Ein Früherkennungssystem für Krebs? Untersuchung von DNA-Methylierungsmustern am BGFA Georg Johnen, Peter Rozynek, Thomas Brüning Berufsbedingte Krebserkrankungen und ihre Früherkennung sind ein wichtiges Thema für die gesetzlichen Unfallversicherungen. Eine frühzeitige Erkennung bösartiger Tumoren führt bei vielen Krebserkrankungen zu besseren Therapiemöglichkeiten. Die Erforschung der zugrunde liegenden molekularen Zusammenhänge ist eine der Aufgaben des BGFA. Erkenntnisse daraus können zur Entwicklung neuer molekularer Marker für die Prävention beitragen. Ein hochaktuelles Forschungsgebiet ist dabei die sogenannte Epigenetik, deren Ziel die Erforschung von „molekularen Schaltern“ ist, die nicht direkt von der DNA-Sequenz abhängen. Hierzu zählen beispielsweise die Mechanismen der DNA-Methylierung, die in Tumoren häufig verändert sind. Das Kompetenz-Zentrum Molekulare Medizin entwickelt daher epigenetische Nachweismethoden, um spezifische Veränderungen im DNA-Methylierungsmuster bei berufsbedingten Krebserkrankungen zu detektieren. Die Abfolge von vier unterschiedlichen Basen entlang der DNA-Doppelhelix kodiert alle genetischen Informationen, also das Genom. Und das in jeder einzelnen Zelle des Körpers. Diese Informationen werden zum Beispiel in Proteine umgesetzt, die zur Struktur und den Abläufen in den Zellen entscheidend beitragen. Jedes Gen, das ein Protein kodiert, wird durch regulatorische DNA-Abschnitte gesteuert. Die Regulation kann dabei durch andere, spezielle Steuerproteine, sogenannte Transkriptionsfaktoren, erfolgen. Weitere wichtige Steuerungsmechanismen von Genen sind Methylierungen in den regulatorischen DNA-Abschnitten und andere Prozesse, die nicht direkt in der Sequenz der Basen in der DNA kodiert sind. Dazu gehört die Modifizierung von Histonen, die auch als „molekulare Garnrollen“ bezeichnet werden können, da auf ihnen der DNA-Faden je nach Aktivierungszustand auf- oder abgewickelt wird. Diese Regulationsprozesse werden unter dem Begriff „Epigenetik“ zusammengefasst und stellen einen eigenen, von Zelle zu Zelle vererbbaren Code dar. 10 Bedeutung des Epigenoms Die epigenetischen Mechanismen sind in ein regulatorisches Netzwerk eingebunden. Dieses steuert, welche Gene wann und in welchem Gewebe aktiviert und abgelesen werden. Epigenetische Veränderungen sind – im Gegensatz zur Basenabfolge der DNA – grundsätzlich reversibel, das heißt, die Steuerung kann durch Umwelteinflüsse oder innere Faktoren modifiziert werden. Die Gesamtheit der epigenetischen Informationen wird als Epigenom bezeichnet. Durch seine zentrale Kontrollfunktion in der Genregulation kommt dem Epigenom fast die Bedeutung des primären Genoms zu. Entsprechend gibt es derzeit Bestrebungen, ein internationales „human epigenome project“ zu initiieren. Pathologische Veränderungen im Epigenom wurden bisher in zahlreichen Erkrankungen nachgewiesen. So können sie die Ursache von Krankheiten aus so unterschiedlichen Gebieten wie Immunologie, Neurologie und insbesondere Onkologie sein. Daher ist die Epigenetik auch für berufsbeBGFA-Info 02/2007 FORSCHUNG dingte Krebserkrankungen von großer Bedeutung und wird bei deren Ursachenforschung, Diagnose sowie Früherkennung eine zunehmende Rolle spielen. DNA-Methylierung und Krebs Ein wichtiger epigentischer Prozess ist die biochemische Modifizierung bestimmter DNA-Abschnitte durch Anhängen einer Methylgruppe an die DNA-Base Cytosin. Allerdings sind nicht alle Cytosine betroffen, sondern vorwiegend Cytosin-Guanin-Dinukleotide (CpG), die gehäuft in sogenannten CpG-Inseln auftreten können. Diese CpG-Inseln finden sich meist in den regulatorischen Bereichen (Promotoren) der Gene. Grundsätzlich führt die DNA-Methylierung zu einer Abschaltung von Genen, so dass die korrespondierenden Proteine nicht mehr produziert werden. Durch Demethylierung können die Gene aber wieder eingeschaltet werden. Krebs wird