WOLFGANG SCHUKRAFT, THEATEREI-PRINZIPAL „Wenn ihr selbst, Dorfrichter Adam, den Krug zerschlagen hättet, könntet ihr nicht eifriger allen Verdacht von Euch auf jenen jungen Mann hinwälzen als jetzt.“ – Wie wahr die Aussage des strengen Gerichtsrats Walter tatsächlich ist, weiß nur der angesehene Dorfrichter Adam selbst. Schließlich war er es, der versucht hatte, sich die Jungfer Eve gefügig zu machen, um dann auf der Flucht vor dem gehörnten Verlobten den Krug zu zerbrechen. Jetzt ist Gerichtstag und vor ihm stehen eine aufgebrachte Frau Marthe Rull mit dem zerbrochenen Krug und Tochter Eve und deren Verlobter Ruprecht mit seinem Vater. Marthe beschuldigt Ruprecht, ihn vermeintlich spätabends „in flagranti“ bei ihrer Tochter Eve im Zimmer überrascht zu haben, wobei der wertvolle Krug zerbrochen sei. Täter und Richter zugleich, redet und richtet sich Adam wegen Eve um Kopf und Kragen... Die Uraufführung des Lustspiels „Der zerbrochne Krug“ von Heinrich von Kleist am 2. März 1808 im Weimarer Hoftheater war ein Debakel. Schuld waren zum einen Dichterfürst und Theater-Direktor Johann Wolfgang von Goethe, der das Stück in drei Akte zerteilte, und zum anderen die Überlänge von Heinrich von Kleists Vorlage, die der Dichter selbst später radikal kürzte. Bei der Uraufführung kam es zu tumultartigen Szenen im Publikum. Zu Lebzeiten des Autors wurde das Stück nie mehr aufgeführt. Heute sind Kleists Scherben aus dem klassischen Bühnenrepertoire nicht mehr wegzudenken ... Besonders die Figur des Dorfrichters Adam ist ein Leckerbissen und eine Traumrolle für jeden großen Schauspieler. Grund genug, Walter Frei zu seinem 78. Geburtstag dieses Stück zu ermöglichen. Ohne Hilfe von Sponsoren und Theaterei-Freunden hätte die Theaterei Herrlingen dieses größte Stück ihrer inzwischen 25-jährigen Geschichte nicht auf die Bühne bringen können. Ich danke allen, auch im Namen meines Ensembles. Wolfgang Schukraft, Theaterei-Prinzipal HEINRICH VON KLEIST Diesem Lustspiel liegt wahrscheinlich ein historisches Factum, worüber ich jedoch keine nähere Auskunft habe auffinden können, zum Grunde. Ich nahm die Veranlassung dazu aus einem Kupferstich, den ich vor mehreren Jahren in der Schweiz sah. Man bemerkte darauf – zuerst einen Richter, der gravitätisch auf dem Richterstuhl saß: vor ihm stand eine alte Frau, die einen zerbrochenen Krug hielt, sie schien das Unrecht, das ihm widerfahren war, zu demonstriren: Beklagter, ein junger Bauerkerl, den der Richter, als überwiesen, andonnerte, vertheidigte sich noch, aber schwach: ein Mädchen, das wahrscheinlich in dieser Sache gezeugt hatte (denn wer weiß, bei welcher Gelegenheit das Delictum geschehen war) spielte sich, in der Mitte zwischen Mutter und Bräutigam, an der Schürze; wer ein falsches Zeugniß abgelegt hätte, könnte nicht zerknirschter dastehn: und der Gerichtsschreiber sah (er hatte vielleicht kurz vorher das Mädchen angesehen) jetzt den Richter mistrauisch zur Seite an. Darunter stand: der zerbrochene Krug. – Das Original war, wenn ich nicht irre, von einem niederländischen Meister.“ Es ist sehr einfach, was die wahre Kunst erheischt. Ehrlich geht sie zu Werke, sie spricht zum Zuschauer rund heraus: bringe dir zu dem, was du hören und sehen wirst, hübsch deine Fantasie mit, welche dir Gott gegeben hat, und wende sie an, und denke ja nicht etwa, du würdest es so gemächlich haben, dass man dir nichts zu denken ließe.“ Aus: „Theater. Über Darstellbarkeit auf der Bühne.“ In: Berliner Abendblätter, herausgegeben von Heinrich von Kleist. 18. Blatt vom 20. Oktober 1810. Wenn einer Ihr von uns den Krug zerbrochen, Soll Sie entschädigt werden. Das Mädchen steht, die werf ich übern Haufen, Zum Fenster eil ich hin, und find den Kerl Noch in den Pfählen hangen, am Spalier. Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam! Was ist mit Euch geschehn? Wie seht Ihr aus? Ich kann hier, wer den Krug zerschlug, nicht melden, Geheimnisse, die nicht mein Eigentum, Müßt ich, dem Kruge völlig fremd, berühren. Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt Den leid'gen Stein zum Anstoß in sich selbst. Und Menschenfuß und Pferdefuß von hier, Und Menschenfuß und Pferdefuß, und Menschenfuß und Pferdefuß, Quer durch den Garten, bis in alle Welt. Ihr krugzertrümmerndes Gesindel, ihr! Ihr sollt mir büßen, ihr! Blödsinnig Volk, das!