Stundenbild von Alexandra Labenbacher Bericht über die gehaltene Stunde Schule: TOURS St.Pölten www.wifi-tours.at Datum: 13.Mai 2010 Stunde: 1. Klasse: 4A Gegenstand: Psychologie und Philosophie Thema: Wahrnehmungsfehler Schülerzahl: 26 Bezug zu Lehrplan: Sozialpsychologie Soziale Phänomene und Kommunikationsstrukturen erfassen soziale Strukturen und gruppendynamische Prozesse Entstehung von Meinungen und Einstellungen, Manipulationsmechanismen Berücksichtigung kommunikativer Verhaltensweisen in Hinblick auf die Berufswelt1 Lehrziel: Die Schüler sollen dazu angeregt werden ihre eigenen Wahrnehmungen, Normen und Wertvorstellungen, Einstellung, Meinungen und vielleicht sogar Vorurteile kritisch zu betrachten. Unterrichtskontext Die Lehrziele meiner Unterrichtsstunde sollen sich hauptsächlich auf den kognitiven Bereich beziehen. Vor allem mit der Anwendung verschiedener Übungen will ich erreichen, dass der Schüler befähigt ist, Strukturen der sozialen Wahrnehmung festzustellen und Fehler die in diesem Bereich passieren können, im Hinterkopf zu behalten. Dabei ist es nicht vorrangig, den Wahrnehmungsfehlern entgegenzuwirken, sondern die Anwendung des 1 www.schule.at/dl/PUPLehrplan.doc Gelernten soll viel mehr darin liegen, sich von den „Sinnen“ nicht täuschen zu lassen. Darüber hinaus sollte der Schüler gewisse gesellschaftliche Muster kennen lernen, und deren Sinn für den Menschen verstehen können. Wiederum ging es nicht darum, zum Beispiel Rollenbilder als etwas Negatives zu empfinden, sondern vielmehr, deren praktischen Sinn und deren Entstehung zu begreifen und immer wieder an sich selbst kritisch zu hinterfragen. Planungsraster Zeit Lehrinhalt 2 min. Begrüßung, Eintragung in das Klassenbuch 2 min Geschichte Hammer dem Schüler-Lehrer Interaktion 20 min. Begriffserklärungen Lehrervortrag mit Übungen Lehrer- Schüer Interaktion Folien 10 min. Experiment WARM ODER KALTHERZIG, Erklärung des Experiment, Austeilen der Zettel, Auswertung mit Erläuterungen Lehrer Schüler Interaktion Zetteln 6 min. Übungen Wahrnehmungsfehler zu Schüler – Lehrer Interaktionen Einstiegsgeschichte über den Hammer wieder aufnehmen und diskutieren. Lehrer-Schüler Diskussion 10 min. mit Methode Materialien/Medien Klassenbuch - Zettel Power Point EINSTIEG in das Thema Die Geschichte mit dem Hammer (Sich selbst erfüllende Prophezeiung) Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Vielleicht hat er die Eile nur vorgeschützt, und er hat was gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts getan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s mir wirklich. - Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er "Guten Tag" sagen kann, schreit ihn unser Mann an: "Behalten Sie Ihren Hammer"2 Begriffserklärungen (Lehrervortrag) Sozialisation (Folie 1 siehe unten) Begriffsklärung: Unter Sozialisation versteht man jene Entwicklung durch die der Mensch heranwächst. zur Das gesellschaftlich heißt er/sie handlungsfähigen übernimmt Persönlichkeit bestimmte Normen, Wertvorstellungen, Ziele und Verhaltensformen seines sozialen Umfeldes um sich demselben anzupassen. Dieser lebenslang andauernde Vorgang vollzieht sich im passiven und aktiven Umgang mit anderen Menschen. 2 vgl.: Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein. Für den Verlauf entsprechenden zunehmenden der Sozialisation Bezugsperson Alter wirken kommt der grundlegende immer mehr Familie bzw. Bedeutung Menschen einer zu. in Mit diesem Sozialisationsprozess bewusst oder unbewusst mit: Freunde, Kollegen, Partner und vor allem die Medien. Sozialisation und soziale Schicht: Man neigt dazu Personen in soziale Schichten unterzuordnen. Die Abstufung erfolgt dabei nach der sozialen und wirtschaftlichen Stellung der Eltern. Untersuchungen haben gezeigt, dass