bin i — und mein Versprech'n hob i geb'n,
so soll's a so bleib'n."
Ein wenig befremdend wirkt in diesem Schwank der Schlußchor sämtlicher vier Personen, wo die Reichsidee zum Ausdruck kommt und w o es u. a.
heißt:
Östr'reichs Völker treu und stark,
Von Tirol und Steiermark,
Von der Elbe, Donau, Inn
Bis zu den Karparthen hin.
Das Jubiläumsjahr
1883 im Theater-
der halbe Erfolg
Als im Wiener Gemeinderat die Besprechungen über die künftigen Feierlichkeiten zum zweihundertjährigen Jubiläum des Entsatzes begonnen hatten, hat
jemand die Idee vorgetragen, ein Preisausschreiben für ein Theaterstück zu
diesem Thema zu veröffentlichen. Der Antrag wurde zwar abgelehnt, doch
einige Schriftsteller, vielleicht in Kenntnis über diese Idee gesetzt, oder nur
durch den Jahrestag angeregt, haben ihre dramatischen Beiträge produziert. Im
September 1883 war jedoch die Nachfrage nach solchen Werken gering, und
es fand in Wien nur eine Uraufführung und eine Neu-Einstudierung eines
schon gespielten Dramas statt.
Die Uraufführung kam umso leichter zustande, da der Dichter gleichzeitig
- seit einem Jahr - der Direktor des Josefstädter Theaters, Karl Costa, war. Sein
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Jerzy Got
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vaterländisches Volksstück mit Gesang in vier Bildern ,Die Türken vor Wien*
gehört zu jener Gruppe von Volksstücken mit Musik, die schon in die nächste
Nähe der Operette einzustufen sind: Der Anteil der Musik, der Lieder, Duette
und Chöre ist sehr bedeutend. Aber auch der Text steuert in der Gestaltung
mancher Situationen und in der Art der Darstellung einiger Personen ins
operettenhafte. Bei Costa, dem erfolgreichen Mitarbeiter Millöckers, Zieherers
und Suppées verwundert das nicht.
Die Glanzrolle des Stückes ist die des Schutzgeistes von Wien, Vindobona.
Er erscheint in seiner eigenen Gestalt im Prolog und im Epilog, in den nachher
folgenden Bildern aber jeweils in einer anderen: als wahnsinnige Bäuerin, die
den sinkenden Mut der Wiener Bürger mit ihrer Erzählung über das Gemetzel
im Perchtoldsdorf zur verzweifelten Tapferkeit bringt; als heldenhafter Student
Hermann, der die Stadt vor dem Fall rettet, indem er die Sprengung des
Schießpulvers vereitelt und den Urheber des teuflischen Vorhabens, den französischen Agenten, mit dem Degen ersticht; als Zigeunerin Rocsi, die durch
ihre Wahrsagungen, Speisen und Getränke die Stimmung im Militär hebt und
sogar dem Herzog von Lothringen die Erlangung des Thrones durch seine
Nachkommenschaft prophezeit; endlich als die Frau Ibrahims, die von Kara
Mustafa heiß geliebte Suleika, die den Großwesir in den Wahnsinn treibt.
Verkleidungen gibt's auch sonst. Der anfangs feige, bald jedoch mutige
böhmische Schneider erscheint zuerst als Fischerweib. Koltschitzky und sein
Kumpan Michaelowitsch kommen ins türkische Lager in Gestalt zweier jüdischer Händler, der erstere halbblind, der andere halblahm, wobei sie allerdings
lustig singen und tanzen. Der Schneider und sein Freund, der Schuster, von den
Türken gefangengenommen und zum Übertritt zum Islam gezwungen, erscheinen als Türken verkleidet und am Kopf kahlgeschoren.
Die dramatischen Momente werden hier geschickt mit den komischen
vermengt, und die „lustigen" Szenen sind sogar wirklich lustig, in jedem der
vier Bilder herrscht viel Leben, die Couplets sind überwiegend gelungen. Es
ist wirklich ein überaus unterhaltsames Volksstück.
Einige von den oft in den Belagerungsdramen erscheinenden historischen
und unhistorischen Personen zeigen hier erwähnenswerte Züge auf.
Der französische Agent, hier als spanischer Marquis getarnt, wird bereits
zum reifen Schwarzcharakter entwickelt. Er spricht „mit Heimlichkeit", oder
sogar „mit großer Heimlichkeit" (I, 5), „in einen Mantel gehüllt, vorsichtig
auftretend" (II, 7). Er hat einen Helfer, den Ratsschreiber Lamberti, der ihm
die Geheimnisse zuträgt und die Unzufriedenheit in der Stadt schürt. Dieser
ist auch ein Ausländer, ein entlaufener Galeerensträfling.
Der Held der einfachen Liebesintrige ist Koltschitzky. Er ist schlau, tapfer
und edel. Sein gefährliches Unternehmen, sich durchs türkische Lager durchzuschlagen, macht ihm viel Spaß. Dasselbe gilt für seinen Kameraden.
In der Gestalt Kara Mustafas wird die uns bereits von dem ersten hier
besprochenen Werke von Bostel bekannte einzige Triebfeder des Krieges
wiederaufgenommen — die Liebe des Großwesirs zu Ibrahims Frau. Die Schilderung der ganzen Angelegenheit ist hier genau dieselbe wie in dem Hamburger Singspiel. Schließlich ist noch der König von Polen zu erwähnen. Er ist hier
als zweideutige, unsympathische Person dargestellt. Sein Auftritt beginnt mit
Gejammer und Kleinmut: „Es steht gar schlimm", die Schanze des Feindes „ist
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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unüberwindlich", „meine Reiterei liegt brach". Dann will er die Last der
Schlacht auf Starhembergs ausgeblutete Truppen abwälzen und „wir fassen
dann den Feind im Rücken". Das ist das einzige, was er vor der Schlacht zu
sagen hat. Der von Lothringen übernimmt also das Wort und entscheidet die
Angriffsweise (III, 4). Nach der Schlacht besteht die Rolle des Königs aus dem
Ausleeren eines Bechers Wein und den Worten: „Hoch, der Kaiser! Hoch
Wien." Da über irgendwelche historisch ausgerichtete Ambitionen des Verfassers in diesem Stück nicht die Rede sein kann, ist diese Wendung in der
Auffassung der früher in Wien so populären und beliebten Gestalt vermutlich
auf den zeitgenössischen Streit der Historiker zurückzufuhren.
Einer von mehreren Theaterberichten über das Stück (Uraufführung 1. 9.
1883) fangt mit den vielsagenden Worten an: „Die Furcht vor den Türken kann
vor 200 Jahren in Wien keine größere gewesen sein, als die Furcht vor den
Türkenstücken, wie sie heute hier herrscht." Doch diesmal erwies sich die
Furcht als unbegründet. Das Publikum fand an der Aufführung Gefallen und
auch die Kritiker hatten wenig an dem Stück auszusetzen. Nur selten wurde
der Vorwurf — übrigens hier nicht ganz am rechten Platz - angedeutet, daß die
historischen Personen ausdrockslose Figuren seien (Neuigkeits Weltblatt) oder
daß sie vom Verfasser willkürlich behandelt worden sind (M. E., Deutsche
Zeitung). Auch wurde bemerkt, daß das Wiener Volksleben vor 200 Jahren
zwar mit Frische und Lebhaftigkeit, jedoch mit wenig Naturwahrheit vorgeführt wurde (Fremdenblatt). Sonst aber ernteten alle Beteiligten - der Dichter,
der Regisseur und die Schauspieler - sehr viel Lob. Das Stück — „ein echtes,
kerniges Volksstück", eines der gelungensten, das jemals geschrieben wurde,
ist ergreifend, lebenswahr, dramatisch wirkungsvoll, ist mit Bühnengewandtheit, Humor und Temperament geschrieben, hat packende Aktschlüsse (Deutsche Kunst- und Musik Zeitung; Stubenvolls Theaternachrichten; Extrapost
Nr. 88; Neue Freie Presse; Deutsche Zeitung; Wiener Lloyd). Die Gestalt der
Vindobona hat auch allgemein gefallen, nur in der .Presse' wurde die Meinung
geäußert, daß sie zu viel Raum im Stück einnimmt: „etwas weniger wäre
bedeutend mehr gewesen". Die Gattin des Dichter-Direktors, Frau Rosa Costa,
für welche er die Rolle geschrieben hat, erreichte einen „sensationellen Erfolg",
sie war frappierend, hinreißend und brachte eine vorzügliche „Riesenleistung"
(Neue Freie Presse; Wiener Theater Zeitung). Ihr Spottlied „der Beglerbeg
Bimbambo" mußte auf der Premiere dreimal wiederholt werden (Illustriertes
Wiener Extrablatt). Sehr viel Lob haben der Regisseur Richter und der Theatermaler Gilbert Lehnet geerntet. Eine Ausstattung, die noch niemals so glänzend
in diesem Theater gesehen worden war, wird „splendid", „prächtig", „brillant", „luxuriös", „prachtvoll" genannt, sie würde „jeder Bühne Ehre machen" (Das Vaterland; Wiener allgemeine Zeitung; Wiener Theater Zeitung;
Wiener Lloyd; Neuigkeits Weltblatt; Stubenvolls Theaternachrichten; Wiener
Theater-Chronik). Alle Dekorationen und Kostüme (diese zumeist von reichen
Stoffen) zeichneten sich durch historische Treue aus, und insbesondere das Zelt
des Großwesirs zeigte, daß der Maler „sehr eifrige und eingehende Studien
gemacht hat" (Illustriertes Wiener Extrablatt). Beifällig wurden auch die trefflichen, porträtähnlichen Masken erwähnt (Illustriertes Wiener Extrablatt;
Deutsche Kunst- und Musik Zeitung).
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Das Stück wurde bis zum 7. November sechsundsechzigmal en suite aufgeführt. Die Erzherzöge Ludwig Victor, Albrecht, Johann und Eugen beehrten
das Vorstadttheater mit ihrem Besuch und offensichtlich blieben sie bis zum
Schlüsse der Aufführung im Theater. Der Verfasser, durch den Bombenerfolg
angeregt, schrieb Ende September neue Strophen zu dem Beglerbeg-Lied und
hat für die Provinzialbühnen eine Bearbeitung des Stücks vorbereitet - im
Prolog zwei neue Figuren, die Donaunixe und den Wiener Humor, eingeführt
und hat die Rolle der Vindobona auf drei Personen aufgeteilt (Morgenpost Nr.
247 und Nr. 264). Vielleicht wegen dieser Teilung konnte er sich mit der
Gallmeyer, die die Rolle auf ihrem Gastspiel in Graz spielen wollte, nicht
einigen (Stubenvolls Theaternachrichten Nr. 26).
Das Stück wurde bald nach der Wiener Premiere auch in der Provinz
gespielt, mit Sicherheit in Steyr und Czernowitz.
Die Wahl des zweiten Stücks, das im Jahre 1883 aus Anlaß der Säcularfeier
aufgeführt wurde, wirkte überraschend. Das Burgtheater hat nämlich das
Schaufertsche Drama, das vierzehn Jahre früher eine beispiellose Niederlage
erlitten hatte, wiederaufgeführt. Die Entscheidung Wilbrandts war zu mindestens mutig, liefert aber gleichzeitig den Beweis, daß das Verfügbare, die eigens
zu diesem Anlaß geschriebenen neuesten Dramen Inbegriffen, noch weniger als
,1683' bühnenfähig war.
Die Aufnahme seitens der Kritik war diesmal viel milder, als es bei der
Uraufführung der Fall war. Außer einer kurzen, freundlichen Notiz (Wiener
Signale) sind drei Rezensionen erschienen, die den Verfasser und sein Werk
vehement in Schutz genommen und die Aufführung applaudiert haben. Eine
von jenen war einfach fromm, die andere sentimental-melancholisch, die dritte
kriegerisch und unverschämt in Bewunderung verloren.
„ ,1683' machte Eroberung, es siegte", meldet der Kritiker des „Illustrierten
Wiener Extrablattes" und erklärt, warum. Vor vierzehn Jahren saßen nämlich
im Zuschauerraum des Burgtheaters lauter lebensfrohe Atheisten, die überhaupt nur widerwillig über Gott sprechen hörten, und es schon gar widerstrebend so oft hörten, wie es in diesem Stück geschah. Heute, wegen der
anhaltenden Baisse, sind die Menschen geängstigt und bußfertig, dadurch ist
auch das Stück aktuell und modern und Schaufert ein Prophet geworden.
Johannes Meißner (Deutsche Zeitung) ruft dreimal im ersten Teil seiner
Rezension - und zwar mit gutem Recht — „der arme Schaufert", er nennt ihn
ein „Meteor, das in der Atmospähre unserer Gesellschaft' zu schnell erlosch".
Und doch in seinem .Schach dem König' gebe es „zu viel unsterbliche Heiterkeit, als das die deutsche Bühne (...) nicht immer wieder darauf zurückgreifen
sollte". In ,1683' „offenbaren sich die geistigen Kräfte der Zeit" und das Wiener
Bürgertum erhebt sich „zur weitstrahlenden Leuchte des Abendlandes." Zwar
gibt der Kritiker zu, daß Schaufert's Christentum „einen kleinen Beigeschmack
von Aufdringlichkeit" hat, es wirkt aber jetzt nicht mehr so störend wie vor
vierzehn Jahren. Die Wiener sind „wenn auch nicht frommer, so doch christlicher geworden". U m das richtige Publikum — nämlich die Gewerbsleute — dem
Stück zu sichern, schlägt er zwei Mittel vor: die Eintrittspreise „auf ein Geringes
herabsetzen" und zweitens „die Weisung geben: ,die Herren werden gebeten,
nur im Schurz zu erscheinen'. Im grünen, braunen, gelben, weißen Schurz —
da sollte man einmal sehen, wie solche Volksstücke zu rechter Zeit einUnauthenticated
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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schlügen". Das höchst unzüchtige Ansinnen, dieses Drama durch Versammeln
des „nur im Schurz", dazu so buntem, erscheinenden Publikums zum Erfolg
zu steuern, wirkt ein wenig befremdend. Für die Liebesgeschichte in dem
Drama findet der Kritiker passende Worte - sie erfüllt die Aufgabe, „das
schmucke, golddurchwirkte Band fur den Strauß zu sein", jedoch hat Wilbrandt richtig getan, indem er die „Romantik ihrer Liebesabenteuer" stark
reduziert h a t . . .
Dieses verhängnisvolle Band der Liebesgeschichte, das hier „golddurchwirkt" genannt wird, zieht sich übrigens durch Jahrzehnte. Schon im Jahre
1869 wurde vonj. J. K. in der ,Tages-Presse' diese Phrase benützt, freilich mit
etwas anderer Bedeutung: „die Liebesgeschichte, die sich als grauer Zwirnfaden
durch die Komödie zieht" - und bald, wo die dritte wohlmeinende Kritik zur
Besprechung kommt, erscheint das Band, oder der Faden, nocheinmal.
Bei P. Mbg. in der .Deutschen Kunst- und Musik-Zeitung' hat die Wiederaufführung von ,1683' einige interessante Bemerkungen angeregt. Die Hauptsache ist ihm die Verherrlichung des Sieges deutscher Waffen und Kultur durch
die deutsche Kunst (unterstrichen im Original). Nahtlos wird zum Raub Straßburgs durch König Ludwig XIV. übergegangen, doch Gott sei Dank hat diesen
schlimmen Verlust „das neue deutsche Reich mit Aufgebot aller Kraft wettgemacht, und an dessen Niewiederkehren es heute noch mit Emsigkeit zu arbeiten
hat". Weiter wird behauptet, daß „kaum eine bessere Wahl getroffen werden"
konnte „als jene, die auf Hippolit Schaufert's ,1683' fiel."
Es ist leider nicht möglich, die vielen ähnlich gelungenen Passagen dieser
Rezension anzuführen, man muß sich auf einige wenige beschränken — so wird
gesagt, daß die Aufgabe, Wiens Belagerung dramatisch vorzustellen „kaum
besser" zu lösen wäre als in diesem Drama. Diese Geschichte ist in „trefflichen
Skizzen und Bildern wiedergegeben", die Personen „kräftig, wir möchten
sagen en relief, herausgearbeitet". Im Stück sind sowohl die Zustände des
Jahrhunderts als auch die Verhältnisse in der belagerten Stadt „auf das lebendigste" versinnbildlicht. Und endlich „durch dieses bunte Kriegsbild zieht wie der
erquickende Silberfaden eines lebendigen, kleinen Wassers die Liebesgeschichte" . Wir erfahren noch: am Ende „zieht neben dem siegenden Tage und dem
siegenden Entsatzheere die Liebe in Toni's und Adelheid's Herz als dritter
Sieger ein".
Die Meinung der Mehrzahl der Kritiker unterscheidet sich wohltuend von
dem angeführten Unsinn. Wegen der Festtage „war der Kritik von vornherein
der Boden unter den Füßen weggezogen" (Montags-Revue) und das Publikum, in Feststimmung, hat geduldig und nachsichtig das Stück angehört und
sich an der köstlichen Darstellung Baumeisters (Breitfuß) erquickt. Baumeister,
der diese Rolle schon bei der Uraufführung gespielt hatte, wurde zum Held des
Abends und Retter der Vorstellung, indem er dem Dichter nachgeholfen hat,
und der schon im Drama am besten gezeichneten Figur, von selbst die wienerischen Züge dazugab. Die Kritiker waren sich in der knappen, diesmal sachlichen und ohne Bosheiten ausgesprochenen Verurteilung des dramatischen und
historischen Wertes des Stückes und in der milden Beurteilung der Auffuhrung
einig. Willig hoben sie einige Szenen „volkstümlichen Charakters" hervor. Der
Applaus war „eine taktvolle Guttat für den Tag und für die Stätte" (MontagsRevue; Neue Freie Presse; Neuigkeits Weltblatt; Die Presse; Neues Wiener
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Jerzy Got
Tagblatt; Allgemeine Theater Chronik; Morgenpost; Wiener Theater-Chronik; Wiener Allgemeine Zeitung; Fremdenblatt).
Im Stadttheater wurde die Festlichkeit vorsichtig nur mit einem „szenischen Prolog" von S. Schlesinger gefeiert. Das kurze Gedicht, auf die Rollen
des Urgroßvatars, des Großvaters, des Vaters und der Tochter verteilt, wurde
beifällig vom Publikum - am 12. September 1883 - aufgenommen.
In Verbindung mit dem Theater blieb die Ausstellung im Österreichischen
Kunstverein in den Tuchlauben. Die Theatermaler Brioschi, Burghardt und
Kautsky haben dort ein „kolossal Gemälde", betitelt,Wiens Todesangst 1683',
ausgestellt. Es war ein „Ausblick aus einem Zelte der Osmanen, vor welchem
Wien, in der letzten Nacht der Bedrängnis von der Übermacht der Türken
bestürmt, wie ein düsteres Traumbild unter der magischen Erscheinung eines
vom Stephansdome in die Wolken ragenden Lichtkreuzes, sich ausbreitet", zu
sehen (Deutsche Zeitung 1883, Nr. 4202).
Das Jubiläumsjahr
1883
in der Dichtung
- die große
Schlappe
Sollten die Theaterdirektoren im Jahre 1883 bei den Überlegungen, ob sie ein
Gelegenheitsstück auffuhren wollten oder lieber nicht, auch die bisherigen
Bühnenerfahrungen mit den Belagerungdramen in Erwägung gezogen haben,
so muß das wenig ermutigend gewesen sein. Es sind lediglich zwei Erfolge
vorhanden - die Püchlersche ,Brigittenau', die jedoch fur ihre 71 Aufführungen
stattliche 25 Jahre benötigt hatte und deren winziger Trumpf, der Kirchtag in
der Au imjahre 1832, nichts mit dem Belagerungsthema gemeinsam hatte, und
Kaisers .Abraham a Santa Clara' mit seinen 40 nacheinanderfolgenden Aufführungen. Sonst gab es nur mehr oder weniger schmerzliche Niederlagen. Die
sechs in diesem Jahre in Österreich neu erschienenen Schauspiele konnten
freilich das Mißtrauen nicht überwinden. Die Lektüre der folgenden Stücke
bestätigt nur die Richtigkeit der Zurückhaltung der Theaterleute ihnen gegenüber.
Der zwischen den Jahren 1890 und 1930 sehr einflußreiche, prominente
Vertreter des konservativen Katholizismus, der überzeugte Verfechter des
„christlich-germanischen Kulturideals", Richard Kralik, begann seine unglaublich fruchtbare literarische Tätigkeit um das Jahr 1880. Eines seiner Erstlingswerke war das im Jubiläumsjahr 1883 verfaßte Drama ,Die Türken vor Wien'.
Noch als gereifter Schriftsteller und Kulturpolitiker war er eher zur Belebung,
Fortsetzung und Weiterentwicklung dessen, was ihm in der kulturellen Tradition und dem überlieferten Kulturgut Europas wertvoll schien, als zur eigenen
originellen Schöpfung geneigt. In seinem Jugendwerk sind die Quellen seiner
Weltanschauung geistig noch unverarbeitet und unbeherrscht, sie schaffen sich
jedoch freien Lauf in verworrenem Gedankengang und schwulstiger Sprache.
Es werden hier die frei behandelten historischen Ereignisse, eine doppelte
Liebesgeschichte, das Volkstum, die christliche Idee und die Germanische
Götter- und Geisterwelt durcheinandergemischt.
Die Zentralfigur des Dramas ist Karl, der Sohn eines Köhlers. Er wird
durch den „wilden Jäger", der hier ganz eindeutig mit Wotan identisch ist,
nach einigem Zögern („Schändet er mir nicht Walhalls Saal?") zu großen Taten
bestimmt. Der Jäger nämlich hat sich einst auf dem Hermannskogel niedergeUnauthenticated
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lassen und hat auch alle Götter hierher mitgebracht. Er gab „Sieg, Macht, Ehre
und Reich" den hiesigen Menschen. Jetzt ist er ihrer überdrüssig, sie sind feig
und undankbar, sie haben die Götter vergessen. So befiehlt er den Rückzug in
einen „sonnigen Saal" im hochgelegenen heiligen Land. Auf die Bitten seiner
Frau und seiner Töchter, der Walküren, legt er auf Karl den „heiligsten Bann":
er schlage die Schlacht,
Ich geb ihm das Schwert, den Helm und die Brünne,
Ich geb ihm die Scharen der heiligen Heere
(S. 41 —49)
Den auf diese Weise ausgezeichneten Karl lernen wir kennen, als er eine
ohnmächtige Dame, Gräfin von Hoheneck, durchs Feuer aus dem brennenden
Wien wegbringt. Die Dame war als Bote des Kaisers, der bei Max Emanuel
um Hilfe fleht, nach Wien geschickt worden. Ihre Dienerin fragt dabei ganz
vernünftig „Hat denn der Kaiser wirlich keine Männer als Boten zu verschikken?" (S. 40). Irgendwie wird dann Karl die Gräfin los, um von Agnes zu
erfahren, daß er von den Göttern „zum Retter des Landes" bestimmt worden
ist und daß sie ihm die Waffen weisen wird. Die so informierte Agnes ist zwar
ein Findling, der von Karls Eltern erzogen und Karl „bräutlich geneigt" (S. 45)
ist, in Wirklichkeit aber ist sie die Tochter des „wilden Jägers" und seiner Frau,
der „Urweisen" (S. 47). Nachdem Karl sich bewaffnet hat, verschwindet er mit
den Heerscharen des wilden Jägers und macht sich sogleich an die Arbeit: sie
vernichten die türkischen Truppen massenweise, hindern durch ihren Spuk die
Türken die Waldgebirge zu besetzen und fangen die Pläne Wiens ab, an denen
die schwachen Stellen der Befestigung eingezeichnet waren. Bald darauf erscheint als Gefangene vor Kara Mustafa die dem Karl abhanden gekommene
Gräfin, beschimpft den Großwesir und wünscht sich nachdrücklich, von ihm
getötet zu werden. Er, ganz Kavalier, verweigert das: „Führe ich Krieg mit
Frauen? ( . . . ) Frauen straf ich nicht" (S. 78-79). Dann, von ihrer Schönheit und
Redseligkeit gleich beeindruckt, meint er:
Wärst du auch schweigsam,
So würdest du vollkommen sein
und geht ab.
