Der Lipidstoffwechsel und das Immunsystem

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Der Lipidstoffwechsel und das Immunsystem
Was hat der Lipidhaushalt des Körpers mit Entzündungen zu tun? Dass Moleküle, die eigentlich
die Verfügbarkeit von Cholesterin und anderen wasserunlöslichen Substanzen regulieren, auch
mit den Signalnetzwerken des Immunsystems interagieren, haben in jüngster Zeit die
Wissenschaftler um Privatdozentin Dr. Petra May vom Zentrum für Neurowissenschaften der
Universität Freiburg gezeigt. Ihrer Arbeit zufolge hilft ein Rezeptor, der die Aufnahme
bestimmter Lipoproteine in die Leberzellen vermittelt, chaotische Zustände nach
Entzündungen zu kontrollieren.
Ein Lipoprotein-Container mit Cholesterin (C) und Fettmolekülen (T) als Fracht. Die bunten Perlen in der Schale sind
verschiedene Lipoproteine. © Wikipedia
Die Mitglieder der Lipoprotein-Familie sind im Cargogeschäft. Sie verpacken wasserunlösliche
Substanzen wie Fette, Cholesterin oder Vitamin A und transportieren sie im Blutstrom zu den
Geweben, die gerade Bedarf haben. In den Membranen der Zielzellen sitzen Eiweiße, die solche
Container erkennen - zum Beispiel der Low-Density-Lipoprotein (LDL)-Rezeptor. Sie vermitteln
die Aufnahme der Lipidfracht ins Zellinnere. Lange dachten Wissenschaftler, der
Lipidstoffwechsel sei die einzige Domäne dieser Lipoprotein- Rezeptoren. Sie konzentrierten sich
auf die Moleküle daher etwa im Zusammenhang mit der durch zu viel Cholesterin im Blut
bedingte Atherosklerose, einer Gefäßwandverkalkung, die zu Herzinfarkten oder
Schlaganfällen führen kann. „Seit einigen Jahren wissen wir aber, dass die LDL-Rezeptoren
enge Verwandte haben“, sagt Privatdozentin Dr. Petra May vom Zentrum für
Neurowissenschaften der Universität Freiburg. „Und diese haben noch andere interessante
Funktionen.“
Ein überraschender Wirkmechanismus
May kam mit den LDL-Rezeptor-ähnlichen Proteinen während ihrer Postdoc-Zeit in Dallas in
Verbindung. Prof. Dr. Joachim Herz, der Leiter des dort ansässigen Teams, hatte schon zuvor
einen ersten Vertreter dieser Familie entdeckt, bald darauf folgten andere. Heute wissen
Wissenschaftler zum Beispiel, dass das am Lipidtransport beteiligte Apolipoprotein E (ApoE)
eine Rolle bei der Alzheimer-Krankheit spielt. In bestimmten Regionen des Gehirns (zum
Beispiel im Hippocampus) regulieren seine Rezeptoren aber auch die synaptische Übertragung
und haben deshalb möglicherweise einen Einfluss auf Lernen und Gedächtnis. Ein anderer
Vertreter der Rezeptorfamilie, das Megalin, greift in die Signalübertragung durch verschiedene
Hormone ein, indem es die Aufnahme dieser Stoffe in die Zellen reguliert. May und ihr Team
haben jetzt herausgefunden, dass ein dritter Vertreter mit dem Namen LDL-related Protein 1
(LRP1) neben seiner Aufgabe bei der Lipoproteinaufnahme in Leberzellen auch mit dem
Immunsystem interagiert. Dabei entfaltet er seine Wirkung nicht wie seine Verwandten, indem
er die Aufnahme von Signalsubstanzen ins Zellinnere beeinflusst. Er verhält sich vielmehr wie
ein klassischer Signalrezeptor.
