5.3 Spezielle Strahlentherapieformen

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98
A
Radioimmuntherapie
Radioimmuntherapie
Die Kombination von Radiotherapie und
zielgerichteter medikamentöser Therapie
kann bei einigen Tumoren die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen.
Bei ausgewählten Indikationen können moderne zielgerichtete medikamentöse Therapien („targeted therapies“) spezifisch in Signaltransduktionswege der Zellproliferation, Angiogenese und Apoptose eingreifen. Hierdurch kann eine Erhöhung der Strahlenempfindlichkeit und als Folge eine erhöhte Erfolgswahrscheinlichkeit der Therapie
erreicht werden.
Radio- plus Hormontherapie
Radio- plus Hormontherapie
Die Hormontherapie trägt bei hormonabhängigen Tumoren zur Hemmung des
Tumorwachstums bei.
Bei hormonabhängigen Tumoren, z. B. dem Mammakarzinom oder dem Prostatakarzinom, kann eine zusätzlich zur Radiotherapie durchgeführte Hormontherapie zur
Hemmung des Tumorwachstums beitragen.
Radiotherapie plus Hyperthermie
Radiotherapie plus Hyperthermie
Man unterscheidet Ganzkörper-, lokale und
interstitielle Hyperthermie. Temperaturen
> 40 °C sensibilisieren den Tumor für Radiooder Chemotherapie, Temperaturen
> 42,5 °C wirken tumorizid.
Nach der Form der Erwärmung unterscheidet man die Ganzkörperhyperthermie
(nicht invasive Erwärmung des ganzen Körpers), die lokale Hyperthermie (nicht invasive Erwärmung von Körperteilen) und die interstitielle Hyperthermie (invasive Erwärmung durch spezielle ins Tumorgewebe eingebrachte Applikatoren). Temperaturen > 40°C bewirken eine Sensibilisierung für eine simultane oder nachfolgende
Radio- oder Chemotherapie, z. B. indem sie Reparaturmechanismen hemmen. Temperaturen > 42,5°C haben eine direkte tumorizide Wirkung. In der Tumortherapie
werden heute vor allem die interstitielle Hyperthermie und die lokale Hyperthermie
eingesetzt.
Radiotherapie mit Radiosensitizern
Radiotherapie mit Radiosensitizern
Radiosensitizer (s. S. 37) werden nicht
routinemäßig eingesetzt, u. a. da sie radiogene Nebenwirkungen verstärken.
Die Radiotherapie mit Radiosensitizern (s. S. 37) erzielt gute experimentelle Ergebnisse, die klinisch aber noch nicht umgesetzt werden konnten. Der routinemäßige
Einsatz der Substanzen ist jedoch nicht zuletzt durch die Verstärkung der akuten
und späten Nebenwirkungen limitiert.
5.2.5 Nachsorge
5.2.5 Nachsorge
Regelmäßige Untersuchungen während und
nach der Strahlentherapie sind nötig zur
Erfassung von Nebenwirkungen bzw.
Beurteilung des Therapieerfolgs.
Nach Beendigung der Behandlung muss jeder Tumorpatient mindestens 5 Jahre lang
in regelmäßigen Abständen nachuntersucht werden, um zum einen den Therapieerfolg mittels geeigneter Verfahren zu beurteilen und zum anderen akute und späte radiogene Nebenwirkungen zu erfassen.
Spezielle Strahlentherapieformen
5.3 Spezielle Strahlentherapieformen
Sie lassen sich nach Strahlungsart und
Distanz zwischen Strahlenquelle und Tumor
einteilen.
Strahlentherapeutische Verfahren lassen sich nach der eingesetzten Strahlungsart
und nach der Entfernung zwischen Strahlenquelle und Tumor einteilen.
5.3.1 Klassifikation nach Strahlungsart
5.3.1 Klassifikation nach Strahlungsart
Die in der Strahlentherapie verwendeten
Strahlungsarten unterscheiden sich in ihrem
Tiefendosisverlauf und durch ihre unterschiedliche biologische Wirksamkeit.
In der Strahlentherapie werden unterschiedliche Strahlungsarten verwendet. Diese
können in Photonen- und Teilchenstrahlung (Neutronen und geladene Teilchen) unterschieden werden. Die verschiedenen Strahlungsarten unterscheiden sich am augenfälligsten durch ihren unterschiedlichen Tiefendosisverlauf und durch ihre unterschiedliche biologische Wirksamkeit.
