IA60_206.qxp 07.08.2007 16:51 Seite 2 38 REGIONSHAUS HANNOVER: FENSTER ZUR REGION Fotos: Andreas Braun/Bilfinger Berger Das neue Regionshaus Hannover entstand als Public Private Partnership Projekt (PPP). Als Planungsvorgabe wurden, neben dem Zwang kostengünstig zu bauen, auch Grenzwerte für den Jahres-Primärenergieverbrauch festgesetzt. Lageplan I ENERGIEDESIGN SEITE 40 Innenhof IA60_206.qxp 07.08.2007 16:51 Seite 3 Die Region Hannover hat im Stadtzentrum der Landeshauptstadt ein neues Bürogebäude für 300 Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung errichtet. Im Rahmen eines Public Private Partnerships wurde das Gebäude an der Hildesheimerstraße 20 in den Jahren 2005–2007 errichtet und im Frühjahr dieses Jahres fertig gestellt. Als Vorgabe für das Gebäude wurden neben einem engen finanziellen Rahmen auch Grenzwerte für den Jahres-Primärenergiebedarf festgesetzt, die die Anforderungen des Programms Energieoptimiertes Bauen des Bundeswirtschaftsministeriums erfüllen. Das Grundstück liegt zentral in einem baulichen Umfeld geprägt durch die turmartige Stadtbibliothek – einem Baudenkmal des Expressionismus – und Gebäuden der 1950er-Jahre. Der Neubau ergänzt den Gebäudebestand an der Hildesheimer Straße um einen sechsgeschossigen Winkel mit Zellenbüros und einen eingeschossigen Kubus mit dem Saal der Regionsversammlung. Dieser scheint im Erdgeschoss durch den Winkel gesteckt und reicht bis unmittelbar an den öffentlichen Fußweg. So entsteht aus Alt und Neu und der unterschiedlichen Höhen- und Tiefenstaffelung der einzelnen Bauteile ein harmonischer Vierklang. Die Materialien und die Farbgebung lehnen sich an den Bestand an. Die Grundfarbe der klar gegliederten Fassade bildet der portugiesische Kalkstein „Mocca Creme” im wilden Verband mit geschlossenen Fugen. Dieser kontrastiert mit Brüstungseinsätzen aus anthrazitfarbenem Granit, welche die Fassadenöffnungen optisch vergrößern. Der exponierte Baukörper des Saals mit einer Verkleidung aus großformatigen, vorpatinierten Kupferpaneelen, welche sich im Innern fortsetzt, entspricht in Farbigkeit, Material und Lage seiner Bedeutung als Sitz der Regionsversammlung. Mit großer Transparenz der Fassade entsteht das „Fenster zur Region”; dem Betrachter eröffnet sich dabei der Blick von der Straße durch das ganze Gebäude bis in den Innenhof. Der Erweiterungsbau greift in seiner Grundrisskonfiguration das vorhandene Prinzip der Hofbildung auf und erzeugt mit bestehenden Bauteilen einen weiteren Innenhof. Die Vorflächen an der Hildesheimer Straße inszenieren einen fließenden Übergang vom öffentlichen zum halböffentlichen Raum mittels kulissenartiger Schichtungen verschiedener Oberflächen, Heckenstreifen und Stauden. Im Innenhof dominiert die ruhige Form einer geneigten grünen Ebene, die von einer geschnittenen Hecke gerahmt wird. Hier konnte eine mächtige Platane erhalten werden und steht nun im Kontrast zu filigranen Robinien mit hellem Blattwerk. Aus Kostengründen wurde auf eine Unterkellerung und eine Tiefgarage verzichtet. Trotzdem sind die Vorflächen und der Innenhof frei von Parkplätzen. Der ruhende Verkehr mit über 140 Stellplätzen konnte im rückwärtigen Bereich des Grundstücks gebündelt werden. Von der Saalwand begleitet betritt der Besucher das Foyer, den zentralen Dreh- und Angelpunkt aller Funktionen im großzügigen