Jungen und Mädchen an der Schule - spielt das Geschlecht (k)eine

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Jungen und Mädchen an der Schule - spielt das Geschlecht (k)eine Rolle?
Anlass zu dieser Tagung waren zahlreiche Veröffentlichungen zur spezifischen
Benachteiligung von Jungen in der Schule, die seit 2-3 Jahren gehäuft in den Medien
erschienenen sind.
Der SPIEGEL sprach 2004 von einer "Jungenkatastrophe", denn immer mehr
Jungen verlassen die Schule mit miserablen Noten. Der FOCUS gar von einem
"Krieg gegen die Jungen" in der Schule, der ihnen im späteren Leben alle gute
Lebenschancen verbauen würde.
Selbst die BUSINESS-WEEK nahm sich des Themas mit dem Titel an:
"Der neue Gender Gap - Warum Jungen im Bildungssektor hinter
Mädchen zurückfallen und was das für die Wirtschaft, die Geschäftswelt und die Gesellschaft bedeutet."
Diese Artikel beziehen sich zumeist auf wissenschaftliche Untersuchungen wie z. B.
die des Erziehungswissenschaftlers Henning Scheich aus Madgeburg. Dieser
befürchtet, dass sich aus dem schlechten Schulabschneiden von immer mehr
Jungen eine handfeste Versagerquote entwickeln werde. Jungen würden so den
direkten Weg vom Schulabgänger zum Harzt IV- Empfänger nehmen.
In den Medien werden solche Untersuchungen oft stark vereinfacht dargestellt und
überverallgemeinert. Bei näherer Betrachtung ergibt sich ein weitaus differenzierteres
Bild: Von der Benachteilung sind primär Jungen aus bildungsfernen Schichten oder
aus Migrantenfamilien betroffen, und es besteht auch ein klares Ost-West-Gefälle.
Ebenfalls belegen diese Untersuchungen, dass auch Mädchen unter den
geschilderten Bedingungen sehr ungünstige Chancen haben.
Fakt ist, dass Jungen häufiger als früher die Schule ohne Abschluss verlassen oder
mit schlechteren Noten abschließen als die Mädchen. (Dies aber ist bereits seit Ende
der 70er-Jahre der Fall.) Zudem haben die Mädchen in den Bildungsabschlüssen mit
den Jungen gleichgezogen bzw. diese prozentual überrundet
Man könnte daher annehmen, die Mädchen seien momentan die Gewinnerinnen im
Schulsystem. Dazu sie anzumerken, dass die Schulerfolge der Mädchen bislang
noch nicht dazu geführt haben, dass Sozialisation, Bildung und Erziehung das
weiterhin geschlechtsspezifische Berufwahlverhalten und die traditionelle familiale
Arbeitsteilung grundlegend aufgebrochen haben. Auch haben sich die Berufs- und
Einkommenschancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt denen der Männer noch
nicht angeglichen.
Der aktuelle Perspektivenwechsel von der Benachteiligung der Mädchen zur
Benachteiligung der Jungen, der teils schon als notwendiger Paradigmenwechsel in
der Schulforschung gefordert wird, hilft daher nicht weiter. Entscheidender ist
vielmehr die Frage, ob nicht sowohl für Mädchen als auch für Jungen gleiche oder
spezifische Nachteile bzw. Vorteile bestehen.
Die öffentliche Diskussion wird jedoch auch von populär gewordenen biologistischen
Konzepten wie z. B. von Judith Harris bestimmt, die von einer bipolaren
Zweigeschlechtlichkeit mit geschlechtsspezifischen Verhaltensrepertoire ausgehen.
Frauen (als Sammlerin und Ernährerin) und Männern (als Jäger und Krieger) wurde
danach per Evolution in den Genen als festes Programm mitgegeben. Diese werden
teilweise noch durch Erkenntnisse der US-amerikanischen Hirnforschung gestützt,
nach der das Gehirn von Männern und Frauen anlagebedingt unterschiedlich
funktioniert.
Diese
Unterschiede
werden
als
universell
und
unveränderbar
angesehen. Sie sprechen somit Frauen und Männern die Fähigkeit ab, aktive
GestalterInnen ihrer Umwelt und auch ihres sozialen Geschlechts zu sein.
Dem entgegen steht das Konzept des Gender-Mainstreaming, dass auf eine
Geschlechtergerechtigkeit
Benachteiligungsverhältnisse,
abzielt,
von
die
einen
Mädchen/Jungen
Willen
oder
voraussetzt,
Frauen/Männer
zu
verändern.
Es bedarf also einer neuen Debatte um Geschlechtergerechtigkeit unseres
Schulsystems. Diese ist jedoch nicht allein an Abschlussquoten oder Schulnoten zu
messen, sondern auch daran, wie Weiblichkeits- bzw. Männlichkeitskonzepte der
SchülerInnen
und
LehrerInnen
in
wahrgenommen und reflektiert werden.
der
schulischen
Interaktion
konstruiert,
Die heutige Fachtagung will Antworten darauf geben, welche Wege Schule gehen
kann, um Geschlechterdifferenzen zu erkennen aber andererseits auch nicht
überzubewerten, damit keine Stereotypen verstärkt werden
Ich freue mich sehr, dass wir für den Fachvortag des heutigen Nachmittages eine
ausgewiesene Fachfrau für die Thematik, Frau Prof. Dr. Hannelore Faulstich-Wieland
vom Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Hamburg, Institut für
Schulpädagogik, gewinnen konnten, die sich mit der Sozialisation von Mädchen und
Jungen in der Schule schon seit vielen Jahren befasst.
Ihre These lautet:
Gegen die Omnipräsenz von Geschlecht –
Plädoyer für eine Entdramatisierung von Geschlecht
Ich wünsche Ihnen eine spannende und interessante Tagung.
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