Wie auf Bestellung erscheint Karl und die Türken fliehen schreiend: „Er
ist der Satan." Gleich darauf sehen wir Karl und die Gräfin im Lager der
Deutschen bei Hollabrunn. Die beiden einigen sich, daß von nun an Karl der
Gräfin angehört und — als Gegenleistung — gesteht die Dame:
Als Siegesbeute hast du mich erkämpft.
Dann verschwindet die Gräfin.
Der vor einem Augenblick noch so selbstsichere Karl ist nach Abgang der
Dame sehr besorgt:
Mein Geist entflieht, fuhrt micht nicht deine Hand.
Gleich aber wird er vom Herzog von Lothringen dem polnischen König mit
besten Empfehlungen vorgestellt. Sobieski hat genug Zeit, kurz vor der
Schlacht, Karl zu umschmeicheln:
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Jerzy G o t
Ich k o m m hierher, fast u m nur euren N a m e n
Z u hören, euer L o b und euren R u h m (S. 90)
Inzwischen informiert Agnes Karls Eltern, daß „Er will uns Freiheit, Frieden
geben" und geht den jungen Recken suchen, worauf die Köhlerin stirbt. Jetzt
nehmen die Geister endgültig Abschied von Österreich, wobei ihre schlechte
Laune dem Leser schleierhaft bleibt und die Orakelsprüche einfach nicht stimmen:
W e h dir, Wonnenstadt! W e h dir, Wien!
W e h dir, Osterland! W e h seinen Männern!
Weh dir, Karl, unkundiges Kind!
Schlecht wardst du erprobt; der Preis ist verloren.
(S. 125)
Bald erscheint auf einer Wiese Karl mit seiner Heerschar und sieht eine blaue
Blume mit goldenem Stern. Darauf trifft ihn fast der Schlag - er gesteht:
W i e Donner trifft mich's im Innersten plötzlich.
Ein greller Blitz durchfáhrt meine Seele,
Eine ganze Welt sinkt krachend ins Nichts.
(S. 127)
Er furchtet sich vor dem „wütenden Heer" und ruft Agnes zur Hilfe. Sofort
wird das Mädchen von der „Frau" zugestellt, welche Karl erklärt, daß er von
den Göttern zum Heiland der Stadt erwählt worden war, leider fiel er (vermutlich mit der Gräfin zusammen) und verlor seine Reinheit. Es kommt noch
einmal der Jäger mit seinem wütenden Heer und vertreibt Karl, anstatt ihn,
seinem Wunsch entsprechend, zu töten:
U m Gecken k ü m m e r n Götter sich nicht.
Nachdem sich alle entfernt haben, sinkt die „Frau" - nach einem Gejammer („Wehe den Menschen! Wehe uns Göttern!") - in die Tiefe.
Nun, während der Schlacht, dringt Karl mit seinen Scharen ins türkische
Lager und fällt, worauf gleich Agnes kommt „verwundet, mit einem Schwert
sich den Weg bahnend" und „stirbt über ihm". Ein türkischer Hauptmann
erklärt dem Großwesir, daß der sichere Sieg durch eben diese „Teufel" vereitelt
worden ist und den Rest geben die Heerscharen Karls den Türken, worauf sie
mit ihm und Agnes in der Versenkung verschwinden. Und die Gräfin? Die geht
ins Kloster, seit eh und jeh ein verläßlicher Platz für Dramenpersonen, mit
denen nichts mehr anzufangen ist.
Dieses erstaunlich unreife Zeug wird offensichtlich durch Wagners Werk
geprägt. Zwar gehören die hier erscheinenden Götter und Geister zur allgemeinen germanischen Mythologie, doch mehrere Äußerungen, ihre Handlungen und Charakterzüge sind auf den ,Ring' zurückzuführen. Den letzten
Beweis liefert die in den einschlägigen Szenen gebrauchte Sprache. Hier einige
Beispiele:
J a g ich zur jüngsten, jauchzend J a g d
Minnend mahnt mich daran mein M u t
Die Minnigliche sieh! Laß Mitleid walten
M e r k e den T r a u m und trau ihm treu
M i t minniglichen Maiden u m den M a n n zu buhlen
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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Im Rhythmus, im hochtrabenden Stil, in der Wahl der Worte, in der
übertriebenen Alliteration wirken diese Teile des Textes als ungewollte Karikatur des „Bühnenfestspiels".
Unerwartet versetzt ein einziges Wort diese trübe germanische Fabel in
unsere nahe Vergangenheit. Die bis zu seinem Tode treuen Heerscharen Karls,
die ihn auch nach der Verurteilung durch die Götter begleiten und für ihn
kämpfen, reden ihn mit „mein Führer" (S. 127) oder „unser Führer" (S. 133)
an.
Im Vergleich mit dieser verwickelten Haupthandlung, die hier nur flüchtig
zusammengefaßt worden ist, verblassen die anderen Elemente des Stückes. Sie
sind jedoch erwähnenswert. Eines von ihnen scheint, zumindestens teilweise,
durch die germanische Begeisterung des Verfassers beeinflußt zu werden. Es ist
der König Sobieski, der einzige Vertreter der polnischen Seite und somit ihr
Repräsentant. Er ist „alt und krank" (S. 89), zankt hartnäckig um den Oberbefehl (S. 92-93), zum Entsatz hat er „Horden" gebracht, „die am hellen Tag dem
Heer zu zeigen" er sich schämen muß (S. 93). Im Kriegsrat hat er nichts
Vernünftiges zu sagen, ist zaghaft, wenn nicht sogar feige, dem Boten Starhembergs verspricht er die Befreiung der Stadt in vier bis sieben Wochen und
herrscht ihn schroff an:
Hält uns der Graf für Hexenmeister, daß
Wir durch die Luft im Nu hinfliegen könnten?
Er wende sich an Engel oder Götter
Mit solcher Fordrung, oder an die Hölle!
Die deutschen Fürsten sind nicht so kleinmütig und zwingen ihn zum Angriff.
Grimmig willigt er ein und überläßt dem Herzog von Lothringen die Führung:
„Ich laß dir freie Hand" (S. 95—101). Den edlen Lothringen beschuldigt er der
Eifersucht (S. 125). Auf dem Kahlenberg erschreckt er vor dem schwierigen
Abhang und schätzt den Weg herunter auf drei Tage. Die deutschen Feldherrn
beachten ihn nicht mehr und Lothringen verteilt die Posten und Befehle zum
Angriff. Sobieski weiß nur die Anwesenden zur Messe einzuladen.
Den Verlauf der Schlacht lernen wir durch das ausfuhrliche Gespräch
zwischen Lothringen, Prinz Eugen und einem Oberst kennen (S. 142—148).
Und zwar so, daß die Kaiserlichen im schweren Kampf die Türken weit
zurückgedrängt haben und das Zögern der Polen sie um den Sieg bringen kann.
Als die polnischen Reiter endlich kommen, stutzen sie erst und dann „weichen,
weichen!", „weichen immer mehr zurück" (S. 147). Lothringen eilt „mit
unserm ganzen Heere" zur Hilfe. Hier gibt es eine Unterbrechung des Schlachtenberichtes, doch die Angelegenheit wird noch von einem Unparteiischen,
Kara Mustafa, beleuchtet:
Wider die Deutschen richten wir nichts aus.
Bergströme rasen unaufhaltsam so!
Die Polen sind geschlagen. (S. 148-149)
Den polnischen König sehen wir noch einmal, als er im Gefolge des Kaisers
nach Wien kommt und Leopold die türkische Feldherrnfahne überreicht.
Von den anderen historischen Personen ist Tököly schwachen Willens, von
seiner ehrgeizigen Frau gelenkt, dann wegen seiner Feigheit von ihr verlassen
und von Kara Mustafa festgenommen. Kara Mustafa ist streng gegen seine
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Jerzy Got
untergebenen Feldherrn, dann aber zeigt er Wien gegenüber die zarten Seiten
seiner Seele:
O du Stadt,
Die ich sehnsüchtig hebe, wie die Braut
Der Bräutigam, warum weigerst du
So spröde meinem Werben? (S. 71)
Sonst redet er zeimlich viel mir wenig Inhalt und nach der Schlacht in Belgrad
erzählt er über sein eigenes Todessehnen, welches bald durch den Boten des
Sultans befriedigt wird.
Das Stück schließt mit dem Reichstag zu Preßburg, der Erlöschung der
ungarischen Insurrektion und dem Gebet des Kaisers.
In der Vorrede zu seinem Stück ,Der Entsatz von Wien im Jahre 1683'
erklärt der Verfasser, J. P. Ostland (rectej. Perl), was ihn zur Schöpfung dieses
Werkes bewegt hat: er wollte nämlich „dem schlichten Volksmanne in einfacher, ihm verständlicher Weise die Heldentaten und den aufopfernden Patriotismus seiner Vorfahren" darstellen und ihn, den schlichten Volksmann,
„zur Nacheiferung begeistern". In einem Volksstück - doziert er weiter - sind
die komischen Elemente, die „einige Heiterkeit bringen" sollen, unentbehrlich.
Für diese Aufgabe wählte er Abraham a Santa Clara und den Volkssänger
Augustin und glaubt ohne falsche Bescheidenheit, daß er sie „nicht ungeschickt
verwendet" habe. Es werden in der Vorrede weiterhin mehrere Vorzüge des
Stücks hervorgehoben. Kein Wunder also, daß, nachdem der Dichter so zufrieden mit den Teilen seines Werkes war, er zu dem beruhigenden Schluß
kam, daß die Geschichte der Belagerung „wohl zum ersten Male so in dramatischer Form erscheint".
Den privaten Faden bilden zwei Liebesgeschichten. Eine, die von Koltschitzky und Leopoldine, des Chrirurgen Mayers Tochter, verläuft ohne Hindernisse und ohne den Leser berühren zu können. Die andere entsteht im
türkischen Lager zwischen zwei Gefangenen — Agathe, der Tochter des Bindermeisters Taubner, und dem Offizier Arthur Horst. Wie zu erwarten ist, befreit
Horst Agathe aus der Gefangenschaft. Die in reicher Zahl auftretenden Wiener
Bürger sind brav und tapfer, obwohl der Dichter sich nicht scheut, einen von
ihnen vorübergehend als Feigling zu brandmarken. Selbstverständlich kämpft
später dieser Furchtsame sehr mutig und wird verwundet. Auch die Bürgerinnen kommen bei Ostland nicht zu kurz. So z. B. singt Agathe mit zwei anderen
Mädeln vor dem lüsternen Kara Mustafa ein frommes, trauriges Terzett.
Der Fleischhauer Schnefellner liebt Agathe heimlich, und kurz vor seinem
heldenhaften Tode vererbt er ihr sein ganzes Vermögen. Somit wird sowohl
Platz für Horst freigemacht als auch die Braut ausgestattet. Diese Lösung des
Problems des ungeliebten, aber edlen Dritten ist in unseren Dramen nicht neu.
Schnefellner ist darüber hinaus eine interessante Person. Munter und lustig,
macht er bemerkenswerte Aussprüche. So, gleich am Anfang, greift er die
Kriegspropaganda der Jahre 1914—1918 vor: „Jeder Hieb ein Muselmann" (I, 1)
und dann: „auf jeden Schuß ein Ungläubiger" (II, 9). Er preist sich selber,
ein „echter Wiener" zu sein, der „im Unglück eben so lustig sein" muß, wie
im Glück und, um diese Meinung zu bekräftigen, borgt er sich aus der
berühmtesten Strauß'schen Operette einen Satz: „glücklich ist, der vergißt, was
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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nicht mehr zu ändern ist" (II, 9). An eine Operette erinnert auch noch das
vielleicht gelungenste Fragment des Stücks, ein Duett im türkischen Lager
zwischen Agathe und dem schwarzen Sklavenaufseher Hassan (s. Anhang).
Von den zwei angeblich das Komische vertretenden Personen ist Pater
Abraham nur fad, dafür aber Augustin einfach blöd. Seine Witzigkeit beweist
er u. a. folgendermaßen: „Ich bin der Sänger Augustin (...) Ich bin darum ein
Mordskerl (...) ich hab' noch Hamur, den die Anderen schon alle verloren
haben." In diesem einen Monolog kommt das Wort „Hamur" zwölfmal vor
(I. 1).
Auch Kara Mustafa stellt sich selbst im Monolog vor: die Erde soll ihm
zum Paradies werden, „was sie an Lust und Freude bietet, will ich allein
genießen (...) Ich bin mit mir zufrieden (...) ich habe Weiber, Spiel und Tanz.
Indeß sie sich die Köpfe blutig rennen, erfreu' ich mich" (II, 3). Er schaut
dementsprechend die Sklavinnen „entzückt und lüstern" an (II, 4). Im Gegensatz zu den Verteidigern findet er für die Feinde Worte der Anerkennung und
des Lobes (III, 11).
Der polnische König ist als ein frommer, friedfertiger Biedermann ohne
Ehrgeiz dargestellt: „Wir kennen keinen Rang mehr unter uns" sagt er zu den
deutschen Feldherrn (V, 1), „gern füg' ich mich dem allgemeinen Willen" (V,
11). Er entschuldigt sich vor den Fürsten für seinen Einzug in Wien: „Ihr findet
darin einen Verstoß gegen die spanische Etikette, aber ich bin ein Krieger und
kein Höfling. (...) Die römische kaiserliche Majestät wird mir die Unart
huldvoll verziehn, weil ich zu meinem Heere muß" (V, 12). Er freut sich nicht
nur über den Sieg, sondern auch kindisch über das eroberte Zelt des Großwesirs: „Ich bin in meinem Eigentum", „Wir spielen heute einmal den Großwesir." Im Ganzen — ein einfacher, bescheidener, ein wenig zurückgebliebener
Soldat. Sein Sohn Jakub heißt hier unverständlicherweise Johann.
In der Rede des Kaisers im befreiten Wien, die hauptsächlich frommen
Inhalt hat, kommt außer dem echten Spruch Leopolds: Consilio et industria,
auch der des Kaisers Franz Joseph: Viribus unitis vor.
Das Stück ist mit einem Festspiel als Epilog versehen, w o Vindobona ihre
Waffen ablegt und das (vermeintliche) Publikum zu Gottesfurcht, Treue und
Bewahrung der alten Sitten ermahnt.
Der für die patriotische Belehrung des „schlichten Volksmannes" so eifrige
Dichter hat schon früher die Proben seines poetischen Talents der Öffentlichkeit vorgestellt. Nachdem er seine Seifensiederei verkauft und sich der literarischen Schöpfung gewidmet hatte, schrieb er (1880) „eine in ihrer blindwütenden Leidenschaftlichkeit schon groteske Philippika gegen den ungarischen
Nationalismus". Das Niveau dieser Dichtung bescheinigt ein Fragment:
Spießbürger seid ihr - trotz der Säbel, Sporen;
Ein Reitervolk, doch aller Bildung bloß!
Ihr haut den Schwaben ab die feinen Ohren
Und esset sie in Paprika und Sauce.
(W. Binai, Deutschsprachiges Theater in Budapest. Wien 1972, S. 328 und 430).
Es scheint, daß der Dichter in den Jahren 1880—1883, also in der Zeit von diesem
Gedichte bis zu seinem Drama, sein Talent nicht überwältigend entwickelt hat.
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Jerzy Got
Ein vaterländisches Schauspiel in drei Akten und einem Nachspiel von Dr.
Anton Stára übernimmt den Titel von Schaufert und heißt einfach ,1683'. Hier
beginnt die Handlung — an sich sehr dürftig — im türkischen Lager und gleich
erscheint eine interessante, selten auftretende Person, ein türkischer Ingenieur,
Ahmed Bei, der die technischen Belagerungsarbeiten leitet und der ein ehemaliger Kapuziner ist. Er hat den Großwesir mit listigen Argumenten zur Konzentrierung der Angriffe auf die stärkste Stelle der Befestigungen, den Burgravelin,
bewogen. Prompt bringt er seine Absichten an den Tag:
Das Pulver kann ich auch verschlechtern noch Zerstößt euch nur die Stirn' am Ravelin!
Ha, ha, - Ja - das sei meines Frevels Sühn'
Daß mitgeholfen ich, zu retten Wien!
Und dann kommt die Anweisung des Dichters: „Während sein Haupt auf seine
Arme sinkt, fällt langsam der Zwischenvorhang" (I, 1). Bald erfahren wir, daß
Ahmed Bei nicht mehr lebt. Er wurde vom Großvesir zum Tode verurteilt,
weil er verräterisch die Artillerie und die Minen der Türken falsch gelenkt hat.
Dann, in Wien, besprechen jene Personen die Lage, die in dieser Zeit dort
nicht gewesen sein konnten: der Kaiser, Marco d'Aviano und Herzog von
Lothringen. Bester Laune ist der Bischof Kollonitsch:
Der Bayernherzog kommt - der Sachse kommt Der Lüneburger kommt - der Pole kommt Und Geld ist da - in Mailberg wächst der Wein.
Über den Verlauf der Entscheidungsschlacht berichten in Wien Starhemberg, Kaplir und Kollonitsch. In der letzten Szene ziehen die Sieger in die Stadt
ein, darunter der polnische König und die polnischen „Lanziers", wobei Sobieski seine einzigen Worte sagt: „Te Deum laudamus".
Im Nachspiel thront Austria mit Schwert und Friedenszweig inmitten von
mehreren lebensgroßen Statuen, u. a. von Papst, Kaiser und Sobieski, auch
gibt's dort die Figur von Ahmed Bei: „Dieser hegt auf seinem Antlitze und hat
die Hände wie bittweise über seinem Haupt gekreuzt." Austria erzählt den
weiteren Verlauf der Ereignisse, verteilt Lob fur alle Beteiligten und beschäftigt
sich auch mit den Türken, die weder Kunst noch Wissenschaft kennen, und
vom „Fluch des absolutistischen Regimes" belastet sind. Doch hofft sie,
daß der Türk' dereinst
In's friedliche Konzert der Völker tritt
U n d daß er wird human.
Dann fordert Austria die Anwesenden auf, sich
an Osterreich's
So herrlichem Ideen-Völkerbund
zu erfreuen u n d schließt ihre Rede mit:
nur
Verständ'ge Christenliebe führet uns
Zu Österreichs gesunder Vollnatur.
worauf der Vorhang bei den Klängen der Volkshymne fallen soll.
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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Der Verzicht auf die übliche Liebesintrige ist leicht zu erklären — der
Verfasser fühlte sich auf diesem Felde nicht kompetent. Er war von Beruf
Geistlicher, der Pfarrer in einer kleiner Ortschaft bei Znaim. Sein theatralischer
Ehrgeiz kannte keine Grenzen. Er ist derselbe, der sich um die Direktion des
Burgtheaters nach Dingelstedt bewarb und sich als „den einzigen Retter des
Burgtheaters aus allen Nöten" darstellte (E. Haeusserman, Das Wiener Burgtheater, Wien 1975, S. 51).
Das Stück des Jesuiten Stecher, ,Die Belagerung Wiens von 1683' betrachtet die historischen Ereignisse vom streng kirchlichen Standpunkt. Der unsichtbare, aber geistig anwesende Held des Schauspiels ist der Papst. Sein Eingreifen
in das Geschehen wird durch seinen Abgesandten Marco d'Aviano deutlich
gemacht, der in seinem Namen handelt.
Die Handlung des Stücks, die hauptsächlich aus Reden besteht, beginnt in
Warschau, am königlichen Hof, mit dem Mißlingen des ersten Versuches einer
Allianz zwischen Österreich und Polen. Im zweiten Auftritt wird die österreichfeindliche Haltung König Ludwigs breit dargestellt. Er will die Türken
ausnützen, um sich selber die Kaiserkrone aufzusetzen. Dann, in Istanbul, hetzt
der französische Gesandte Kara Mustafa zum Krieg. Dieser wird auch gleich
vom Sultan erklärt und Caprara wird vom Kara Mustafa festgenommen. Jetzt
siedeln wir nach Wien um. Nach einem Auftritt der Wiener Bürger, die sich
an die Pest erinnern und brav saufen, wofür sie von Kollonitsch beschimpft
werden, sehen wir das vierte Staatsoberhaupt, den Kaiser. Dieser schickt Marco
d'Aviano zu Sobieski, um das Waffenbündnis zu schließen.
Im Lager bei Preßburg betraut Herzog von Lothringen Starhemberg mit
der Aufgabe der Verteidigung der Stadt. Er und die anwesenden Generäle
reden über alles mögliche mehr als sechs Druckseiten lang, und erst dann ruft
Herzog Karl Graf Waldeck zu, indem er ihn zum Entsatz von Fülek schickt:
„Eile! edler Graf, und nochmals Eile." Erst jetzt erscheint Marco in Warschau,
um den beleidigten König umzustimmen, was ihm auch ohne große Mühe
gelingt.
Nach diesen Bildern von den an dem Kriegsstreit teilnehmenden Höfen
sehen wir wieder das einfache Volk. In Wien schimpfen die Bürger über die
„wilde Flucht" des Kaisers und des Hofes, u.a.: „Der Teufel mög' die Wirtschaft holen." Die darauffolgende Rede Schwarzenbergs ist zwar lang, aber
wenig konkret, zu den Vorwürfen meint er nur, daß der, der so spricht,
sicherlich nicht in Wien geboren ist. Nach weitschweifigen Reden Starhembergs, der Offiziere und Studenten sind wir im türkischen Lager, in der Nähe
von Perchtoldsdorf. Hier befiehlt Kara Mustafa selbst das Blutbad, unberührt
von dem Chor der Kinder, die seine Milde preisen. Beim Geschrei der Niedergemetzelten und beim Licht des Brandes spricht der Großvesir „im phantastischen Tone":
Ha, ha! wie schön die Flammen zünden!
