Projektbericht Research Report Wachstum und Beschäftigung durch Infrastrukturinvestitionen Bernhard Felderer Ulrich Schuh Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie Juni 2005 Institut für Höhere Studien (IHS), Wien Institute for Advanced Studies, Vienna Contact: Ulrich Schuh phone: +43/ 1/ 599 91-148 E-Mail: [email protected] Bemerkung Dieses Hintergrund-Papier entstand im Auftrag des BMVIT als Hintergrundinformation für den Infrastrukturgipfel am 26. April 2005 in Wien. Es stellt die Grundlage für den Diskussionsbeitrag von Prof. Felderer bei der Veranstaltung dar. Inhalt 0. Einleitung 1 1. Effekte von Infrastrukturinvestitionen 2 2. Langfristige Effekte von Infrastrukturinvestitionen 5 3. Mittelrückfluss für die öffentliche Hand 9 4. Wachstumspotenzial Informations- und Kommunikationstechnologien 12 5. Schlussbemerkungen 15 7. Literaturanhang 16 I H S — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — 1 0. Einleitung Nachhaltiges Wirtschaftswachstum stellt eine zentrale Grundvoraussetzung für die Erhaltung und den Ausbau von Wohlstand und sozialem Zusammenhalt einer Gesellschaft dar. Österreich ist es in den vergangenen Jahrzehnten gelungen zu den wohlhabendsten Volkswirtschaften der Welt aufzusteigen. Innerhalb der Europäischen Union nimmt Österreich eine der führenden Positionen hinsichtlich der Wirtschaftsleistung pro Kopf ein. Im Rahmen der „Lissabon Strategie“ hat sich die Europäische Union das Ziel gesetzt bis zum Jahr 2010 die Rolle des weltweit bedeutendsten Wirtschaftsraumes zu erobern. Im Zusammenhang mit diesem ambitionierten Ziel bemüht sich die österreichische Regierung das Wachstumspotenzial der österreichischen Volkswirtschaft sowohl kurz- als auch mittelfristig zu erhöhen. Zur Erzielung nachhaltigen Wirtschaftswachstums ist eine umfassende Strategie erforderlich, die eine Reihe von wesentlichen Komponenten umfasst: Aus- und Weiterbildung, Forschung und Entwicklung, eine gute Infrastruktur, Wettbewerbsfähigkeit, Zugang zu einer ausreichenden Anzahl angemessener Arbeitsplätze, Preisstabilität, solide öffentliche Finanzen und Umweltverträglichkeit. Eine Reihe von Studien hat nachgewiesen, dass Investitionen in Infrastruktur einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Wachstum von Volkswirtschaften leisten. Auch in Österreich werden beträchtliche Mittel in den Bau und Betrieb von öffentlichen Infrastruktureinrichtungen investiert. Das vorliegende Kurzgutachten gibt einen Überblick über die Wirkung öffentlicher Infrastruktur auf makroökonomische Variablen. Die quantitative Bedeutung der Infrastruktur für die österreichische Wirtschaft wird aufbauend auf Studien des IHS dargestellt und auch für die langfristigen Effekte für das Wirtschaftswachstum werden Ergebnisse dargelegt. Zusätzlich enthält dieser Beitrag auch eine Einschätzung der Bedeutung der Informationsund Kommunikationstechnologie für das Wachstumspotenzial der österreichischen Volkswirtschaft. 2 — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — I H S 1. Effekte von Infrastrukturinvestitionen Wie einleitend festegestellt, muss bei der Quantifizierung der Effekte von Infrastrukturprojekten zwischen den kurzfristigen Wirkungen und den nachhaltigen Einflüssen auf makroökonomische Variablen unterschieden werden. In der kurzen Frist dominieren die unmittelbaren Auswirkungen der Investitionsentscheidung. Erstens schaffen Investitionen unmittelbar Nachfrage, die entsprechend Arbeitsplätze und Wertschöpfung generiert. Zweitens liefern sie neben der direkten Nachfragewirkung auch einen Impuls für weitere Ausgaben („Multiplikator“) privatwirtschaftlicher Akteure, der in einem mehrstufigen Prozess einen entsprechend positiven Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ausübt. Die Bestimmung der Effekte der Verkehrinfrastrukturinvestitionen ergibt sich im Folgenden im Vergleich zweier Szenarien. Das Referenzszenario beschreibt die Entwicklung der wichtigsten makroökonomischen Variablen entsprechend der mittelfristigen Prognose des IHS für die österreichische Wirtschaft. Diesem Szenario