Photonentherapie
Photonentherapie
Abb. A-5.1 vergleicht den Tiefendosisverlauf
verschiedener Photonenstrahlungen mit
dem von Elektronen. Tab. A-5.1 zeigt die
dazugehörigen dosimetrischen Kenngrößen.
In der Strahlentherapie werden Photonen mit Energien bis zu etwa 30 MeV eingesetzt. Abb. A-5.1 vergleicht den Tiefendosisverlauf verschiedener Photonenstrahlungen mit dem von Elektronen. Tab. A-5.1 zeigt die dazugehörigen dosimetrischen
Kenngrößen.
In der Praxis unterscheidet man je nach Energie der Photonenstrahlung zwischen verschiedenen Therapieformen:
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5.3
5 Strahlentherapie
A
A-5.1
99
5.3 Spezielle Strahlentherapieformen
Tiefendosisverlauf für Photonen- und Elektronenstrahlung verschiedener Energie in Wasser
FHA Fokus-Haut-Abstand
QHA Quellen-Haut-Abstand
relative Tiefendosis (%)
100
80
Röstr. 15 MV
FHA 100 cm
60
60Co -γ -Strahlen 1,3 MeV
50
Röstr.
Elektronen
30 kV;
0,3 mm AI 7 MeV
FHA 30 cm
20
Elektronen
15 MeV
QHA 60 cm
Röstr. 250 kV
2,5 mm Cu
FHA 50 cm
5
0
A-5.1
10
Tiefe im Wasser
15
20
cm
Dosimetrische Kenngrößen für verschiedene Strahlungsarten
A-5.1
Strahlungsart
Tiefe des Dosismaximums
R50
D (10 cm)
FHA
200-kV-Röntgenstrahlung
Oberfläche
6 cm
30 %
40 cm
60
0,5 cm
10 cm
52 %
60 cm
10-MV-Photonenstrahlung
2,5 cm
18 cm
72 %
100 cm
10-MeV-Elektronenstrahlung
2,5 cm
4–4,5 cm
0%
100 cm
Co-Strahlung
R50 ist die Tiefe, bei der 50 % der Maximaldosis erreicht werden; D (10 cm) ist der Dosiswert in 10 cm Tiefe,
bezogen auf die Maximaldosis, FHA = Fokus-Haut-Abstand.
Röntgentherapie
Röntgentherapie
In der Röntgentherapie unterscheidet man zwischen Weichstrahltherapie (Beschleunigungsspannung < 100 kV) und Hartstrahl- oder Orthovolttherapie (Beschleunigungsspannung 100–400 kV). Diese Strahlung wird mittels Röntgenröhren
erzeugt und wegen der durch den Tiefendosisverlauf bedingten hohen Eintrittsdosis
heute nur noch für oberflächlich gelegene Tumoren eingesetzt (z. B. Hauttumoren).
Die Weichstrahltherapie verwendet Röntgenstrahlung mit einer Beschleunigungsspannung < 100 kV; die Orthovolttherapie
Beschleunigungsspannung von 100–400 kV.
Bei beiden entsteht eine hohe Eintrittsdosis.
Megavolttherapie (Hochvolttherapie)
Megavolttherapie (Hochvolttherapie)
Um tiefer liegende Tumoren zu behandeln, wird Photonenstrahlung einer Beschleunigungsspannung zwischen 6 und 30 MV verwendet. Dies ist die häufigste in der Radioonkologie genutzte Strahlungsart. Bei diesen hohen Energien haben die Sekundärelektronen (vorwiegend durch den Compton-Effekt) Reichweiten von einigen Zentimetern und bewegen sich in Richtung der primären Photonenstrahlung. Dabei
geben sie ihre kinetische Energie durch Ionisation von Atomen an das Gewebe ab.
Der Energietransfer der Sekundärelektronen führt dann zum Dosisaufbau.
Da – wegen der geringeren Dichte – in Luft etwa 1000-mal weniger sekundäre Elektronen erzeugt werden als im Gewebe, kommen in den oberflächennahen Schichten
weniger sekundäre Elektronen an, als dort erzeugt werden. Erst nach einigen Zentimetern (Reichweite der sekundären Elektronen) bildet sich ein Sekundärelektronengleichgewicht aus. Daher verlagert sich das Dosismaximum in größere Tiefe (Aufbaueffekt). Im Vergleich zu niederenergetischer Photonenstrahlung oder hochenergetischen Elektronenstrahlung werden oberflächliche Gewebeschichten besser geschont (s. Abb. A-5.1).