Zum Tag erleuchtet ist die Nacht,
Und nächtlich frische Lüfte wehen.
Der nächste Auftritt spielt im Lager des Entsatzheeres. In langen Gesprächen wird über die Lage der Stadt und die Aussichten des Entsatzes geredet,
ein ungarischer Offizier berichtet 4} Seiten lang über den Fall von Fülek, und
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Jerzy G o t
wie schon einmal vorher brauchen die Generäle zwei Druckseiten Gerede zur
Verschickung des Entsatzes nach Preßburg, bis dem Herzog von Lothringen
der Gedanke kommt:
Verlieren wir selbst nicht den Augenblick (III, 3).
Im türkischen Lager herrscht Unmut wegen der sich so in die Länge
ziehenden Belagerung, Kara Mustafa schreit nach Rache und gibt den Befehl,
30000 Gefangene abzuschlachten. Die Fürsten streiten sich um den Oberbefehl,
was Karl von Lothringen geschickt schlichtet. Er wird vom Marco d'Aviano
unterstützt, der seine überzeugende Rede mit einem Toast auf den Papst
beschließt. Sobieski tritt edel und bescheiden auf.
Die Schlacht vor Wien wird einerseits von den Offizieren und Starhemberg vom Stephansturm beobachtet und erzählt, anderseits verflucht Kara
Mustafa die Christenhunde und seine eigene Truppen und kümmert sich um
seine Juwelen. Dann kommen Wiener Soldaten ins türkische Lager, was Anlaß
für die Reden Starhembergs und die des Bürgermeisters gibt, weiters halten der
Kaiser, Starhemberg (wieder) und Sobieski Reden. Kaiser Leopold und der
polnische König unterhalten sich hier sehr freundlich auf dem Schlachtfeld und
brechen dann zum Triumphzug gemeinsam auf. Das Stück schließt mit dem
Monolog Marcos, der dem Himmel für den Sieg dankt, das Kreuz in die Höhe
hebt und „Großer Gott wir loben Dich" anstimmt.
Die ehrgeizige Absicht des Verfassers, das historische Geschehen von den
vier beteiligten Seiten zu beleuchten, wäre an sich interessant, wenn es ihm
gelungen wäre, die verschiedenen Standpunkte dramatisch darzustellen und für
die handelnden Personen das Interesse des Lesers wecken zu können. Das ist
aber nicht der Fall. Die zweite, tödliche Schwäche des Stücks sind die langen
Reden mit wenig Inhalt, die manchmal unwillkürlich lächerlich wirken. Die
langweiüge Weitschweifigkeit wird von mehreren Wiederholungen nicht nur
desselben Inhalts, sondern sogar derselben Worte begleitet. So spricht König
Ludwig in einer einzigen Szene (I, 2):
Denn Wien, ich schwör's, es m u ß mir diesmal fallen
dann:
Und es falle das verhaßte Wien
und noch einmal, nach einer Weile:
Daß Wien, das verhaßte, falle.
Zur Absicht des Verfassers, ein seriöses, religiös-historiosophisches Drama
zu schreiben, paßte offensichtlich eine Nebenhandlung nicht. Es gibt hier keine
Liebesgeschichte und überhaupt kein einziges Weib. Alleiniges Zugeständnis
an das Anekdotische sind die Kaffeebohnen, die Sobieski Koltschitzky schenkt.
Sonst ist alles tierisch ernst. Sein auf die Stimmen verteiltes Traktat wurde
durch diese Einlage nicht sonderlich belebt.
Wie aus der Zusammenfassung schon ersichtlich war, werden die historischen Tatsachen, sowohl im Zeitablauf als auch sachlich, ziemlich frei behandelt. Viel mehr Raum als sonst wird hier dem polnischen Anteil an dem Entsatz
gewidmet und er ist positiv dargestellt, was um diese Zeit schon nicht so oft
vorkommt.
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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Der Wiener Gemeinderat, Karl Landsteiner, der bereits im J. 1879 den
Antrag zur Schaffung eines Denkmals für Liebenberg gestellt hat, ist der
Verfasser einer dramatischen Dichtung, die in Übereinstimmung mit dem
Titel: ,Der Bürgermeister von Wien' Liebenberg zum Haupthelden hat.
Wir lernen ihn kennen, als er die wegen der ihnen angelasteten Verteidigungspflichten verärgerten Vertreter der Bürger in zwei längeren Reden im
Rathaus umstimmt. Dann spricht er seinem Sohn Andreas Mut zu und überzeugt ihn von seiner Pflicht. Nachher beruhigt er „eine Menge Leute" und
„niederes Volk", die vor seinem Haus demonstrieren („Nieder, weg mit ihm"
- II, 5). Später hören wir, wie er über das große Werk, das er zu vollbringen
dem Kaiser versprochen hat, erzählt. Er muß „helfen hier und dort, an tausend
Enden", die Wankenden stützen, die Menge begeistern. Ohne falsche Bescheidenheit meint er: „Wer soll's und kann's, wenn ich's nicht soll und kann?"
(IV, 8). Dem Verfasser gefiel es, ihn in eine sehr prekäre Lage zu bringen, indem
sein Sohn als Überläufer gilt. Das gibt Anlaß zu folgenden Äußerungen:
Liebenberg: Um den Verlor'nen wird der Vater weinen! Der Bürgermeister Wiens, der kennt ihn nicht.
Arzt: Ein harter Vater, doch ein großer Mann! (IV, 9)
Allein geblieben, sinniert er über sein Geschick:
Wie Moses steh' ich auf des Berges Höh'n
Der das gelobte Land von Ferne sah. (IV, 12)
Im letzten Akt sitzt er „im Lehnstuhl, die Seinigen sind um ihn gruppiert,
ängstliche Besorgnis verratend". Der Verfasser läßt ihn den Anfang der
Schlacht erleben (Liebenberg starb bereits in der Nacht 9/10 September),
•worauf er noch sagen kann:
Mein Werk, es ist getan!
Nun will ich gerne scheiden
und stirbt (V, 5). Damit aber trennen wir uns von Liebenberg nicht. In drei
Schlußszenen sieht man „auf einer Estrade, mit Kerzen umstellt die Leiche
Liebenbergs feierlich aufgebahrt" (V, 7—V, 9).
Die sicherlich besten Absichten des Verfassers erlitten eine totale Panne.
Mit seinen Reden, seinem Selbstlob, mit dem Lob der Anderen für ihn und
endlich mit der kindischen Leichenschau läßt die hier dargestellte Person des
Bürgermeisters den Leser kalt und ungeduldig gelangweilt. Man spürt nichts
von dem wahrlich tragischen Schicksal des mutigen, braven Mannes, der sich
schon während der Pest sehr verdient um die Bevölkerung gemacht hat, was
noch durch seine Klugheit und Energie während der Belagerung überboten
wurde.
Sonst bringt dieses Stück wenig Bemerkenswertes. Es wird in der Liebesgeschichte Liebenbergs Sohn, Andreas, die alte Masche von der Förstertochter
und dem sie liebenden, schurkischen Burschen, der die Türken fur seine
Entführungspläne gewinnt (früher von Püchler und Langer gebraucht), wieder
aufgewärmt. Von diesem Schuft abgesehen, stellen sich sämtliche Personen des
Stücks als brav, tapfer, patriotisch und heldenhaft vor. Ihre pathetischen Sprüche erinnern an ähnliche oder gleiche Äußerungen im spätromantischen DraUnauthenticated
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Jerzy Got
ma, insbesondere an Halms Werke. So ζ. Β. wiederholt der liebe Augustin, hier
„der Wienerstadt Homer" genannt (IV, 3):
Lieber sterben, als ein Sklave zu sein
fast wörtlich eine Phrase aus dem ,Sohn der Wildnis'.
Der anfangs sehr verdächtige Nörgler, der Schustermeister Schurz, entpuppt sich bald als tapferer Kämpfer, dessen „böse Zunge ( . . . ) durch edlen
Herzens Drang" wettgemacht wird (IV, 2). Es fehlt auch nicht an Lobsprüchen
wie: „Verräter reimt sich nicht auf Wiener Bürger" (II, 5) oder „Das WienerHerz, das ist am rechten Fleck" (IV, 2). Der verliebte Andreas wurde auf dem
Weg zu seinem Aennchen von den Türken gefangengenommen. Dort hat er
die Peitsche, den Hunger und tausendfaches Weh ohne einen Seufzer überstanden und sich als „stolz und grob" erwiesen (III, 2). Seine „stolze Seelengröße"
wird bewundert: „So denkt ein Christ! So spricht ein Mann" (III, 4).
Kara Mustafa treffen wir — wie schon oft früher - schlummernd inmitten
der Odalisken, die sich „unter den Klängen einer sanften Musik bewegen" „mit
tanzartigen Gebärden" (III, 5). Seine Entscheidung im Kriegsrat werden von
dem Renegaten Achmet Bei geschickt gelenkt (III, 7). Dieser, außer daß er, um
eine gute Tat zu tun, den jungen Liebenberg befreit, sinniert in einem längeren
Monolog über die wahre Macht, die er über das ganze Geschehen ausübt:
Ich bleib' im Hintergrunde - doch ich richte
Wie mir's beliebt, das Rad der Weltgeschichte.
(III, 9)
Die Verbündeten erscheinen hier nur schweigend im Triumphzug des
Kaisers im Nachspiel (s. Anhang). Die Zusammensetzung der belagernden
Armee klingt ein wenig sonderbar:
Horden asiat'scher Steppen,
Moslims, Walachen und Tataren (IV, 5)
Ein Gustostückerl sondergleichen, von der Titel- bis zur Schlußseite, ist das
im Jubiläumsjahr erschienene, als „großes geschichtlich vaterländisches Volksschauspiel" bezeichnete Werk ,Die Türken vor Wien, oder Glaube, Heldenmut
und Bürgertreue' von Josef August Lang. Schon die doppelte Titelseite läßt
einiges erwarten (s. Anhang). Auf der zweiten Titelseite, außer der Bemerkung,
daß dieses Drama „flir alle deutschen Bühnen des In- und Auslandes verfaßt"
worden ist, erfahren wir Näheres über das Werk. Es sei „das effektreichste
patriotische Sensations-Bühnenstück der Gegenwart" mit „Musik, Gesang,
Tanz, Lager-Szenen, Schlacht-Tableaux und Einzügen" und wurde teils „nach
historischen Daten und teilweiser Benützung der geschichtlichen Erzählung
von ,Otfrid Mylius' (Leipziger Auflage)" verfaßt. Es handelt sich hier um die
Novelle von Karl Müller (unter seinem Pseudonym Otfrid Mylius erschienen)
,Die Türken vor Wien' aus dem Jahre 1870.
Was die „historischen Daten" betrifft, so sind diese vom Verfasser nicht
gerade peinlich genau gelesen worden. U m nur die krassesten Beispiele dafür
anzuführen, sei bemerkt, daß die Entsatzschlacht hartnäckig, sowohl im Text,
als auch in den Bühnenanweisungen, immer auf den 13. September verschoben,
dafür aber das Gefecht bei Párkány (7. 10. 1683) auf einen unbestimmten
Termin vor dem Entsatz vorverlegt wurde und das Gefecht bei Petronell (am
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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7. Juli) als eine Schlappe der Polen dargestellt wird, die damals noch weit weg
gewesen sind.
Die historischen Begebenheiten sind hier nur eine Kuhsse für die Erlebnisse
des Helden, die er selber „einem umfangreichen Romane voller Abenteuer"
vergleicht (V, 1). Dieser Held, Fridolin, ist eine übermenschliche Gestalt. Das
wird durch seine Worte und Taten sowie das Zeugnis der anderen handelnden
Personen bewiesen. Von seinen Eltern als Kind der Kirche geweiht, flieht er
von seinem Hause in Schwaben, wird zum Viehtreiber, Bettler, Marqueur und
Kellner, Genösse eines Taschenspielers oder eines Gauklers, endlich ein kaiserlicher Soldat. Als solcher soll er nach seinem heldenhaften, aber undisziplinierten
Eingreifen, das zwei Dörfern und mehreren Menschen das Leben gerettet hat,
Spießruten laufen. Durch die Vermittlung Kollonitschs vom Kaiser begnadigt
und zum Hauptmann der Studentenlegion ernannt, soll er vorerst die schöne
Nichte des Bichofs, Agnes, nach Znaim geleiten. Von einem verräterischen
Höfling hinterlistig festgenommen und den Türken ausgeliefert, „der Türken
Sprache vollkommen mächtig" gab er sich als Muselman aus und zwar geschorenen Hauptes, und unter Bewachung wurde er als Mandolinenspieler,
Sänger, Deklamator und Taschenspieler zum Liebling der türkischen Offiziere
und sogar zum Günstling des Großwesirs. Dieser beneidenswert begabte junge
Mann ist darüber hinaus, nach der Schilderung eines Studenten, „der bravste
Kamerad, der je eine Waffe getragen, der treueste Patriot, der aufrichtigste
Freund", dazu unerschrocken, tapfer „wie ein Löwe und doch immer bescheiden" (VI, 4). Nachdem er aus der Gefangenschaft entflohen ist, hält er
„einem Koloß gleich" blutige Ernte unter den Feinden (VI, 7), dann schwer
verwundet, als Toter beweint, steht er wieder auf und übernimmt noch blutend
von Starhemberg eine vertrauliche Botschaft an Sobieski und Lothringen.
Erneut verwundet, liegt er ohnmächtig unter Leichen auf dem Schlachtfeld,
kehrt endlich nach Wien zurück um Kollonitsch's Nichte zu heiraten.
Die historischen Ereignisse nehmen wenig Raum ein und bilden nur den
Rahmen für die Abenteuer und Taten des Recken.
Der Kaiser, als er über etwaige Mißerfolge seiner Truppen hört, beschränkt
sich auf die Bemerkung: „Traurig, sehr traurig, es muß anders werden" (II, 1),
nimmt sich aber Zeit, in zwei Szenen (II, 5—6) die Sache Fridolins aufs genaueste
zu untersuchen. Sein Kriegsrat applaudiert die Rede Kollonitsch's mit „Bravo!
Bravo!" und dieser nimmt kein Blatt vor den Mund um Leopold die Wahrheit
über seine militärische Tauglichkeit zu sagen:
Euer Majestät ist sich wohl bewußt, daß Hochdieselbe von jeher mehr die
Künste des Friedens gepflegt haben, als das harte Waffenhandwerk. (II, 3)
Von den Bürgern Wiens wird ihr Herrscher als ein guter Mann, der leider
den falschen Ratgebern, nämlich dem Adel und den Jesuiten Gehör schenkt,
beurteilt. (III, 1)
Die Türken feiern das „Johannes der Täufer-Fest", wobei der Großwesir
auf einer Ottomane ruhend Pfeife raucht, die Eunuchen tanzen mit T a m bourins, Fridolin (damals noch Sklave) singt zur Mandoline, ein Paar junger
Wiener fuhrt ein Duett und einen komischen Tanz auf und die Haremsdamen
spinnen grausame Intrigen. (V, 1-5)
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Jerzy Got
Das köstlichste aber sind die Bühnenanweisungen. Als der brave Fridolin
in den Kerker gebracht wird „fällt unter raschem Schluß und Furioso der
Vorhang". Das Wort „Conquistadoren" wird vom Autor in der Fußnote dem
Leser als „Soldaten-Werber, welche jene aufstöbern, die sich dem Dienste
entziehen wollen" erklärt. Als der schurkische Ritter von Tülbing erscheint,
wird er so beschrieben: „ein feiger heuchlerischer Höfling und Intrigant, schon
durch seine Maske seinen falschen Charakter kennzeichnend, ein gut gemästeter
Wohllüstling und Tartüffe." Für eine Szene im türkischen Lager fordert der
Autor „eine feenartige Musik entweder im Orchester sehr piano oder oder
hinter der Szene". Bei einer Detonation, wo ein Steinregen die Bühne überschütten soll, wird zur Beruhigung erklärt, daß: „Diese Eindrücke hinter der
Szene markiert und die Steine selbstverständlich aus leichten Stoffen die Bühne
bedecken." Nach der Rede Starhembergs, die die Bürger ermutigt: „in diesem
erhabenen Moment fällt piano die damalige Volks-Hymne oder eine andere
versöhnliche Musik ein." Die Volkshymne soll übrigens noch zweimal im
vereinigten Entsatzheer hörbar werden. Die Schlußanmerkungen verdienen es
vollständig angeführt zu werden (s. Anhang).
Das Bemerkenswerteste an diesem Kunstwerk ist das Urteil des Verfassers
über verschiedene Gruppen der Gesellschaft. Er vertritt deutlich die Partei des
Kleinbürgertums. Zwar ist sein Held ein Adeliger, doch ein ganz geringer, sein
Vater ist nur der Vogt einer Dorfgemeinde. Fridolin ist übrigens ein erfolgreicher Karrierist, also ein nachahmenswertes Vorbild. Von einem nicht zustandegekommenen Mönch steigt er bis zum Major der kaiserlichen Armee auf,
und heiratet die Nichte des Bischofs Kollonitsch. Selber gesteht er offen: „ich
wollte mich empor arbeiten" (VIII, 3).
Die Animosität des Verfassers richtet sich also nicht gegen die Arrivierten.
Verdorben, korrupt und verräterisch ist das Beamtenvolk, diese „Federfuchser", das „unnütze faule Schreibervolk, das dem ehrlichen Bürger sein Recht
verkümmert", man soll es „zum Teufel jagen" (III, 1). Auch die Justiz ist in
Händen dieser „elenden Schreibern", die den Namen des Kaisers mißbrauchen
und „ein Spiel mit Gerechtigkeit und Gesetz" treiben. (II, 5 u. IV, 3) Weiters
werden die Jesuiten unfreundlich erwähnt (III, 1) und endlich wird auch der
hohe Adel, höchstwahrscheinlich der Kaiserhof, verächtlich gemacht. Als nämlich die Konspiration des „geheimen Assistenten" Ritter von Tülbing mit den
Türken zur Untersuchung kommt, läßt man diese fallen „weil mehrere hochgestellte Personen durch sie kompromittiert würden." (VIII, 6)
Der kollektive Held dieses Volksstückes sind die einfachen Wiener Bürger,
Schlosser, Spengler, Buchdrucker, Schuster, Schneider, Schmiede, Gemüsehändler, Bäcker u. dgl. Der Kaiser und Starhemberg verdanken die beharrliche
Verteidigung der Stadt nur ihnen. Die Reichstruppen haben nichts geholfen,
keine Entlastung der bedrängten Stadt durch Ablenkung des Feindes gebracht.
Nichts kann den Mut der Bürger übertreffen. (VI, 1) „Kein Bürger der ganzen
Welt" gleicht den Wiener Bürgern an „Opfer- und Großmut." Die Männer
leisten „Unglaubliches und Übermenschliches" in der Verteidigung (VI, 7), die
Frauen und Jungfrauen stehen „kämpfend auf der Bresche mit Todesverachtung" und schleudern „die Vernichtung in allen Gestalten auf den Feind"
(VII, 1). Ein wenig zeitverschoben wird als Wahlspruch der Wiener Bürger im
Jahre 1683 „es gibt nur eine Kaiserstadt, es gibt nur ein Wien" zitiert, ein
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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wohlbekannter Vers aus Bäuerle's Volkszauberoper , Aline, oder Wien in einem
anderen Weltteile', deren Uraufführung im Jahre 1822 stattfand.
Seltsame Einßille und ein einziger
Bühnenhit
Zwei Jahre nach dem Jubiläum, im Jahre 1885, wurde der Faden der Türkenbelagerung wieder in einem Drama aufgenommen. Diesmal zwar von einem
österreichischen Staatsbürger, doch keinem Deutschen. Der Verfasser, Józef
Osiecki, war Pole und eine in Wiener Gerichtskreisen wohlbekannte Person.
Seine erste Bekanntschaft mit dem österreichischen Gefängnis hat er noch im
Lemberg, im Jahre 1849 (wegen des Anteils an dem ungarischen Aufstand)
geschlossen, doch dann später, in Wien, wo er die polnische ,Postep' redigierte
und herausgab, stand er noch weitere viermal vor Gericht und zwar wegen
Störung der öffentlichen Ordnung, Aufwiegelung, Hochverrates und Majestätsbeleidigung. Er verbrachte in der Zeit von 1862—1864 insgesamt ein Jahr
im Gefängnis. Vor der vierten, der letzten Strafe hat er sich durch Flucht
gerettet. Der Grund dieser Urteile waren seine Artikel, wo er einerseits leidenschaftlich den polnischen Aufstand darstellte und ihn heftig unterstützte, andrerseits die terroristischen Methoden der österreichischen Polizei in Galizien
nach der Einfuhrung des Belagerungszustandes brandmarkte. (Mehr darüber
bei R. Taborski, Wsród wiedenskich poloników, Krakow 1974).
Nun, nach zwanzig Jahren, wohnte er wieder in Wien (Hernais, Stiftgasse
2, wie er in der Handschrift seines Dramas mitteilte) und, vermutlich durch die
um diese Zeit stattfindende historische Diskussion, möglicherweise auch durch
die hier besprochenen Dramen angeregt, wollte er auch seine Stimme in dieser
Angelegenheit hören lassen. Da diese auf die Österreicher wirken sollte, hat er
sein Stück in deutscher Sprache verfaßt, obwohl er dieser nicht einwandfrei
mächtig war. Somit müssen wir sein Werk den österreichischen Dramen
zurechnen. Er hat vielleicht absichtlich denselben Titel, wie schon einmal
Köberle, nämlich .Bruderherz' (Koltschitzkys Beiname) gewählt, um den
Unterschied in der Auffassung der Person und des Themas zu unterstreichen.
Wie zu erwarten war, nimmt er in seinem Volksstück gleich begeistert wie
ungeschickt für Polen Partei. Seine literarische Unbeholfenheit, bei der leidenschaftlichen Teilnahme für seine Ideen, hat er schon früher in seinen Romanen
zu Tage gelegt. Das einzige originelle in dem naiven Stückchen ist am Anfang
die Kabale einiger Wiener Bürger, die um ihre Schonung beim erwarteten
türkischen Sturm zu erlangen, mit Platzpatronen gegen den Feind zu schießen
bereit sind (I, 1). Auch wird hier die ernste innere Lage der Stadt gegen Ende
der Belagerung einmal offen erwähnt. Starhemberg scheut sich, zu streng gegen
die Schuldigen vorzugehen, weil er die offene Rebellion befurchtet (I, 13).
Der Titel- und Hauptheld Koltschitzky bekennt sich zum Polentum und
- in Prosa und gesungenen Versen - preist er den polnischen König, „den
einzigen Mann, der gegenwärtig im Stande ist, die Türken zu besiegen". Allein
„der Klang seines namens genügt, Furcht und Verwirrung in ihren Reihen zu
verbreiten." Und dann singt er:
König von Polen, der tapfere Held,
Kennt keine Spaße mit Feind im Feld.
