An- und Abschalter in der Zelle - Uni

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Molekularbiologie
An- und Abschalter in der Zelle
Voll entfaltet ist ein menschliches
DNA-Molekül über einen Meter
lang. Zusammengeknäult und im
Zellkern verstaut, misst das Lebensmolekül nur noch einen Hunderttausendstel Zentimeter. Das Kunststück, lange Stränge genetischen
Materials platzsparend zusammenzupressen, vollbringen Histone. Das
sind Proteinen, die eng mit einer
weiteren, lebenswichtigen Aufgabe
verknüpft sind: dem An- und Abschalten der Gene, die auf der DNA
aufgereiht sitzen. Dieser Steuerung
der Gen-Aktivität verdanken wir es,
dass jede Zelle die für sie typischen
Aufgaben erfüllt: Gallensäure, Insulin oder Cortisol zu produzieren. Im
emsigen Betrieb einer lebenden Zelle erledigen Proteine die meisten
Aufgaben.
Foto: PhotoDisc
Nachwuchswissenschaftler untersuchen Proteine, die Gene in Schwung bringen oder in Schach halten
Gen-Dirigenten
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Bei Knock-out-Mäusen werden gezielt Gene ausgeschaltet. An ihnen lässt
sich studieren, ob und wie die An- oder Abwesenheit bestimmter Gene sich
auf Zellabläufe auswirkt.
le hat: das Retinoblastom-Protein
(RB). Ein ganzer Stoffwechselablauf
ist nach ihm benannt, der Retinoblastom-Weg. Er ist bei fast allen
Tumoren gestört. Das gab dem Protein seinen Namen. Ein Retinoblastom ist ein bösartiger Tumor im
Auge, der bei Kindern auftritt, deren RB infolge einer Gen-Mutation
nicht richtig arbeitet.
Das RB kontrolliert die Zellteilung in ihrer Anfangsphase. Es signalisiert der Zelle, einen Teilungszyklus in Gang zu setzen oder nicht.
Meist lautet der Befehl: Nicht teilen! Denn eine Zelle hat üblicherweise keinen Grund dazu, es sei
denn, sie muss repariert werden
oder sie gehört einer Zellart an, die
stets neu produziert werden muss,
wie rote und weiße Blutkörperchen.
Solche Aktivitäts-Hemmer heißen in der Biologie Inhibitoren. Zellen und Gene in Schranken zu halten
ist für geregelte physiologische Abläufe mindestens so wichtig, wie sie
gezielt zu stimulieren. Eine fehlgeleitete Gen-Aktivität oder eine gestörte
Zellteilung kann Krebs verursachen.
Typisch für Zellabläufe ist auch
ihre kaskadenartige Abfolge. Hat ein
molekularer Schalter erst einmal
eine Aktion in Gang gesetzt, folgen
ihr meist sturzbachartig andere, oft
über einen „point of no return“.
Auch bei der Zellteilung ist das so.
Deshalb sind die Stadien, die sie
vorbereiten, so wichtig. In dieser
Anfangsphase nun bindet RB an die
E2F-Proteine und verhindert so die
Zellteilung. „Man hat jedoch festgestellt, dass das E2F-6 allein wie eines seiner E2F-Verwandten mitsamt
dem Retinoblastom-Protein wirkt,
nämlich als Inhibitor“, erläutert
Stefan Gaubatz. Er und seine Mitarbeiter wollen nun herausfinden, ob
E2F-6 bösartiges Zellwachstum ver-
Foto: Graßmann
Doch nicht nur Histone dirigieren
das Gen-Verhalten. Sie wetteifern
mit anderen Proteinen darum, Gene
in Schwung zu bringen: den Transkriptions-Faktoren. Transkription
ist ein grundlegender biologischer
Prozess, durch den Gene „angeschaltet“ und ihre Informationen
„abgelesen“ werden. Gene sind eine
Art Blaupause für Proteine; sie enthalten die Informationen, wie Eiweiße hergestellt werden müssen.
Dazu muss die DNA in Ribonukleinsäure (RNA) „umgeschrieben“ werden. Erst mit diesem Informationsformat können die Ribosomen arbeiten, die Eiweißfabriken der Zelle.
Eine Gruppe von jungen Wissenschaftlern um den Biologen Dr. Stefan Gaubatz erforscht am Institut
für Molekularbiologie und Tumorforschung (IMT) der Philipps-Universität eine Klasse dieser Transkriptions-Faktoren: die E2F-Proteine. Von ihnen wurden bislang sechs
identifiziert. Zwei davon untersuchen die Marburger Forscher näher:
das E2F-4 und vor allem das E2F-6,
das Dr. Gaubatz isoliert hat. Das
fünfjährige Forschungsprojekt wird
mit über zwei Millionen Mark von
der Volkswagen-Stiftung finanziert.
„E2F-6 könnte bei der Entstehung und Verhinderung von Krebs
eine wichtige Rolle spielen“, formuliert Stefan Gaubatz die Forschungshypothese. Dazu muss man ein weiteres Eiweiß kennen, das eine wichtige Aufseher-Funktion über die Zel-
hindern kann, wenn es vorhanden
ist, und ob Krebs entsteht, wenn es
fehlt.
Dazu hat der Molekularbiologe
am Dana-Farber Cancer Institute
der Harvard-Universität in Boston
(USA), wo er nach seiner Promotion
fünf Jahre geforscht hat, so genannte Knock-out-Mäuse gezüchtet, denen das E2F-6-Protein fehlt. So heißen Versuchstiere, bei denen eine
Erbanlage gezielt ausgeschaltet
wurde. An diesen Mäusen wollen
die Marburger Molekularbiologen
nun einiges studieren: Ist das E2F6-Gen für eine normale Mausentwicklung nötig oder nicht? Wie verhalten sich Zellen dieser Mäuse,
wenn sie in einer Petrischale kultiviert wurden? Wenn man E2F-6und RB-Knock-out-Mäuse kreuzt,
bilden dann ihre Nachkommen
mehr und andere Tumoren aus?
Diese Tierexperimente werden
durch Untersuchungen mit einer
„Micro-Array-Einheit“ ergänzt. Sie
besteht aus einem Computer und
einem Roboter, mit denen sich das
Gen-Expressionsmuster von Zellen
und Geweben präzise analysieren
lässt. Die Expression von Genen ist
eine andere Bezeichnung für die
Transkription. Wenn ein Gen transkribiert und das entsprechende
Protein aus der RNA-Blaupause
hergestellt wird, ist es exprimiert.
Das menschliche Erbmaterial
enthält etwa 30 000 bis 50 000
Gene. Doch in den einzelnen Gewebetypen sind nie alle aktiv. In einer
Leberzelle operiert ein anderes Set
als in einer Herz- oder Muskelzelle.
Diese Unterschiede bezeichnet man
als Gen-Expressionsmuster eines
Zelltyps. Mit dem Micro-Arrayer
wollen Stefan Gaubatz und sein
Team untersuchen, welche Gene
exprimiert werden, je nachdem, ob
in der Zelle E2F-6 vorhanden ist
oder nicht.
gn
Dr. Stefan Gaubatz
Institut für Molekularbiologie
und Tumorforschung (IMT)
Emil-Mannkopff-Straße 2
35037 Marburg
Telefon: 06421 / 28-66987
Fax: 06421 / 28-65196
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