Bei höheren Photonenenergien verlagert
sich das Dosismaximum in größere Tiefen
(Aufbaueffekt) (s. Abb. A-5.1). Dadurch
sinkt die Dosisbelastung für das oberflächennahe Gewebe (z. B. die Haut).
▶ Merke. Je höher die Energie der Photonenstrahlung, desto tiefer im Gewebe liegt
das Dosismaximum. Dadurch sinkt die Dosisbelastung für das oberflächennahe
Gewebe.
▶ Merke.
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0
100
A
Die vor allem früher eingesetzten Telekobaltgeräte verwenden drehbar gelagerte
60
Co-Quellen (Ein- und Ausschaltung der
Strahlung).
Früher wurden vor allem Telekobaltgeräte verwendet, bei denen die Photonenstrahlung von 60Co (Energie ca. 1 MeV) genutzt wird. Die Strahlenquelle befindet sich in
einem mit Blei abgeschirmten Zylinder, der ein Austrittsfenster besitzt. Dieser Zylinder ist in einem zum Schutz der Umgebung abgeschirmten Bestrahlungskopf mit Austrittsöffnung drehbar gelagert. Durch Drehen des Zylinders im Bestrahlungskopf kann
das Telekobaltgerät an- bzw. ausgeschaltet werden. Vor dem Strahlaustrittsfenster
befindet sich ein Blendensystem zur Eingrenzung des Nutzstrahlenbündels.
Da die Strahlung des Telekobaltgerätes lediglich durch Verschluss der Austrittsöffnung abgeschaltet werden kann, besteht im Gegensatz zum Linearbeschleuniger
das Risiko von Strahlenunfällen durch Verschlussstörungen. Der von Zeit zu Zeit notwendige Austausch der 60Co-Quelle ist außerdem sehr teuer und aufwendig.
Heute werden meist Linearbeschleuniger eingesetzt. Sie erzeugen Photonenstrahlung höherer Energien (bis 30 MeV), i. d. R. auch Elektronenstrahlung verschiedener
Energien. Der bei Telekobaltgeräten regelmäßig notwendige Quellenaustausch entfällt. Da sich das Dosismaximum bei höheren Strahlungsenergien in die Tiefe verlagert, sind Linearbeschleuniger besonders zur Behandlung tief liegender Tumoren geeignet.
Neutronentherapie
Neutronentherapie
Neutronen haben einen vergleichbaren
Tiefendosisverlauf wie hochenergetische
Photonenstrahlung, aber eine größere relative biologische Wirksamkeit. Neutronenstrahlen lassen sich durch Blenden nur
schwer an die Tumorform anpassen.
Neutronen besitzen einen ähnlichen Tiefendosisverlauf wie hochenergetische Photonenstrahlung, bei gleicher Dosis jedoch eine größere biologische Wirksamkeit. Dies
lässt sich dazu nutzen, besonders strahlenresistente Tumoren zu behandeln. Da
Neutronen nur durch Streuung an Atomkernen abgelenkt werden, lassen sich Neutronenstrahlen nur schwer durch Blenden an die Tumorform anpassen. Die Bedeutung
der Neutronentherapie ist insgesamt gering.
Therapie mit geladenen Teilchen
Therapie mit geladenen Teilchen
Geladene Teilchen besitzen eine maximale
Reichweite in Materie, die von der Energie
der Teilchen abhängt. Dadurch wird das
Gewebe hinter dem Tumor geschont.
Im Gegensatz zu Photonen und Neutronen besitzen geladene Teilchen eine durch ihre
Energie festgelegte maximale Reichweite. Dadurch wird Gewebe, das sich im Strahlengang hinter dem Tumor befindet, geschont. Außerdem steigt die Dosis mit der Gewebetiefe an.
Elektronen
Elektronen
Elektronen deponieren die meiste Energie
am Ende ihrer Bahn. Wegen der starken
Streuung erreichen nicht alle Elektronen
die gleiche Tiefe, sodass der Dosisabfall
nicht abrupt ist. Durch die Ablenkung der
Elektronen an Atomkernen entsteht Bremsstrahlung, die in Materie exponentiell
geschwächt wird.
