Interviewfragen an BMWi - Cleaner Production Germany

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Gebäude der Zukunft: Anlagentechnische Innovation und neue Architektursprache
„Eine Kultur des Wissens sollte die weitverbreitete Skepsis gegenüber den Lösungsansätzen für energieoptimiertes Bauen ablösen“
Interview mit Frau Dr. Rodoula Tryfonidou, Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), Referat für Energieforschung, zu Forschung und
Entwicklung neuer Effizienztechnologien und der Förderung von Demonstrationsvorhaben im Gebäudebereich
Wie engagiert sich das Bundeswirtschaftsministerium im
Bereich „Energieoptimiertes Bauen“?
Die Förderung von Forschung und Entwicklung neuer Effizienztechnologien sowie Demonstrationsvorhaben im Gebäudebereich
wird seit Mitte der 90er Jahre durch das BMWi betreut. Die Zusammenführung der Förderlinien für Neubau (SolarBau) und
Altbau (EnSan) im Förderkonzept „Energieoptimiertes Bauen
(EnOB)“ erfolgte im Jahr 2006. Damit rundet das Förderkonzept
die Energieforschung des BMWi im Bereich der Effizienztechnologien ab, die sich somit über die gesamt Umwandlungskette –
von der Erzeugung bis zum Endverbrauch – erstreckt. Die systemische Gesamtverantwortung in einem Ressort wurde immer
als sinnvoll angesehen und ist dies umso mehr in jüngster Zeit.
Was wird gefördert? Gibt es aktuelle Änderungen?
Das Förderkonzept wurde im Zuge der Energiewende und des 6.
Energieforschungsprogramms im September 2012 grundlegend
überarbeitet. Nach wie vor steht FuE für neuartige Technologien
zur Steigerung der Energieeffizienz an erster Stelle.
EnOB-Demonstrationsvorhaben sind in der Regel forschungsintensive Projekte zur messtechnischen Bestätigung neuartiger
Technologien und zur Optimierung komplexer anlagentechnischer Prozesse.
Die Bezüge zu übergeordneten Strukturen wie Städten und Wärmenetzen werden dabei berücksichtigt. Die gebundene Energie
stellt im Bauwesen eine beträchtliche Komponente in der Gesamtbilanz dar. Daher bildet stärker noch als vor der Energiewende die Lebenszyklusbilanzierung einen Schwerpunkt in
EnOB.
Wie ist die Resonanz auf das Förderprogramm?
Das Förderkonzept hat mit der Zusammenführung der Aktivitäten im Jahr 2006 deutlich an Gewicht und Bedeutung in der
Fachwelt hinzugewonnen. Ein Beleg dafür sind die nationalen
und internationalen Besucherzahlen auf www.enob.info.
Screenshot: www.enob.info
Welche Ergebnisse konnten bisher erzielt werden?
Die Energiewende basiert im Wesentlichen auf einem Umbau der
Energiewirtschaft, die dem so genannten Endverbrauchssektor
neue Funktionalitäten – sei es als Energieversorger oder als
Puffer im systemischen Zusammenhang – zuweist. Hierzu hat
EnOB grundlegende Beiträge vorbereitet. Die Arbeiten zur Bilanzierung von Null-Energie-Gebäuden und die Validierung energetischer Kennwerte für Gebäudetypen sind hier ebenso als Erfolge
zu bezeichnen, wie der deutsche Sieg beim Solar Decathlon 2007
in Washington der maßgeblich aus EnOB gefördert wurde.
Gibt es Unterschiede zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Gebäuden?
Der größte Unterschied liegt aufgrund mangelhafter Instandhaltung im Zustand der technischen Anlagen und der Bausubstanz.
Diesen Umstand nahm der Schwerpunkt Energieeffiziente Schule
2006 zum Gegenstand, grundlegende Sanierungskonzepte als
Hilfestellung für das öffentliche Gebäudemanagement zu erarbeiten und zu demonstrieren. Weitere relevante Nutzungsarten, zu
denen bereits Projekte vorliegen, sind Schwimmbäder und Verwaltungsbauten. Auch im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit stehen Gebäude öffentlicher Träger oft im Zentrum
von Projekten.