Zwischenraum von Saalbau und Büroriegel. Von hier aus gelangt man zur Rechten, am geschwungenen Empfangstresen entlang, über das zentrale Treppenhaus im Schnittpunkt der Gebäudeflügel zu den Fachbereichen in den Obergeschossen. Oder man erreicht zur Linken den unmittelbar angrenzenden Saalbau, der dreifach teilbar Platz für bis zu 540 Personen bietet. Ob Bezug zur Öffentlichkeit, inszenierter Blick zum Haupteingang oder introvertierte Ausrichtung auf den ruhigen Innenhof: die Anordnung und Teilbarkeit des Saals ermöglicht einen maximalen Tageslichtbezug bei gleichzeitiger Ausbildung unterschiedlicher Charaktere der Teilsäle. In den Obergeschossen finden 191 Zellenbüros für jeweils zwei Mitarbeiter Platz, welche energieeffizient und mit hohem Nutzerkomfort ausgestattet sind. Dazu gehören ein in den Fensterzwischenraum integrierter Sonnen- und Blendschutz mit Tageslichtlenkung, schallabsorbierende Deckenfelder, die präsenz- und helligkeitsgesteuerte Beleuchtung mit Direkt- und Indirektanteil, eine Stromlosschaltung der Steckdosen sowie eine Betonkernaktivierung zur Raumkühlung. Im Zusammenspiel aller Maßnahmen erreicht das Gebäude eine Unterschreitung der gesetzlichen Anforderungen an die Energieeffizienz von rund 50%. Christian Rathmann, Architekten Bünemann & Collegen Bauherr Region Hannover Architekten Bünemann + Collegen GmbH, Hannover Bauausführung Generalunternehmer Bilfinger Berger AG Zweigniederlassung Hochbau Hannover Beratung Energie für die Region Hannover energydesign braunschweig GmbH Dipl.-Ing. Architekt Stefan Plesser IA60_206.qxp 07.08.2007 16:51 Seite 4 Fotos: Andreas Braun/Bilfinger Berger 40 Eingangsbereich und Saal Energiekonzept Sommer/Winter ENERGIEOPTIMIERTES BAUEN IN PUBLIC PRIVATE PARTNERSHIP (PPP) Mit dem Neuen Regionshaus Hannover wurde in Deutschland zum ersten Mal der Standard „Energieoptimiertes Bauen” des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie – kurz EnOB-Standard –- in einem PPP-Verfahren umgesetzt. Ziel war ein Primärenergiebedarf von weniger als 100 kWhPE/(m²NGFa) und gleichzeitig geringere Kosten als bei einer konventionellen Erstellung. Die Kombination aus hohen ökologischen Ansprüchen und engen finanziellen Rahmenbedingungen ist außergewöhnlich. Um dieses Ziel zu erreichen, hat energydesign braunschweig als Berater der Region Hannover eine sogenannte Funktionale Leistungsbeschreibung entwickelt, die neben allen anderen Anforderungen auch die energetischen Ziele definierte. Von besonderer Bedeutung war die Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit aller Maßnahmen, um ein erfolgreiches Wettbewerbsverfahren sicherzustellen. Während Wettbewerb, Planung, Errichtung und Inbetriebnahme wurde durch eine kontinuierliche Qualitätssicherung gewährleistet, dass die Zielwerte in der Praxis tatsächlich erreicht werden. Es entstand ein Gebäude, das ohne Mehrkosten gegenüber konventionellen Gebäuden rund 50 Prozent weniger Energie benötigt. ENERGIEDESIGN Um die energetischen Zielsetzungen des EnOB-Standards und den Wunsch des Bauherrn nach einem „einfachen” Gebäude zu erfüllen, haben die Planer eine hochwertige Gebäudehülle und ein schlankes Technikkonzept entwickelt. Wesentliche Aspekte des Konzepts sind: Gebäudehülle: - Hoch wärmegedämmte Fassaden - Fensteranteil rund 30 % - Wärmeschutzverglasung und hochwertige Holzrahmen (UW = 1,2 W/(m²K)) - Luftdichte Fassade (n50 = 0,4 1/h) - Fensterintegrierter Sonnen- und Blendschutz Energieversorgung - Anschluss an die bestehende Fernwärmeversorgung - Kälteversorgung über 12 Erdsonden á 70 m Tiefe (Kältemaschine nur als Redundanz) - Netzstrom - Hocheffiziente Pumpen für die Warm- und Kaltwasser verteilung im Gebäude Büros - Individuell regelbare Heizung IA60_206.qxp 07.08.2007 16:51 Seite 5 ENERGIEDESIGN I 41 IGS zum EnergieDesign des Regionshauses in Hannover Bürokonzept - Deckenintegrierte Kühlung (Betonkernaktivierung) - Tageslichtlenkung - Direkt/Indirekt wirkende Rasterspiegelleuchten mit Bewegungs- und Helligkeitssensoren - Akustikpaneele an den Decken. Das Gebäude verfügt über eine zentrale Leittechnik, die Heizung, Lüftung und Kühlung steuert. Darüber hinaus werden die Nutzer durch ein gezieltes Informationskonzept mit den Funktionen des Gebäudes vertraut gemacht und auf die Möglichkeiten hingewiesen, Energieeffizienz und Komfort selbst zu beeinflussen. Außerdem wird ein intranet-basiertes Service-Portal für die Nutzer eingerichtet, über das alle Wünsche und Beschwerden der Nutzer zentral erfasst werden können. Fakten zum Neuen Regionshaus: Massive Stahl-Beton-Konstruktion Erdgeschoss + 5 Obergeschosse nicht unterkellert Arbeitsplätze: 300 Bruttogrundfläche: 8.441 m² Nettogrundfläche: 7.222 m² Hauptnutzfläche: 3.599 m² Bruttorauminhalt: 28.911 m³ Kompaktheit (A/V-Verhältnis): 0,30 1/m Luftdichtheit (n50-Wert): 0,4 1/h Energiekennwerte bezogen auf NGF: Jahres-Primärenergiebedarf: 93,0 kWh/(m²a) Jahres-Heizwärmebedarf: 46,0 kWh/(m²a) FORSCHUNGSPROJEKT Um zu überprüfen, ob diese Ziele in der Betriebspraxis tatsächlich erreicht werden, führt das IGS - Institut für Gebäude- und Solartechnik an der TU Braunschweig ein Forschungsprojekt zum Neuen Regionshaus im Rahmen des oben genannten Programms EnOB - Energieoptimiertes Bauen durch. In den ersten zwei Betriebsjahren werden die Energieverbräuche und zahlreiche Systemparameter der Heizung, Kühlung, Lüftung und Beleuchtung, ausgewertet und der Betrieb optimiert. Außerdem werden Komfortmessungen sowie Nutzerbefragungen durchgeführt, um zu analysieren, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Gebäude annehmen. Das Forschungsprojekt zum Neuen Regionshaus Hannover wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie unter dem Förderkennzeichen 0335007X sowie durch proKlima - Der enercity-Fonds gefördert. Das IGS bearbeitet das Demonstrationsprojekt im Forschungsschwerpunkt Energieoptimiertes Bauen des Bundeswirtschaftsministeriums. Stefan Plesser Partner im Forschungsprojekt Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Scharnhorsterstr. 34-37, 10115 Berlin proKlima Glockseestr. 33 30160 Hannover CommerzLeasing und Immobilien AG Mercedesstr. 6 40470 Düsseldorf IGS - Institut für Gebäude- und Solartechnik Universitätsprofessor Dr.-Ing. M. Norbert Fisch Projektleiter: Dipl.-Ing. Architekt Stefan Plesser Mühlenpfordtstraße 23 38106 Braunschweig Universitätsprofessor Dr. Volker Linneweber Präsident der Universität des Saarlandes Campus Saarbrücken Gebäude A2 3 66123 Saarbrücken VBD - VBD Beratungsgesellschaft für Behörden Thomas Schubert Invalidenstraße 34 10115 Berlin Infos zum Neuen Regionshaus Hannover finden Sie auch unter: www.igs.bau.tu-bs.de www.energydesignbs.de www.enob.info