wird ein hypothetisches Alternativszenario gegenübergestellt, bei dem die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen auf null gesetzt werden. Die Differenzen für die betrachteten makroökonomischen Variablen, Bruttoinlandsprodukt, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit, werden als Effekte der Infrastrukturinvestitionen interpretiert und ausgewiesen. Abbildung 1 Entwicklung der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen in in Prozent des Bruttoinlandsprodukts 1,50% 1,25% 1,00% 0,75% 0,50% 0,25% 0,00% 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Wie aus Abbildung 1 ersichtlich wird wurde das Ausmaß der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet. Berücksichtigt sind hierbei die Investitionen I H S — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — 3 in Schieneninfrastruktur, Investitionen in Straßenbau, sowie die Investitionen der Länder. Als Anteil am Bruttoinlandsprodukt steigen die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen von etwa 0,9 % auf über 1 ¼ % im Jahr 2009. Mit Hilfe des IHS-Wirtschaftsprognosemodells LIMA wurden Simulationsrechnungen durchgeführt, um den gesamtwirtschaftlichen, kurzfristigen Einfluss von Schieneninfrastrukturinvestitionen zu quantifizieren.1 Ausgehend von den Parameterwerten dieses Modells wurden die quantitativen Auswirkungen auf das gesamte öffentliche Infrastrukturinvestitionsvolumen der Jahre 2000 bis 2009 hochgerechnet. Bei dem zugrundliegenden Modell wurde unterstellt, dass keine unmittelbaren Effekte auf die Kapitalproduktivität ausgehen, die Arbeitsproduktivität jedoch ansteigt. Bezüglich der Importneigung nach Vorleistungen bei Infrastrukturinvestitionen wurde ein mäßiger Anteil von 20 % unterstellt, weil davon ausgegangen wird, dass die getätigten Bauinvestitionen primär durch heimische Anbieter durchgeführt werden. Abbildung 2 Beitrag der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen zum Bruttoinlandsprodukt in Mio. Euro 4.500 4.000 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Die aus den Modellergebnissen abgeleiteten direkten und indirekten Effekte lassen einen unmittelbaren Beitrag der Verkehrsinvestitionen auf das Bruttoinlandsprodukt von rund 2,3 Mrd. Euro im Jahr 2000 erwarten. Im Jahr 2005 werden diese Investitionen mehr als 3 Mrd. Euro zum Bruttoinlandsprodukt beitragen und im Jahr 2009 werden knapp 4 Mrd. Euro des BIP auf die Verkehrsinfrastrukturinvestitionstätigkeit zurückführbar sein. 1 Grossmann et.al. 2001 4 — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — I H S Abbildung 3 Beitrag der Infrastrukturinvestitionen zur Beschäftigung in 1.000 Personen 60,00 50,00 40,00 30,00 20,00 10,00 0,00 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Durch Infrastrukturinvestitionen wird in der Bauphase unmittelbar Beschäftigung generiert und die indirekten Multiplikatoreffekte führen kurzfristig zu zusätzlichen Schaffung von Arbeitsplätzen in der österreichischen Volkswirtschaft. Im Jahr 2000 können 22.000 Arbeitsverhältnisse auf die getätigten Verkehrsinfrastrukturinvestitionen zurückgeführt werden. Im Jahr 2005 werden jahresdurchschnittlich 45.000 Arbeitnehmer durch Investitionen Beschäftigung finden. Für das Jahr 2009 erwartet das IHS einen unmittelbaren Beschäftigungseffekt der Verkehrsinfrastruktur von 50.000 Arbeitsplätzen. Abbildung 4 Verringerung der Arbeitslosigkeit durch Verkehrsinfrastrukturinvestitionen in 1.000 Personen 40,00 30,00 20,00 10,00 0,00 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Die erhöhte Beschäftigung durch Infrastrukturinvestitionen trägt auch zur Verringerung der Arbeitslosigkeit in Österreich bei. Allerdings entspricht die Reduktion der Arbeitslosigkeit nicht vollständig der erhöhten Beschäftigung, weil ein Teil der Arbeitsplätze aus einem erhöhten Arbeitsangebot befriedigt wird. Entsprechend den abgeleiteten Modellergebnissen wird die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt 2005 um etwa 30.000 Personen durch die Infrastrukturinvestitionen verringert. Im Jahr 2009 wird der Effekt etwa zu