Mit STED die Logistik der Zelle erforschen

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Höchstauflösende Lichtmikroskopie
Mit STED die Logistik
der Zelle erforschen
ANJA SCHUÉ 1 , TANJEF SZELLAS 2
1 LEICA MICROSYSTEMS GMBH, WETZLAR
2 LEICA MICROSYSTEMS CMS GMBH, MANNHEIM
Die STED-Mikroskopie kann molekulare Prozesse und subzelluläre
Strukturen im intakten Gewebe sichtbar machen. Dies hilft der Wissenschaft, die molekularen Grundlagen der Signalübertragung in Nervenzellen sowie des intrazellulären Stofftransports und Sortiermechanismus besser zu verstehen.
STED microscopy can visualize molecular processes and subcellular
structures in intact tissue. This helps scientists to gain a better understanding of the molecular basis of signal transmission in neurons, the
cellular transport, and sorting process.
ó In den vergangenen 50 Jahren erzielte
die Wissenschaft dramatische Fortschritte
in ihren Versuchen, die Funktionsweise des
Gehirns auf molekularer Ebene zu verstehen. Ein Großteil der am Aufbau und an der
Signalübermittlung beteiligten Strukturen
ist außerordentlich klein, das heißt unter
200 nm. Dies begrenzt den Einsatz weitverbreiteter lichtmikroskopischer Methoden.
Wie Ernst Abbe bereits im 19. Jahrhundert
entdeckte [1], können solch kleine Strukturen mit einem „normalen“ Lichtmikroskop
nicht in ihre Details aufgelöst werden.
Schärferer Fokus dank Photophysik
Mit der Erfindung der STED(Stimulated
Emission Depletion)-Mikroskopie ist es nun
möglich, subzelluläre Strukturen deutlich
kleiner als 100 nm aufzulösen und somit
beispielsweise den Aufbau von Synapsen
oder die Bewegungen einzelner Vesikel, die
Stoffe innerhalb der Zelle transportieren
und freisetzen, direkt mit optischen Methoden zu studieren. STED-Erfinder Prof. Dr.
Stefan Hell, heute Direktor am Max-PlanckInstitut Göttingen, gelang ein genialer Trick,
um Fluoreszenzsignale noch genauer auszulesen [2, 3]. In Laboraufbauten konnte
Hell sogar schon in den 10 nm-Bereich vordringen [4]. Erste kommerzielle STED-Systeme (Abb. 1) werden eingesetzt um z. B.
die Signalübertragung in den Nervenzellen
zu erforschen.
˚ Abb. 1: Das Leica TCS STED wird von Leica Microsystems in Exklusivlizenz hergestellt.
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MET H ODE N & AN WE N DU NGEN
A
B
C
¯ Abb. 2: Die Bilder
zeigen verschiedene
Bereiche in Axonen
von Neuronen in Zellkultur. Die Zellen
stammen aus dem
Hippocampus der
Ratte (Rattus norvegicus). Das synaptische
Protein Synaptotagmin 1 wurde mit
einem primären
monoklonalen MausAntikörper und dann
mit einem sekundären Antikörper markiert, der den Fluoreszenzfarbstoff trägt
(Atto 647N). Im
STED-Modus (jeweils
rechts) sind die synaptischen Vesikel
deutlich als einzelne
Punkte zu erkennen,
im Gegensatz zum
Konfokalmodus (Bilder: Dr. Silvio Rizzoli,
European Neuroscience Institute
(ENI), Göttingen).
¯ Abb. 3: Beim zellulären Stofftransport werden Substanzen, die über Vesikel in die Zelle
gelangen, in den frühen Endosomen sortiert
und dann über neue Vesikel weitertransportiert. Mit der STED-Mikroskopie konnte dieser
Schritt in vivo und in vitro visualisiert werden.
A, links: in vivo-Zellen mit markierten Endosomen (Atto647N-markiertes, in Endosomen
gebundenes Transferrin). Rechts: Nach fünf
Minuten haben sich von den größeren Endosomen viele kleine Vesikel abgelöst. B, links: isolierte, inaktive Endosomen auf Eis. Rechts: Bei
37 °C ist auch bei in vitro-Endosomen das
Ergebnis des Sortierprozesses erkennbar. Maßstabsbalken: 1 μm (aus [11]).