allgemein als eine Erkrankung des Genoms angesehen. In Krebsgeweben zeigen sich neben Defekten in der primären DNA-Sequenz aber fast immer auch Störungen in der epigenetischen Programmierung. Weiterhin ist für mehrere krebserregende Schadstoffe bekannt, dass sie die normale Methylierung in den Zellen verändern können. Die Epigenetik ist also entscheidend in die Mechanismen der Krebsentstehung involviert. In Tumoren wird dabei häufig ein vom Normalfall abweichendes Methylierungsmuster beobachtet. Es kann sowohl zu einer vermehrten (Hypermethylierung) als auch verminderten Methylierung (Hypomethylierung) kommen – mit weitreichenden Folgen für die Genexpression. Die lokale Hypermethylierung führt zu einer Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen, während eine globale Hypomethylierung eine Aktivierung von schädlichen DNA-Elementen bewirkt, die eine Destabilisierung des Genoms zur Folge haben kann (Abb. 1). Nachweis von DNA-Methylierungen Trotz der prinzipiellen Umkehrbarkeit der DNA-Methylierungen bleibt das Methylierungsmuster der aus dem Körper Abb.1: Stark vereinfachtes Schema der Unterschiede zwischen Krebs- und Normalgewebe bei der DNA-Methylierung. Die Methylierung reguliert die Aktivität der DNA und der von ihr kodierten Gene. Im Normalfall werden zum Beispiel schädliche DNA-Bereiche durch Methylierung inaktiviert. Beim Krebs fällt diese Kontrolle in vielen DNA-Bereichen weg (Unter- oder Hypomethylierung), während gleichzeitig bestimmte schützende Gene (Tumorsuppressorgene) durch Über- oder Hypermethylierung ausgeschaltet werden. BGFA-Info 02/2007 11 entnommenen Proben – beispielsweise selbst nach FormalinBehandlung – stabil, womit eine wichtige Voraussetzung für die Untersuchung dieser Veränderungen gegeben ist. Für den analytischen Nachweis der Methylierung bestimmter DNA-Abschnitte wird die gesamte DNA zunächst mit Hilfe der sogenannten Bisulfit-Behandlung chemisch modifiziert. Dabei werden nichtmethylierte Cytosine zu Uracil-Basen umgewandelt, wohingegen methylierte Cytosine unverändert bleiben. Der anschließende Nachweis der veränderten Basen kann durch verschiedene PCR-Verfahren (Polymerase-Chain-Reaction, siehe Infokasten) erfolgen. Das BGFA hat einerseits die Möglichkeit, mit Hilfe der methylierungsspezifischen PCR und anschließender Agarosegelelektrophorese eine relativ schnelle, aber auch nur bedingt genaue Analyse des Methylierungsstatus einzelner DNA-Regionen durchzuführen. Andererseits steht nun mit dem hochmodernen Pyrosequencing™-Verfahren eine zweite, weitaus leistungsfähigere Methode zur Verfügung. Es bietet bei hö- herem Probendurchsatz eine erheblich feinere Auflösung und die Möglichkeit, in einer einzigen Messung gleichzeitig den Methylierungsstatus jedes einzelnen Cytosins eines DNA-Abschnittes zu bestimmen. Auch für das Pyrosequencing™ wird eine initiale BisulfitUmwandlung und eine PCR-Reaktion durchgeführt, wobei die Primer (Startermoleküle) so ausgewählt werden, dass sie nur vollständig modifizierte DNA-Abschnitte erkennen. Gleichzeitig ermöglicht das spezielle Primerdesign, nach der PCR-Reaktion und anschließenden Aufreinigung der Produkte, einen definierten Einzelstrang der PCR-Produkte zu isolieren. Im Anschluss kommt ein dritter Primer, der Sequenzierungsprimer zum Einsatz, der an den isolierten Einzelstrang spezifisch bindet und als Startpunkt für das eigentliche Pyrosequencing™ dient. Ausgehend von dieser Situation ist in Abbildung 2 das Prinzip des Verfahrens dargestellt. Im Grunde wird beim Pyrosequencing™ durch biochemisch erzeugte Lichtblitze die in der DNA gespeicherte © Biotage Abb.2: Schematische Darstellung des Pyrosequencings: In Schritt (1) wird durch das Enzym DNA-Polymerase ein zur Zielsequenz komplementäres Nukleotid an das Startmolekül angehängt, wobei Pyrophosphat (PPi) frei wird (2), das die Sulfurylase zur Bildung von ATP benötigt, das als Energielieferant für die Luciferase dient, die das im Reagenziencocktail vorhandene Substrat unter Freiwerden eines Lichtblitzes umsetzt. Die Lichtenergiemenge ist abhängig von der Zahl der in dem entsprechenden Schritt eingebauten Nukleotide und wird quantitativ erfasst (3). Die Apyrase baut vor Einbau des nächsten Nukleotids die überzähligen, in diesem Schritt nicht eingebauten Nukleotide ab, damit diese beim nächsten Zyklus nicht stören (4). 