einer Verringerung der Arbeitslosigkeit um 33.000 Personen führen. I H S — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — 5 2. Langfristige Effekte von Infrastrukturinvestitionen Die Berechnung der unmittelbaren Auswirkungen von Verkehrsinfrastrukturinvestitionen greift allerdings zu kurz. Derartige Investitionen sind in besonderem Maße dazu geeignet, Einrichtungen zu schaffen, welche die Wirtschaftsaktivität langfristig zu steigern vermögen. Dies gelingt in dem sie die Produktionskosten des Unternehmenssektors senken und damit dessen Produktivität steigern. Über diesen Wirkungskanal stellen sie ein Instrument zur Förderung der privaten Investitionstätigkeit dar und können letztendlich zu langfristig höherer Wirtschaftsaktivität und Beschäftigung führen. Diesem Wirkungszusammenhang sind allerdings natürliche Grenzen gesetzt. Wie bei jedem Faktorinput treten auch bei Verkehrsinfrastruktur fallende Grenzerträge der Investitionen auf, d.h. die Kostenersparnisse der Unternehmungen nehmen bei steigender Investitionstätigkeit ab. Es wird also auch in diesem Bereich ein Punkt erreicht, bei dem die Produktionsgewinne für den privaten Sektor geringer zu bewerten sind als die finanziellen Belastungen der Volkswirtschaft, welche durch die öffentliche Refinanzierung in Form von Steuern und Benützungsgebühren und dergleichen entstehen. Die Überlegungen über die Wirkungsweise von Infrastrukturinvestitionen beruht auf dem Konzept einer volkswirtschaftlichen Produktionsfunktion. Diese kann wie folgt dargestellt werden: Y = A.( K , G, L) Die volkswirtschaftliche Produktion (Y) bestimmt sich aus dem Einsatz von privatem (K) und öffentlichen (Infra-)Strukturkapitalstock (G), Arbeitseinsatz (L) und der totalen Faktorproduktivität (A). Gemäß der wirtschaftstheoretischen Literatur bestehen die Auswirkungen einer Ausweitung von Infrastrukturinvestitionen (einer Erhöhung von G) aus drei Effekten: (1) der direkte Effekt impliziert eine Produktivitätserhöhung der Inputfaktoren Kapital (K) und Arbeit (L) und führt zu einer Ausweitung der Produktion; verbesserte Verkehrsinfrastruktur verringert etwa die Transportkosten und steigert die Effizienz des Lagerhaltungs- und Transportsystems. (2) Der indirekte Effekt ruft eine Ausweitung des Faktoreinsatzes von privatem Kapital (K) und Arbeitsinput (L) hervor; die Möglichkeit kostengünstiger Produktion ermöglicht den privaten Unternehmern über Preissenkungen oder dem Eindringen in neue Absatzmärkte den Output zu erhöhen und folglich werden höhere Investitionen getätigt und mehr Beschäftigung nachgefragt. (3) Durch Infrastrukturinvestitionen werden allerdings auch die optimalen Faktoreinsatzverhältnisse beeinflusst und es kann zu Substitutionseffekten kommen. So können die Unternehmen veranlasst sein kapitalintensivere Produktionsweisen einzuführen. 6 — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — I H S Abbildung 5 stellt die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge der Entstehung des Bruttoinlandsprodukts schematisch dar. Die Inputfaktoren privater Kapitalstock, Infrastrukturkapitalstock und Humankapitalstock werden in der Produktion kombiniert. Die Faktorproduktivität wird von wachstumsfördernden Einflüssen wie der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit bestimmt. Aus der Kombination des Niveaus der Inputfaktoren und der totalen Faktorproduktivität ergibt sich schließlich das angebotsseitig bestimmte Niveau des Bruttoinlandsprodukts. Abbildung 5 Bestimmung des Wirtschaftswachstums Bruttoinlandsprodukt Forschung und Entwicklung Nicht-Infrastruktur-Kapitalstock Infrastrukturkapitalstock Humankapitalstock Aus den obigen Überlegungen leitet sich auch die Existenz eines optimalen Niveaus an Infrastrukturausstattung ab. Dieses ist dann erreicht, wenn sich die Gewinne für den privaten Sektor, die sich aus der Summe der oben genannten Effekte ergeben, mit den Kosten der Bereitstellung der Infrastruktureinrichtungen decken. Falls die Kosten die Gewinne übersteigen, sind weitere Infrastrukturinvestitionen ineffizient. Die Bedeutung von