In diesem Neuron ist das an der Membran sitzende LRP1 grün angefärbt. © Chikako Nakajima
„Schon in Dallas haben wir herausgefunden, dass ein im Zellinneren sitzender Teil des LRP1
auf ein äußeres Signal hin abgespaltet werden kann“, sagt May. „Daraufhin kann er vom
restlichen Rezeptor abwandern und in den Zellkern gehen, wo er direkt oder indirekt die
Aktivität verschiedener Gene beeinflusst.“ Nachdem May ans Freiburger Zentrum für
Neurowissenschaften kam, untersuchte sie als Leiterin einer Emmy-NoetherNachwuchsgruppe die möglichen Funktionen des LRP1 und landete einen großen Treffer, der
es in das renommierte Fachjournal Science Signaling schaffte. Ihr Team und sie zeigten, was
passiert, wenn Immunzellen, die kein LRP1 mehr bilden können, von Bakterien befallen
werden. Um den Bakterienbefall in ihren Zellkulturen zu simulieren, gaben die Wissenschaftler
eine Substanz mit dem Namen Lipopolysaccharid (LPS) auf die Petrischalen. LPS ist einer der
Bestandteile von Bakterienzellwänden und löst in den Zellen normalerweise Signalkaskaden
aus, die eine entzündliche Reaktion einleiten.
Körper im Chaoszustand
„Wenn wir in den Immunzellen das Gen für LRP1 abgeschaltet haben, war die Antwort auf LPS
sehr überschwänglich“, sagt May. „Es wurden zum Beispiel in großen Mengen sogenannte
Cytokine gebildet, die im Körper normalerweise Immunzellen anlocken und die
Entzündungsantwort verstärken.“ War das LRP1-Gen jedoch vorhanden, dann löste LPS das
bekannte Abspalten der intrazellulären LRP1-Domäne aus. Diese wanderte in den Kern und
mäßigte dort die Aktivität der Gene, die die Entzündung fördern. LRP1 hat also offenbar die
Aufgabe, eine Reaktion des Immunsystems abzudämpfen. Eine wichtiger Job, denn die
Ausschüttung von Cytokinen nach Befall mit Bakterien oder anderen Eindringlingen treibt
potenziell eine positive Feedback-Schleife an. Locken Cytokine neue Immunzellen an, reagieren
diese wieder auf die Bakterien und schütten weitere Cytokine aus und so weiter. Damit der
Körper nicht im Chaos der eigenen Immunantwort untergeht, muss diese Spirale irgendwann
wieder gestoppt oder zumindest gebremst werden.
In Zukunft wollen May und ihr Team ihre Experimente auch an einem Säugetier-Modell
durchführen. Aus dem Labor in Dallas, mit dem sie immer noch kooperieren, bekommen sie
sogenannte konditionale Knockout-Mäuse zur Verfügung gestellt. Diese Nager sind genetisch
so manipuliert, dass man bei ihnen das LRP1-Gen durch das Umlegen eines molekularen
Schalters gezielt in unterschiedlichen Geweben ausknocken kann. Es wird sich in Zukunft
zeigen, ob die immunregulierende Funktion des LRP1 auch in vivo eine Rolle spielt. In einem
weiteren Projekt untersuchen May und Co. außerdem, welche Rolle der Rezeptor im Gehirn hat.
Und schließlich machen sie Experimente an Mäusen, die in den glatten Muskelzellen ihrer
Gefäßwände kein LRP1 bilden können. „Bei diesen Tieren besteht eine extreme
Überempfindlichkeit für cholesterininduzierte Atherosklerose“, sagt May. Dass die
cholesterininduzierte Gefäßverengung auch eine entzündliche Komponente hat, ist inzwischen
gezeigt worden. Ob auch hier ein konkreter Link zwischen dem Lipidstoffwechsel und dem
Immunsystem entscheidend ist, wird sich in weiteren Experimenten erweisen.
Fachbeitrag
03.09.2009
BioRegion Freiburg
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Dr. Petra May
Zentrum für Neurowissenschaft
Universität Freiburg
Albertstraße 23
Raumnr. 0.016
Tel.: +49 (0)761/203-8421
Fax: +49 (0)761/203-8417
E-Mail: petra.may(at)zfn.uni-freiburg.de
Zentrum für Neurowissenschaften (ZfN)
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