Schnelle Elektronen geben auf ihrer Bahn weniger Energie ab als langsame. Daher deponieren Elektronen die meiste Energie am Ende ihrer Reichweite. Da Elektronen
aufgrund ihrer kleinen Masse sehr stark gestreut werden und damit in einer vorgegebenen Tiefe bereits ganz unterschiedliche Wegstrecken zurückgelegt haben, kommt
es nicht zu einem abrupten Dosisabfall. Durch die Ablenkung der Elektronen an
Atomkernen entsteht außerdem Bremsstrahlung, so dass auch in Tiefen, die größer
als die Reichweite sind, noch Dosis messbar ist.
▶ Merke.
▶ Merke. Die Reichweite von Elektronen wird mit steigender Energie größer. Die
therapeutische Reichweite von Elektronen ist durch die Tiefe im Gewebe definiert,
in der die Dosis auf 85 % des Dosimaximums abgefallen ist. Näherungsweise gilt:
Therapeutische Reichweite in cm ≈
Energie in MeV
3
Elektronen werden bei oberflächlich gelegenen Tumoren und in der intraoperativen
Strahlentherapie eingesetzt.
So haben z. B. Elektronen der Energie 24 MeV eine therapeutische Reichweite von
etwa 8 cm. Elektronenstrahlung wird vor allem bei oberflächlich gelegenen Tumoren
und in der intraoperativen Strahlentherapie eingesetzt.
Schwere geladene Teilchen
Schwere geladene Teilchen
Außer Elektronen werden auch Protonen und
Kohlenstoff-Ionen verwendet. Im Gegensatz
zu Elektronen werden Ionen durch Streuung
kaum aus ihrer Bahn abgelenkt, so dass sich
ein sehr steiler Dosisabfall am Ende der
Reichweite ergibt. Den Dosisverlauf
bezeichnet man als Bragg-Peak (s. S. 16).
Neben Elektronen werden vor allem Protonen, aber auch schwerere Ionen (12C) für die
Strahlentherapie verwendet. Da diese Teilchen wegen ihrer größeren Masse kaum gestreut werden, beobachtet man einen starken Dosisanstieg am Ende ihrer Reichweite,
der im Gegensatz zu Elektronen dahinter praktisch auf null abfällt (s. S. 16). Diesen
Dosisverlauf bezeichnet man als Bragg-Peak. Die biologische Wirksamkeit von Protonen ist mit der von Photonen vergleichbar. Die von Kohlenstoff-Ionen ist jedoch im
Bragg-Peak deutlich höher bedingt durch eine höhere Anzahl verursachter DNS-Doppelstrangbrüche. Im Gegensatz zu Neutronen lässt sich die Dosisverteilung bei gela-
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Linearbeschleuniger erzeugen Photonenund Elektronenstrahlung im MeV-Bereich.
5 Strahlentherapie
A
101
5.3 Spezielle Strahlentherapieformen
denen Teilchen gut an den Tumor anpassen. Diesen Vorteilen steht der enorme technische Aufwand in Erzeugung, Beschleunigung und Steuerung der geladenen Teilchen
gegenüber. Die Behandlung ist bisher nur an wenigen spezialisierten Zentren verfügbar, sie hat jedoch großes Potenzial, neue Behandlungsoptionen für schwierig gelegene oder radioresistente Tumoren zu öffnen.
5.3.2 Klassifikation nach Distanz
der Strahlungsquelle
Strahlentherapeutische Verfahren lassen sich einteilen in Teletherapie (perkutane
Strahlentherapie), bei der die Strahlenquelle in einiger Entfernung vom Tumor und
außerhalb des Körpers lokalisiert ist, und Brachytherapie (Kurzdistanztherapie),
bei der die Strahlenquelle direkt am Tumor – auf der Körperoberfläche oder im Körper
– lokalisiert ist.
Bei der Teletherapie befindet sich die
Strahlenquelle in einiger Entfernung vom
Tumor, bei der Brachytherapie direkt am
Tumor.
Teletherapie (perkutane Strahlentherapie)
Teletherapie (perkutane Strahlentherapie)
Die Teletherapie lässt sich nach ihrer Tiefenwirkung unterteilen in Oberflächen-,
Halbtiefen- und Tiefentherapie.
Sie lässt sich nach ihrer Tiefenwirkung
unterteilen.
