237 PETROLOGISCHE UNTERSUCHUNG EINES RÖMISCHEN MAHLSTEINFRAGMENTES AUS ZWINGENDORF, NIEDERÖSTERREICH Erich Draganits Beschreibung Flachseite des Stücks ist relativ gerade und eben , zeigt aber Unter der Fundnununer Zw 87/96 si nd mehrere Ge- keine auffilligen Bearbeitun gsspuren, die zweite Flachseite steinsbruchstü cke aus identischem M aterial zusarnmen- ist leicht konkav und deutlich glatter als di e übrigen Flächen gefaßt. M akroskopisch handelt es sich dabei um einen mit- und läßt einige kleine abgeschliffene Stellen erkennen. Zu- telgra uen, relativ wenig alteri erten Vulkanit mit hellgrauer sätzlich find en sich fleckenhaft auftretende schwarze Verun- Verwitterun gsfarb e. Das Gestein weist bis 3 mm groß e Pla- reinigunge n, di e makroskopisch nicht auflösbar sind. ' gioklas Phenoleristen auf sowie zahlreiche, oblate, unregel- Im Dünnschliff (Abb. 1, 2) zeigt sich eine hypokristalline mäßige Vesikel (Gasblasen). Das größte, erhaltene Fragment Ausbildung des Vulkanites. Idiomorphe bis hypidiomorphe, unter diesen Gesteinsbruchstücken zeigt unregelmäßig ge- manchmal zo nierte Plagioklase befinden sich in einer M atrix brochene Schmalseiten; die beiden Flachseiten , die normal aus kleinen Plagioklas Leisten und hell- bis mütelbraunem zur Orientierung der Längsachse der Vesikel ausgerichtet Glas. Die Plagioklas Phenokristen haben häufig Glasein- sind, bieten Hinweise auf intentioneile Bearbeitung. Eine schlüsse. Pyroxen ist sehr selten , dort, wo er auftritt, ist er Abb. 1: Dünnschliffbilder von den untersuchten Mahlstein- Abb . 2: In der Vergrößerung sind die winzigen Plagioklas- fragmenten im Lichtmikroskop. Die porphyrische Gesteins- leisten in der M atrix zu erkennen; die Vesikelränder zeigen struktu r zeigt große, manchmal zoni erte Plagioklase (PI) und R eakti onssä ume, die im Lichtmikroskop nicht aufzulösen Überreste von sehr stark umgewandelten Pyroxenen (Px) in sind. M aßstab entspricht 0,25 mm. einer M atrix (M ) aus w inzigen Plagioklasen und Glas. Im rechten, unteren Bildrand ist ein Vesikel (V, Gasblase) teilweise zu sehen. Maßstab entspricht 1 rnm. 238 Die ur- und frühgeschichtliche Fundstelle von Zwingendoif, Niederösterreich sehr stark umgewandelt. Er zeigt gerade Auslöschung und Obwohl Vulkanite in Mitteleuropa relativ weit verbreitet einen schwachen Pleochroismus von blaß grau bis blaß hell- sind, läßt sich der Ursprung des Rohmaterials etwas ein- braun. Die Vesikel zeigen randliehe dunkle Überzüge, die grenzen. Der modale Mineralbestand bei der Probe aus wegen ihrer Feinkörnigkeit im Lichtmikroskop nicht auf- Zwingendorf deutet auf einen Vulkanit mit andesitisch- lösbar sind. dazitischer Zusammensetzung hin (LEMAITRE 1989), eine Interpretation gesteinsanalyse allerdings nicht möglich. Es handelt sich also exakte Gesteinsansprache ist ohne chemische GesamtDie Form der Vulkanitbruchstücke mit jeweils einer um ein stark differenziertes, saures vulkanisches Gestein, das leicht konkaven, relativ ebenen Flachseite mit Schleifspuren sehr häufig in Subduktionszonen zu finden ist. Vergleich- bietet Hinweise ftir eine Interpretation dieser Gesteine als bare andesitisch-dazitische Vulkanite in der Art von Zw 87 I Fragmente von Mahlsteinen. Vulkanite mit relativ hohem 96 finden sich in den ungarischen Karpaten, Mittel- und Anteil an Vesikel haben bei einer längeren Verwendung als Süditalien und