Selbst oder Nicht-Selbst – Pflanzliche Immunrezeptoren

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Pflanzenpathogene
Selbst oder Nicht-Selbst –
Pflanzliche Immunrezeptoren
SOPHIA MERSMANN, SUSANNE SALOMON, MADLEN VETTER, SILKE ROBATZEK
MAX-PL ANCK-INSTITUT FÜR ZÜCHTUNGSFORSCHUNG, KÖLN
Pflanzen erkennen Mikroorganismen anhand konservierter Strukturen,
was eine aktive Immunabwehr auslöst. Pathogene müssen dies umgehen,
doch Pflanzen können ihr Immunsystem anpassen, so kommt es zu einem
Wettrüsten zwischen Pflanze und Erreger.
Plants sense microorganisms and initiate immune responses. A continuous adaptation leads to an arms race between plants and pathogens.
ó Pflanzen müssen sich durch ihre sessile
Lebensform an unterschiedliche Bedingungen wie Sonneneinstrahlung, Temperatur, Trockenheit oder Mikroorganismen anpassen.
Sie schützen sich vor Krankheiten durch eine
frühzeitige Erkennung von potenziellen Erregern und eine effiziente Immunabwehr. Auf
einer ersten Ebene kann das pflanzliche
Immunsystem Mikroben global erkennen,
wodurch es aktiviert wird[1]. Auf einer zweiten Ebene erkennen bestimmte Pflanzenkultivare spezifisch einzelne mikrobielle Stämme – ein Phänomen, das auch als „Gen-fürGen-Resistenz“ bezeichnet wird[2]. Die erste
Ebene des Immunsystems läuft schnell ab
und führt zu einer aktiven Abwehr, die in der
Regel ohne Schaden der pflanzlichen Zellen
abläuft. Die zweite Ebene des pflanzlichen
Immunsystems bildet sich nach einigen Tagen
aus und umfasst einen lokalen Zelltod, der
die Erreger von einem weiteren Eindringen in
das Gewebe abhält. Neben diesen Zell-autonomen Abwehrsystemen haben Pflanzen
auch Strategien zur systemischen Immunität
entwickelt.
Selbst und Nicht-Selbst
Die Fähigkeit von Zellen mehrzelliger Organismen zur Unterscheidung zwischen Selbst
und Nicht-Selbst ist ein Schlüsselmerkmal
des angeborenen Immunsystems. Dieses Prinzip basiert auf genetisch determinierten Zelloberflächen-Rezeptoren, die potenzielle Erreger beim ersten Kontakt mit der Pflanze
erkennen. Sie detektieren ein breites SpekBIOspektrum | 06.08 | 14. Jahrgang
trum von Mikroorganismen anhand von
Pathogen-assoziierten molekularen Mustern
(PAMP)[1]. PAMPs sind hoch konserviert und
spielen eine essenzielle Rolle im Lebenszyklus eines Mikroorganismus.
Erkennung von bakteriellem Flagellin
Eine wichtige Klasse von tierischen MusterErkennungsrezeptoren stellen die Toll-ähnlichen Rezeptoren (TLR) dar. TLR5 ist verantwortlich für die Erkennung von Flagellin,
dem Hauptbestandteil der bakteriellen Geißel[3]. Auch Pflanzen erkennen Flagellin[4],
allerdings andere Epitope des Flagellins als
Tiere. Dies deutet darauf hin, dass Pflanzen
und Tiere unabhängig voneinander ähnliche
Strategien der Pathogenerkennung entwickelt
haben. In der Modellpflanze Arabidopsis thaliana erkennt der FLS2-Rezeptor eine hoch
konservierte Domäne des eubakteriellen Flagellin-Proteins (flg22)[5].