Er hat schon zweimal die Türken geschlagen,
So wird er bei Wien die heidnischen Häufen
In kurzer Zukunft auf christliche taufen!
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Jerzy Got
Den Inhalt des Volksschauspiels bilden die Abenteuer Koltschitzkys in
einem Kahn auf der Donau, im K a m p f mit den Tataren, unter dem Galgen vor
dem Zelt des Großwesirs, wo er Flöte spielt, und dann als Abgesandter des
türkischen Feldherrn nach Wien zurückgeschickt wird. Im letzten Aufzug wird
Walzer getanzt und Koltschitzky mit seiner Verlobten schenken Kaffee aus.
Früher wird v o m Verfasser noch ein Tanz der Odalisken zum Takt, den die
Eunuchen schlagen, und ein „stürmischer" Auftritt der Negertänzerinnen, die
einen „wild-charakteristischen" Tanz vorführen sollen, gewünscht.
Z u m Lob der polnischen Armee werden außer Koltschitzky noch der
Chan der Tataren und der Vater der Gehebten des Kundschafters, der Wirt
Weinberl, bestellt. Chan meint, daß es vergebens wäre, den polnischen Panzerreitern Widerstand zu leisten, da sie „wie die Wellen des stürmenden Meeres
alles zertrümmern, was sich ihnen in den Weg stellt" (II, 4), der Wirt erklärt,
daß Sobieski die Stadt gerettet hat (III, 5).
Das Stück endet mit dem von allen Anwesenden - Starhemberg inklusive
- gesungenen Lobchor auf den Kaffee.
Die hier v o m polnischen Verfasser in deutscher Sprache angestrebte Betonung des polnischen Anteils an dem Entsatz stellt ein einsames Beispiel der
nationalen polnischen Propaganda in den hier besprochenen Belagerungsdramen dar. Das Stück von Berlichingen (aus dem J . 1894) nämlich, wo die
Person des polnischen Königs auch auffallend hervorgehoben wird, geht nicht
von den nationalen, sondern von ganz anderen Voraussetzungen aus.
Als der Priester Kajetan Koglgruber (Pseudonym: Kogl) im J. 1880 in den
Ruhestand trat, widmete er sich eifrig der Uterarischen Tätigkeit mit Bevorzugung des Dramas. Das Jahr 1885 mit sechs Stücken war besonders fruchtbar.
Darunter war auch sein Volksschauspiel in fünf Aufzügen: .Wahrheit und
Dichtung, oder Wiens Belagerung und Entsatz'. Die Entlehnung des ersten
Teiles des Titels bei Goethe erweist sich nach der Lektüre des Stücks als
zumindest anmaßend. A u f die Wahrheit wird hier kein großer Wert gelegt und
von Dichtung kann überhaupt keine Rede sein. In seitenlangen Monologen
stellen sich die auftretenden Personen vor, erzählen, was mit ihnen oder anderen
einmal früher geschah und was jetzt irgendwoanders geschieht, sie erzählen
sogar, wie sie angezogen sind (III, 3). Des langatmigen und ungeschickten
Geredes gibt es kein Ende.
Im ersten Akt hat der Kaiser diese undankbare Aufgabe. Er berichtet
detailliert über die Vorgeschichte des Krieges, die Absichten und Intrigen
König Ludwigs, Tökölys und Kara Mustafas, über seine Bemühungen, die
Verbündeten zu gewinnen, u . s . w . , u . s . w . U m Starhemberg zum Kommandaten zu ernennen, muß er über eine Druckseite reden. Weitschweifig, aber
entschlossen verwirft er die Bitte Starhembergs, die Stadt zu verlassen, u. a.:
„Wie könnt ihr nur so sprechen? Darf ein Hirt seine Schäflein schmählich
verlassen?" Er will bis zu seinem letzten Atemzuge seine kaiserliche Pflicht
erfüllen. Als aber der Kommandant erklärt, daß es der allgemeine Wunsch der
Bevölkerung ist, sagt er ohne zu zögern: „dann darf ich freilich auf meinem
Vorschlag nicht bestehen" (I, 8).
Ähnlich geschwätzig wird der Großwesir im zweiten Akt, wobei er
teilweise die aus dem ersten Akt bekannten Nachrichten wiederholt, und im
übrigen stellt er sich als einfacher blutrünstiger Mörder (II, 2) und eingebildeter
und unfähiger Feldherr (II, 3—5) dar.
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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Für die Berichterstattung über ihres und ihrer Familie Leben in Polen und
über ihre jetzige Lage benötigt Johanna Koltschitzky (hier die ungefähr
40jährige Frau des Kundschafters, Mutter eines 20jährigen Mädchens) fast zwei
Druckseiten Monologs. Dabei erfahren wir, daß Wien in der „Kulturrichtung"
des Kaffeegenusses weit hinter Konstantinopel zurückbleibt, doch die Familie
den Mocca schon seit Jahren trinkt (III, 1-2).
Nicht weniger schwatzhaft sind im IV. Akt die zum Entsatz versammelten
Feldherrn. Die Szene des Ritterschlages für Prinz Jakub, in mehreren Dramen
ziemlich kurz behandelt, gibt hier Anlaß zu einem neuen Erguß in schwülstiger
Sprache.
Die komisch gedachten Szenen sind geistlos. So das Gespräch zwischen
Kara Mustafa und Ahmed, wo der letztere gerne ins Paradies, doch ohne
Kampf, gelangen möchte, worauf ihm der Großvesir droht: „Allah wird dir
etwas pfeifen" (II, 1). Ähnlich witzig ist die Szene zwischen dem als Türken
verkleideten Koltschitzky, der auch die Bauchredekunst beherrscht, und seiner
Frau, wo die erschrockene Dame ihn mit Würstel, Schnaps und Zigarren
(„Stinkadores"!) zu versöhnen trachtet (III, 6).
Einige scherzhafte Stellen, die unter anderen Umständen zum absurden
Humor gerechnet werden könnten, wirken hier nur unpassend. So reden die
Wiener im J. 1683 über den Kneipp-Kaffee, über den verstorbenen Richard
Wagner (III, 2) und über die Gasflammen. Von den rührenden Szenen genügt
es, eine zu erwähnen, wo Gräfin Starhemberg vor der Bahre mit der Leiche
ihres Mannes steht (V, 2).
Die Vertreter der Wiener Bevölkerung sind - bestimmt nur durch die
Ungeschicklichkeit des Verfassers — wenig gewinnend. Die Studenten freuen
sich über die Belagerung, da diese sie vor den Prüfungen rettet. Frau Koltschitzky träumt von ihrer Karriere als „gnädige Frau", ihr mißfällt die bescheidene
Bude ihres Mannes, wo sie als Verkäuferin auftritt, und sie bringt ihrer Tochter
bei, daß diese nicht auf den gemeinen polnischen Namen „Marinka", sondern
nur auf den vornehmen deutschen „Marie" hören soll (III, 1-2). Kein Wunder
also, daß das Mädchen bei dieser Erziehung, als es die Aussichten auf eine
günstige Heirat hat, so monologisiert: „Vielleicht bin ich binnen wenigen
Wochen schon eine gnädige Frau. O, wie wohl wird mir das tun (...), wenn
ich befehlen kann und andere auf meinen bloßen Wink achthaben müssen"
(V, 7).
Dem polnischen König wird hier viel Lob zuteil: „Sein bloßes Erscheinen
allein schon ist imstande, die Kriegslust und Mut unserer Feinde anzufachen und
zu entflammen. (...) Auf sein Kommandowort stürzt sich alles wie wütend in
den Kampf" berichtet dem Großwesir ein Vertrauter (II, 1). Und Sobieski
selber äußert sich eher naiv dazu: „Ich muß gestehen, wenn es heißt, es drohen
die Osmanen das Christentum zu unteqochen, so wallt in heftiger Erregung
das Blut in meinen Adern auf, eine heiße Lust zu kämpfen erwacht in meiner
Brust und nimmermehr mag ich ruhen, bis diese Lust gestillt ist" (IV, 7).
Das schon i m j . 1885 geschriebene Produkt der Mußestunden des Verfassers
erschien erst fünfzehn Jahre später in Linz im Druck.
Dreihundertdreiundsechzig Druckseiten, siebenundsechzig handelnde Personen, die Boten, Offiziere, Soldaten, Sklaven, Stadträte, Bürger, Studenten,
Henker, Diener und „Frauen von Wien" hier nicht mitgerechnet, in sechsundUnauthenticated
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Jerzy Got
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zwanzig Bühnenverwandlungen verbrauchte Adolf Freiherr von Berlichingen
fiir sein dramatisches Gedicht in fünf Akten ,Die Befreier Wien's 1683', das im
Jahre 1894 erschienen ist. Der Verfasser besann sich freilich später der monströsen Ausmaße seines Werkes und fugte resigniert die Bemerkung hinzu:
„Bei Auffuhrungen, welche mehr als drei Stunden nicht in Anspruch nehmen
dürfen, kann der zweite und vierte Akt weggelassen werden." Die Entscheidung über das Streichen dieser Akte oder sonstiger Stellen wurde dem
Stücke erspart, da es - nach unserem Wissen — nie aufgeführt worden war.
In diesen riesigen Dimensionen entwickeln sich parallel zwei Handlungen,
die jedoch zu einem gemeinsamen Ziel streben. Die historische Handlung
schildert mehr oder weniger wahrheitsgetreu die Ereignisse im Sommer 1683.
Die fiktive Handlung — ein seltener Fall in diesen Dramen - wird aufs engste
mit der Person Starhembergs verbunden. Es geht nämlich darum, daß sein
Neffe Guido, mit seiner Tochter Elisabeth verlobt, durch eine sehr künstliche
Verwicklung der Zufalle sich unschuldig den Zorn des Kommandanten zugezogen hat. Als Strafe für das Handeln „hinter meinem Rücken" löst Rüdiger
die Verlobung auf. Das bringt Elisabeth auf die rätselhafte Idee, daß nur „ein
großes Opfer kann Gott versöhnen" (I, 10). Seitdem sucht sie nach jeder
Möglichkeit, dieses Opfer zu vollbringen, unter anderem indem sie ein zwölfjähriges Kind, von ihrem Vater zum Tode verurteilt, auf das Schaffott begleitet
und sein Haupt unter dem Henkersbeil hält. Blutbespritzt und schluchzend
erklärt sie ihre Tat: „Gott hat's von mir verlangt" (III, 20). Seitdem wandelt
sie mit aufgelösten Haaren und einem Blumenkranz druch die Säle des Starhemberg'schen Palastes, der schwebenden Gestalt des hingerichteten Knaben
folgend (III, 21). Kollonitsch interpretiert den Fall deutlich und mit Sicherheit:
Sie hat zum Opfer sich für Euch erboten,
Und Gott hat's angenommen; sie wird sterben,
Und sterbend wird sie Euch und uns retten.
Dazu meint Starhemberg ziemlich haltlos:
Mein Opfer ist gebracht (III, 21).
Es zeigt sich später, daß der Bischof von Wiener-Neustadt den Lauf der
Dinge haargenau prophezeit hatte. Elisabeth wird noch ein bißchen von dem
Geist des Knaben durch den Palast spazieren gefuhrt (V, 1), dann bittet sie ihren
Vater um Verzeihung, singt ein frommes Lied und, dem Geiste wieder folgend,
verläßt sie die Stadt (V, 8). Und zwar in einer bestimmten Richtung: in den
Festungsgraben vor der Courtine. Dort wird sie von einem türkischen Pfeil
tödlich getroffen. Dadurch eben rettet sie Wien. Zwar haben die Verbündeten
die Türken besiegt, das aber würde keine Rettung für die Stadt bedeuten, da
sie völlig unterminirt wurde und die Lunte schon angezündet worden war. Nur
das Blut aus Elisabeths Todeswunde allein hat diese Lunte ausgelöscht und die
totale Zerstörung der Stadt samt ihrer Bevölkerung vereitelt.
Die unheilvolle Abhängigkeit Berlichingens von dem großen Vorbild
Shakespeares ist in der ganzen Anlage des Stücks und in manchen Teilen der
Handlung offensichtlich. Sie geht so weit, daß er, vielleicht unbewußt, die
wohlbekannten Phrasen oder Szenen nachahmt. So spricht Guido über die
wahnsinnige Elisabeth:
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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O Gott! Wie schad' um ihren hohen Geist!
was zwangsweise an die Worte Opheliens:
O, welch ein edler Geist ist hier zerstört
erinnert. Die Erscheinung des Geistes des ermordeten Kara Mohameds vor dem
Großwesir in seinem Zelt vor der Schlacht läßt sofort an die Geisterszene im
,König Richard III' (V, 3) denken. Über die Verwandtschaft der Wahnsinnszenen Elisabeths und Opheliens braucht man nicht mehr reden.
Diese Entlehnungen dienen der schon aus der Zusammenfassung klar
ersichtlichen Idee des Dichters. Auf den Hauptzweck des Stückes — die Botschaft über die glückseligen Folgen der willigen Bereitschaft zu jedem, auch
Glücks- und Lebensopfer für Gott, Christenheit und die Kirche — sind hier
außer der fiktiven Handlung auch die Reden und Taten der historischen
Personen zugeschnitten. Diese werden von den beiden Geistlichen, Kollonitsch
und Marco d'Aviano, entweder zum Guten gelenkt oder wenigstens dazu
ermahnt. Die beiden sind bestens über die Absichten der Vorsehung und die
künftigen Ereignisse informiert und sparen mit der Offenbarung ihres Wissens
nicht.
Unter den christlichen Laien gibt es hier zwei Sorten von Helden - die
minderen und die ganz großen. Die ersten — wie Guido, Waideck — sind edel,
brav, tapfer und selbstverständlich immer aufopferungsbereit, nur ihr Anteil
an dem Geschehen wird weniger ausfuhrlich behandelt. Sie trennen sich ohne
Bedauern, fast mit Freude, vom Leben. So Koltschitzky, der hier vom Dichter
den Türken zum Tode ausgeliefert wird:
Ich sterbe gern, wird nur mein Wien gerettet (IV, 7)
Die drei Haupthelden sind Sobieski, Lothringen und Starhemberg. Die auf
den ersten Blick erstaunlich große und glänzende Rolle Sobieskis scheint
dadurch begründet zu werden, daß er vom Verfasser zum Vorbild des christlichen Herrschers gewählt wurde. U m ein solches Vorbild zu erschaffen, blieb
ihm freilich wenig freier Spielraum. Die für das Gelingen des Entsatzes sehr
wichtigen Bemühungen des Kaisers brachten dazu keinen geeigneten Stoff und
außerdem war seine Flucht aus Wien schwer mit der Aufopferungsidee in
Einklang zu bringen. Für das gesuchte Vorbild war also Leopold nicht die
richtige Person. Die deutschen Kurfürsten hatten weder solchen Rang noch
genügend Ausstrahlungskraft, um überzeugend wirken zu können. Der polnische König blieb also als Zwangslösung übrig, die jedoch wohl berechtigt war.
Sein Glaubenseifer war eine bekannte Tatsache, seine siegreichen Kämpfe mit
den Türken brachten ihm den Namen des Beschützers der Christenheit ein.
Den Rest konnte der Dichter besorgen.
Sobieskis Auftritt ist vom Verfasser sorgfältig vorbereitet worden. N u r ihn
fürchtet Kara Mustafa (II, 12), Lothringen will sich freiwillig ihm unterstellen
(II, 16) und preist ihn als den Löwen des Nordens, der
die Bedeutung der gegenwärt'gen Stunde,
Die einmal nur in hundert Jahren kommt,
Gewürdigt und erkannt
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Jerzy Got
hat, der dem französischen König die „schönste Krone", die „der befreiten
Christenheit", genommen hat (II, 17). Nach dieser Vorbereitung erscheint
Sobieski (II, 18), der sich gleich als frommes Werkzeug Gottes vorstellt. Im
Gespräch mit Lothringen über den Oberbefehl der Truppen ist er gerne bereit,
darauf zu verzichten. Und als die polnischen Krieger dann gegen den Oberbefehl des Kaisers meutern und mit ihrer Heimkehr drohen, läßt er sie gehen und
kündigt an:
Ich bleibe hier und kämpfe für den Christ
Als einz'ger Pole, der Gott treu geblieben.
„Im Angesicht des Kreuzes, das erliegt", sagt er weiter, ist keine Zeit „zu
feilschen und zu schachern um den Titel."
Sogar die herbe Enttäuschung über das Scheitern seiner Werbung um des
Kaisers Tochter Maria Antonia fur seinen Sohn Jakub nimmt er, nach kurzer
Betroffenheit, als Gottes Wille gelassen an. Der Eifer des Königs fur den Entsatz
Wiens wird dann im V, 3 und V, 6 bezeugt. Die Prophezeihung Marco
d'Avianos über das Mißlingen der Pläne Sobieski's, seine Königsdynastie zu
gründen, erschüttert zwar für einen Augenblick sein Vertrauen in Gottes
Gerechtigkeit, doch, vom Mönch ermahnt, besinnt er sich gleich: „Ich beuge
mich - und leg's in Gottes Hand" (V, 9). Nach dem Sieg schließt das Stück
mit seinen Worten: „Gott allein gebührt des Sieges Ruhm."
Damit ist das Bild des christlichen Herrschers fertig: bescheiden, edelmütig,
tapfer, fromm, dem Dienst am Glauben ergeben, mit einigen menschlichen
Schwächen, die er jedoch mit Hilfe der Mahnung der Geistlichen schnell
überwindet und seinen Stolz, seinen Ehrgeiz und das Wohl seiner Familie fur
die Christenheit opfert.
Fast dieselben Charakterzüge weist der Prinz von Lothringen auf. Er ist ein
Ritter ohne Furcht und Tadel, ein kluger Staatsmann und Feldherr, ein loyaler
und aufrichtiger Verbündeter und selbstverständlich ein vorbildlicher Christ.
Zweimal opfert er seinen Ehrgeiz und sein Wohl für höhere Zwecke, als er auf
die Aussichten auf die Krone Frankreichs und auf die Rückkehr in seine Heimat
verzichtet (II, 17 und V, 7). Er ist auch jener, der die Hauptidee des Stücks
formuliert: „Unglück ist nur Kreuz, und Kreuz bringt Segen" (II, 17).
Als ein zweideutiger Held erscheint hier Starhemberg. Sein Mut, seine
Tapferkeit und Entschlossenheit werden zwar ausreichend hervorgehoben,
doch wird er von mehreren Personen und auch durch seine Taten der unnötigen Härte und sogar Grausamkeit bezichtigt. Das über den Knaben gefällte
Todesurteil wird direkt als Justizmord bezeichnet (III, 18), er selbst wird
„blutbespritzter Henker" und „der Unschuld Mörder" von den Wienern
genannt (III, 20). Er hört sogar auf die Bitten Bischof Kollonitschs nicht. Durch
den Wahn und den Tod seiner Tochter wird er bestraft.
Den Charakter des türkischen Feldherrn stellt Berlichingen nur in den
düstersten Farben dar. Er ist ein Verräter an seinem Herrn, ein skrupelloser,
hinterlistiger Mörder seiner Gegner, ein blutrünstiger, grausamer Mensch.
Im türkischen Lager erscheint auch die schon bekannte Person des Renegaten, eines ehemeligen Kapuziners. Hier wird er mit der Familie Starhembergs
in nahe Verbindung gebracht, da er, als er seinerzeit das Kloster verlassen hat,
der Sekretär Starhembergs und Lehrer seiner Kinder wurde und „die Augen
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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zu meiner Schülerin", der Elisabeth, hob. Darauf wurde er entlassen und er
schwor Rache. Mit den Plänen der Befestigungen ging er zu den Türken und
leitete die Mineurarbeiten. Von Gewissensbissen gepeitscht, stirbt er im Festungsgraben neben Elisabeth.
Die Prophezeiungen der beiden Geistlichen in diesem Stück betrafen die
historischen Vorfälle, die im Jahre 1894 schon längst vollendet waren, kein
Wunder also, daß sie sich als vollkommen zutreffend erwiesen. Dem Dichter
aber gebührt die Ehre, selber in einer Erleuchtung die bedeutenden Worte über
die noch entfernte Zukunft zu finden:
Ja, diese Deutschen sind ein zähes Volk.
Gott mög' sie vor Eroberungslust bewahren;
Sonst weh der Welt! (V, 3)
Das Geheimnis dieses verblüffenden Werkes, das die Belagerung, den
Entsatz und sogar die Liebesintrige zum Anlaß für eine trübe, von Blut
triefende, dramatisierte Predigt über die Pflichten der Christen nimmt, ist durch
die Person des Verfassers erklärt. Als achtzehnjähriger Jüngling trat er zur
katholischen Kirche über, wurde Jesuitenzögling, dann Mitglied des Ordens
und später Priester. Er gebraucht sein Drama als ein Mittel der Seelsorge. Man
merkt an den beiden hier besprochenen Jesuitendramen (von Stecher und von
Berlichingen,) wie weit sich der Orden von seiner ruhmreichen Theatervergangenheit entfernt hat und wie gänzlich seine Mitglieder die dramatische Geschicklichkeit und das ihnen früher eigene Gefühl für Bühnenwirksamkeit
verloren haben.
Im selben Jahr 1894, als Berlichingens dramatische Dichtung in Wien
erschien, debütierte auf dem Feld der Entsatzdramen eine Dame, die bekannte
Emailmalerin Auguste Wahrmund. Sie war die Tochter des namhaften Orientalisten Adolf Wahrmund. Ihr historisches Schauspiel, dem Erzherzog Rainer
gewidmet, heißt ,Der Kampf um Wien'. Fräulein Wahrmund verteilt in ihrem
Schauspiel Licht und Schatten ganz anders, als es Berlichingen getan hat. Ihr
Held ist der Kaiser selbst, dann mit gebührlichem Abstand Lothringen und
Starhemberg. Der Kaiser erscheint zuerst in Wien (I, 11-17), dann in Passau
(III, 1-5) und endlich bei Nußdorf, wo er Sobieski trifft und mit ihm in die
befreite Stadt einzieht (V, 9).
Trotz der schwierigen Finanzlage des Staates spart der Kaiser kein Geld für
den Schutz der Bauern, dafür aber genehmigt er nur mit Widerwillen, von der
Kirche Geld „für die gemeine Not" zu borgen. Den Gedanken an Flucht
verwirft er „ernst und streng", mit Entschlossenheit: „Kein Wort, ihr kennt
nun unsern Willen". Der Feind mag ihn unter Wiens Mauern begraben, er
weicht nicht, er bleibt bei seinem Volk. Erstaunt vernimmt er von Kollonitsch,
daß seine Anwesenheit in Wien die Wucht der türkischen Angriffe nur vermehren würde. Endlich, überzeugt durch die vorgebrachten Argumente und dringenden Bitten, gibt er nach und verläßt die Stadt. In Passau bestätigt er
großmütig die unbesonnenen Versprechungen seines Abgesandten, der um
jeden Preis die Hilfe Sachsens erlangen wollte. Als dann Leopold seine feste
Absicht, die verbündeten Truppen zu befehligen, erklärt, wird ein Brief von
Sobieski gebracht, wo der König übermütig für sich den Oberbefehl fordert.
