BIOsp_SH:001_052_BIOsp_SH_2007_neu.qxd 34 10.08.2007 14:23 Uhr Seite 34 Z EL L A NALY TIK Endozytose Transportwege aufklären, Krankheiten verstehen JUTTA TATZEL UND MARINO ZERIAL MAX-PL ANCK-INSTITUT FÜR MOLEKUL ARE ZELLBIOLOGIE UND GENETIK, DRESDEN Die Endozytose ist ein fein abgestimmter zellulärer Prozess, der sowohl der Nahrungsaufnahme als auch der Signalweiterleitung dient. Wird dieser Prozess gestört, können Krankheiten entstehen. Neue Techniken eröffnen nicht nur Einblicke in die Regulation der Endozytose, sondern liefern auch Ansätze für die Bekämpfung von Krankheiten. ó Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte man die zentrale Bedeutung des zellulären Prozesses Endozytose (griechisch éndon: innen; kytos: Zelle) erkannt und dem Entdecker Ilja Mechnikow dafür 1908 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie verliehen. Die Endozytose ist ein fein abgestimmter zellulärer Prozess, der der Aufnahme von Makromolekülen und Flüssigkeiten, der Nahrungsaufnahme zur Aufrechterhaltung des Stoffwechsels und der Beseitigung von Pathogenen dient. Auch bei der Weiterleitung extra- zellulärer Signale (Wachstumsfaktoren) in die Zelle spielt die Endozytose eine erhebliche Rolle. Nach Bindung der Signalmoleküle an die Zelloberfläche stülpt sich die Zellmembran ein, umschließt die aufgenommene Ladung und bildet innerhalb der Zelle ein Vesikel, Endosom genannt. Über ein Netzwerk aus Straßen und Wegen, aus Aktinfilamenten und Mikrotubuli, transportieren Tausende dieser Vesikel ihre Ladung durch die Zelle. Der jeweilige Transportweg bestimmt, ob die Ladung abgebaut oder wiederverwer- tet oder wie das Signal interpretiert wird. Doch woher weiß die Zelle, welchen Weg die Ladung nehmen soll? Neue Werkzeuge für die Aufklärung der Endozytose Modernen Analysetechniken aus Proteomics, Lipidomics und Genomics ist es zu verdanken, dass das Wissen über die Endozytosemaschinerie wächst. Mit der RNA-Interferenz zum Beispiel lassen sich Regulatoren der Endozytose identifizieren. Neue quantitative Bildanalysetechniken machen endozytotische Mechanismen in einzelnen Zellen sichtbar, quantifizieren Moleküle auf der Endosomenmembran und veranschaulichen den Transport durch die endosomalen Kompartimente der Zelle. Auch die Forschritte in der Elektronen-Tomographie haben wesentlich zum Verständnis der Endozytose beigetragen. Des Weiteren geben In-vitro-Rekonstruktionssysteme Einblicke in die Funktionsweise der Endozytose, etwa in den Mechanismus der SNARE-vermittelten Membranfusion. Im Hochdurchsatzverfahren wird zudem die Wirkung chemischer Komponenten auf die Endozytosemaschinerie getestet, um so neue Ansätze für Therapien zu schaffen. Die Eintrittswege ˚ Die verschiedenen Wege der Endozytose. Die Aufnahmewege von Partikeln in die Zelle unterscheiden sich vor allem im Mechanismus der Vesikelbildung, der Art der Ladung und der Größe der endozytotischen Vesikel. Die Phagozytose dient der Aufnahme großer Nahrungspartikel und Zellen; große Flüssigkeitsmengen wiederum gelangen über die Makropinozytose ins Zellinnere und bei der Clathrin-vermittelten Endozytose treten vor allem rezeptorgebundene Moleküle in die Zelle ein. Die Vesikel der Caveolin-vermittelten Endozytose bilden sich an lipidreichen Inseln in der Zellmembran, den lipid rafts. Nur bestimmte Proteine werden über die Clathrin- oder Caveolin-unabhängige Endozytose aufgenommen. Die tubulär-vesikulären Vesikel (GEEC: GPI-anchored proteinenriched early endosomal compartment) BIOspektrum | Sonderheft zur Biotechnica 2007 | 13. Jahrgang BIOsp_SH:001_052_BIOsp_SH_2007_neu.qxd