Infrastrukturinvestitionen für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Volkswirtschaften ist in der ökonomischen Literatur extensiv untersucht worden. Die jüngere Debatte wurde durch die bedeutenden Arbeiten von Aschauer Ende der 1980er Jahre ausgelöst. Der Autor kam zu dem Ergebnis, dass die Infrastrukturausstattung einen signifikanten und quantitativ bedeutsamen Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Produktivität ausübt. Insbesondere die Höhe der geschätzten Effekte hat eine beträchtliche Anzahl von Wissenschafter auf den Plan gerufen Folgestudien in einer Reihe von Ländern durchzuführen. Folgende Schlussfolgerungen können aus der Literatur abgeleitet werden: - Infrastruktur ist geeignet die Kosten des Unternehmenssektors zu verringern und damit die Wirtschaftsaktivität nachhaltig zu stimulieren. - Der positive Effekt entspricht – im Kontrast zu den Pionierarbeiten Aschauers, der deutlich höhere Effekte errechnete – etwa der Rendite die private Investitionen erzielen. - Hinsichtlich des positiven Effekts von Infrastrukturinvestitionen ist festzuhalten, dass dieser von der Auswahl geeigneter Investitionsvorhaben abhängt. Ein I H S — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — 7 produktivitätssteigernder Effekt tritt nicht automatisch ein, sondern wird vielmehr von der jeweiligen Beschaffenheit der durchgeführten Projekte bestimmt. In einer Reihe von Studien hat das Institut für Höhere Studien die quantitative Bedeutung von Verkehrsinfrastrukturinvestitionen untersucht. Die Messung der für Effekte das wurde österreichische dabei mit Wirtschaftswachstum dem Konzept einer gesamtwirtschaftlichen Kostenfunktion umgesetzt. Dieser Zugang hat gegenüber dem Ansatz der gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion den Vorzug, dass er eine bedeutend effizientere Schätzung der Parameter ermöglicht und zudem zusätzliche Informationen liefert. Insbesondere kann mit Hilfe des Kostenfunktionsansatzes eine Richtgröße für das optimale Niveau der Infrastrukturausstattung ermittelt werden. Diese ergibt sich aus der Ermittlung eines sogenannten „Schattenwertes“ des Infrastrukturkapitalstocks. Der Schattenwert gibt an, welchen Preis der Unternehmenssektor für die Nutzung der errichteten öffentlichen Einrichtungen zu zahlen bereit wäre. Solange diese Größe die Höhe der Investitionskosten übersteigt, kann von einer suboptimalen Bereitstellung von Infrastruktureinrichtungen ausgegangen werden. Seit Beginn der 1980er Jahre ist in der überwiegenden Mehrheit der Industriestaaten ein merkbarer Rückgang der öffentlichen Investitionen gemessen als Anteil am Bruttoinlandsprodukt zu konstatieren. Auch in Österreich ist ein markanter Rückgang zu beobachten. Seit 1975 hat sich der Anteil der Gesamtausgaben für Infrastruktur als Anteil am BIP mehr als halbiert. Als Erklärung für diese Entwicklung ist einerseits eine gewisse Sättigung im Bereich der Infrastrukturausstattung und andererseits die zunehmende Knappheit öffentlicher Mittel in diesem Zeitraum nennen. Die Schätzergebnisse der IHS-Studien bestätigen die Existenz eines statistisch und ökonomisch signifikanten kostensparenden Effekts der Verkehrsinfrastruktur auf die Produktionskosten des Unternehmenssektors. Eine Ausweitung der Schieneninfrastruktur um 1 % verringert die Grenzkosten des Unternehmenssektors um 0,047 %. Erscheint diese Elastizität auch niedrig, so ist darauf hinzuweisen, dass dieser Effekt nachhaltig wirksam wird und erst nach vollständiger Abschreibung der getätigten Investition, als etwa nach 40 Jahren, völlig verschwindet. Die gesamtwirtschaftlichen Erträge sind also insbesondere in einer mittelfristigen Betrachtung beträchtlich. Die Schätzungen für Österreich ergeben eine deutlich niedrigere Verringerung der Grenzkosten für den privaten Sektor von 0,028 % bei einer einprozentigen Ausweitung des Straßeninfrastrukturkapitalstocks. Der geringere Wert beruht einerseits auf den Unterschieden in den Niveaus der jeweiligen öffentlichen Kapitalstöcke, der im Bereich des Straßenbaus höher ist, und in einer vergleichbar höheren Rendite von Investitionen in Schieneninfrastruktur in Österreich. 