Diese Forderung wird vom kampfesfreudigen Kaiser schlicht verworfen. Endlich, von Sobieski erpreßt, schickt er ihm den Kommandostab.
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Jerzy Got
Im Vergleich mit dem Kaiser zeigt sich Sobieski hier eher unrühmlich.
Zwar steht er alle Verdienste in der Vereinigung der Kampftruppen dem
Lothringer zu und dankt ihm für die Sicherung des Weges nach Wien (IV, 1),
nach der Schlacht gesteht er dem Kaiser bescheiden, daß er nur Gott gedient
habe, doch sonst folgt er nur seinem Ehrgeiz und feilscht mit den Kurfürsten
um die Führung (IV, 1). Diese weisen ihn zurecht. Als Sobieski endlich den
ersehnten Stab erhält, ergreift er ihn mit dem Ausruf: „Ha, mein!" (IV, 2).
Dann zögert er mit dem Abmarsch zum Entsätze und überläßt das Kommando
Lothringen (IV, 3). Schließlich, nach der Schlacht, gesteht der König: „Wir
haben nur uns selbst in Euch verteidigt."
Der erbitterte Widersacher des polnischen Königs ist der Kurfürst von
Sachsen. Einige seiner boshaften Bemerkungen sind nur Spötteleien, doch seine
ernsten Äußerungen sollen das Bild Sobieski's ergänzen. Der Kurfürst hebt
hervor, daß der ganze Schlachtplan Lothringens Werk ist, meint, daß Sobieski
„bei Schmaus und Wein" den Sieg erwartet, den die Kaiserlichen indes erkämpfen, und schätzt die früheren Siege des Königs gering.
Die erfundene Handlung hat zwei Fäden. Der eine ist die stille Liebe eines
Bürgermädchens zu Starhemberg, der hier zwar ein strenger Kommandant,
aber ein sanftmütiger Mensch ist. Das Mädchen dient ihm selbstverständlich als
Knabe verkleidet. Den anderen Faden bilden die satanischen Intrigen einer
französischen Witwe, die einen braven österreichischen Offizier becirct und ihn
zum Verlassen des Postens bewegt. Der Kundschafter Koltschitzky erscheint
auch hier, seine Rolle bleibt aber untergeordnet.
Der Großwesir ist ein eigensinniger, eingebildeter und unfähiger Feldherr,
der während des ersten Teils der Schlacht auf dem Bett Üegt und sich von einem
Soldaten deren Verlauf berichten läßt. Seine Strategie im Angesicht der Niederlage beschränkt sich auf zwei Befehle: den ägyptischen Wahrsager, der ihm den
Sieg versprochen hat, soll man unverzüglich aufhängen und die christlichen
Sklaven schlachten (V, 3). Dann sehen wir ihn nur noch kurz auf der Flucht
(V, 7)·
Das Schauspiel beginnt und endet mit ein wenig aus der Luft gegriffenen
und hochtrabenden Huldigungen an Habsburg und Österreich:
O Österreich ( . . . ) Du Hüter
Der Himmelstür, der Sicherheit Europa's
Das Land, das Gott erwählt in seiner Gnade
Der Menschheit höchste Güter zu bewahren,
Europa's Freiheit und der Christen Heil! (I, 2)
und am Ende, von dem so ruhmsüchtigen Sobieski gestanden:
Habsburgs Ziele
Eins sind mit dem des Herm (V, 9)
Es scheint, daß der durch die Widmung beschenkte Erzherzog Rainer nicht
sonderlich vom diesen Werk begeistert gewesen ist, da die sicherlich von der
Dichterin ersehnte Aufführung des habsburgtreuen Schauspiels ausblieb.
Sehr viel Bewegung, rasche Folge der Ereignisse, knappe Äußerungen in
manchmal lebhaftem Dialog der auftretenden Personen, direktes Eingreifen ohne jede Vorgeschichte — in die wesentliche Situation der belagerten Stadt,
sind die äußeren, bühnenwirksamen Merkmale der historischen Zeitbilder von
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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Dr. jur. Friedrich von Radler ,Die Türken vor Wien (1683)'. Dazu kommen
einige einfache Witze, viel Gesang, gelungene Couplets (s. Anhang), ein bißchen Tanz — und ein anspruchsloses, aber wirksames, zugkräftiges Volksstück
ist fertig. Mehr hatte der Autor sicher auch nicht angestrebt. Und was der brave
Magistratssekretär auf diesem Felde kann, hat er schon im J. 1880 bewiesen, als
sein Genrebild Joseph Lanner' im Theater in der Josefstadt einhundersiebzehnmal en suite gespielt worden war.
Gleich am Anfang merkt man die Geschicklichkeit Radlers. Auf der reich
mit Dekorationen und mehreren sich bewegenden Menschen ausgestatteten
Bühne singen nacheinander verschiedene Chöre, die die unterschiedlichen
Gefühle der einzelnen Gruppen ausdrücken.
So die Soldaten:
Hurrah, die Trommeln, sie rufen zum Kampf! (...)
die Flüchtlinge:
Wehe, - weh uns armen Leut' (...)
die betenden Kinder (monoton):
Lieber Gott im ew'gen Licht (...)
die Studenten:
Gaudeamus igitur (...)
die Mönche:
Dies irae - dies illa (...)
die Maurer:
Stein auf Stein - schlagt hinein (...)
die Werber-Soldaten:
Herbei, herbei, ihr Burschen all' (...) (I, 1)
Bischof Kollonitsch braucht bei der Weihe der Mauer nicht mehr als drei
Zeilen zu reden (I, 2) und so, mit wenigen Ausnahmen, geht das Ganze weiter.
Eine Handlung gibt es nicht. Wie im Untertitel angekündigt, sind es nur Bilder
aus der Zeit der Belagerung — die zwei ersten schildern das Leben der Stadtbevölkerung, das dritte das türkische Lager, und das vierte den Tag nach der
Befreiung.
Auch eine nähere Charakteristik der erscheinenden Personen gibt es nicht.
Die Wiener - Generäle, Soldaten,Studenten, Beamten, Bürger - sind im
allgemeinen gutmütig, liebenswürdig, tapfer und dem Kaiser und dem Vaterland ergeben. Der Kundschafter Koltschitzky und der Bänkelsänger Augustin
fehlen hier nicht, ihre Rollen sind aber nicht sonderlich hervorstechend, so wie
es überhaupt im ganzen Stück keinen deutlichen Helden gibt. Auch die verbündeten christlichen Truppen, nur in Gesprächen erwähnt, werden kollektiv als
ersehnte Retter der Stadt betrachtet.
Unter den Türken steht Kara Mustafa mit seinen verräterischen Plänen,
sich ein eigenes Reich mit Wien und Rom zu gründen, allein den meuternden
Paschas und Janitscharen gegenüber. Er ist ein „toller Schweiger", Wüstling,
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Jerzy Got
berauscht sich „mit Strömen von Arak", zur Zerstreuung haut er den christlichen Sklavinnen dutzendweise die Köpfe ab (III, 2). Mit Hilfe seiner geliebten
Odaliske Susa, einer Wienerin, vergiften ihn die Verschworenen mit Schierling. Er wankt, sinkt ohnmächtig nieder und wird von den Sklaven von der
Bühne getragen. Ehe dieses Attentat stattfindet, wird noch vor dem Großwesir
das Bairamfest gehalten (III, 7).
Es ist vielleicht erwähnenswert, daß Radier sich bemüht, ein wenig orientalisches Kolorit ins türkische Lager zu bringen. So fängt das dritte Bild - wie
in der Oper ,Wanda' — mit dem Lied des Muezzins an, der Großwesir spricht
zu Susa: „mein Täubchen — in deinen Armen entschwindet alles Ungemach
und selbst die Nacht verklärt sich mir zur holden Morgenröte", die Odaliske
nennt ihn „mein ungestümer, schwarzer Panther" oder „du meines Daseins
Sonne" (III, 3 und 7), was hier, im Kontrast zur eher derben Sprache der
Wiener, als blumenreicher Stil wirkt.
Es ist erfreulich, endlich wieder — was bei dieser Darstellung ein seltener
Fall ist — über einen echten, großen Theatererfolg berichten zu können. Und
dazu über einen Erfolg, der für die Geschichte der Inszenierung und Bühnenausstattung recht interessant ist. Zugegeben, der Anteil des Verfassers an
diesem Erfolg beschränkte sich auf die Lieferung des Ausgangsmaterials fur die
Erfindungsgabe der Theaterleute, doch es bleibt die Tatsache, daß es nur einmal
in dieser Zeit, eben aufgrund seines „Materials", in Wien zu solcher Entfaltung
der Bühnenmittel kam.
Direktor Gabor Steiner war seit dem J. 1899 der Eigentümer des Sommertheaters im Englischen Garten (Venedig zu Wien) und seit dem J. 1900 zugleich
Direktor von Danzers Orpheum. Schon im J. 1902 hat er die Wiener beeindruckt, indem er beim Gastspiel seines Ensembles im Theater an der Wien u. a.
die Ausstattungsposse .Eine feine N u m m e r ' mit zweihundert Mitwirkenden
inszenierte (A. Bauer, 150 Jahre Theater an der Wien, Zürich 1952, S. 224 und
455). Das war aber nur ein kleines Vorspiel auf den eigentlichen großen
Auftritt. Auf dem Platz hinter dem Riesenrad, wo sich früher die Wasserrutschbahn befunden hat, baute Steiner im J. 1903 das angeblich größte Freilichttheater Europas auf. Die Zuschauertribünen boten viertausend Menschen Platz,
die riesige Bühne, größer als die der Hofoper, war 30 Meter breit und 40 Meter
tief.
Die Inszenierung des Radlerschen Stücks entsprach vollkommen diesen
Dimensionen, ja nützte sie sogar restlos aus. Insgesamt eintausend Mitwirkende,
von denen in einzelnen Szenen je vier-, fiinf- oder sogar sechshundert anwesend
waren, füllten den enorm großen Raum aus. Dazu teilten sie ihn mit dem
ganzen Tierpark von Pferden, Kamelen, Eseln und anderen Tieren. Und die
Art und Weise, wie sie — die Menschen und Tiere — dort arrangiert und regiert
wurden, versetzte ganz Wien, ja, sogar die abgebrühten Theaterkritiker in das
höchste Erstaunen und in Bewunderung.
Zuerst das Kriegerische. Im ersten Akt gab es eine betäubende Kanonade,
türkische Bomben schlugen zischend in die Häuser ein, Granaten flogen in der
Luft, Pulverdampf vom andauernden türkischen Beschüß zog sich über die
Bühne. Die Belagerten antworteten mit Musketensalven, Bomben, Granaten
und Kanonen. Gewehrknatter und Kanonendonner mischte sich mit den Klängen der Sturmglocke vom Stefansturm. Dann sprengt die Gegenmine die
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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feindlichen Belagerungsgräben, die Türken fliegen in die Luft, der Kampf
verlagert sich auf die Bühne und endlich treibt die Kavallerie die eroberten
Kamele mit den Schätzen des Großwesirs heran. Gegen Ende des zweiten Aktes
entwickelt sich eine wilde Schlachtszene. Die fliehenden Türken, von Berittenen verfolgt, rennen über die Bühne, „in einem dichten Knäuel schlagen die
Kämpfenden aufeinander los; hier stürzt einer vom Pferde, dort liegt ein
anderer, von einem mörderischen Hiebe seines Gegners getroffen, zu Boden,
Schüsse knallen und Tote bedecken die Wahlstatt. Dieses Schlachtbild ist ein
Meisterstück der vollendeten Regiekunst." Der Kritiker hatte den Eindruck,
„die Schrecken einer Belagerung aus nächster Nähe" zu sehen und miterleben
zu können, so realistisch lebendig war die Darstellung (Neue Freie Presse).
Auch die Massenregie in den Szenen aus dem Leben der belagerten Stadt
wurde zu aufsichtserregendem Erfolg. Die „lebendige, aus Menschen gebildete" Dekoration „von verwirrender Buntheit" war in „einer immerwährender, nie rastender Bewegung". Überall, auf der ganzen riesigen Bühne, geschah
etwas, und das, was geschah, war von „höchster Eindringlichkeit" in der
realistischen Schärfe der Bilder (Wiener Allgemeine Zeitung), So ζ. B. im
ersten Akt: „auf den Wällen sieht man die Wachen auf- und abmarschieren,
der Platz ist erfüllt von einer wilderregten Menge. Bürger, Studenten, Frauen
und Kinder eilen umher. ( . . . ) Flüchtlinge aus der Vorstadt brechen in lautes
Wehklagen über ihre verlorene Habe aus" (Wiener Morgen-Zeitung).
Eine andere, aber nicht mindere Wirkung übte der erste Teil des zweiten
Aktes aus. Der von dem Ballettmeister Gundlach virtuos geführte Aufzug der
unübersehbaren, farbenprächtigen Menschenmassen des türkischen Heeres in
mannigfaltigen Kostümen, die in musterhaften Ordnung marschierten, sich
verbunden und gelöst haben, war eine lange, nie ermüdende Augenweide. Bald
darauf folgte die riesige Ballettvorstellung (angeblich „etliche hundert Damen"!). Das Farbenspiel ihrer phantastischen grünen, rosa, gelben und blauen
Kostüme wurde noch durch die im elektrischen Reflektorenlicht blitzenden
kleinen Spiegel, die jede von ihnen hielt, gesteigert. Man schrieb über den
„sinnenverwirrenden Farbenzauber" der immer wieder wechselnden farbenschillernden Effekte, über die Farbensymphonien, über die „Herrlichkeiten, die
wir bisher nur geträumt" und die erst jetzt leibhaftig erstehen.
Der „verschwenderische Aufwand" von Kostümen hatte als Hintergrund
herrliche Bühnenbilder — den malerischen Aufbau eines Teils des belagerten
Wiens, das blendende Zelt des Großwesirs und den in der unendlichen Perspektive sichtbaren Kahlenberg und Leopoldsberg. Es ist noch zu bemerken, daß
die Kostüme, alle neu, das ganze Rüstzeug und die Waffen als streng historisch
betrachtet wurden - angeblich nach den Vorlagen und Originalen vom Städtischen Museum angefertigt.
„Ein Schaustück ( . . . ) , wie es in Wien noch nie gezeigt wurde", ein nicht
mehr zu überbietender Triumph des Bühnenluxus, und „was Steiner wieder
geleistet, läßt sich in Worten schwer schildern" - waren die allgemeinen
Eindrücke der Berichterstatter. Ein tobender, stürmischer Beifall des Publikums, höchstes Lob der Kritiker (einer war „unsagbar gefesselt") bescheinigen
den Erfolg. U n d dieser war dauerhaft. Das Stück wurde ununterbrochen vom
Tag der Uraufführung, 9.Juni 1903, bis zur Schließung der Arena Ende September d. J. gespielt. Es mußten hunderttausende Zuschauer bei diesen VorstelUnauthenticated
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Jerzy Got
lunger) anwesend gewesen sein, denn selbst an Wochentagen war die Arena fast
ganz ausverkauft, an jedem Sonn- und Feiertage wurde zweimal täglich gespielt
und die Schüler wurden durch ermäßigte Eintrittspreise ins Theater gelockt
(Wiener Allgemeine Zeitung Nr. 7570 und 7583; Wiener Morgen-Zeitung;
Das Vaterland; Neues Wiener Journal; Neues Wiener Tagblatt; Fremdenblatt;
Illustriertes Wiener Extrablatt; Neue Freie Presse).
Ohne die Ranggröße zu übersehen, ist man versucht, diesen Ausstattungsspektakel als ein Glied der Kette, die von den Meiningern und Dingelstedt bis
später zu Reinhardts Experimenten, besonders im „Mirakel" (mit seinen hundert Mitwirkenden, Pferden, Hunden, Eseln, Wagen, Reitern und Kanonen)
fuhrt, zu betrachten. Dafür sprechen die Verlegung des Interesses vom Drama
auf das Äußerliche des Bühnenaufwandes und die unbestreitbare Geschicklichkeit in der Massenregie.
Die Lösung:
Eine
Führerpersönlichkeit
Nach der Schlichtheit der Radlerschen Zeitbilder wirkt der Reichtum der
sonderbaren Ideen in dem „kulturgeschichtlichen Drama" von H. Hillersperg
,Die Befreiung Wiens' besonders verblüffend. Das historische Geschehen bildet
hier nur einen skizzenhaften Hintergrund für einige fiktive Handlungen, die
sich ihrerseits teilweise der historischen Personen bedienen.
So erscheint gleich am Anfang eine dämonische Gestalt, der schwarze
Junker, „ein höllisch schwarzer Rabe", unter dessen Blick die junge Kellnerin
Therese „plötzlich wie gelähmt" ist (I, 1). Nachdem er die Gespräche der
Bürger mitangehört hat, „schleicht er sich zum Tore hinaus" (I, 5). Später
erfahren wir, daß es Tököly in Person war, und daß er versteckt noch immer
in der Stadt geblieben ist (III, 9). Endlich treffen wir ihn im türkischen Lager,
wo er zwar „siegesgewiß und leicht" auftritt, doch dann Unangenehmes erlebt
(IV, 2).
Hauptmann Elias Kühn, dem wir schon in früheren Dramen begegnet sind,
erzählt über den Verlust seiner Frau und Kinder in gewählten Worten, sinnt
auf blutige, grausame Rache, bis „Starr grinst der Tod", worauf Bischof
Kollonitsch sagt: „Gott segne euch" (1, 7-8). Schließlich findet er im türkischen
Lager die Leiche seiner Frau und stirbt (V, 11). Ihre Rolle ist die viel bedeutendere. Wir treffen sie zwar erst am Anfang des vierten Aktes, doch erfahren wir
gleich von ihr selbst, daß sie zum Werkzeug Gottes erwählt wurde (IV, 1).
Gleich darauf ersheint der schwarze Junker Tököly, der ihr dereinst „Liebesschwüre gespendet" hat und ihr jetzt Ruhe an seiner Brust anbietet, mit tausend
Küssen ihre Leiden vergelten und sie zur ungarischen Königin erheben will.
Darüber hinaus
Musik und Tanz, Gelächter, Saitenspiel
Soll dir auf meiner Burg im Heimatland
Die Zeit verkürzen.
Verächtlich abgewiesen, wobei er bei ihren Worten „immer mehr in sich
gegangen" ist, geht er „langsam und verstört ab" (IV, 2). Mehr hören wir über
ihn nicht, die Gefangene teilt uns nur mit, daß er jetzt, von ihr getroffen, wankt
und daß in seinem Innern der Zweifel sich ringelt „empor wie eine Schlange".
Sie will jedem Feind einen Stachel
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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Ins stolze Herz, in seine Seele bohren,
Daß ihm die Sinne schwinden und er blind
Betört in sein Verderben rennen muß.(IV,3)
Auch das nächste Heiratsangebot, diesmal vom Großwesir (es soll zum
Zeichen der Versöhnung der Herrschenden mit den Unterjochten werden)
wird von Frau Kühn verworfen (IV, 4). Dann sehen wir sie während der
Schlacht betend: „Benütze mich als Werkzeug deiner Macht", die Niederlage
der Türken prophezeiend, und dem Großwesir den Weg mit gespreizten
Armen versperrend. Durch einen Janitscharen niedergeschlagen, stirbt sie mit
den an Kara Mustafa gerichteten Worten: „Durch Henkershand sollst du
verenden." Gleich darauf ergreifen die Türken die Flucht (V, 7—10).
Graf Starhemberg erscheint als eine begeisternde Führerpersönlichkeit und
er hat Interessantes mitzuteilen. Seine Ansichten sind uns bereits irgendwie
vertraut: Der Friede kann nicht dauern, da nicht alle Völker „auf gleicher Stufe
sind", der „ K a m p f der Herrschaft" wird nie enden (II, 5). Der Bürgerstand ist
„fürsorglich und bequem", „verrostet in seiner Ruhe und Behaglichkeit", er
aber kann „diese Trümmer wieder schmieden", sie zu einem schmelzen und
fugsam machen. Dann werden diese Philister „zu den Waffen selbst heran sich
drängen" (II, 6). Er herrscht über die Menge durch Begeisterung, dies ist „der
mächtige Zauber, der sie mir verbindet." (III, 4).
Sein Gegenspieler ist hier Kaplir. Aus unerklärlichen Gründen wurde der
grundehrliche, höchst verdienstvolle Mann vom Verfasser zum feigen, neidischen Intriganten und Verräter gestempelt. Er versucht, mit Hofkabalen Starhemberg im K o m m a n d o abzulösen und konspiriert mit den Türken. Er will
Starhemberg eine Falle stellen, die diesen verschlingt, hat aber nicht den Mut,
das Anerbieten des armenischen Arztes, den Kommandanten zu töten, anzunehmen. Er ist „zu feig zu einem M o r d " . Unter dem Eindruck einer Rede
der Gräfin Starhemberg sinkt er „immer mehr in sich und geht still zurück",
um dann dem Bischof Kollonitsch seine Sünden zu beichten (III, 5-7, IV, 8 und
10).
Den Kundschafter Koltschitzky sehen wir hauptsächlich als Berichterstatter der Kriegsereignisse (I, 3 und III, 1). Sein Entschluß, die gefährlichen
Aufgaben zu übernehmen, hat seine Wurzel im Konkurrenzkampf um die
schöne Kellnerin Therese, als jeder ihrer fünf Freier den anderen mit aufsehenerregenden Taten überbieten will: „Und ich zur Spionage, das ist das Tollste"
sagt er (I, 4).
Mit der Geschichte wird es nicht so genau genommen. Die Beweggründe
und Entscheidungen der an dem Krieg teilnehmenden Mächte erscheinen ein
wenig vereinfacht. So erfahren wir über die Wendung in der Stellung Polens
folgendes: der kaiserliche Abgesandte in Warschau
verschaffte glänzendes Geschmeide
Zum Haarputz jener königlichen Schwester,
Worauf sich die von Frankreich abgewandt
Und den Gemahl veranlaßt zur Allianz
Mit unserem Kaiser (III, 1)
Übrigens werden die polnischen Magnaten spanisch „Granden" genannt.
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Über den polnischen Verbündeten läßt sich hier wenig Vorteilhaftes sagen.
Sobieski hat nur „zügellose Horden mitgebracht" (V, 3). Sein Gesandter tritt
frech auf und empfiehlt den deutschen Fürsten, „demütig um Befehle meinen
König zu bitten" (V, 5). Als endlich Sobieski schon ganz kurz nach der Schlacht
erscheint, weiß er nur gierig seine Beute - das Zelt des Großvesirs - zu
betrachten und den mit den aus der türkischen Gefangenschaft befreiten Kindern vorbeigehenden Kollonitsch zu verspotten. Dann will er sogleich seinen
Einzug in die Stadt halten: „nach dem Triumph dürstet meine Brust" (V, 15).