Oberflächentherapie
Oberflächentherapie
▶ Definition. Als Oberflächentherapie bezeichnet man die Strahlentherapie von
▶ Definition.
Herden, die ≤ 1 cm unter der Körperoberfläche liegen.
Hierzu werden eingesetzt:
Röntgenstrahlen:
– weiche Röntgenstrahlen (10–50 kV): Sie werden bereits an der Körperoberfläche absorbiert, haben also eine geringe Tiefenwirkung (Abb. A-5.1) und eignen
sich somit hervorragend zur Oberflächentherapie. Sie werden bereits von der
Glaswandung herkömmlicher Röntgenröhren stark absorbiert, so dass als Röhrenwandung Beryllium verwendet werden muss.
– harte Röntgenstrahlen: Auch diese können verwendet werden, wenn man den
Fokus-Haut-Abstand auf ca. 1–5 cm reduziert. Dadurch steigt die Dosisleistung
an der Haut bei steilem Dosisabfall unter der Haut.
schnelle Elektronen (3–10 MeV): Sie werden im Linear- oder Kreisbeschleuniger
erzeugt und beschleunigt. Elektronen zeichnen sich dadurch aus, dass die Dosis
hinter dem Dosismaximum steil abfällt (Abb. A-5.1).
Eingesetzt werden:
Röntgenstrahlen:
– weiche Röntgenstrahlen (10–50 kV,
Abb. A-5.1) unter Verwendung von
Beryllium als Röhrenwandung
Halbtiefentherapie
Halbtiefentherapie
▶ Definition. Als Halbtiefentherapie bezeichnet man die Strahlentherapie von
Herden, die 1–5 cm unter der Körperoberfläche liegen.
– harte Röntgenstrahlen bei einem
Fokus-Haut-Abstand von ca. 1–5 cm
schnelle Elektronen (3–10 MeV): steiler
Dosisabfall (Abb. A-5.1).
▶ Definition.
Hierzu werden eingesetzt:
mittelharte Röntgenstrahlen (100–150 keV): Hierbei müssen zur Hautschonung
Kupferfilter verwendet werden.
γ-Strahler: 137Cs, das eine Energie von 0,66 MeV hat (s. S. 102).
schnelle Elektronen (10–20 MeV): Elektronen dieser Energien verursachen in signifikantem Maße Sekundärstrahlung, indem sie aus dem durchstrahlten Material
Sekundärelektronen herausschlagen. Der Energietransfer der Sekundärelektronen
auf Materie addiert sich zu dem der Primärelektronen und trägt somit zur Dosis bei
(Dosisaufbau). Dadurch verlagert sich das Dosismaximum in die Tiefe, der Dosisabfall hinter dem Maximum ist jedoch nicht mehr so steil wie bei Elektronen geringerer Energie (Abb. A-5.1).
Eingesetzt werden:
mittelharte Röntgenstrahlen
(100–150 keV) plus Kupferfilter
Tiefentherapie
Tiefentherapie
▶ Definition. Als Tiefentherapie bezeichnet man die Strahlentherapie von Herden,
die > 5 cm unter der Körperoberfläche liegen.
γ-Strahler: 137Cs
schnelle Elektronen (10–20 MeV):
Der Beitrag der Sekundärelektronen zur
Dosis verlagert das Dosismaximum in die
Tiefe (Dosisaufbau) und dämpft den
Dosisabfall dahinter (Abb. A-5.1).
▶ Definition.
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5.3.2 Klassifikation nach Distanz der Strahlungsquelle
102
A
Eingesetzt werden:
Röntgenstrahlen:
– harte Röntgenstrahlen (200–400 kV,
Hartstrahl- oder Orthovolttherapie,
Abb. A-5.1).
Hierzu werden eingesetzt:
Röntgenstrahlen:
– harte Röntgenstrahlen (200–400 kV, Hartstrahl- oder Orthovolttherapie): Sie
werden selten eingesetzt, da sie trotz Filterung zu einer starken Strahlenbelastung der Haut führen (Abb. A-5.1).
– ultraharte Röntgenstrahlen (15–50 MeV, Hoch- oder Megavolttherapie): Sie
werden im Elektronenlinear- oder -kreisbeschleuniger (s. S. 23) erzeugt. Bei Photonen dieser Energien generiert der Compton-Effekt eine große Menge an Sekundärelektronen, deren Energietransfer auf Materie zur Dosis beiträgt (Aufbaueffekt).