haben diesem Aufnahmechanismus den Namen „GEEC-Pathway“ eingebracht. Vor allem der GEEC-Pathway wirft noch etliche Fragen hinsichtlich der Regulation und Funktion auf. Unklar ist auch, ob es noch weitere Eintrittswege in die Zelle gibt. Die Regulatoren Eine Reihe von Molekülen reguliert die einzelnen Schritte der Endozytose wie Vesikelbildung, Annäherung der Vesikel, deren Fusion und Transport. Mitglieder der Familie der RabGTPasen regulieren die Biogenese von Endosomen, die aus den abgeschnürten Vesikeln entstehen. Sie geben den Endosomen Struktur und sind verantwortlich für deren unterschiedliche Funktionen. Clathrin, Adapterproteine und weitere Faktoren sind für die Bildung der Clathrin-umhüllten Vesikel wichtig. Die Clathrin-Hülle wird jedoch nach der Vesikelbildung wieder abgebaut. Das Protein Caveolin-1 umgibt die Vesikel der Caveolin-vermittelten Endozytose, zudem sind GTPasen an der Vesikelbildung beteiligt. Mitglieder der SNARE-Familie regulieren zusammen mit den RabGTPasen die Annäherung und Fusion von Vesikeln. Frühe und späte Endosomen Durch die Rekrutierung von Rab5 an die Vesikelmembran entstehen die so genannten frühen Endosomen. Der Übergang beziehungsweise der Wechsel der frühen in späte Endosomen, der mit dem Abbau der endosomalen Ladung einhergeht, ist gekennzeichnet durch den Verlust der Rab5GTPase und der Rekrutierung der Rab7GTPase. Aktinfilamente und Mikrotubuli des Zytoskeletts sind zudem am Transport der Vesikel durch die Zelle beteiligt. Eine Untersuchung mittels RNA-Interferenz zur Funktion von Kinasen in der Endozytose hat außerdem gezeigt, dass verschiedene Signalmoleküle wie Lipid- und Proteinkinasen sowohl die Clathrin- als auch die Caveolin-vermittelte Endozytose regulieren. 10.08.2007 14:23 Uhr Seite 35 brantransports beteiligt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass etliche Krankheiten auf eine defekte Expression von Membrantransportproteinen zurückzuführen sind. Störungen in der Endozytose findet man bei neurodegenerativen Krankheiten, Tumoren und Infektionen. So verursachen beispielsweise Mutationen in Genen der Rab-Familie die Charcot-Marie-ToothNeuropathie. Die Huntington-Krankheit wird mit einer Überexpression der Rab5-Maschinerie in Verbindung gebracht. Die Expression einer Reihe von RabGTPasen und Rab-Effektoren ist bei einigen Tumorerkrankungen verändert. Außerdem ist die Aktivität der Makropinozytose in Tumoren erhöht. Bakterien wie Mycobacterium tuberculosis nutzen die zelluläre Phagozytosemaschinerie, blockieren ihren Abbau und vermehren sich in den frühen Endosomen. Gerade für die Bekämpfung von Krankheiten ist es wichtig, die Endozytosemaschinerie und den Regulationsprozess zu verstehen. Vielversprechend hierfür sind vor allem Hochdurchsatzverfahren, die Regulatoren identifizieren und die Wirkung chemischer Komponenten auf die Endozytosemaschinerie testen. Daraus ergeben sich Ansätze für neue Therapien. Mit den Ergebnissen der quantitativen Analyse und den neu identifizierten Komponenten sollen mathematische Modelle erstellt werden, die Vorhersagen zur Endozytose unter verschiedenen physiologischen und pathologischen Bedingungen treffen. ó Korrespondenzadresse: Dr. Jutta Tatzel Projekt Manager Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik Pfotenhauerstraße 108 D-01307 Dresden Tel.: 0351-210-2004 Fax: 0351-210-1389 [email protected] www.mpi-cbg.de Endozytose-assoziierte Krankheiten Ersten Schätzungen zu Folge sind über zehn Prozent des menschlichen Genoms an der Regulation des MemBIOspektrum | Sonderheft zur Biotechnica 2007 | 13. Jahrgang