Den Kommentar dazu geben Koltschitzky und ein Wiener Bürger mit den
Worten des bekannten Kinderreimes:
Koltschitzky: Das ist der Daumen,
Der pflückt die Pflaumen.
Bürger (auf Sobieski zeigend):
Und der klaubt sie auf,
Und der steckt sie ein.
Den Krieg mit den Türken nennt Hillersperg „Kulturkampf". „Kulturkampf zwischen Asien und Europa", das sagt Starhemberg zweimal (II, 5 und
II, 10), und der Student Theodor:
Wir kämpfen einen heil'gen Krieg hienieden
Kulturkampf zwischen Asien und Europa (III, 11)
Dieser Theodor spielt in dem „kulturgeschichtlichen" Drama von Hillersperg eine wichtige Rolle. Er war früher ein guter Christ. Seit aber die Kellnerin
Therese ihn „frohe Liebe gelehrt" hat, will er nur „leben und froh und heiter
sein". Er stellt sich als Bekenner jener Ideen, die „die Alten gefühlt, als ihr
Gehirn die Götter schuf" vor. Insbesondere ist ihm „der heit're Sonnengott der
Alten" nah, für den selbst die Abschiedsglocke der Kirchen bei seinem Scheiden
klingt. Den neubelebten „lieblichen Gestalten jener Welt" folgt er lebensfreudig selbst bis in den Tod. Sein Herz fühlt die Religion „die nicht mehr zur
Entsagung kann begeistern" (II, 10). Dann predigt er nocheinmal die Größe
Apoll's, des höchsten Gottes der weisen Alten, worauf die begeisterte Kellnerin
Therese entgegnet:
Ganz so wie du, du bist der heit're Gott,
Der Freude bringt und alles werden läßt (IV, 7)
Er stürzt ins Gefecht mit den Worten:
Wie Spartas Jugend kämpfe ich fur dich,
und als er „mit heller Glockenstimme" den Sieg verkündet, wird er vom
feindlichen Pfeil tödlich getroffen. Gräfin Helene Starhemberg erklärt uns die
Bedeutung dieser Gestalt:
Er war, sein Name sagt's, von Gott gesandt
Für uns, und Gott hat ihn zu sich genommen (IV, 13)
Diese Worte sind bemerkenswert. In seinem Drama hat Hillersperg zwei
grundverschiedenen Weltanschauungen gleichzeitig gehuldigt. Die christliche
Lehre wird besonders durch drei wichtige Personen vertreten. Die aufsehenerregendste von ihnen, Frau Kühn, fühlt sich als das vom Gott direkt erwählte
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Werkzeug, das die Türken und ihre Verbündeten zum Fall bringt. Gräfin
Starhemberg und Bischof Kollonitsch begnügen sich mit der Verbreitung der
christlichen Denk- und Handlungsweise und mit der tätigen Nächstenliebe.
Ihnen gegenüber stehen zwei Vertreter des volkstümlichen Nietzscheanismus. Auch diese verteilen ihre Aufgaben untereinander. Graf Starhemberg, der
sich selbst als Übermensch fühlt und darstellt, wendet seine Kräfte der Beherrschung der Massen und dem Kampf mit dem Feind zu. Theodor dagegen
predigt überall und wiederholt seinen Glauben.
Nun, gegen Ende des Stücks, versucht der Dichter, die beiden Ideologien
in Einklang zu bringen. Dazu wird Gräfin Starhemberg bestimmt. Der Gott,
über den sie hier redet, darf nämlich kein anderer, als der christliche sein. Jeder
Gedanke an die antiken Götterideen, selbst als geistig wirksame Kräfte, wäre
ihr wildfremd gewesen. Indem sie also Theodor als Abgesandten „ihres" Gottes
preist, soll sie eine Synthese der unvereinbaren Gesinnungen erschaffen. Ihr
orakelhafter Ausspruch ist genauso überzeugend wie das ganze, nicht ernst zu
nehmende „kulturgeschichtliche" Drama.
Nach mehr als zweihundertsiebzig Jahren erscheint Kara Mustafa als der
alleinige Held eines Dramas wieder. Im J. 1958 hat Klemens Tschermak sein
historisches Schauspiel in fünf Akten unter dem Titel ,Kara Mustafa' veröffentlicht. Doch hier haben wir mit einer ganz anderen Person als früher zu tun, sie
ist durch die neuen historischen Erfahrungen geprägt.
Der türkische Oberbefehlshaber erinnert in seinem ersten Auftritt mehr an
einen preußischen Schulungsunteroffizier als an den Großwesir. Er hält seinen
Heerführern einen Vortrag über die Bedeutung des „gewissenhaften und
pünktlichen Wachdienst", ohne welchen es im Krieg „überhaupt kein Erfolg"
gibt. Bald darauf enthüllt er aber seine edle Denkweise, als er nach dem Verhör
eines gefangenen österreichischen Soldaten ihm „Charakter und M u t " zuerkennt und ihn freiläßt. Edel erscheint er auch am Anfang des Gesprächs mit
dem Pascha, der das Blutbad von Perchtoldsdorf befohlen hatte. Er schimpft
ihn einen Schurken und elenden Lump, der die Feinde belügt und die W e h r losen feige abgeschlachtet hat, wodurch er dem Namen Allahs eine tausendjährige Schmach beigebracht hat. Doch zu dieser Entrüstung gesellen sich noch
andere, ganz praktische Gedanken: der Schrecken vereitelt des Großwesirs
Pläne, Wien zur Übergabe zu zwingen, da er zwangsläufig bei den Verteidigern „einen unbeugsamen Trotz und der Verzweifelung Mut" erzeugt. Außerdem wendet sich sein Zorn gegen die „gemeinen, kleinen Stümper", deren
„dumme Eigenmächtigkeit" „die großen Pläne stets verdürbe". Endlich stellt
er fest, daß ihm zwar die Roheit seiner Krieger in Perchtoldsdorf nicht gefalle,
jedoch der allein Schuldige der Kaiser wäre, der die Türken zu diesem Krieg
gezwungen hat. Trotzdem ist dieser Krieg „die Erfüllung einer vornehmen und
großen Sendung" (I, S. 13-17).
Die Warnungen der Generäle werden von Kara Mustafa schroff abgelehnt:
„nur ich befehle — Ihr aber alle, Ihr habt zu schweigen und zu gehorchen." Es
wird gleich klar, daß es um mehr als die alleinige Militärmacht geht: „ich will
ganz allein mir die Welt gestalten ( . . . ) . nach ureigenster Eingebung will ich
mein Ziel erringen." Die vorsichtigen Bedenken der erfahrenen Heerführer
bringen den Großvesir zum hysterischen Ausbruch: „Wer hält hier alle Macht,
alle Gewalt in Händen?! Ich, - ich, - nicht Ihr - gehorcht Ihr, Ihr anderen,
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gehorcht immer und überall, wo ich befehle! ( . . . ) Mein ist der Plan, mein die
Gestaltung, mein die Durchführung, mein die Verantwortung ( . . . ) und ich
Gehorsam, nur Gehorsam fordere und nichts anderes verlange und nichts sonst
dulde." Wien und Deutschland sollen „die Grundlage einer gerechten und
großzügigen Verwaltung des neuen Reiches sein" (I, S. 21—26).
Seine Philosophie entfaltet Kara Mustafa in der langen Diskussion mit dem
Janitscharen-Aga, der hier das demokratische und liberale Prinzip vertritt.
Nichts davon will der Großwesir wissen: das Volk hat nichts zu denken, es muß
sich dem einzigen leitenden Willen unterordnen. Der überlegene Führer, der
Schöpfer des neuen Reiches, aber gewährt „der dummen Horde" nur das
Leiden. U m seine Aufgabe zu erfüllen, nimmt er jedes Menschenopfer in Kauf
(II, S. 40-^3).
Er weiß aber seine ganze Macht in der Entscheidungsschlacht nicht zu
verwenden, und die entmündigten Generäle dürfen die Lage nicht retten. Einer
von ihnen zieht die Bilanz: „nur ( . . . ) der eine Mann hat alle Macht und alles
Recht, und nur sein Wille, nur sein Können waren uns Gesetz — fur seine
Irrtümer und Fehler aber darf jetzt jeder der ungezählten, vielen namenslosen
Krieger kämpfen, leiden und sterben" (IV, S. 93), Ein anderer sieht das Positive
der Niederlage in dem kommenden Fall des Alleinmächtigen. Doch gibt es
auch solche Würdenträger, deren Glaube an den Führer unerschüttert bleibt:
„Dort, w o Menschen des Alltags aufhören, an Auswege auch nur zu glauben,
greift das Genie in das Gewirr ( . . . ) und findet einen W e g . " Ihr Glaube wird
aber enttäuscht. Der Besiegte hat keine konkreten Befehle und in gänzlicher
Verkennung der Lage läßt er die Truppen sammeln, „um dann nach einer
kurzen Pause neuerlich und siegreich gegen Wien vorzustoßen" (IV, S. 95).
Gleich „wird alles neu begonnen". Die Feinde „jag' ich dann bis an das Meer
zurück. - Ich bin noch nicht geschlagen - wir weichen jetzt nur aus' (IV, S. 97).
Es wird ihm berichtet, daß sich das ganze Heer in Auflösung und wilder
Flucht befindet, daß es vielleicht keinen freien Fluchtweg für ihn gibt — er bleibt
bei seinen Wahnideen: „ich habe nichts ( . . . ) von meiner Macht aus der Hand
gegeben. Ich allein bin es, der hier befiehlt, ich bin der Feldherr, Herr und
Gebieter über dieses Heer und über alle seine Offiziere" (IV, S. 96-98). Diese
Macht reicht aber nur aus, um das Todesurteil über die Zurückweichenden zu
verhängen. (IV, S. 101)
So weit, so gut. Die unverkennbare Parallele zu dem Benehmen und den
Taten einer anderen, modernen Führerperson ist zwar befremdend, jedoch als
Parabel interessant und bleibt im Rahmen der dichterischen Freiheit. Merkwürdig erscheint eine andere Seite dieser Freiheit. Wir erfahren nämlich, daß der
Fall und T o d des Führers das Werk der Rache einer Jüdin sei. Sie hat ihn anfangs
heiß geliebt und wollte mit ihm ein gemeinsames, ruhiges und gemütliches
Leben fuhren. Ihre Ideen wurden verworfen, sie selbst verstoßen. Darauf hat
sie sich mit einer Macht verbündet (mit dem Sultan), die den Großvesir
vernichtet hat.
Doch damit ist es noch nicht getan. Sobald ihre Rache erfüllt ist, stimmt
die Jüdin eine leidenschaftliche Lobrede auf den großen Mann an: „Ein größerer als ihr alle, ein Held, der nach den Sternen zu greifen wagte, ein Held, dessen
Verhängnis nur sein zu großer Ehrgeiz und sein zu hoher Mut gewesen ist, ein
überragend großer Mensch ist hier gefallen. Ihr alle reicht an ihn auch nicht
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
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einmal entfernt heran! Er wird euch fehlen, denn ihm gleicht hier keiner." U m
diesen Worten Nachdruck zu verleihen, stößt sich Hagar einen Dolch in die
Brust und stirbt neben dem Toten. Einer der Generäle befiehlt: „Die beiden
aber traget fort" (V, S. 131).
Die Zurückführung des Unterganges des Führers auf die Rache der Jüdin
und die Lobeshymne der Urheberin seines Todes auf ihn werfen ein ziemlich
abstoßendes Licht auf das ganze Werk. Das, was im Laufe des Stücks mehr oder
weniger als Mißbilligung der politischen Gesinnung und der Taten des Staatsmannes gedeutet werden könnte, wird jetzt, am Schluß des Dramas, direkt
verneint. Die einzige Schuld des genialen Mannes waren sein zu großer Ehrgeiz
und sein zu hoher Mut, die letzten Endes noch einmal seine Seelengröße
beweisen. Das türkische Kostüm kann nicht die zeitgenössische Aussage des
Stücks verschleiern.
Die
Gegenwart
Für die herkömmlichen Jubiläumsstimmungen und Feierlichkeiten hat der
heutige Mensch nicht viel übrig. Die Jahrestage der wichtigen historischen
Ereignisse werden immer mehr zum Anlaß einer kritischen Abrechnung mit
der Vergangenheit und ihren Mythen, um festzustellen was aus ihr noch
lebendig bleibt und was sie uns heute noch zu sagen hat. Der Schwerpunkt der
Jubiläen verlagert sich von Festlichkeiten auf Forschung. Dementsprechend
brachte auch das Jahr 1983 eine beträchtliche Menge neuer historischer Werke,
die sich mit der Belagerung und dem Entsatz auseinandersetzten und es brachte
auch eine Menge Ausstellungen, die die verschiedenen Probleme dieser Zeit uns
anschaulich machen und bildlich näher bringen sollten.
Bei solcher Erkenntniseinstellung kommt die traditionelle Behandlung
durch das Theater, mit ihren Helden und heroischen nationalen und christlichen
Akzenten nicht mehr voll zum Tragen. Das derzeitige Drama zeigt sich im
allgemeinen an dem geschichtlichen Stoff uninteressiert, sein Interesse gilt
hauptsächlich dem heutigen Menschen in der heutigen Welt. So war eine
Inszenierung neuer Belagerungsdramen im Jahre 1983 kaum zu erwarten. Und
wirklich, der Anteil des Theaters an dem Programm der zahlreichen Veranstaltungen hielt sich in äußerst bescheidenen Ausmaßen und erschien nur am
Rande.
Die einzige Uraufführung im berufsmäßigen Theater ist das Stück von
Franz Hiesel ,1683 - die gar köstlichen Folgen einer mißglückten Belagerung'.
Ursprünglich ein Hörspiel, wurde es vom Verfasser für die Bühne bearbeitet
und in Perchtoldsdorf aufgeführt. Es stellt einen Versuch dar das Thema in einer
für das heutige Theater und für das heutige Publikum annehmbaren Form zu
erfassen. Hier fehlt es ganz und gar an heldenhaften Taten und erhabenen
Phrasen, an der gehobenen Stimmung. Dieser Krieg - wie jeder Krieg - bringt
mit sich Brutalität, Grausamkeit, Leiden, Mißachtung und Erniedrigung des
Menschen. Die Niederträchtigkeit des Krieges schließt das Tragische aus, es
bleibt nur Hohn und Sarkasmus. Niemand wird geschont, weder der Kaiser
noch der Papst, weder die Soldaten noch die Bürger. Das lebhaft an Brechts
Werke erinnernde Stück wird oft durch den „Spielführer" unterbrochen und
aktuell kommentiert, die Personen des Dramas unterbreiten ihre Gründe und
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Jerzy Got
82
Argumente. U m dem Unheil einer Reihe von ausschließlich gesprochenen
Auftritten zu steuern, setzten der Regisseur und seine Mitarbeiter auf die äußere
Aktion und auf das Bildhafte dort, wo es an der dramatischen Handlung gefehlt
hat. So wurden die Massenszenen ausgebaut, die Mauern der Perchtoldsdorfer
Burg mit mehreren Dekorationsstücken und Requisiten bereichert, die verschiedenen Ebenen der so gestalteten Bühne unterschiedlichen Personengruppen zugeteilt, mehrere Szenen — auch die der Kämpfe — choreographisch
dargestellt und das Ganze mit bunten Kostümen noch lebhafter gemacht.
Die Meinungen über die Aufführung waren geteilt. Einige Rezensenten
waren mit der Auffassung des Verfassers und deren Durchführung einhellig und
haben die Inszenierung als gelungen beurteilt. Der Wahnsinn des Krieges, seine
rücksichtslose und sich alles unterordnende Maschinerie, die diplomatischen
und militärischen Schiebungen wurden hier klar vorgeführt. Der Inszenierung
bescheinigte man die Ironie der wahren Bedeutung der Ereignisse treffend
hervorgehoben zu haben. Als besonders „akzentuiert und hintergründig witzig" wurde die Schlußszene genannt, wo sich nach furchtbarem blutigem
Kampf alle Personen zum gemütlichen Kaffeekränzchen versammelt haben.
Auch die Leistungen der Mehrheit von 60 mitspielenden Schauspielern wurden
gewürdigt. (,Die Presse', .Arbeiterzeitung', .Wiener Zeitung', ,Die Furche')
„Bunter Bilderbogen ohne Höhepunkte und mit vielen seichten Stellen",
„altmodischer Unfug", eine „Rumpelkammer" mit abgebranntem Gspaß - so
haben zwei andere Kritiker das Stück beurteilt. Und „der folkloristische Anstrich", den der Regisseur der Aufführung gab, hat den „totalen Mißerfolg"
gesichert. (,Kurier', ,Neue Kronenzeitung')
Obwohl in der Auffassung des historischen Geschehens und seiner Darstellung weit von den älteren Belagerungsdramen entfernt, knüpft Hiesels Stück
an jene mit einer allegorischen Person an. Es ist die Person der Vindobona, die
sich hier jedoch ganz unpathetisch in der Schlußszene über Kaffee und Kipferl
hermacht.
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
Chronologische
Zusammenstellung
83
der
Aufführungen
Um 1720
J. A. Stranitzky, Türckisch-bestrafte Hochmuth, oder das Anno 1683 von
denen Türcken belagerte und von Christen entsetzte Wienn und Hans Wurst
die kurzweilige Salve-Guarde des Frauen-Zimmers, lächerlicher Spion, und
zum Tode verdamter Mißethäter. (Haupt- und Staatsaktion in 3 Aufzügen)
13.5. 1775
P. Weidmann, Das befreyte Wien. Ein Originaldrama von 5 Aufzügen.
Kärntnertortheater, unter dem Titel: ,Die Befreyung Wiens'
Realzeitung, Nr. 24, S. 378-379.
Aug.-Okt. 1777 P.Weidmann, Das befreyte Wien.
Pest, K. Wahr.
24. 5. 1779
P. Weidmann, Das befreyte Wien.
F.J. Scherzer im Bauerfeindschen Saale in der Lerchenfelderstraße.
25.5., 6.6., 24.10.
s. Blümml und Gugitz, Alt-Wiener Thespiskan-en, S. 280, 282, 481, 482, 488.
7.9. 1783
P. Weidmann, Das befreyte Wien.
Barbara Fuhrmann, Kärntnertortheater.
Der Spion in Wien 1784, III Stück, S.7-8, 10, 14, 15; Blümml und Gugitz,
a.a.O., S. 145, 158, 159, 160.
21.9. 1783
F. Gensicke, Die belohnte Treue der Wiener Bürger, od. Der 12. September
1683. Ein Schauspiel in 3 Aufzügen.
F. Gensicke, Kärntnertortheater, Eröffnung der Spielzeit.
Anzeige - Das Wienerblättchen, 17.9.1783, S. 43-44.
Rez.: Der Spion in Wien, 1784, III St. S.9; Provinzial-Nachrichten 1783, Nr.
82, S. 1311-1312. S. auch Blümml und Gugitz, a.a.O., S. 146, 147.
12.9. 1793
F. Gensicke, Die belohnte Treue der Wiener Bürger.
Sophie Seipp, Landstraßer Theater.
Blümml und Gugitz, a.a.O., S.413.
1812
Anonym, Belagerung Wiens. Musik Josef Strauß. Pest.
1814?
Anonym. Die Belagerung Wiens im J. 1683. Ein Schauspiel der Vorzeit in 4
Aufzügen.
Handschrift in der Theatersammlung der österr. Nationalbibliothek M 1592
Th; Theaterzensur 20.6.1814, Wien.
8.7.1815
J . A . Gleich (bearb.), Georg Kolschützky, der erste Kaffeesieder in Wien.
Musik Franz Volkert. Vaterländisches Schauspiel mit Gesang in 3 Akten.
Theater in der Leopoldstadt.
24.8.1815
J. A. Gleich (bearb.), Georg Kolschützky, der erste Kaffeesieder in Wien.
Theater in der Josefstadt.
14.7.1832
B. Püchler, Die Brigitten-Aue, oder Die Türken vor Wien im J. 1683. Dramatisches Zeitgemälde in 3 Abteilungen.
Theater an der Wien.
Der Wanderer Nr. 199; WAT Nr. 144, S. 574-575.
4.12.1841
B. Püchler, Die Brigitten-Aue, oder Die Türken vor Wien im J. 1683.
Theater in der Leopoldstadt.
J . N. Hrastnigg, Der Wanderer, Nr. 291, S. 1171
30.7.1845
Rossi, Die Belagerung von Wien. Ballett in 2 Akten mit Prolog, in 10
Tableaux. Musik C. Barbieri, im 7. Tableau Strebinger.
Kärntnertortheater
Wiener Zeitung Nr. 212, S. 1649.
H. Adami, W A T Nr. 183, S. 734; Seyfried, Der Wanderer Nr. 183, S. 731
25.7. 1847
B. Püchler, Die Brigitten-Aue.
Theater in der Josefstadt.
20.12. 1851?
F. Doppler, Wanda. Oper in 3 Akten. Libr. Th. Bakody.
Pest, Ungarisches National Theater, auf ungarisch.
28.6. 1854
B. Püchler, Die Brigitten-Aue.
Carltheater
Die Presse, Nr. 149;
16.12. 1856
F. Doppler, Wanda
Pest, Ungarisches National Theater, auf ungarisch.
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84
14.6. 1858
17.7. 1859
9.3. 1861
27.9. 1862
21.2. 1863
14.8. 1864
6.6.1866
10.8. 1869
2.12. 1869
Jerzy Got
- 1., Pester Lloyd, Nr. 296; Blätter f. Musik, Theater und Kunst 1857, Nr. 5,
S. 19
Β. Püchler, Die Brigitten-Aue
Lemberg
Anonym, Die tapferen Bürger von Wien, oder Kara Mustapha. Vaterländisches Schauspiel in 3 Akten.
Braunhirsche Arena
Morgenpost 1861, Nr. 68
G. Köberle, Bruder-Herz, oder Die Wiener im Jahre 1683. Volksschauspiel mit
Gesang und Tanz in 5 Akten. Musik Konradin, Tänze Rathgeber.
Carltheater.
Feodor, Telegraf Nr. 11, S. 532; Das Vaterland Nr. 60; Der Zwischen-Akt Nr.
68; Morgenpost Nr. 68; Δ, Blätter fur Theater, Musik und Kunst Nr. 21, S.
82; k., Ost-Deutsche Post Nr. 70; Wiener Theater Chronik Nr. 11, S. 44;
Fremdcnhlatt Nr 68; Die Presse Nr. 69; Wanderer 11. 3. 1861; Neueste
Nachrichtcn Nr. 68.