in geringen Mengen im Grazer Becken2 Mahlsteine den Vorteil, daß sie auch bei starkem Abrieb Diese drei Gebiete stellen die wahrscheinlichsten Her- eine relativ hohe Rauhigkeit beibehalten und so ein länger- kunftsgebiete des Rohmaterials für die Mahlsteine aus fristiges, effektives Mahlen ermöglichen. Zwingendorf dar. Die Tatsache, daß der Vulkanit nur wenig In der unmittelbaren Umgebung des Fundortes kommen alteriert ist, könnte ein Hinweis auf eine Herkunft aus dem keine vulkanischen Gesteine vor, deshalb stellt sich die auch im Quartär noch aktiven mittel- und süditalienischen Frage nach der Herkunft der Mühlsteinfragmente . Nach Vulkangebiet sein, muß aber nicht. Eine genauere Eingren- WrLLIAMS-THORPE (1988) wurden in römischer Zeit Mühl- zung ist nur mit zeit- und kostenintensiven Altersbestim- steine zum Teil über mehrere hundert Kilometer transpor- mungen und chemischen Analysen möglich. tiert. Beispielsweise wurden bei einer archäologischen Ausgrabung in Wien, beim Bau der Parkgarage auf der Freyung, Literatur aus Süditalien stammende Leucit-Tephrite in römischen EMBEY-lsznN, A. & KuRAT, G. 1996: Young alkali basalt Abfallgruben gefunden 1 volcanism from the Graz Basin to the Eastern Carpathians. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß das Gestein fluviatil In: DuDICH, E. & LOBITZER, H. (Hrsg.): Advances in nach Zwingendorf gelangte, dafür ist das Gestein zu frisch Austrian-Hungarian Joint Geological Research. Occasional und durch die große Zahl an Vesikeln, würde das Gestein Papers Geol. Inst. Hung, 189, 159-175. keinen längeren fluviatilen Transport überstehen. Die nur HENNINGSEN, D. & KATZUNG, G. 1992: Einführung in die geringen Alterationserscheinungen deuten auf ein relativ Geologie Deutschlands. Enke (Stuttgart) , 228p. niedriges Alter des Vulkanites hin, ein tertiäres bis quartäres LEMAITRE, R .W. 1989: A classification of igneous rocks and Alter ist sehr wahrscheinlich. Wichtige Vorkommen mit glossary of terms. Blackwell (Oxford), 193p. tertiären Vulkaniten in Mitteleuropa sind Chaine Des Puys, PECSKAY, Z., LExA, J., SzAKACS, A ., BALOGH, K. , SEGHEDI, Oberrhein-Graben, Hunsruck, Taunus, Eifel, Westerwald, I., KüNECNY, V. , KüVACS, M. , MARTON, E., KALICIAK, M ., Hessische Senke, Rhön, Eger-Graben, Duppauer Gebirge, SzEKY-Fux, V., PoKA, T., GYARMATI, P., EDELSTEIN, 0., Böhmisches Mittelgebirge, Mittelburgenland, Grazer Bek- Rosu, E. & ZEc, B. 1995: Space and time distribution of ken, Plattensee, Karpaten , Colli Euganei, mittel- und süd- Neogene-Quaternary volcanism in the Carpatho-Panno- italienische Vulkangebiete, kleine Gebiete am Balkan sowie nian Region. Acta Vulcanologica, 7/2, 15-28. einige griechische Inseln (PICHLER 1970, HENNINGSEN & PrcHLER, H. 1970: Italienische Vulkan-Gebiete I. Gebrüder KATZUNG 1992, PECSKAY et al. 1995, EMBEY-lSZTIN & Ku- Bornträger (Berlin-Stuttgart), 258p . RAT 1996). Der Vulkanismus im. Quartär konzentriert sich WILLIAMS-THORPE, 0. 1988: Provenancing and archaeolo- auf die Chaine Des Puys, Olot Vulkanfeld, westliche Eifel, gy ofRoman millstones from the Mediterranean area. Jour- Eger-Graben, Mittel- und Süditalien und Griechenland. nal of Archaeological Science. 15 /3, 253-305. Abbildungsnachweis: Abb. 1, 2: Erich Draganits 1 Freundliche mündliche Mitteilung F. Koller 1999. 2 Freundliche mündliche Mitteilung F. Koller und T. Ntaflos 1999.