˘ Abb. 1: Flagellin-aktivierte Endozytose des
FLS2-Rezeptors. Der Fluoreszenz-markierte
Rezeptor (FLS2-GFP) ist an der Plasmamembran lokalisiert. Bei Aktivierung durch flg22
wird der FLS2-Rezeptor durch die Bildung und
Abschnürung von mobilen Vesikeln in die Zelle
aufgenommen und entlang von Zytoplasmasträngen in der Zelle transportiert (Pfeil).
Gezeigt ist eine Bildserie von optischen Schnitten epidermaler Blattzellen nach Zugabe von
flg22 (linke Reihe von oben nach unten, dann
rechte Reihe von oben nach unten).
Abwehrreaktionen von Pflanzen
Unmittelbar nach Perzeption von flg22 werden verschiedene Immunantworten ausgelöst: Ionenflüsse verändern sich, reaktive Sauerstoffspezies werden gebildet, Proteine phosphoryliert, signalgebende Kinasen aktiviert,
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konstitutiv zwischen Plasmamembran und
Endosomen rezyklieren[8]. Im Falle von FLS2
geht die Lokalisierung an der Plasmamembran verloren, wenn der Rezeptor durch flg22
aktiviert wird[9]. Der aktivierte FLS2-Rezeptor
akkumuliert in intrazellulären Vesikeln, was
im weiteren Verlauf zu seinem Abbau führt.
Die Dynamik der Internalisierung von
FLS2-GFP in Vesikel veranschaulicht Abbildung 1. Ähnlich den Befunden zu endosomal
lokalisiertem BRI1[8] weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass die Internalisierung
von FLS2 an der Signalweiterleitung beteiligt
ist. Die Endozytose von FLS2 könnte auch der
Aufhebung der Signalweiterleitung dienen.
Die Pflanzenzelle könnte sich so vor Selbstschädigung durch Abwehrreaktionen schützen und den transienten Verlauf der meisten
PAMP-induzierten Antworten gewährleisten
(Abb. 2).
Koevolution – Wettlauf um den
Vorteil
˚ Abb. 2: Modell zur FLS2-Signalweiterleitung. Nach Bindung von flg22 an den FLS2-Rezeptor
wird der Ko-Rezeptor BAK1 in einen aktiven Signalkomplex rekrutiert. In der Folge wird die Endozytose von FLS2 ausgelöst, welche zu einem Abbau von aktiviertem FLS2 führt. Vorstellbar ist,
dass der Prozess der Aktivierung von FLS2 bis hin zu dessen Abbau dem Verlauf flg22-induzierter
Antworten entspricht. Unmittelbar nach Stimulierung des Rezeptor-Komplexes (Initiierung) werden Abwehrreaktionen ausgelöst, die einem transienten Verlauf folgen und dabei einer Signalverstärkung (Amplifizierung), sowie Signalverminderung (Attenuierung) unterliegen.
die Expression von nahezu 1.000 Genen
erhöht, das Stresshormon Ethylen gebildet
und der Sekundärstoff Callose an der Zellperipherie eingelagert[4, 5]. Kürzlich wurde die
Rolle der flg22-Erkennung für den Schutz der
Pflanze vor bakteriellem Befall gezeigt[5]. So
zeigen Blätter von A. thaliana ohne funktionelles FLS2 eine erhöhte Anfälligkeit gegen
das phytopathogene Bakterium Pseudomonas
syringae pv. tomato DC3000 (PtoDC3000).
Phytopathogene Bakterien dringen häufig
über Spaltöffnungen der Blattoberfläche in
das Blattgewebe ein und besiedeln den Apoplasten[6]. Die Erkennung von flg22 führt zum
Verschluss der Spaltöffnungen, sodass keine
weiteren Erreger in das Blattgewebe eindringen können.