F. Doppler, Wanda. Deutsche Übersetzung O . Prechtler, Dekorationen Th.
Jachimowicz, Kostüme nach Zeichnungen A. Decker's
Kärntnertortheater
Die Presse Nr. 266; Ed. H. (Hanslick), Die Presse Nr. 269; Wiener Theater
Chronik Nr. 40, S. 158-159; Wiener Theater Chronik N r . 42, S. 165; Der
Zwischen-Akt Nr. 253;, E., Der Zwischen-Akt Nr. 257; Der Zwischen-Akt
Nr. 258; Fremdenblatt Nr. 268; K. J. Kinderfreund, Oesterreichische Signale
für Theater, Kunst, Literatur Nr. 34, S. 136-137; W . F., Morgenpost Nr. 268;
A. S., Wanderer 29.9. 1862; L. A. Zellner, Blätter für Theater, Musik und
Kunst, Nr. 79, S. 313-314; A. Tuma, Das Vaterland N r . 225; v. Br., Wiener
Zeitung Nr. 225, S. 627-628; Pamietnik Muzyczny i Teatralny Nr. 46, S.
730-731
F. Doppler, Wanda
Lemberg, unter der Leitung des Komponisten.
P., Wiener Theater Chronik Nr. 11, S. 42; P., Wiener Theater Chronik Nr.
13, S. 51;
J. Megerle. Die Belagerung von Wien im J. 1683. Volksstück mit Gesang,
Tanz, Tableaux und Gefechten in 3 Akten und einem Vorspiel ,Der Sohn des
Gefangenen'. Musik Ad. Müller sen.
Theater an der Wien.
Δ , Bätter für Theater, Musik und Kunst Nr. 66, S. 262-263; Constitutionelle
Oesterreichische Zeitung Nr. 227; S. Schlesinger, Morgenpost N r . 226; Fremdenblatt Nr. 225; St., Wiener Theater Chronik Nr. 33, S. 132; Deutscher
Lieder Kranz Nr. 28; Neue Wiener Theater Zeitung Nr. 101; Wiener Abendpost Nr. 186; Wiener Theater Chronik Nr. 33; G., Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik Nr. 34, S. 544.
F. Doppler, Wanda
Dresden
Wiener Theater Chronik Nr. 25; „Klosy" 1871, Nr. 288, S. 9;
A. Müller, Die Türken vor Wien. Volksschauspiel in 5 Akten. Musik Ad.
Müller sen.
Theater an der Wien. Regie v. Othegraven
Wiener Theater Chronik Nr. 36, S. 143; Der Zwischen-Akt N r . 190; S.
Schlesinger, Wiener Neues Tagblatt Nr. 221; Neue Freie Presse Nr. 1779; Die
Presse Nr. 221; J. Oppenheim, Die Presse Nr. 222; Theater Figaro Nr. 31;
Neues Fremdenblatt Nr. 220; Allgemeine Theater Chronik Nr. 35, S. 359; H
v. Seyfried, Allgemeine Theater Chronik Nr. 36, S. 365—366; Fremdenblatt
Nr. 221; - s. (S. Schlesinger), Morgenpost Nr. 221; Ig. Α., Blätter für Theater,
Musik und Kunst Nr. 65, S. 259; Allgemeine Volks-Zeitung Nr. 222; J. J. K.,
Wanderer Nr. 221; Die Debatte Nr. 221 - Abendausgabe; Die Donau N r . 28.
Η. A. Schauffert, 1683. Schauspiel in 5 Akten aus Wiens Geschichte.
Burgtheater
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
11. 11. 1870
1871
1871
1872
1872
1872
27.2. 1873
26.2. 1877
16.11. 1877
5.10. 1879
27.11.1879
6.2. 1883
1.9. 1883
85
Das Vaterland Nr. 333; Neues Fremdenblatt Nr. 333; Neues Fremdenblatt Nr.
335; Wiener Theater Chronik Nr. 53, S. 211-212; Der Zwischen-Akt Nr. 304;
-r., Neue Freie Presse Nr. 1892; Theater Figaro Nr. 47; Allgemeine Theater
Chronik Nr. 50, S. 512; Die Donau Nr. 43; Die Presse Nr. 335; Fremdenblatt
Nr. 333; Fremdenblatt Nr. 334; J. Gaiger, Morgenpost Nr. 334; Wiener
Zeitung Nr. 278; Fremdenblatt Nr. 334; -dl., Allgemeine Volks-Zeitung Nr.
329; X. R., Allgemeine Volks-Zeitung Nr. 330;J.J. K., Die Tages-Presse Nr.
47; O., Blätter für Theater, Musik und Kunst Nr. 98; Neues Wiener Tagblatt
Nr. 333; S. Schlesinger, Neues Wiener Tagblatt Nr. 334; Allgemeine Theater
Zeitung Nr. 16, S. 61; Dr. G.-n. Wanderer Nr. 334; Die Donau Nr. 43; E.,
Das Vaterland Nr. 334.
F. Doppler, Wanda
Dresden
Klosy 1871 Nr. 288, S. 9; O. C , Wiener Theater Chronik 1870, Beilage zu
Nr. 47;
F. Kaiser, Abraham a Santa Clara, Geschichtliches Volkstück in 6 Bildern.
Krems, Stadttheater
F. Kaiser, Abraham a Santa Clara
Graz, Stadttheater
F. Kaiser, Abraham a Santa Clara
Troppau, Stadttheater
F. Kaiser, Abraham a Santa Clara
Reichenberg in Böhmen, Stadttheater
F. Kaiser, Abraham a Santa Clara
Pilsen-Carlsbad, Vereinigte Theater
F. Kaiser, Abraham a Santa Clara
Theater in der Josefstadt
Die Tages-Presse Nr. 58; Fremdenblatt Nr. 58; Wanderer Nr. 58; -mm-,
Illustriertes Wiener Extrablatt Nr. 58; Wiener Theater Chronik Nr. 10; Blätter
für Theater, Musik und Kunst Nr. 10; Neues Fremdenblatt Nr. 58; Neues
Fremdenblatt Nr. 59; Neue Freie Presse Nr. 3059; c. a., Morgenpost Nr. 58;
Die Presse Nr. 58; Neues Wiener Tagblatt Nr. 58; Die Donau Nr. 8 und Nr.
9.
Bohrmann-Riegen, Majestät. Lustspiel in 4 Akten.
Preßburg
Wiener Theater Chronik, Beilage zu Nr. 13; Tydzien Literacki, Artystyczny,
Naukowy i Spoleczny Nr. 28, S. 447
F. Doppler, Wanda
Posen, Deutsches Theater, Dir. C. Schäfer
Echo Muzyczne i Teatralne 1898, Nr. 52, S. 628.
Bohrmann-Riegen, Majestät.
Graz, Landestheater.
Bohrmann-Riegen, Majestät.
Altenburg
F. Doppler, Wanda.
Düsseldorf.
K. Costa, Die Türken vor Wien. Vaterländisches Volksstück mit Gesang in
vier Bildern nebst Prolog und Epilog. Musik P. Mestrozzi, Regie Richter,
Dekorationen G. Lehner.
Theater in der Josefstadt.
Neuigkeits Welt-Blatt Nr. 202; x. x., Morgenpost Nr. 241; Morgenpost Nr.
246; Morgenpost Nr. 247; Morgenpost Nr. 250; P. Mbg., Deutsche Kunst- und
Musik-Zeitung Nr. 32, S. 403; Stubenvolls Theaternachrichten Nr. 23; Wg.,
Das Vaterland Nr. 241; -u-. Das Vaterland Nr. 251; Das Interessante Blatt Nr.
38; Extrapost Nr. 88; Extrapost Nr. 89; Neues Wiener Tagblatt Nr. 241; Neue
Freie Presse Nr. 6831; Fremdenblatt Nr. 241; Wiener Allgemeine Zeitung Nr.
1262; E. Ch., Wiener Theater Zeitung Nr. 10; Illustriertes Wiener Extrablatt
Nr. 241; Die Presse Nr. 241; M. E„ Deutsche Zeitung Nr. 4191; Wiener
Theater Chronik Nr. 36, S. 143; Wiener Lloyd Nr. 380
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86
Jerzy Got
1883
1883
12.9. 1883
9 . 6 . 1903
1.7. 1983
Κ. Costa, Die Türken vor Wien.
Czemowitz, Stadttheater
Κ. Costa, Die Türken vor Wien.
Steyr, Stadttheater
Η. A. Schauffert, 1683
Burgtheater. Bearbeitung und Inszenierung A. Wilbrandt.
Neue Freie Presse Nr. 6841; Wiener Lloyd Nr. 380; Neuigkeits Welt-Blatt Nr.
210; Die Presse Nr. 251; S. S. (S. Schlesinger) Neues Wiener Tagblatt Nr. 251;
Illustriertes Wiener Extrablatt Nr. 251; E. Bürde, Allgemeine Theater Chronik
Nr. 28; Montags-Revue Nr. 38; Neue Illustrierte Zeitung Nr. 52, S. 838;
Morgenpost Nr. 251; Wiener Theater Chronik Nr. 38, S. 151; Wiener Allgemeine Zeitung Nr. 1272; Fremdenblatt Nr. 251; J . Meißner, Deutsche Zeitung
Nr. 4203; Wiener Signale Nr. 27, S. 209; P. Mbg., Deutsche Kunst- und
Musik-Zeitung Nr. 33, S. 415; E. Granichstädten, Die Presse Nr. 253;
F. v. Radler, Die Türken vor Wien 1683. Historische Zeitbilder in 4 Abteilungen. Inszenierung G. Steiner, Regie V. Wachtel, Musik E. Reiterer, Tänze L.
Gundlach.
Olympische Arena in Venedig.
Das Vaterland Nr. 158; Neues Wiener Tagblatt Nr. 158; Neue Freie Presse Nr.
13932; Fremden-Blatt Nr. 158; Extrapost Nr. 1115; Wiener Allgemeine Zeitung Nr. 7570; Reichspost Nr. 131; Neues Wiener Journal Nr. 3455; Wiener
Morgen-Zeitung Nr. 158; Illustriertes Wiener Extrablatt Nr. 158; k. g., Wiener Abendpost Nr. 131;
F. Hiesel, 1683 Die gar köstlichen Folgen einer mißglückten Belagerung.
Inszenierung J . Wilke, Bühnenbild und Kostüme M. Tschunko, Choreographie H. Nitsch, Musik G. Stein.
Perchtoldsdorfer Sommerspiele.
H . B . , Die Furche v. 6.7.1983; voho, Die Presse v. 4 . 7 . 1 9 8 3 ; L. Chernel,
Wiener Zeitung v. 3.7.1983; Η. H. Hahnl, Arbeiterzeitung v. 5.7. 1983;
D. Axmann, Kurier v. 4 . 7 . 1 9 8 3 ; K.Roschitz, Neue Kronenzeitung v.
3.7.1983.
Österreichische
1791
1863
1865
1878
1880
1883
1883
1883
1883
1883
1883
1885
1885
1894
1894
1910
1958
Dramen,
deren Aufführung
nicht bekannt
ist
B. D. A. Cremeri, Emst Rüdiger Graf von Starhemberg.
Ein Schauspiel in 4 Aufzügen aus der vaterländischen Geschichte. Linz.
F. Diener, Die Belagerung von Wien. Ein Schauspiel in 4 Aufzügen.
R. E. Hahn, Starhemberg, oder Die Bürger von Wien.
Historisches Drama in 5 Aufzügen.
A. Langer, In der Brigittenau 1683. Genrebild in einem Aufzug.
C. Metzenhofer, Die Türken vor Wien. Historisches Genrebild in einem Aufzug.
J. A. Lang, Die Türken vor Wien, oder Glaube, Heldenmut und Bürgertreue. Großes
geschichtlich vaterländisches Volks-Schauspiel ( . . . ) in I X Bildern und einem Vorspiele
„Die Flucht aus dem Vaterhause".
R. v. Kralik, Die Türken vor Wien. Ein Festspiel (in 3 Aufzügen)
J. P. Ostland, Der Entsatz von Wien 1683.
A. Stara, 1683. Vaterländisches Schauspiel in 3 Akten und einem Nachspiele.
Chr. Stecher, Die Belagerung Wiens von 1683. Ein historisches Schauspiel in fiinf
Aufzügen.
C. Landsteiner, Der Bürgermeister von Wien. Dramatische Dichtung (in 5 Akten).
J . A. Osiecki, Bruderherz. Historisches Volksschauspiel mit Tanz und Gesang in 3
Aufzügen und 5 Bildern.
Kogl, Wahrheit und Dichtung, oder Wiens Belagerung und Entsatz. Volksschauspiel in
5 Aufzügen. Druck: Linz 1900.
A. v. Berlichingen, Die Befreier Wiens 1683. Dramatisches Gedicht (in 5 Akten).
A. Wahrmund, Der Kampf um Wien. Historisches Schauspiel (in 5 Akten).
H. Hillersperg, Die Befreiung Wiens. Ein kulturhistorisches Drama in 5 Aufzügen.
K. Tschermak, Kara Mustapha. Historisches Schauspiel in 5 Akten.
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
Beispielhafte
87
Textauszüge
L. Bostel, Cara Mustapha, I Teil.
Veränderungen der Schaubühne/ Machinen, und Vorstellungen.
Im Ersten Theil.
Α α . I.
Ein finsterer Wald / worinnen das Wunderbild Nebucadnezars.
Das Meer/mit daraus aufsteigenden vieren Wunder-Thieren.
Mahomet, die Christliche Kirche verfolgend / wird aus der Höhe in den Abgrund gestürzt.
Die Gassen von Griechisch-Weissenburg.
Sultan Mahomets prächtiger Einzug zu Griechisch-Weissenburg.
Ein starckes Ungewitter / mit Blitz / Donner und Platzregen.
Kayserl. Zimmer / wo der Divan versamlet.
Garten im Seraille.
Im Traum Sultan Mahomeths verändert dessen prächtiges Zimmer in eine grausame Wüste. Am
gestirnten Himmel wird der wachsende Mond / durch Annahung der auffgehenden Sonnen / in
einen Abbrechenden verwandelt.
Oede Wohnung einer Zauberin / die durch Beschwerung einen Höllischen Geist hervorbringet.
Act. II.
Der Vorhoff des Schlosses zu Ofen. Barac auff einen Höltzernen Pferde / welches er nach der
Reit-Kunst tummelt.
Das Schloß zu Ofen von innen. Der Princeßin Baschlari Zimmer
Die zwischen Ofen und Wien verbrandte Städte und Dörffer /
gemarterte / und ermordete viele Menschen. Eine grosse minge gefangener und übel zugerichteter Christen.
Act. III.
Türckisches Lager vor Wien / mit des Groß-Veziers prächtigen Gezelte. Die belagerte Stadt
Wien I nebst denen Türckischen Lauffgraben und Battereyen.
Ausfall der Belagerten.
Bassa-Ibrahims Gezelt / mit einem Lager-Bette.
Sprengung der Löbel-Pastey / und grausahmer Sturm
Im Andern Theile.
Act. I.
Die vom Bluthe gefarbete Donau und Wien / mit denen an ihren U f e m verheerten Städten /
Schlössern / und Dörffern / von weiten die Stadt Wien.
Das Kayserl. an der March zwischen Anger und Stillfried stehende Lager.
Krieges-Rath wegen des Entsatzes.
Türckisches Lager.
Baracs Sorbet, Thé, Chocolat, und Cañe-Krahm.
Gefangniß in den Mauren verheerter Häuser. Die vom Schiessen /
und eingeworfenen Feuer erbärmlich zugerichtete Stadt Wien von innen / mit vielen Verwundeten / Krancken / und Todten auff den Gassen.
Die zum Entsatz anmarchierende Christliche Armée.
Act. II.
Lager / vor Ibrahims Gezelte.
Baschlari Gezelte von innen / mit einem Bette.
Des Groß-Veziers prächtiges Gezelt.
Der Entsatz / mit folgender Plünderung des verlassenen Türckischen Lagers / von weiten die
Stadt Wien.
Ein finsterer Wald. Erschröckliches Ungewitter mit Feuer-vermischten Regen.
Ein künstliches Feuerwerck im Stadt-graben vor Wien.
Das Schloß zu Ofen von innen.
Bassa Ibrahims Strangulierung.
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88
Jerzy Got
Act. III.
Kayserl. Zimmer zu Griechisch-Weissenburg.
Vorhoff im Kayserl. Seraille zu Griechisch-Weissenburg.
Baschlari Trauer-Zimmer im Seraille.
Kayserl. Sah! / wo der Divan versammelt.
Des Groß-Veziers Strangulirung und Enthauptung. Der Cörper des Groß-Veziers / nebenst dem
abgehauenen Haupte in einer Silbernen Schüssel.
Die Gassen von Griechisch-Weissenburg. Ein auffriihriger Hauffe des Pöbels / und der Janitscharen / des gewesenen Groß-Veziers Haupt auff einer Piquen / als im Triumpff / zur Schaue
tragend.
Tänze.
Des Ersten Theils.
Von
Von
Von
Von
Von
Von
Janitscharen.
einem Höllischen Geiste.
zween Tartarischen Mord-Brennern.
einem Itchoglan / und einer Itchoglane.
Teutschen und Türckischen Combatanten.
zwoen Furien.
Des andern Theils.
Von
Von
Von
Von
Von
A. Stranitzky,
zween Affen.
Teutschen und Polnischen Soldaten.
einem Höllischen Geiste.
Teutschen Officirern.
Janitscharen.
Türckisch-bestraffter
Hochmuth (...),
Sz. VIII,
S. 30-31
Wald
Seena VIII
Hie geschiehet der Türckische March mit einer Türckischen Music auf nachfolgende Weise
langsam über das Theatr:
1. Ein Cadi oder Türckischer Gesetz-Lehrer führend die Standarte des Mahomets worauf dieser
falsche Prophet gemahlet zu sehen.
2. Ein Türckischer Officier und 6 Gemeine mit bloßen Säbeln.
3. Wiederumb ein Cadi so den Alcoran oder Türckisches Gesetz-Buch tragt.
4. Zwey Türcken mit einer langen Stangen, ein jeder an seiner Stange zu oberst ein RoßSchweiff gebunden.
5. Tekely und Sechs Tartarn, deren ein jeder eine Flinte über die Achsel hangen hat.
6. Zwey Türckische Kebs-Weiber auf einem Wagen, so von Mohren gezogen wird.
7. Zwey Türcken, jeder mit einer Fahne, worauf der halbe Mond oder das Türckische Wappen
zu sehen.
8. Wieder obige 6 Türcken (No. 2), jeder mit einem Rantzen, aber ohne den vorigen Führer.
9. Wiederumb die 6 Tartarn (No. 5) aber ohne den Tekely.
10. Die Türckische Stuck, und hinter denenselben die Bagage. N. B. Wann es seyn kan und sich
schicket.
11. Wiederumb die Zwey Türcken (No. 4) mit ihren Roß-Schweiffen.
12. Zwey Türckische Bahsen mit bloßen Säbeln.
13. Vier Türckische Printzen, biß daher pahsiret der Zug das Theatr:
14. Der Großvezier Kara Mustapha auf den Wagen (No. 6).
15. Selim und Ibrahim.
16. Sechs Türcken, welche sich auf der einen Seiten des Theatri rangiren.
17. Sechs Tartarn (aber ohne Flinten) auf der andern Seiten.
Kara Mustapha, Selim und Ibrahim, und ihre Soldaten No. 16 und 17 verbleiben, die übrigen
ab.
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
Gensickes
Anzeige;
Wiener
Blättchen,
89
17.9.1783,
S.
43-44
Die Vorstellung so gut, so natürlich, glänzend als möglich zu machen, wird Unterzeichneter
weder Fleis noch Kosten sparen.
Die Vorstellung des Türkischen Lagers; der Abmarsch der Türken gegen die Christen; der
Kampf der Türken mit den ausgefallenen Wienern; der Sieg der Wiener, die Vernichtung des
türkischen Lagers durch Feuer und Schwerdt; der Einzug der siegenden Wiener mit ihren
Gefangenen und den erbeuteten Kostbarkeiten, der neue, noch nie auf einer hiesigen Bühne
gesehene überraschende Anblick in der Mitte des Tempels der Zukunft, wird dem Auge eine
abwechselnde, und wie ich hoffe, eine angenehme Unterhaltung verschaffen.
Die Musik zu den Gesängen und Chören ist von einem hiesigen beliebten Componisten,
daß ich aber nicht etwa ebenfalls mit einem längst bekannten, und uns in einer anderen Brühe
aufgetischtem Gericht, das Publikum zu täuschen suche; daß dieses Stück wirklich neu sey, davon
kann sich jeder überzeugen, dem es gefällt, bey dem Logenmeister der K.K. Theater, in der
Wappierischen Buchhandlung und bey dem Buchhändler Hartl, sich für 17 kr. ein gebundenes
Exemplar deßelben abholen zu laßen. Lieber wollte ich es, so fehlerhaft es seyn mag, dem
Richter-Auge eines so geschmackvollen Publikums vorzutragen wagen, als jenem kränkenden
Verdacht Raum geben. Dieses entscheide jetzt, ob es mit Hohn zurückgeworfen, oder gesehen
zu werden verdient. - Noch nie versagte ja das Publikum der Kayserstadt Nachsicht und
Aufmerkung einem Unternehmen, das guten Willen anzeigte und Eifer fur die Vervielfältigung
seiner Vergnügungen ausfuhrt.
Gensicke
Unternehmer im k. k. Theater
nächst dem Kärtnerthor
B. D. A. Cremeri.
Ernst Rüdiger
Graf von Starhemberg,
IV,
3, S.
73
(Blasinstrumente, ein Zug Militair, einer, der einen Roßschweif trägt, verschiedene gefangene
Türken unter Bedekung, dann einer mit einer grünen von erhabener Goldarbeit strotzenden
türkischen Standarte, hierauf Sobieski Johann III., den die Generalität empfangt; und nach ihnen
abermal ein Zug Militär. Wie der Zug die Stadt vorbei gehet, ruft das Volk von den Wällen:)
Es lebe Johann unser Retter! unser befreier!
F. Diener,
Die Belagerung
von Wien,
III, 4, S.
62
Mathilde,
(allein.)
Ich muß das Eine oder And're wählen,
Denn der Barbar hält hier gewiß sein Wort,
Ich darf bei ihm auf keine Nachsicht zählen,
Denn sein entsetzlich Handwerk ist der Mord.
Sag mir, mein Gott, was hier zu wählen wäre,
Des Vaters Leben, oder meine Ehre?
Und würde wohl der Vater selbst sein Leben
Erkaufen wollen durch der Tochter Schmach?
Und welchen Rat würd' er mir selber geben,
Der mir so oft von Frauentugend sprach?
Und würde er, müßt' er sein Leben enden,
Mir nicht noch sterbend seinen Segen spenden?