8 — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — I H S Sowohl für den Bereich Straße als auch Schiene wurde in einem weiteren Schritt der Schattenwert des Kapitalstocks ermittelt, der die Grundlage für die Bestimmung des optimalen Ausstattungsniveaus darstellt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Schattenwert der Schieneninfrastruktur deutlich über jener der Straßen liegt. Weiters ist ein deutlicher Anstieg in den jeweiligen Schattenwerten seit Beginn der 1990er Jahre zu verzeichnen. Für beide Bereiche wurden weitgehend ähnliche Kosten der Bereitstellung der Infrastrukturausstattung ermittelt, die insbesondere seit Beginn der 1990er Jahre merklich unter beiden geschätzten Schattenwerten zu liegen kommen. Die beschriebenen Ergebnisse müssen dahingehend relativiert werden, dass die verwendete Methode mehrere Einflussfaktoren vernachlässigt und daher möglicherweise verzerrte Ergebnisse liefert. Zum einen bleibt der Nutzen, der für die Konsumenten aus der Infrastruktur entsteht unberücksichtigt. Zum anderen führt die Ausweitung von Infrastrukturinvestitionen zu einer höheren Steuerbelastung. Die exakte Bestimmung des Nettoeffekts einer möglichen Verzerrung ist allerdings nur schwer möglich. Gegeben die obigen Einschränkungen verbleiben dennoch zwei gut abgesicherte Befunde aus den IHS-Studien zum Ausmaß der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen in Österreich: • der Bedarf an zusätzlicher Verkehrsinfrastruktur hat sich seit Beginn der 1990er Jahre erheblich erhöht, • die Ausstattung an Verkehrsinfrastruktur, sowohl für Schiene als auch Straße, liegt signifikant unter dem gesamtwirtschaftlich optimalen Niveau, • der Bedarf an zusätzlicher Schieneninfrastruktur ist höher als der Bedarf an zusätzlichen Straßen. I H S — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — 9 3. Mittelrückfluss für die öffentliche Hand Die Bereitstellung und Erhaltung von Infrastruktureinrichtungen erfolgt beinahe ausschließlich durch die öffentliche Hand. Diese Beobachtung, die für alle Volkswirtschaften zutrifft, kann durch eine Reihe von theoretischen Argumenten begründet werden. Infrastruktureinrichtungen weisen in der Regel die Eigenschaften eines öffentlichen Gutes auf. Im Zusammenhang mit der Benützung von Infrastruktur entstehen meist keine bzw. sehr niedrige Kosten der Inanspruchnahme durch einen zusätzlichen Benutzer. Bei Bestehen dieses Tatbestands der „Nichtrivalität des Konsums“ führt die Bereitstellung von Einrichtungen durch die öffentliche Hand nachweislich zu allgemeinen Wohlfahrtsgewinnen. Dies trifft selbst im Falle geringer Benutzungskosten zu, z.B. durch Abnützung oder Umweltkosten, auch wenn diese von den Benutzern abgegolten werden. Die Bereitstellung von Infrastruktur erfordert üblicherweise hohe Investitions- und Fixkosten, die meist mit einer sehr langen Lebensdauer der Einrichtungen verbunden sind. Diese Eigenschaften führen meist dazu, dass zufriedenstellende Renditen aus Investitionen erst nach geraumer Zeit zu erzielen sind und die Finanzierungsbereitschaft privater, profitorientierter Investoren und Betreiber stark gehemmt wird. Wie bereits in Abschnitt 2 dargelegt wurde treten im Bereich von Infrastruktureinrichtungen sogenannte „externe Effekte“ auf. Der gesamtwirtschaftliche Nutzen von Investitionen ist dann größer als der für den privaten Betreiber erzielbare Gewinn. Da externe Effekte per definitionem von den Betreibern nicht berücksichtigt werden solange sie den eigenen Profit nicht steigern, würden private, profitorientierte Investoren ein aus gesamtwirtschaftlicher Sicht suboptimales Angebot an Infrastruktureinrichtungen liefern. Aus den obigen Argumenten lässt sich die bedeutende Rolle ableiten, die der öffentlichen Hand bei der Bereitstellung von Infrastruktureinrichtungen zukommt. In Abschnitt 2 wurden die gesamtwirtschaftlichen Effekte von Verkehrsinfrastrukturinvestitionen dargelegt. Aufbauend auf diesen Ergebnissen können die langfristigen finanziellen Auswirkungen der Investitionen für die öffentliche Hand abgeschätzt werden. Das Institut für Höhere Studien hat entsprechende Studien in den letzten Jahren durchgeführt. Abbildung 6 gibt einen schematischen Überblick über die finanziellen (Rück-)Flüsse, die durch öffentliche Infrastrukturinvestitionen hervorgerufen werden. 