Sozialisationsvorgänge sehr stark von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht geprägt sind, daher die einzelnen sozialen Schichten vertreten unterschiedliche Erziehungsstile. Sozialisation und Geschlechterrollen: In unserer Gesellschaft verbindet man mit den biologischen Geschlechtsmerkmalen bestimmte Verhaltensformen, die als „typisch männlich“ bzw. „typisch weiblich“ bezeichnet werden. Könnt ihr mir solche typischen Verhaltensformen bzw. Eigenschaften nennen? Rolle: Rolle ist ein Satz von Aktivitäten und Beziehungen, die von einer Person in einer bestimmten Stellung innerhalb der Gesellschaft (Mann, Frau, Arzt, Geschäftsmann u.s.w.) erwartet werden. Welche Rolle hast du bereits in deinem Leben übernommen? Versuche zu jeder Rolle eine typische Verhaltensweise zu finden! Vergleiche die typischen Verhaltensweisen der einzelnen Rollen, wie oder wodurch unterscheiden sie sich? Die Übernahme traditioneller Geschlechterrollen beginnt bereits im frühen Schulkindalter. Sie erleichtert die Anpassung an die damit verbundenen Erwartungen. Außerdem wird rollengemäßes Verhalten von der sozialen Umwelt gefördert, „verleiht Sicherheit und stärkt das Selbstvertrauen“ Soziale Wahrnehmung (Folie 2 siehe unten) Wie nehmen wir soziale Gegebenheiten wahr? Beispiel: andere Menschen, Gruppen, bestimmte soziale Situationen. Inwieweit wird Wahrnehmung durch soziale Zusammenhänge mitbestimmt? Beispiel: Die Anwesenheit einer geliebten/gefürchteten Person kann sich dahingehend auswirken, dass man eine Situation anders wahrnimmt, als wenn man alleine ist. Zum Beispiel fürchtet man sich wenn man nachts alleine durch die Strassen geht. Inwieweit wird Wahrnehmung von Einflüssen geprägt, welche auf die soziale Entwicklung eines Menschen zurückzuführen sind? Beispiel: Erwartungen, Bedürfnisse (Konsumgewohnheiten), Gefühle, Wertvorstellungen, Einstellungen, Vorurteile usw. Unser Verhalten anderen Menschen gegenüber hängt sehr stark davon ab, wie wir sie wahrnehmen und auf Grund unserer Wahrnehmung einschätzen. Eine Übung sollte den Übergang zu den Beurteilungsfehlern herstellen (Übung 1 siehe unten). Der „erste Eindruck“ spielt eine entscheidende Rolle, wenn wir uns über andere Personen ein Urteil bilden. Dabei kann uns aber eine ganze Reihe von Fehlern unterlaufen: Fehler der Milde: Sympathische Personen werden „milder“ beurteilt als unsympathische. Beispiel: Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler Überprüfung der eigenen Beurteilung in der vorangegangenen Übung im Hinblick Erscheinung auf diesen verleitet Fehler. uns dazu, Schlussfolgerung: der Die abgebildeten bloße Person Eigenschaften zuzuordnen, für welche die nötigen Informationen fehlen. Übung 2: Kalt/Warmherzig Hof/Halo Effekt: Wir nehmen bei anderen Menschen Eigenschaften wahr, auf die wir selbst großen Wert legen oder die wir ablehnen. Oft wissen wir schon vorher etwas über eine Person. Dies kann uns dazu veranlassen, sie grundsätzlich positiv oder negativ einzuschätzen. Wir neigen nun dazu, um den Kern dieser ersten Eigenschätzung einen ganzen Ring (Hof) weiterer guter oder schlechter Eigenschaften zu bilden. Beispiel: Wir legen großen Wert auf gutes Benehmen. Stellen wir dies bei einem anderen Menschen fest, so kann es sein, dass wir ihn auch für nett, freundlich, vertrauenswürdig, anständig usw. halten. Erklärung von Übung 2 Fehler der Rolle: Jeder Mensch hat im Rahmen der Gesellschaft verschiedene Rollen, z.B. Berufsrolle Arzt, Priester, Mutterrolle,... Mit diesen Rollen sind bestimmte Erwartungen verbunden, die uns in unserem Urteil beeinflussen. Wir nehmen nicht die Person wahr, sondern die Rolle. Beispiel: Man würde einem Arzt nicht zutrauen, dass er Fahrerflucht begeht und sich nicht um einen Verletzten kümmert. Fehler der Situationsbezogenheit: Wir bilden uns ein Urteil, wenn wir beobachten, wie sich jemand in einer ganz bestimmten Situation verhält. Dabei übersehen wir, dass sich derselbe Mensch in einer anderen Situation völlig anders verhalten kann. Beispiel: Ein Mann, der außerhalb der Familie (Berufsleben), höflich und freundlich ist spielt zu Hause den Grobian. Logischer Fehler Wir meinen, dass gewisse Eigenschaften „logisch“ zusammengehören, weil wir sie schon einmal in dieser Verbindung wahrgenommen haben oder weil dies allgemein angenommen wird. Überdenken der Übung 2 Beispiel: Wir halten einen dicken Menschen auch für faul, behäbig und geistig unbeweglich. Sich selbst erfüllende Voraussagen (Prophezeiungen) Menschen, die uns auf Grund des ersten Eindrucks sympathisch erscheinen, begegnen wir meist freundlicher als unsympathischen (vgl. Fehler der Milde). Durch unser freundliches Verhalten wird der andere veranlasst, sich ebenfalls von seiner besseren Seite zu zeigen. Daher: Wir fühlen uns dadurch in unserer Voraussage (sympathischer Mensch) bestätigt, obwohl die Freundlichkeit des anderen lediglich eine Reaktion auf unser Verhalten ist. Übung 3: Den Abschluss der Stunde bildete wiederum eine Übung. Mittels Sprichwörtern und Beispielen aus der Werbebranche sollte überprüft werden, ob die Schüler die Beurteilungsfehler auch erkennen können. ANHANG: Folie 1: Sozialisation: Einfluss soziokultureller Faktoren auf die Entwicklung im Sinne des Hineinwachsens in die umgebende Gesellschaft und Kultur Sozialisierung: Übernahme der typischen Verhaltensweisen, Meinungen und Werthaltungen einer Gruppe durch ein Individuum Folie 2: Soziale Wahrnehmung befasst sich mit folgenden Fragen: » Wie nehmen wir soziale Gegebenheiten wahr? » Inwieweit wird Wahrnehmung durch soziale Zusammenhänge mitbestimmt? » Inwieweit wird Wahrnehmung von Einflüssen geprägt, welche auf die soziale Entwicklung eines Menschen zurückzuführen sind? Übung 1: WIE WÜRDET IHR FOLGENDE PERSON BESCHREIBEN? warmherzig zurückhaltend freundlich aggressiv intelligent egoistisch gesellig arrogant Übung 2: Eine unbekannte Person wird Dir mit folgenden Eigenschaften beschrieben: intelligent, geschickt, fleißig, warmherzig, bestimmt, praktisch, vorsichtig Welche Eigenschaften treffen Deiner Meinung nach auf diese beschriebene Person zu? Entscheide Dich bitte bei jeder untenstehenden Eigenschaft für Ja oder Nein, auch wenn Du nur mit eher ja oder eher Nein urteilen möchtest. JA NEIN JA großzügig menschenfreundlich bedeutend gutaussehend weise beharrlich glücklich ernst gutmütig zurückhaltend humorvoll egoistisch gesellig phantasievoll beliebt stark verlässlich ehrlich NEIN Eine unbekannte Person wird Dir mit folgenden Eigenschaften beschrieben: intelligent, geschickt, fleißig, kaltherzig, bestimmt, praktisch, vorsichtig Welche Eigenschaften treffen Deiner Meinung nach auf diese beschriebene Person zu? Entscheide Dich bitte bei jeder untenstehenden Eigenschaft für Ja oder Nein, auch wenn Du nur mit eher ja oder eher Nein urteilen möchtest. → Tabelle siehe oben. Übung 3: Welche Beurteilungsfehler werden in den folgenden Beispielen vonseiten der Werbung genützt? » Ein Mann, der sich als Arzt vorstellt, empfiehlt eine BESTimmte Zahnbürste. » Eine sympathisch wirkende Hausfrau stellt ein neues Spülmittel vor. Welche Beurteilungsfehler könnten mit den folgenden Sprichwörtern in Zusammenhang stehen? » Wer lügt, betrügt, und wer betrügt, stiehlt. » Eine Kutte macht noch keinen Mönch » Liebe macht blind Literaturangaben Für die inhaltliche Vorbereitung der Unterrichtseinheit habe ich mich zum größten Teil auf folgendes Lehrbuch gestützt: Illchmann, Adolf. Arbeitsbuch Psychologie für höhere Lehranstalten. Wien 1996. S. 123 -131. Paul, Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein. Piper, 1983.