Vesikel im Videoclip
Dr. Silvio Rizzoli, der als Nachwuchsgruppenleiter am European Neuroscience Institute, Göttingen, arbeitet und auch dem Exzellenzcluster Mikroskopie im Nanobereich am
DFG-Forschungszentrum Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB) angehört, nutzt die
STED-Technologie für seine neurowissenschaftliche Forschung. Sein Interesse gilt den
Vesikeln, die an der Signalübertragung beteiligt sind. Sie treten meist in Gruppen von 100
bis 300 auf, gehören aber mit 40 bis 50 nm zu
den kleinsten Organellen der Nervenzelle [5].
In Abbildung 2 ist der Auflösungsgewinn bei
STED gegenüber der herkömmlichen Konfokaltechnik deutlich erkennbar. Mithilfe
der höchstauflösenden Mikroskopie lassen
sich einzelne Vesikel unterscheiden. Vergleichbare Auflösungen erreichen sonst nur
Elektronenmikroskope, doch damit können
keine lebenden Proben untersucht werden.
Im Gegensatz zu anderen Höchstauflösungsmethoden ermöglicht die STED-Mikroskopie
auch die Verfolgung schneller, dynamischer
Prozesse. So können kleinere Areale mit
Aufnahmegeschwindigkeiten von mehr als
15 Bildern pro Sekunde untersucht werden.
In Laboraufbauten wurden sogar schon
Raten von bis zu 30 Bildern pro Sekunde
erzielt.
Rizzoli und sein Team konnten die Belichtungszeit für einzelne Aufnahmen so drastisch verkürzen, dass sie Bewegungsvorgänge einzelner Vesikel mit einer Rate von 28
Bildern pro Sekunde in Echtzeit einfingen [6].
Zum ersten Mal verfolgten Wissenschaftler
live, wie sich die mit Neurotransmittern
gefüllten Vesikel über die gesamte Länge der
Nervenendigungen bewegen, wie sie zwischendurch an Zellstrukturen binden und
sich wieder davon lösen.
Bisher war man davon ausgegangen, dass
sich Vesikel nur wenig bewegen. Aber das
Gegenteil ist der Fall. Sie bewegen sich ständig, sehr schnell und wie zufällig hin und
her. Dies war für die Forscher eine große
Überraschung, denn die Signalübertragung
ist ein hochkomplexer, kontrollierter Prozess. Auch die Erkenntnisse über den Prozess des Vesikel-Recyclings an der Zellmembran haben sich mithilfe von STED
grundlegend verändert. Die Göttinger Forscher konnten beispielsweise zeigen, dass
Vesikelmoleküle nach Verschmelzen mit der
Zellmembran wie ein Öltröpfchen in Wasser
zusammenhängen – was das Recycling der
Vesikel erleichtert.
Die Sortiermaschine der Zelle
Vesikel und ihre größeren Geschwister, die
Endosomen, spielen in jeder Zelle eine zentrale Rolle beim Stofftransport in die Zelle
hinein und aus der Zelle heraus. Wie Substanzen – über die Endozytose und das
Abschnüren von Vesikeln aus der Zellmembran – in die Zelle gelangen, ist bereits
bekannt. Auch das Andocken der Vesikel an
frühe Endosomen und die anschließende
Fusion beider sind erforscht. Noch weitgehend ungeklärt ist der Prozess, wie die
gemischte Fracht der Vesikel im frühen Endosom sortiert wird und einzelne Substanzen
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in neuen Vesikeln zum Weitertransport
abgelöst werden. Hierbei vollbringt die Zelle eine gewaltige logistische Leistung.