10 — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — I H S Abbildung 6 A u s w e itu n g d e r I n f r a s tr u k tu r in v e s titio n e n E rh ö h u n g d e s In fra s tru k tu r K a p ita ls to c k e s W ir k u n g a u f m a k r o - E rh ö h u n g v o n ö k o n o m is c h e V a r ia b l e n A b g a b e n e in nahm en L f r. K o s t e n e r s p a r n i s b z w . P r o d u k t i v it ä t s z u w a c h s fü r d e n U n te rn e h m e n s s e k to r E r h ö h t e r E in s a t z v o n P r o d u k tio n s fa k to re n E rh ö h te A b g a b e n e in n a h m e n d u r c h z u s ä t z l ic h e n P r o d u k t io n s f a k t o r e i n s a t z G e b ie ts k ö rp e rs c h a ftlic h e A u fte ilu n g d e r A b g a b e n e in n a h m e n Infrastrukturinvestitionen führen wie in Abschnitt 2 dargestellt über direkte und indirekte Effekte zu gesamtwirtschaftlichen Produktionsausweitungen, die zu nachhaltigen, das bedeutet über die gesamte Lebensdauer von geschaffenen Infrastruktureinrichtungen, Rückflüssen für die öffentliche Hand führen. Berechnungen des IHS haben diesbezüglich ergeben, dass Infrastrukturinvestitionen in Österreich bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung bereits nach einem Zeitraum von sechs bis sieben Jahren zu einer Selbstfinanzierung führen können. Dieses Ergebnis ist allerdings in zweifacher Hinsicht zu qualifizieren. Erstens ist eine entsprechende Amortisationsdauer, wie bereits in Abschnitt 2 dargelegt, von der sorgsamen Auswahl geeigneter Projekte abhängig. Zweitens handelt es sich in dieser Hinsicht um eine gesamtwirtschaftliche Berechnung bei der die Erträge der privaten Nutzer entsprechend Eingang finden. Dennoch weisen die Berechnungen darauf hin, dass aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive von einer mittel- bis langfristigen Rentabilität der Investitionen auszugehen ist. Im Hinblick auf die Bereitstellung von öffentlichen Mitteln für die Errichtung und Erhaltung von Verkehrsinfrastruktur ist auch zu beachten, wie sich die Rückflüsse auf die verschiedenen Gebietskörperschaften verteilen. In den IHS-Studien zu den langfristigen I H S — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — 11 Auswirkungen von Infrastrukturinvestitionen konnten die entsprechenden Veränderungen der makroökonomischen Variablen geschätzt werden. Aufgrund der ermittelten Effekte können Veränderungen der Steuerbemessungsgrundlagen, die als Grundlage für die Berechnung des gesamtwirtschaftlichen Steueraufkommens dienen, geschätzt werden. Die Bemessungsgrundlagen wurden dabei mit Hilfe von sogenannten Faktorelastizitäten, die sich aus der Schätzung von Kostenfunktionen ableiten lassen, errechnet. Für die Bemessungsgrundlagen wurden aus den Steuerstatistiken und der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung implizite Steuersätze ermittelt. Die geschätzten Steuereinnahmen werden dann entsprechend den geltenden Regeln des Finanzausgleichs auf die einzelnen Gebietskörperschaften aufgeteilt. Abbildung 7 Verteilung der Rückflüsse Kammern 1% Bund 29% Sozialversicherung 56% Länder 5% Gemeinden 9% Wie aus Abbildung ersichtlich wird profitiert die Sozialversicherung mit einem Anteil von 56 % der Rückflüsse am deutlichsten von den nachhaltigen Wachstumseffekten der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen. Dies liegt darin begründet, dass durch Verkehrsinfrastrukturinvestitionen primär lohnabhängige Bemessungsgrundlagen erhöht werden. Über erhöhte Steuereinnahmen lukriert der Bund immerhin 29 % der Rückflüsse, während Länder und Gemeinden geringere Anteile von 5 % bzw. 9 % der erhöhten Einnahmen erhalten. 