Der Flagellin-Rezeptor-Komplex
Viele Aspekte der Funktionsweise des FLS2Rezeptors sind noch unverstanden. Der
durch Bindung von flg22 aktivierte FLS2-
Rezeptor bildet einen Komplex mit dem KoRezeptor BAK1[7], wodurch das Immunsystem aktiviert wird. BAK1 ist ein Ko-Rezeptor
für multiple Liganden-bindende Rezeptoren
und kontrolliert deren aktive Signalweiterleitung[8]. Über die Deregulierung der FLS2Aktivität ist wenig bekannt. Allerdings
scheint die Kinase-assoziierte Proteinphosphatase (KAPP) eine Rolle dabei zu spielen.
Die Aktivität von Zelloberflächen-Rezeptoren wird aber auch über deren Relokalisierung in endosomale Kompartimente reguliert. Hier setzen unsere eigenen Studien an,
die zeigen, dass FLS2 in Abhängigkeit von
flg22 endozytiert wird[9].
Subzelluläre Dynamik von FLS2
Die Endozytose von membranständigen
Rezeptoren in Pflanzen wurde vor wenigen
Jahren beschrieben. Eine ligandenunabhängige Internalisierung von Rezeptoren wurde
für BRI1 und BAK1 nachgewiesen, welche
Phytopathogene Bakterien müssen die Erkennung ihrer PAMPs durch den Wirtsorganismus verhindern. Dazu können sie in
begrenztem Maße ihre PAMPs verändern oder
Moleküle sekretieren, die die PAMPs maskieren. Oft injizieren Pathogene mittels Typ3-Sekretionssystemen Effektoren in die Wirtszelle, die zu einer Unterdrückung der Immunabwehr führen. So injiziert der Stamm
PtoDC3000 das Effektorprotein AvrPto in die
Pflanzenzelle, wo es direkt den Muster-Erkennungsrezeptor FLS2 angreift und seine Aktivität hemmt[10]. Derselbe Stamm produziert
das Polyketid-Toxin Coronatin, das dem Pflanzenhormon Jasmonsäure ähnelt und zur Öffnung der durch PAMP-Perzeption geschlossenen Spaltöffnungen führt[6].
Mikroorganismen können sich schnell an
wechselnde Umweltbedingungen anpassen
und einen großen Selektionsdruck ausüben,
sodass Pflanzen ihre Immunabwehr kontinuierlich optimieren müssen. Dies führt zu
einer Art Wettrüsten[2], auch in der Evolution
der Muster-Erkennungsrezeptoren: Entweder
werden Innovation und größtmögliche Vielfalt
angestrebt oder eine spezielle Rezeptorvariante favorisiert[11]. So prägen sich effiziente
Mechanismen des pflanzlichen Immunsystems aus, die einen maximalen Fortpflanzungserfolg am Standort ermöglichen.
Danksagung
Unsere Arbeiten werden unterstützt durch
die IMPRS Doktorandenschule des MaxPlanck-Instituts für Züchtungsforschung
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(S. M. und S. S.) sowie durch die Deutsche
Forschungsgemeinschaft (M. V.).
ó
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143.
Korrespondenzadresse:
Dr. Silke Robatzek
Abteilung Molekulare Phytopathologie
Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung
Carl-von-Linné-Weg 10
D-50829 Köln
Tel.: 0221-5062-302
Fax: 0221-5062-353
[email protected]
AUTOREN
Die Arbeitsgruppe von Silke Robatzek erforscht
anhand des FLS2-Rezeptors die pflanzliche Immunabwehr. Dabei werden genetische, molekularbiologische, biochemische, zellbiologische
und evolutionsbiologische Ansätze verfolgt.
Von li. nach re.: Sophia Mersmann (Doktorandin), Thomas Spallek (Doktorand), Nicolas Frei
dit Frey (Postdoc), Vera Göhre (Postdoc), Silke
Robatzek (Gruppenleiterin), Petra Köchner (technische Assistentin), Susanne Salomon (Doktorandin), Heidrun Häweker (technische Assistentin), Madlen Vetter (assoziierte Doktorandin
der Gruppe Juliette de Meaux, MPIZ Köln).
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