γ-Strahler (Telegammatherapie): 60Co mit einer Energie von 1,3 MeV und 137Cs mit
einer Energie von 0,66 MeV. Wegen seiner geringeren Energie wird Cs meist zur
Halbtiefentherapie (s. S. 101) eingesetzt. Der Abstand zwischen Strahlenquelle
und Herd beträgt bei der Telegammatherapie > 50 cm. Die Strahlenquelle befindet
sich in einem Telegammagerät.
γ-Strahler (Telegammatherapie): 60Co
(1,3 MeV) und 137Cs (0,66 MeV). Das
Radionuklid befindet sich in > 50 cm
Abstand vom Herd in einem Telegammagerät, in dem es drehbar gelagert und von
einem dicken Bleimantel umgeben ist.
schnelle Elektronen (30–50 MeV)
schnelle Neutronen: Aufgrund ihres
hohen LETs induzieren sie ausgeprägte
Schäden auch an Normalgewebe.
Protonen und Deuteronen: Bei hohem
LET zeigen sie eine sehr günstige Tiefendosiskurve (Bragg-Peak, s. S. 16).
Kurzdistanztherapie mit umschlossenen
Radionukliden (Brachytherapie)
▶ Definition.
schnelle Elektronen (30–50 MeV)
schnelle Neutronen: Sie generieren durch elastische Streuung (s. S. 15) Rückstoßprotonen, die mit Materie in Wechselwirkung treten. Neutronen besitzen einen
hohen LET, führen also zu ausgeprägten Schäden auch an Normalgewebe. Daher
sollte sich ihr Einsatz auf Tumoren geringer Strahlensensibilität beschränken.
Ihre Tiefendosiskurve zeigt Abb. A-5.1 (s. S. 99).
Protonen und Deuteronen (1 p + 1 n): Auch sie sind durch einen hohen LET gekennzeichnet. Der Verlauf ihrer Tiefendosiskurve ist für die Strahlentherapie sehr
günstig, da der LET – und mit ihm die Tiefendosis – erst gegen Ende der Reichweite
stark ansteigt (Bragg-Peak, s. S. 16).
Kurzdistanztherapie mit umschlossenen Radionukliden
(Brachytherapie)
▶ Definition. Bei der Kurzdistanztherapie (Brachytherapie) befindet sich die Strah-
lenquelle im Gegensatz zur Teletherapie direkt am Tumor. Sie wird als Kontakttherapie, intrakavitäre Therapie oder interstitielle Therapie durchgeführt.
Ziel ist eine sehr hohe Dosis im klinischen
Zielvolumen bei steilem Dosisabfall zum
umgebenden Normalgewebe hin. Die Strahler sind i. d. R. von Metallhülsen umgeben.
Sie werden entweder direkt implantiert
(interstitielle Therapie, Seeds) oder aber im
Nachladeverfahren (Afterloading) mithilfe
eines Afterloading-Geräts in vorher positionierte Kunststoffapplikatoren eingebracht.
Beim Afterloading ist das Personal keiner
Strahlung ausgesetzt.
Ziel ist eine sehr hohe Dosis im klinischen Zielvolumen bei steilem Dosisabfall zum
umgebenden Normalgewebe hin. Die resultierende Dosisverteilung kann bei Bedarf
durch Verwendung mehrerer Strahler in bestimmter geometrischer Anordnung
dem Zielvolumen angepasst werden. Die Brachytherapie ist nicht der Patientenlagerungs- und Bewegungsungenauigkeit unterworfen. Die Strahler sind i. d. R. von Metallhülsen umgeben. Sie werden entweder direkt implantiert (interstitielle Therapie,
Seeds) oder aber im Nachladeverfahren (Afterloading) in vorher positionierte Kunststoffapplikatoren eingebracht. Beim Afterloading ist die Strahlenbelastung des Personals gleich null, da die Applikatoren erst mithilfe eines Afterloading-Geräts mit Strahlenquellen beschickt werden, wenn das Personal den Bestrahlungsraum verlassen
hat. Die Strahlenquellen lagern in einem Strahlenschutzbehälter. Je nach Bedarf
fährt das Gerät sie aus bzw. bewegt sie nach Erreichen der zu applizierenden Dosis
wieder in den Behälter zurück. Das Afterloading ermöglicht es, (β- und) γ-Strahler
wie 192Ir, 137Cs und 60Co mit hoher bis mittelhoher Dosisleistung einzusetzen.
