DIE "DINGSPUR" Eine „Dingspur“ von fünf Objekten (Krug, Hammer, Schuh, Papier und Puppe) zieht sich durch die gesamte Ausstellung. Diese Objekte wiederholen sich in jeder Abteilung in unterschiedlicher Form und zeigen prägnant, wie unterschiedlich sich menschliche Arbeit und ihre Produkte je nach Perspektive darstellen. Krug Arbeit lässt sich sammeln. Damit kommen Freizeit, Sicherheit und soziale Unterschiede in die Welt. Kein Ding zeigt das besser als der Krug: ein Behälter mit einem zu füllenden Hohlraum. Dank dieser Eigenschaft muss der Mensch zum Beispiel nicht jedes Mal, wenn er Durst hat, zu einer Wasserquelle gehen. Er kann von seinem angelegten Vorrat trinken und die gewonnene Zeit anders verwenden. So wird die Frage möglich: Was möchte ich mit meiner Zeit anfangen? Zum Beispiel arbeiten. Der Krug produziert aber nicht nur freie Zeit, sondern auch Besitz und Reichtum. Weil der Krug bei dem einen Menschen leerer und bei dem anderen voller ist, weil der eine geschickter oder egoistischer mit seinem Inhalt umgeht als der andere, kommt mit ihm auch die Unterscheidung zwischen Arm und Reich in die Welt. Zwar könnte man es auch ganz unterlassen, geleistete Arbeit in Form von Eigentum, Nahrungsmitteln oder Geld zu horten. Nur wäre einem dann jede Sicherheit genommen, und man ist nicht länger ein akzeptiertes Glied der Gesellschaft. Schuh Arbeit macht dem Menschen Mühe. Sie verändert den menschlichen Körper. Um ihren Anforderungen dauerhaft gewachsen zu sein, muss man sich auch um sich selbst kümmern. Dabei ist der Mensch auf Hilfe durch die Dinge in der Welt angewiesen. Der Schuh ist ein solch elementares, unmittelbar auf den Körper und das Leben eines Menschen bezogenes Ding. Schuhe schützen vor den Einflüssen der Außenwelt, zum Beispiel vor Kälte oder Verletzungen. Wenn der Mensch tätig ist, kommen sie zum Einsatz – läge er nur auf der faulen Haut, bräuchte er sie nicht. Je nach Tätigkeit sind die Schuhe sehr unterschiedlich. Das meist lange Tragen und die Art der Abnutzung spiegeln die Funktion, die Dauer und die Intensität der Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Arbeit. Mehr als an jedem anderen Kleidungsstück werden am Schuh Mühe und Lebenszeit sichtbar. Hammer Arbeit ist Veränderung von Welt. Wie bei keinem anderen Ding wird dies am Hammer sichtbar, der zugleich eines der ersten nachweisbaren Werkzeuge überhaupt ist. Wenn jemand einen Hammer zur Hand nimmt, meinen wir zu wissen: Hier wird gearbeitet. Es vergeht etwas Altes oder entsteht etwas Neues, noch nicht da Gewesenes. Aber der Hammer ist auch eine Waffe, mit der Aggression und Zerstörung in die Welt kommen. Die Arbeit kann ein Mittel sein, sie zu zähmen und ihnen einen produktiven Sinn zu geben. Arbeit bindet so die Triebe des Menschen und macht ihn zu einem Teil der Gemeinschaft. Deswegen ist Arbeit für das Soziale auch so unerlässlich. Die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten des Hammers machen deutlich, dass die Veränderung von Welt durch Arbeit immer mit der menschlichen Aggression rechnen muss. Puppe Arbeit verbindet Menschen miteinander. Dafür steht exemplarisch die Puppe. Für die meisten Kinder ist sie zunächst eine Hilfe bei dem Versuch, sich von Mutter und Vater abzulösen. In diesem Prozess entwickelt sich das Grundeinstellung zu den anderen Menschen, die sich bei jedem unterschiedlich im lebenslangen Wunsch nach Anerkennung und der Sorge um andere äußert. Diese Sorge ist für viele ein Motiv für die Berufswahl und lässt sie etwa Krankenschwester, Altenpfleger oder Lehrer werden. Anderen ist das soziale Miteinander der Arbeit eher ein Gräuel, und sie suchen sich Tätigkeiten, in denen dieses eine untergeordnete Rolle spielt. Wieder andere finden in der Arbeit ein soziales Netz mit klaren Strukturen, in dem sie sich wohler fühlen als zuhause. Die Arbeit stellt so ein wichtiges Medium zur Bildung und zum Erhalt der Gemeinschaft dar. Wie befriedigend die Arbeit im Leben eines Menschen ist, hängt immer auch davon ab, wie gut seine individuelle Beziehungsfähigkeit und Vorbilder zum jeweiligen Beruf, den Kollegen und Vorgesetzten passen. Papier Die Vorstellung von Arbeit ist immer im Wandel begriffen. Mehr als alles andere ist dafür die Welt des Symbolischen verantwortlich. Die leere Oberfläche des Papiers oder des Bildschirms ist seine Bedingung als Träger von Zeichen und Bildern. Diese sind das Medium, mit dem Wissenschaftler, Denker oder Künstler ihrer Arbeit nachgehen. Die Zeichenproduktion ist die vielleicht einflussreichste Distanznahme des Menschen von der Natur. Ob als wissenschaftliche Formel oder Geldschein, als gemaltes Kunstwerk oder literarische Utopie – Zeichen verwandeln unsere Welt mehr als jeder Hammer. Sie verändern damit das Verständnis von Arbeit nachhaltig und eröffnen immer wieder neue Visionen über eine Erleichterung des Lebens in der Zukunft von oder durch die Arbeit.