12 — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — I H S 4. Wachstumspotenzial Informations- und Kommunikationstechnologien Die Entwicklung von Produktivität ist maßgeblich für die Entwicklung der Wirtschaft. Beispielhaft sind Effekte auf das durchschnittliche Einkommen (BNP pro Kopf), auf die Beschäftigung sowie auf die Wirtschaftsleistung im allgemeinen hervorzuheben. Jüngste Studien zeigen eine deutliche Trendumkehr im Hinblick auf die längerfristige Produktivitätsentwicklung zwischen den USA und Europa seit Mitte der 1990er Jahre. Seit Ende des 2. Weltkrieges bis ca. 1995 wiesen die europäischen Staaten ein im Schnitt höheres Produktivitätswachstum als die USA auf. Dieser Aufholprozess reduzierte den Abstand hinsichtlich des Produktivitätswachstums auf weniger als 5%. Dies gilt unabhängig davon, ob Produktivität am BNP pro Arbeitsstunde oder anhand der „Total Factor Productivity“ gemessen wird. Nach 1995 hat sich das Produktivitätswachstum der USWirtschaft aber wieder weiter von jenem der EU-Staaten entfernt. Zwar handelt es sich hier um EU-weite Durchschnittswerte, positive Beispiele wie Belgien, Frankreich, Irland, die durchwegs höhere Wachstumsraten als die USA aufweisen, sollten nicht übersehen werden. Ähnliches gilt aber auch für die USA, wo die Produktivitätsentwicklung keineswegs über alle Staaten hinweg homogen verläuft. Als hauptverantwortlich für den wieder angewachsenen Produktivitätsvorsprung der USA konnte die Stärke der IKT (Informations- und Kommunikationstechnologien) insbesondere im Einzel- und Großhandel sowie im Bereich der Financial Securities herausgefiltert werden. Zum einen haben die USA eine starke Position als Standort der Computer- und Softwareindustrie, der Vorsprung lässt sich aber keineswegs auf die produzierende Industrie einschränken. Darüber hinaus weist vor allem der Dienstleistungssektor, und hier vor allem jene Branchen mit verstärktem Einsatz von IKT, deutlich höhere Wachstumsraten als in Europa auf. IKT beeinflussen das Produktivitätswachstum auf unterschiedliche Weise: – Arbeitsproduktivität wird durch „Capital deepening“ bzw. Substitutionseffekte zwischen Arbeit und Kapital positiv beeinflusst. Es erfolgt ein entsprechend effizienterer Einsatz von Produktionsfaktoren. – Der rasante technische Fortschritt hat positive Auswirkungen in IKT produzierenden Branchen auf die Total Factor Productivity. – „Knowledge spillovers“ erhöhen die Produktivität auch in anderen Branchen der Wirtschaft. (Prozessinnovation und Produktinnovation) I H S — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — 13 Bestimmte Arbeits- und Produktionsabläufe können unter Verwendung von IKT entsprechend effizienter gestaltet werden. Beispielhaft lassen sich Kommunikationsabläufe, Archivierung und Austausch von Daten bzw. Informationen, die Implementation und Planung von Produktion entsprechend vereinfachen. IKT sind in der Lage, den Produktionsprozess entsprechend effizienter zu gestalten, und erhöhen damit die Produktivität. Durch und mit IKT entstehen aber auch neue Produkte. Diese können zusätzliche Nachfrage generieren. Durch Produktinnovation kann direkt die Binnen- als auch die Außennachfrage nach Gütern und Dienstleistungen gesteigert werden. Dies kann wiederum zusätzliche Wachstumsschübe (sowohl Produktivität als auch Beschäftigung) nach sich ziehen und die Performance einer Volkswirtschaft sowie einzelner Wirtschaftssektoren und Branchen verbessern. Van Ark et al. konstatieren in diesem Zusammenhang: „[...] productivity growth can enhance employment growth, especially when technological change is not only to process innovation but also to product innovation. New products or services are likely to generate additional demand, leading to new or expanded markets and causing growth in output and employment.“ Wie aus empirischen Untersuchungen insbesondere anhand der Entwicklung von IKTproduzierenden und IKT-nutzenden Branchen in den USA seit 1995 deutlich wird, ist ein paralleler Anstieg von Produktivität und Beschäftigung in einer entsprechend dynamisch wachsenden Wirtschaft die Regel. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Klima für Investitionen und Innovationen in Europa im Vergleich zu den USA nicht im gleichen Maße auf die Verbreitung und Nutzung von IKT konzentriert ist, was ein im Vergleich zu den USA geringeres Maß an Prozess- bzw. Produktinnovation bedingt. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass der verstärkte Einsatz von IKT in den Mitgliedstaaten das jährliche Wirtschaftswachstum nachhaltig um 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte erhöhen sollte. Abbildung 8 ist einer OECD-Publikation entnommen und weist den geschätzten Beitrag von IKT-Kapital zum Wirtschaftswachstum in verschiedenen OECD Mitgliedstaaten in den Zeitperioden 1990-1995 bzw. 1995-2001 aus. Wie bereits erwähnt verzeichnen die USA den höchsten Wachstumsbeitrag durch IKT, aber auch einige Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben durchaus positive Ergebnisse in diesem Bereich vorzuweisen. 14 — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — I H S Abbildung 8 Im Zusammenhang mit der Bedeutung von IKT für das Wirtschaftswachstum hat sich auch in der jüngeren Vergangenheit bestätigt, dass der Wachstumseffekt durch IKT nachhaltig ist. Selbst nach dem deutlichen Konjunktureinbruch nach der Jahrtausendwende konnten die Staaten mit hohem IKT-Anteil ihren relativen Wachstumsvorsprung beibehalten. I H S — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — 15 5. Schlussbemerkungen Öffentliche Infrastrukturinvestitionen Leistungsfähigkeit der leisten österreichischen einen bedeutenden Volkswirtschaft. Mit Beitrag einem für Beitrag die zum Bruttoinlandsprodukt von 3 Mrd. Euro und der Schaffung von 40.000 Arbeitsplätzen stellen die öffentlichen Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur einen nicht unerheblichen Faktor für die unmittelbare wirtschaftliche Entwicklung dar. Im Rahmen des Kurzgutachtens wurde jedoch auf die nachhaltige Bedeutung dieser Investitionen für das mittel- bis langfristige Wirtschaftswachstum hingewiesen. Durch die Kostenersparnis, die private Unternehmen durch diese Investitionen lukrieren können, wird das Wachstumspotenzial der österreichischen Wirtschaft dauerhaft erhöht. Die Erträge der öffentlichen Investitionen übersteigen deshalb den direkt messbaren Mittelrückfluss, sodass die Rentabilität für die öffentliche Hand mittelfristig sichergestellt ist. Informations- und Kommunikationstechnologien stellen ein weiteres wichtiges Potenzial für die Schaffung von Wachstum und Beschäftigung dar. Sollte es in Österreich gelingen die Möglichkeiten in diesem Bereich voll auszuschöpfen ist ein zusätzlicher Beitrag zum Wirtschaftswachstum von bis zu 0,5 % des BIP pro Jahr zu erwarten. 16 — Felderer, Schuh / Wachstum und Infrastrukturinvestitionen — I H S 7. Literaturanhang Aschauer, D., Public investment and producitvity growth in the Group of Seven, Economic Perspectives, 13(5), S. 17-25, 1989. Conrad, K., Seitz, H., The economic benefits of public infrastructure, Applied Econometrics, 26, S. 303-311, 1994. Felderer, B., Grossmann, B., Helmenstein, C., Rünstler G., Langfristige Renditen von Infrastrukturinvestitionen, Projektbericht des Instituts für Höhere Studien im Auftrag der Schieneninfrastruktur AG, Wien, 2001. Gordon, R.J., Technology and Economic Performance in the American Economy”, NBER Working Papers, No. 8771, National Bureau of Economic Research, February 2002. Grossmann B., Helmenstein, C., Langfristiger Mittelrückfluss infolge von Schieneninfrastrukturinvestitionen auf Grund kostensenkender Wirkungen auf den Unternehmenssektor, Sonderauswertung, Studie des IHS im Auftrag der Eisenbahn Hochleistungsstrecken AG, Wien 2002. Hurst, C., Infrastructure and growth: a literature review, in: EIB Papers 23, 1994 OECD, ICT and Economic Growth: Evidence from OECD countries, industries and firms, Paris, 2003. Authors: Bernhard Felderer, Ulrich Schuh Titel: Wachstum und Beschäftigung durch Infrastrukturinvestitionen Projektbericht/ Research Report © 2005 Institute for Advanced Studies (IHS), Stumpergasse 56, A-1060 Vienna • Phone +43/ 1/ 59991-0 • Fax +43/ 1/ 59991-555 • http://www.ihs.ac.at