Kontakttherapie
Kontakttherapie
Voraussetzung ist die oberflächliche Lage
des zu bestrahlenden Zielvolumens. Der
umschlossene Strahler wird direkt an die
Patientenoberfläche gebracht. Dazu werden Applikatoren für kurze Zeit aufgenäht
bzw. bei Tumorresten oder Rezidiven dem
Körper anmodelliert (Abb. A-5.2).
Voraussetzung für die Kontakttherapie ist die oberflächliche Lage des zu bestrahlenden Zielvolumens. Das umschlossene Radionuklid wird direkt an die Patientenoberfläche gebracht. Beispiele sind die Therapie des Aderhautmelanoms mit 103Ruthenium oder 90Sr. Die Applikatoren werden hier jeweils für kurze Zeit aufgenäht. Bei
der Therapie von oberflächlichen Tumorresiduen oder Rezidiven bei vorbestrahlter
Haut (z. B. Thoraxwandrezidiv bei Mammakarzinom) werden Moulagen aus Kunststoff individuell der Körperform anmodelliert (Abb. A-5.2). Die Moulagen enthalten
Applikatoren, die mittels Afterloading mit einem umschlossenen Strahler beschickt
werden.
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– ultraharte Röntgenstrahlen (15–50
MeV, Hoch- oder Megavolttherapie):
Der durch den Compton-Effekt bedingte Aufbaueffekt verlagert das Dosismaximum in die Tiefe (Abb. A-5.1).
5 Strahlentherapie
A-5.2
103
5.3 Spezielle Strahlentherapieformen
Kontakttherapie in Moulagentechnik bei Thoraxwandrezidiv
eines Mammakarzinoms
Intrakavitäre Therapie
▶ Definition. Unter intrakavitärer Therapie versteht man das Einbringen einer
A-5.2
Intrakavitäre Therapie
▶ Definition.
radioaktiven Strahlenquelle in eine präformierte Körperhöhle.
Die intrakavitäre Therapie spielt vor allem bei der Behandlung gynäkologischer Tumoren eine Rolle, wo sie häufig in Kombination mit der perkutanen Strahlentherapie
eingesetzt wird. Es werden spezielle Applikatoren oder Applikatorkombinationen
(Stifte, Kapseln, Ovoide; Abb. A-5.3) eingesetzt, die den Anforderungen an die räumliche Dosisverteilung bzw. der Geometrie des klinischen Zielvolumens Rechnung tragen. Der Applikator wird intrauterin, intrazervikal oder intravaginal positioniert
und mittels Afterloading mit 192Ir, 60Co oder 137Cs bestückt. Meist wird die Brachytherapie nach rechnergestützter Bestrahlungsplanung in wöchentlichen Abständen
während der perkutanen Bestrahlungsserie durchgeführt, und zwar mit einer Dosisleistung > 1000 cGy/h (HDR-Brachytherapie). Die früher häufig durchgeführte Therapie mit 226Ra ist heute nicht mehr üblich.
A-5.3
Brachytherapieapplikatoren für die intrakavitäre Therapie
Interstitielle Therapie
▶ Definition. Bei der interstitiellen Therapie wird die Strahlenquelle direkt in das
Die intrakavitäre Therapie spielt vor allem bei
der Behandlung gynäkologischer Tumoren
eine Rolle. Der Applikator (Abb. A-5.3) wird
intrauterin, intrazervikal oder intravaginal
positioniert und mittels Afterloading mit
192
Ir, 60Co oder 137Cs bestückt.
A-5.3
Interstitielle Therapie
▶ Definition.
Tumorgewebe implantiert („Spickung“ des Tumors).
Man unterscheidet die permanente Implantation, bei der die Strahlenquelle im Gewebe verbleibt, von der temporären Implantation, bei der die Strahlenquelle wieder
entfernt wird. Zur permanenten Implantation werden Radionuklide mit geringer Aktivität und relativ kurzer Halbwertszeit wie 198Au (HWZ 3 Tage) oder 125J (HWZ
60 Tage) verwendet. Sie werden in Form eines Drahtes, einer Nadel oder eines
Korns (Seeds) implantiert. Bei der temporären Implantation kommen Radionuklide
mit hoher Aktivität und langer Halbwertszeit wie 137Cs oder 192Ir zur Anwendung.