Mein Gott, auch hierin bitt' ich Dich um Rat,
Wenn der Barbar mich zu umarmen käme,
Wär's eine Sünde, eine Missetat,
Wenn ich die Judith mir zum Muster nähme,
Wär's ein Verbrechen diesen reinen Händen,
Die Wahl durch einen Dolchstoß zu beenden?
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90
Jerzy Got
F. Diener, Die Belagerung von Wien, III, 4, S. 65-66
Mathilde.
Nie werd' ich einem Ander'n angehören,
Mein treues Herz gehört auf ewig Dein,
Das will ich Dir hier feierlich beschwören,
Nur Du wirst meine einz'ge Liebe sein.
Mein Herz wird sie als Heiligtum bewahren,
Und ewig bleibt es dieser Liebe treu.
Wenn sie auch alt einst wird an Jahren,
Bleibt diese Liebe dennoch jung und neu.
Dein Bild wird stets mir meinen Geist umschweben.
Mein ganzes Denken gilt nur Dir allein.
Nur meiner Liebe weihe ich mein Leben,
Sie wird mir stets ein heil'ger Cultus sein
F. Diener, Die Belagerung von Wien, IV, 5, S. 86
Selim
(Allein in einem Zimmer des Starhembergischen Hauses mit verbundener Stime auf einem
Diwan sitzend.)
Hier bin ich jetzt verwundet und gefangen.
W o in Gefangenschaft mein Herz geriet,
Als das Gestirn zuerst mir aufgegangen,
Das magisch mich in seine Kreise zieht,
Und hier soll ich die Heilung jetzt erlangen,
W o ich die schwerste Wunde einst empfangen.
Der Körper heilt wohl bald von seinen Wunden,
Auch weicht der Schmerz, den ich mit Gleichmut trug,
Jedoch das Herz, wird es wohl auch gesunden
Von seiner Wunde die ihm Amor schlug?
Denn diese Wunde macht mir mehr zu schaffen,
Als jene andern von des Feindes Waffen.
Den Tod zu suchen war mein einzig Streben,
Als man den letzten großen Sturm beschloß.
Denn wertlos schien mir ohne sie mein Leben
Und reizlos schien mir ohne sie mein Los;
Doch was ich suchte, hab' ich nicht gefunden,
Aufs Neue bin an's Dasein ich gebunden.
F. Diener, Die Belagerung von Wien, IV, 5, S. 93
Selim.
(allein.)
Viel Herbes ist dem Menschen zugemessen,
Sein Leben ist oft voll von Kampf und Not,
Hat er das Eine Übel kaum vergessen,
So kommt ein größeres, das ihn bedroht,
Doch jeder Schmerz läßt nach und geht vorbei,
Bleibt ihm auch nur ein einzig Herz getreu.
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Das J a h r 1683 i m D r a m a u n d auf der B ü h n e
91
Λ .
Und mag das falsche Schicksal auch ihn hassen,
Und trifft ihn auch ein noch so schlimmes Los,
So fühlt er sich doch niemals ganz verlassen.
Und seine Lage ist nicht hoffnungslos,
Es hält ihn immer von Verzweiflung frei.
Bleibt ihm auch nur ein einzig Herz getreu.
J. A. Lang, Die
Türken
vor Wien,
Titelseite
Die Türken vor Wien
oder
Glaube, Heldenmut und Bürgertreue.
An die Allerdurchlauchtigste k. k. D y n a s t i e des K a i s e r - und K ö n i g h a u s e s H a b s b u r g ,
an das hochwürdige C l e r i c a , hohen Adel, k.k. M i l i t ä r und P. T. hoch verehrten Herren
B ü r g e r der österreichischen Monarchie als „ G e d e n k e m e i n " an die zweihundertjährige Säcular-Feier des Jahres 1883.
Motto:
„Nehmt die geschichtlich-vaterländ'sche Sage
Vom Jahre Sechszehnhundert achzig drei
Und vom dreizehnten September, dem Befreiungstage;
Beseelt durch „Glauben", „Heldenmuth" und „Bürgertreu"
Nehmt sie vom Greis mit siebenundsiebzie Jahren,
Dem Gott die geist'ge Kraft noch ließ bewahren.
Als ein „ G e d e n k e m e i n " an jene Schreckenszeit,
Die über „Wien" verhängt unendlich Weh' und Leid Gnädig und gütig an im patrotisch' B ü h n e n b i l d e ,
Und laßt das Urtheil, bitt' ich, sein: „Die N a c h s i c h t und die Milde!!!"
Der Verfasser.
Wien, Landstraße, verlängerte Wassergasse 30, ebenerdig.
J. A. Lang, Die
Türken
vor Wien,
Schlußanmerkungen,
S.
(74)
Anmerkungen:
Das Kostüm des K ö n i g s von P o l e n S o b i e s k i reich in Ulanen-Uniform. (Starker
kräftiger Mann).
Kara M u s t a p h a , groß, hager, Teint stark braun. Reich im Costüm. Die Brust voller O r den.
H e r z o g Karl v o n L o t h r i n g e n . Großer Mann, geht stark gebeugt. Kostüm grau ohne
jeden Schmuck. Hut ohne Feder, Stiefel gelb. Starke Adlernase, blonde Perücke.
S t u d e n t e n der Legion. Hohe Stiefeln, kurze Röcke, Scheibenhüte mit Feder. Waffen: Säbel und die damalige lange Muskete.
B ü r g e r - M i l i z ganz einfach.
D e k o r a t i o n : 1st nur der einzige Prospekt des Stefans-Doms von Seite des Riesenthors mit
der Aussicht auf das Innere der Kirche herzustellen, die übrigen Dekorationen sind alle leicht und
aus Versetzstücken zu arrangieren.
Das reiche Zelt des Großveziers (5. Bild) ist nur Aufputz von Requisiten.
Der Verfasser
* Die mit einem Sternchen bezeichneten Personen sind nur Figuranten. Da das Schauspiel an
vier Orten und in Zwischenräumen durch den ganzen Sommer 1683 handelt, können die
Beschäftigten ohne die geringste Störung mehrere Rollen übernehmen.
Die Musik der Schlußakte kann wohl aus Einlagen bestehen, die Gesangs-Stücke besonders
Chöre wären als Komposition erwünscht. Die Partie des Studenten Osinski erfordert einen guten
Sänger. Dieses große vaterländische Schauspiel macht keine erheblichen Kosten, erfordert aber
eine tüchtige und fleißige Regie.
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Jerzy Got
92
J. P. Ostland,
Der Entsatz
von Wien im Jahre
Duett.
Hassan.
1683,
IV,
9, S.
64-65
Fort von hier, sonst muß ich klagen,
Daß Du ungehorsam bist
Agathe.
Weil im Garten ich, zu sagen,
Lange noch nicht strafbar ist.
Hassan.
Du bist keine Favorite,
Folge, sonst brauch' ich Gewalt. (Auf sie zugehend.)
Agathe (mit den Nägeln drohend).
Fort von mir auf zwanzig Schritte!
Nicht berühre meine G'stalt.
Hassan (fliehend).
Tolles Amt das! Weiber hüten,
Folge! Sonst k o m m ' ich in W u t .
Agathe (sanft).
Was nützt Dir des Zornes W ü t
Werde artig, ich bin gut.
Hassan.
Freilich, ich soll Dich noch bitten,
Daß Du dem Gesetz Dich fugst.
Agathe.
Gehe, folg' nur meinen Schritten,
Weißt nicht, wie Du mich vergnügst.
Hassan.
Warte, jetzt sollst Du es büßen,
Lang' schon hast Du Straf verdient.
Agathe (höhnend).
Laufe! Soll ich sterben müssen,
Mache schnell, die Zeit verrinnt.
(Beide).
Hassan.
Trotzend will sie Alles wagen,
Fürchtet nicht den Großvesir,
Ich soll bei ihm sie verklagen,
Und sie bleibt im Garten hier.
Agathe.
Drohend eilt er, um zu klagen,
Strafen soll der Großvesir,
Ich will einmal Alles wagen,
Ei So geh', ich bleibe hier
(Hassan, der schwarze Sklave, läuft drohend ab.)
K. Landsteiner,
Der Bürgermeister
von Wien.
Nachspiel,
S.
Í15-116
Freier Platz vor dem Stephansdome. Durch das offene Riesentor blickt man in die festlich
beleuchtete Kirche, aus welcher die mächtigen Klänger der Orgel schallen. Glockengeläute und
Salutschüsse. Der Platz ist erfüllt mit Menschen. Bewaffnete Bürger und Studenten bilden
Spalier. Der Bischof Emerich Sinelius mit großer Assistenz, dem Domkapitel und der Kuratgeistlichkeit vor dem Tore, erwartet den Kaiser. Fanfaren kündigen den Einzug an. Zuerst erscheint
eine Abteilung der Stadtguardia. Dann folgen Soldaten und Offiziere der während der Belagerung in Wien stationierten kaiserlichen Regimenter Starhemberg, Kaiserstein, Mannsfeld, SouUnauthenticated
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93
Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
chy, Schärfenberg, Heister, Würtemberg, Thim, Dupigny und eine Abteilung der Ordinaribesatzung mit dem Obrist-Wachmeister Marquis v. Obizzi; sodann die Studenten mit der großen
Marienfahne; Repräsentanten der acht bewaffenten Bürgerfahnlein, der Kompanien der Fleischhauer, Brauer, Bäcker und Schuhknechte: Freiherr v. Kielmannsegge mit freiwilligen Jägern; die
Kauf- und Handelsleute mit ihrer Fahne; Graf Max v. Trautmannsdorf mit den Hofbediensteten
und Hofbefreiten; Georg Fr. Koltschitzky; Officiere und Soldaten als Vertreter des Entsatzheeres;
eine Abteilung Polen und Soldaten der Reichsarmee. Die erbeutete große türkische Fahne von
einem polnischen Soldaten getragen; eroberte türkische Geschütze von kaiserlichen und polnischen Soldaten begleitet. Hierauf die Mitglieder des Universitäts-Konsistoriums, der Rector
Magnifiais, Dr. C. Grüner, an der Spitze; die Mitglieder des Stadtgerichtes, des äußeren und
inneren Rates mit Dan. Fockhy an der Spitze; Frau v. Liebenberg, gefuhrt von ihrem Sohne
Andreas, und Annchen (beide Frauen in Trauerkleidern). Der niederösterreichische Landmarschall, Graf M. Mollard, mit Dienerschaft; ein Soldat, einen türkischen Roßschweif tragend; G.
Chr. Kunitz, der kaiserliche Resident; Graf Caprara; türkische Gefangene; eine Schar befreiter
Christensklaven und geretteter Christenkinder, von Bischof Kollonitsch gefuhrt; Marcus Avianus; Graf Zdenko v. Kaplir mit den Mitgliedern des geheimen Deputirten-Kollegiums; Graf
Starhemberg mit Gefolge; Prinz Eugen v. Savoyen; deutsche Reichsfiirsten, Generäle und
Feldmarschälle. Markgraf Ludwig von Baden; Polnische Palatine und Heerführer; die beiden
Kurfürsten von Sachsen und Bayern mit Gefolge; Herzog Emst von Lothringen; König Johann
Sobieski von Polen mit seinem Sohne, Prinz Jakob; endlich der Kaiser auf weißem Pferde,
welches zwei Pagen am Zügel führen. Als der Kaiser vom Pferde steigt, bricht das Volk, welches
die Vorüberziehenden je nach deren Bedeutung, besonders aber den Grafen Starhemberg,
Herzog von Lothringen und den König von Polen sympathisch begrüßt hat, zuerst in brausenden
Jubel aus, worauf erfurchtsvolle Stille eintritt. Die meisten Teilnehmer begeben sich in die
Kirche, nur Dan. Fockhy mit einigen Ratsherren, Frau v. Liebenberg mit Andras und Ännchen,
Bischof Kollonitsch, Graf Starhemberg und Graf Kaplir, der Herzog von Lothringen, die beiden
Kurfürsten und der König von Polen mit seinem Sohne bleiben vor der Kirche, zu beiden Seiten
des Bischofs von Wien stehen; der Kaiser, freundlich grüßend, nähert sich zuerst dem König von
Polen und umarmt denselben.
K. Costa,
Die
Türken
vor Wien,
II, 9, S.
38-39
Der Beglerbeg Bimbambo
Ist gar ein alter Gauch,
Nahm jüngst sich hundert Weiber,
So wie es Türkenbrauch.
O Beglerbeg Bimbambo Bum,
Wie bist Du doch so schrecklich dumm Statt Einer führ'n Dich hundert jetzt
An Deiner Nase h'rum!
Chor (wiederholt wie oben).
II.
Der Beglerbeg Bimbambo
Hat einen kahlen Kopf,
D'rum können wir nicht fassen
Den Türken bei dem Schöpf.
O Beglerbeg Bimbambo Bum,
Ist auch Dein Kopf so kahl geschor'n,
Wir fassen um so sich'rer Dich
Bei Deinem Barte vorn.
Chor (wie oben).
III.
Der Beglerbeg Bimbambo
Ist fett und kugelrund,
Die Aerzte die verschreib'n ihm
Zehn Pillen alle Stund'.
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Jerzy Got
94
O Beglerbeg Bimbambo Bum,
Bei uns ist das Kuriren frei,
Wir senden Dir aus unserm Lauf
Ein Kiigelchen von Blei.
Chor (wie oben).
IV.
(Nimmt die Trinkflasche).
Der Beglerbeg Bimbambo
Trinkt Wasser nur allein
Und sagt, daß ihm der Koran
Verboten hat den Wein!
O Beglerbeg Bimbambo Bum,
Was bist Du fur ein arger Tropf,
Wer so verschmäht der Traube Blut,
Der bleibt ein Wasserkopf.
K. Costa, Die Türken vor Wien, II, il,
S.
40-42
(Aus dem Hintergrunde rechts Wabi mit sämmtlichen Weibern, alle bewaffent und jede eine
erleuchtete Stalllateme in der Hand. Hierauf aus der Kellerthür Lori auch mit einer brennenden
Laterne, sodann aus der Kellerthür Koltschützky und Michaelowitsch [ersterer als Halbblinder,
zweiter als Lahmer mit einer Krücke], schließlich von beiden Seiten Bürger und Arbeiter.)
Finale.
Damen-Chor.
Lori (tritt auf).
Alle.
Chor.
Lori.
Koltschützky und
Michaelowitsch
(auftretend).
Chor.
Koltschützky und
Michaelowitsch.
Bürger-Chor.
Damen-Chor.
Koltschützky und
Michaelowitsch.
Jede Stunde macht die Runde
Still und sacht O b wo Feinde oder Freunde Habet Acht!
Doch wenn vorbei das Geschrei, die Gefahr verscheucht,
Manche wohl hin zum Liebsten schleicht
In der Nacht, auf der Wacht, beim Mondenscheine,
Nur die Lieb' allein Feldgeschrei,
Und uns're Losung sei ein Kuß!
Darum leise, klug und weise - aufgepaßt!
Gott steh' uns bei! Die Türken!
Was sagt Ihr da, die Türken?
Ja, wo denn, wie denn, was denn?
Redet doch, was ist's mit den Türken?
Gott steh' uns bei, das Ende naht, die Türken,
Die Feind' sind hier - Sie sind schon hinter mir!
Sie dringen bis zum Magistrat,
Sind sie nur einmal in der Stadt!
Ich bin ein Türke fürchterlich
Und den ich fang', den fresse ich!
Ach Gott, die Türken schon bei uns in Wien,
Ach Gott, da sind wir alle hin,
Weib und Kinder massakriert Und uns're Männer fortgeführt Schreit um Hilfe, zu Hilfe! Sbokum, sbokum il Allah!
Was soll der Lärm, was soll das Schrei'n?
Ach seht die Türken sind herein!
Uns kennt kein Teufel in dem Kleid,
Nein, so viel Jux macht wahrlich Freud',
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
Lori.
Lori, Koltschützky und Michaelowitsch.
Koltschützky.
Michaelowitsch.
Chor.
Koltschützky.
Chor.
Michaelowitsch.
Chor.
95
V o r A n g s t w a g t keines zu entflieh'n.
D i c h krieg'n sie nicht, die Türken, liebes Wien! D o c h nun g e n u g , gehen wir w e g ,
Sonst krieg'n wir a m End' noch Schlag'!
D e r Spaß gelingt,
Z u m Lachen zwingt mich dies, die Türken hier N o c h nicht, der H i m m e l sei gelobt,
Ich hab' euch alle nur g e f o p p t ! (Rep.)
D a s Ganze w a r von mir ein Scherz,
Denn's ist Michaelowitsch und Bruderherz!
Als blinder Muselmann, sieht mir wohl jeder an,
D a ß ich allein nicht kann die Straßen geh'n U n d ich bin wiederum, a u f einem Beine k r u m m
U n d h u m p l e so herum und kann nicht steh'n.
Fürwahr, ein lustig' Paar, lebt wohl!
S o woll'n sie beide A r m in A r m
Z u s a m m e n nun, daß Gott erbarm'
In's T ü r k e n l a g e r wandeln.
W i e - w a - wandeln.
Als Kaufleut' dort zu handeln Hi - ha — handeln!
S o A r m in A r m zieht hin, daß Gott erbarm'!
D e r Spaß, der macht sich wahrlich gut,
D e r H i m m e l schenk' euch seinen M u t !
Lebt w o h l , wir wünschen euch viel Glück
U n d kehrt uns bald zurück!
W i r wünschen euch von Herzen Glück. (Rep.)
D e r V o r h a n g fallt.
K. Costa,
Die Türken vor Wien,
IV, 4, S.
56-57
(Koltschützky geführt v o n Michaelowitsch treten singend vor, die betreffende W a a r e
vorzeigend, hinter ihnen die türkischen Soldaten im Halbkreise.)
Michaelowitsch.
Koltschützky.
Schöne Tücher,
Koranbücher,
Glasgeschirr,
Perlenschnüre,
B u n t e Maschen,
Ledertaschen,
Pfauenfächer,
Silberbecher.
Alles echt und Alles fein,
K o m m t nur her und kaufet ein!
S c h w e r e Seide,
Hier Geschmeide,
Glas-Agraffen,
Gute Waffen,
Edelsteine,
Nadeln, feine,
Selt'ne Ringe,
Sonst noch D i n g e !
Alles echt und Alles fein,
K o m m t nur her und kaufet ein!
(Indem beide lustig u m sich herumtanzen.)
Dschaba, Dschaba, Dschaba badehava!
( A u f Deutsch so viel als „ F o r t mit S c h a d e n " . )
C h o r (der türkischen Soldaten, indem sie die Händler verhöhnen, gleichfalls so tanzend).
Dschaba etc., etc. (Die M u s i k i m Orchester geht fort, und während die türkischen Soldaten v o n
den Händlern Einzelnes kaufen, D i a l o g . )
Ali. D i e scheinen unverdächtig mir!
Jussuf. Z w e i lust'ge K ä u z e Jurigi. D i e ihr Geschäft versteh'n. - D i e Narrheit lockt die M e n g e !
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96
Jerzy Got
Michaelowitsch.
Koltschützky (kommen vor und singen).
Blanke Messer,
Augenwässer,
Turbanknöpfe,
Salbentöpfe,
Wunderrosen,
Zuckerdosen,
Bunte Schalen,
Auch Corallen!
Alles echt und Alles fein,
D'rumm kommt nur her und kaufet ein.
Gold'ne Spangen,
Feuerzangen,
Silberreifen,
Tabakspfeifen,
Schildkrotkämme,
Badeschwämme,
Duft'ge Kräuter,
Und so weiter.
Alles echt und Alles fein,
D'rum kommt nur her und kaufet ein.
(Wie früher.) Dschaba, Dschaba, Dschaba badehava!
Chor (wie früher). Dschaba, Dschaba, Dschaba badehava!
F. v. Rädler, Die Türken vor Wien (1683), II Abt., 3, S. 25-26
Augustin, mit einem Dudelsack und einer Schnapsflasche, aus der er zeitweilig trinkt. Linter dem
Arm trägt er ein rotes Parapluie.
Entreelied des Augustin.
I.
Ich bin der liebe Augustin,
Bekannt in unser'm Wien
Als kreuzfideler Lotterbursch
Weil ich stets lustig bin!
Ich blas' auf meinem Dudelsack
und sing' dazu sehr keck,
Und jag' damit dem Wiener-Volk
Die Sorgen alle weg!
Chor:
(:Er ist der hebe Augustin,
Bekannt im lieben Wien!:)
II.
Von ein Wirtshaus ins andere
Zieh ich bei Tag und Nacht,
Und dudel meine Lieder 'raus
Und g'freu mich, wann all's lacht!
Hab ich a Geld, - bin ich fidel,
Wann nit, - leb ich auf Puff, Ich pfeif auf all's - wann i nur g'nug
Hab z'essen - und mein Suffi
Chor
(wie oben)
F. v. Rädler, Die Türken vor Wien (1683), II Abt., 3, S. 2T-29
Augustin (singt und bläst während des Chores seinen Dudelsack):
I.
O mei' lieber Moselim, Moselim, Moselim,
O mei' lieber Moselim, all's is bald hin!
Schießt schon, Du armes G'schöpf,
Mit Deine letzte Knöpf!
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Das Jahr 1683 im Drama und auf der Bühne
97
Chor:
O mei' lieber Moselim, all's is bald hin.
II.
O mei' Kara Mustaphim, Mustaphim, Mustaphim,
O mei' Kara Mustaphim, all's is bald hin!
Roßschweif und Türkenfahn'
Schreckt nit amai mehr d' Mahm!
(Zeigt auf die Frechingerin.)
Chor:
O mei' lieber Mustaphim, all's is bald hin.
III.
O mei' lieber Ibrahim, Ibrahim, Ibrahim,
O mei' lieber Ibrahim, alles is hin!
Schieß' nur mit Bomben her
D ' Weaner schenirts nit mehr!
Chor:
O mei' lieber Ibrahim, alles is hin.
IV.
O mei' Kara Mustamphim etc.
O mei' Kara Mustaphim, all's is bald hin,
s' wern'd in Dein' Harem z'letzt,
Hörnd'ln Dir aufgesetzt!
Chor:
O mei' Kara Mustaphim etc.
V.
O mei' lieber Moselim etc.
O mei' lieber Moselim, all's is bald hin,
Leg'st Du a Mine blos,
Geht sie nach hinten los!
Chor:
O mei' lieber Moselim etc.
VI.
O mei' lieber Ibrahim etc.
O mei' lieber Ibrahim, all's is bald hin,
Wein trinken derfst Du nöt,
Das is Dei' größtes G'frött!
Chor:
O mei' lieber Ibrahim etc.
VII.
O mei' lieber Mustaphim etc.
O mei' lieber Mustaphim, all's is bald hin.
Glaubst wir ergeb'n uns schon Schau Dir die Nasen an! (Dreht eine lange Nase).
Chor:
O mei' lieber Mustaphim, all's is bald hin!
(Alle lachen.)
Eine Salve geht aus dem Türkenlager auf die Bühne nieder, Augustin spannt sein Parapluie auf.
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