12 BGFA-Info 02/2007 FORSCHUNG rosequencing ist ein hochmodernes Werkzeug zum effizienten Nachweis dieser molekularen Veränderungen. Dies eröffnet die Möglichkeit, eine Vielzahl neuer Marker zu entdecken, die – nach entsprechender Validierung in prospektiven Studien – einerseits für eine mögliche Früherkennung von Krebs eingesetzt werden und andererseits in Studien zur Ermittlung von DNA-Effekten beim Menschen durch Gefahrstoffe eingebunden werden können. PCR-Methode (PCR: Polymerase-Chain-Reaction oder Polymerase-Kettenreaktion) Information Base für Base ausgelesen. Die Intensität der Lichtblitze ergibt eine zusätzliche quantitative Information. Dies ist mit herkömmlichen Verfahren nicht oder nur schwer möglich. Ausmaß der Methylierung bestimmen Das BGFA hat mit Hilfe dieser Technik die Möglichkeit, zu untersuchen, welche CpG-Inseln von für die Krebsentstehung verantwortlichen Genen eine geänderte Methylierung aufweisen. Zusätzlich kann für jedes einzelne Cytosin in dem zu untersuchenden Abschnitt das Ausmaß der Methylierung bestimmt werden. Dies ist insofern von Bedeutung, als bestimmte Tumoren verschiedene Methylierungsmuster nicht nur global sondern auch innerhalb der CpG-Inseln einzelner regulatorischer Abschnitte aufweisen können. Diese lokalen Muster sind charakteristisch für bestimmte Tumorarten und können der Diagnose dienen. Ein beispielhaftes Ergebnis einer Methylierungsanalyse des Promotorbereichs des Gens RASSF1 zeigt Abbildung 3. RASSF1 ist ein Tumorsuppressorgen, das durch Hypermethylierung seines Promotorbereichs in verschiedenen soliden Tumoren inaktiviert vorliegt. Wissen Abb. 3: Pyrogramme nach einem RASSF1-Assay. Die Ergebnisse von einer Kontroll- (A) und einer Tumorproben-DNA (B) zeigen eine erhöhte DNA-Methylierung der B-Probe mit etwa 30 Prozent an jeder Position (blau hinterlegt). Für die Analyse von Sequenzvariationen werden größere Mengen der entsprechenden DNA benötigt. Zur Vervielfältigung können DNA-Abschnitte mit dem Enzym Polymerase amplifiziert werden. Die PCR-Methode ahmt die natürliche DNA-Synthese nach. Zunächst erfolgt der Schritt der DNA-Denaturierung (Separierung des Doppelstranges in seine beiden Einzelstränge). Daraufhin lagern sich in der Phase des "Annealings" die Primer an die DNA-Einzelstränge an. Bei den Primern handelt es sich um kurze, zur Zielsequenz komplementäre Einzelstrang-DNA-Moleküle (Oligonukleotide), die den zu amplifizierenden Abschnitt an beiden Seiten flankieren. In einem nächsten Schritt werden die DNA-Stränge in Gegenwart der DNA-Bausteine (einem Gemisch der Desoxynukleosid-Triphosphate dATP, dGTP, dCTP, dTTP) und dem Enzym Taq-Polymerase verlängert (Extension). Das Enzym Taq-Polymerase stammt aus einem Bakterium, das in heißen Quellen lebt. Aufgrund der Thermostabilität der Taq-Polymerase kann das Reaktionsgemisch auf 96° C erhitzt werden, um den neu synthetisierten DNA-Abschnitt von der Matrize zu lösen. So wird eine neue DNA-Synthese-Runde eröffnet, und jeder weitere PCRSchritt verdoppelt die Anzahl der DNA-Fragmente, wodurch die DNA-Menge exponentiell zunimmt. Nach etwa 30 bis 40 Zyklen stehen die Amplifikationsprodukte für eine Vielzahl analytischer und präparativer Verfahren zur Verfügung. Die Autoren: Prof. Thomas Brüning, Dr. Georg Johnen, Dipl.-Biol. Peter Rozynek BGFA Hochmodernes Werkzeug Abweichende Methylierungsmuster finden sich als frühe Veränderungen bei der Entstehung vieler Tumoren. Das PyBGFA-Info 02/2007 13