Sie werden mittels Afterloading appliziert.
Zur permanenten Implantation dienen
Strahler mit geringer Aktivität und relativ
kurzer Halbwertszeit, zur temporären
Implantation solche mit hoher Aktivität
und langer Halbwertszeit.
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A
104
A
Indikationen für die Brachytherapie
Indikationen für die Brachytherapie
Zur Kontakttherapie s. S. 102.
Die intrakavitäre Therapie wird vor allem
bei gynäkologischen Tumoren eingesetzt.
Zu den Indikationen der Kontakttherapie s. S. 102.
Die intrakavitäre Therapie kommt vor allem bei Endometrium-, Zervix- und Vaginalkarzinomen zur Anwendung, außerdem bei Ösophagus- und Gallengangskarzinomen.
Die interstitielle Therapie wird bei HNO-Tumoren, Anal- und Prostatakarzinomen alleine oder zur lokalen Dosisaufsättigung in Kombination mit einer perkutanen Radiatio angewandt (z. B. Mammakarzinom, Abb. A-5.4).
A-5.4
5.4
Durchführung der Radiotherapie
und spezielle Techniken
A-5.4
Interstitielle Therapie mit 192Ir beim Mammakarzinom
5.4 Durchführung der Radiotherapie und
spezielle Techniken
Für die beschriebenen Strahlentherapieformen steht wiederum eine Vielzahl spezieller Techniken zur Verfügung. Je nach Patient, Tumorgröße und -position, Zielsetzung
und vorangegangenen Therapien muss ein differenzierter Einsatz dieser Technologien erfolgen. Ziel ist es, eine optimale Balance zwischen Schnelligkeit und Qualität
zu finden sowie Wirkung und Nebenwirkung in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. So kann das therapeutische Fenster auf die individuelle Situation des Patienten
ausgerichtet werden. Die Qualität der Behandlung wird dabei von einer ganzen
Kette von essenziellen Bestandteilen bestimmt. Diese sind notwendig, um eine exakte, reproduzierbare, möglichst schonende und wirksame Therapie zu gewährleisten.
5.4.1 Immobilisierung
5.4.1 Immobilisierung
Damit die Bestrahlung täglich in gleicher
Weise erfolgen kann, muss der Patient bei
jeder Fraktion identisch gelagert werden.
Als Lagerungshilfen dienen bei Beckenbestrahlung das Lochbrett (Abb. A-5.5a),
bei Bestrahlung des Kopfes oder Halses
Bestrahlungsmasken, Gipsmasken oder
der stereotaktische Ring (Abb. A-5.5b).
Damit die Bestrahlung täglich in gleicher Weise erfolgen kann, muss der Patient bei
jeder Fraktion identisch gelagert werden. Dazu stehen vielfältige Lagerungshilfen
zur Verfügung. Bei Bestrahlung im Beckenbereich kommt häufig die Lagerung in
Bauchlage im Lochbrett zur Anwendung, bei der sich große Anteile des zu schonenden Dünndarms aus dem Bestrahlungsvolumen heraus halten lassen (Abb. A-5.5a).
Bei Bestrahlungen im Hals- bzw. Kopfbereich haben sich Bestrahlungsmasken aus
PVC bewährt, die über spezielle Kopfhalterungen mit der Patientenliege verbunden
sind. Auf diesen Masken lassen sich die Feldmarkierungen und Laserkreuze einzeichnen, Hautmarkierungen sind überflüssig. Ist die Positionierungsgenauigkeit
bei bestimmten Bestrahlungstechniken nicht ausreichend, werden individuelle rigide
Gipsmasken eingesetzt oder es wird eine Fixierung im stereotaktischen Ring
(Abb. A-5.5b) vorgenommen.
Zur präzisen Lagerung im Körperstammbereich stehen Knierollen, Vakuummatratzen und Gipsschalen zur Verfügung. Lagerungshilfen müssen im Bestrahlungsprotokoll vermerkt sein.
Außerdem gibt es Knierollen,
Vakuummatratzen und Gipsschalen.
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Die interstitielle Therapie wird z. B. bei
Anal- und Prostatakarzinomen
(vorher Abb. A-5.4) angewandt.
5 Strahlentherapie
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