Endosomen sind mit etwa 200 nm über
konventionelle Lichtmikroskope zwar noch
zu sehen, aber nicht mehr das Abschnüren
neuer Vesikel. Mit STED konnte Rizzoli diesen Schritt des zellulären Sortiermechanismus sowohl in vivo also auch in vitro
visualisieren (Abb. 3). Außerdem gelang
es Rizzolis Arbeitsgruppe mit STED, diesen Sortiermechanismus noch genauer zu
untersuchen, indem sie die beiden fluoreszenzmarkierten Proteine Transferrin und
LDL (low density protein) auf ihrem Weg
durch die Zelle beobachteten. Transferrin
ist ein bekanntes Transportprotein zur Aufnahme von Eisen aus der Nahrung, das von
frühen Endosomen aus wieder an die Zellmembran recycelt wird. LDL ist ein Cholesterin-haltiger Lipoproteinkomplex aus
der Nahrung, der zur Energiegewinnung
abgebaut wird. Über diese Vorgehensweise
war es möglich, beide Transportwege zu
beobachten. Um Moleküle zu identifizieren, die das Sortieren im frühen Endosom
und das nachfolgende Ablösen der Vesikel
steuern, wurden zunächst zwei Proteine
blockiert, die aus den Andock- und Fusionsprozessen bekannt sind: EEA1 (early endosome autoantigen 1) und NSF (N-ethylmaleimide sensitive factor). Die Experimente
brachten Überraschendes zutage. Sind diese Faktoren ausgeschaltet, funktioniert
auch das Sortieren und anschließende Ablösen der Vesikel nicht mehr. EEA1 und NSF
können anscheinend mehrere Aufgaben
übernehmen. Damit entdeckten Rizzoli und
sein Team eine bisher unbekannte Verbindung zwischen unterschiedlichen Prozessschritten im zellulären Stofftransport.
Potenzial für die Lichtmikroskopie
Über Jahrzehnte hat sich an den Grenzen
der Lichtmikroskopie wenig getan [7]. Mit
der Entwicklung höchstauflösender Methoden wie STED, aber auch lokalisationsbasierter Techniken wie PALM (photo-activated localization microscopy) [8] oder STORM
(stochastic optical reconstruction microscopy) [9] haben sich für die Biowissenschaften ganz neue Möglichkeiten ergeben.
Ein Endpunkt der Weiterentwicklung der
höchstauflösenden Lichtmikroskopie ist
noch lange nicht abzusehen. Dabei sind
Wissenschaftler zunehmend bestrebt, mit
höchster räumlicher Auflösung dynamische
Prozesse sichtbar zu machen, ohne hierfür
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Optikexperten werden zu müssen. Diese
Anforderung wird auch die Entwicklung
neuer Mikroskopieverfahren und -systeme
bestimmen. Doch eines ist inzwischen
schon sehr deutlich geworden: Die höchstauflösende Mikroskopie bringt die Wissenschaft dem von „Neuro-Papst“ Eric Kandel formulierten Ziel („last frontier“) ein
gutes Stück näher, nämlich die biologischmolekulare Grundlage des Bewusstseins,
der Denkprozesse und Lernprozesse im
Gehirn vollständig zu verstehen [10]. ó
Literatur
[1] Abbe E (1873) Beiträge zur Theorie des Mikroskops
und der mikroskopischen Wahrnehmung. Arch Mikrosk
Anat 9:413–420
[2] Hell SW, Wichmann J (1994) Breaking the diffraction
resolution limit by stimulated emission. Opt Lett 19:780–
782
[3] Hell SW, Willing KI, Westphal V (2006)
Fluoreszenzmikroskopie ohne Beugungsgrenze.
BIOspektrum 5:492–494
[4] Rittweger E, Han KY, Irvine SE et al. (2009) STED
microscopy reveals crystal colour centres with nanometric
resolution. Nature Photonics 3:144–147
[5] Willig KI, Rizzoli SO, Westphal V et al. (2006) STED
microscopy reveals that synaptotagmin remains clustered
after synaptic vesicle exocytosis. Nature 440:935–939
[6] Westphal V, Rizzoli SO, Lauterbach MA et al. (2008)
Video-rate far-field optical nanoscopy dissects synaptic
vesicle movement. Science 320:246–249
[7] Hell SW (2007) Far-field optical nanoscopy. Science
316:1153–1158
[8] Betzig E, Patterson GH, Sougrat R et al. (2006)
Imaging intracellular fluorescent proteins at nanometer
resolution. Science 313:1642–1645
[9] Rust MJ, Bates M, Zhuang X (2006) Sub-diffractionlimit imaging by stochastic optical reconstruction microscopy (STORM). Nat Methods 3:793–795
[10] Kandel ER, Schwartz JH, Jessell TM (2000) Principles
of Neural Science. Mcgraw-Hill Professional, Dubuque,
USA.
[11] Barysch SV, Aggarwal S, Jahn R et al. (2009) Sorting
in early endosomes reveals connections to docking- and
fusion-associated factors. PNAS 106:9697–9702
Korrespondenzadressen:
Anja Schué
Leica Microsystems GmbH
Ernst-Leitz-Straße 17–37
D-35578 Wetzlar
Tel.: 06641-29-2201
Fax: 06641-29-2527
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Dr. Tanjef Szellas
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