Welche Rahmenbedingungen wirken als Hemmnisse
oder unterstützen energieoptimiertes Bauen?
Ein „Totschlagargument“ ist häufig die Wirtschaftlichkeitsberechnung, die als objektives Kriterium angesehen wird. Allerdings
zeigt sich gerade hier die Unabwägbarkeit der Kosten derzeitiger
und künftiger Energiebereitstellung.
Daher sind Modelle für die Finanzierung von Maßnahmen, die
aus energiepolitischer und klimaschutzpolitischer Sicht sinnvoll
sind, notwendige Rahmenbedingungen zur Unterstützung. Interessant ist auch hier, dass dies sowohl national als auch international unabhängig voneinander angegangen wird. Neben dem
Modellvorhaben zum Erfolgscontracting hat sich in der IEA (International Energy Agency) im Programm ECBCS (Energy Conservation in Buildings and Community Systems) eine Projektgruppe (Annex 61) gebildet, die neue Finanzierungsmodelle
untersuchen und bewerten wird. Von deutscher Seite beabsichtigt das BMWi die KEA (Klimaschutz- und Energieagentur) Baden-Württemberg für die Mitarbeit zu fördern.
Mit Bezug zu den technischen Grundlagen ist weiter darauf zu
achten, dass die Ergebnisse aus Demonstrationsvorhaben Eingang in die Fachwelt finden. Eine Kultur des Wissens sollte hier
die weitverbreitete Skepsis gegenüber den Lösungsansätzen für
energieoptimiertes Bauen ablösen.
Ist energieoptimiertes Bauen teuer?
Das ist in den Veröffentlichungen bezogen auf den Neubau von
Verwaltungsgebäuden untersucht worden. Eine Bestätigung für
die These konnte nicht gefunden werden.
Was sind die besonderen Anforderungen bei Sanierungsprojekten?
Die Anforderungen wurden jüngst im neuen Förderkonzept überarbeitet: http://www.enob.info/de/forschungsfelder/enobforschungsinitiative-im-detail/programm-und-foerderung/
Grundsätzlich ist die Zielvorgabe möglichst netzfreundliche Gebäude der Zukunft zu fördern. Dabei sind sinnvolle Systemgrenzen und der Einsatz gebundener Energie über den Lebenszyklus
zu beachten. Ein Wettrennen hin zu PlusEnergiegebäuden geht
an den Verhältnissen in unseren Städten und Gemeinden vorbei.
Gebäuden als bestätigt gelten. Die Veröffentlichungen der sozialwissenschaftlichen Begleitforschung im Schwerpunkt EnEffSchule sind hier hervorzuheben.
Zum Beispiel wurden aufgrund anfänglicher Vorbehalte gegen
die Lüftungsanlage die Nutzer einer Schule informiert, dass die
Anlage abgeschaltet und über die Fenster gelüftet werden könne. Überraschend schnell führten diese Interventionen zu Beschwerden über die nutzergesteuerte Raumluftqualität.
Selbstverständlich kann eine 100%ige Nutzerzufriedenheit auch
in diesen Gebäuden nicht erreicht werden.
Unterstützen neue Baumaterialien und -technologien
energieoptimiertes Bauen?
In der Vergangenheit haben die Fortschritte auf dem Gebiet der
Low-e Beschichtungen erhebliche Energieeinsparpotentiale erschlossen. Diese Entwicklungen sind nicht abgeschlossen. Die
Untersuchungen innovativer Dämmstoffe werden fortgeführt,
wobei auch hier eine asymptotische Annäherung an sinnvolle
Wärmeleitfähigkeiten erkennbar ist. Die zusätzliche Funktionalisierung der Gebäudehülle als Strom- und Wärmequelle ermöglichen sowohl anlagentechnische Innovation als auch eine neue
Architektursprache.
Welche Veränderungen wurden nach der Evaluation an
den Gebäuden vorgenommen?
Veränderungen sind je nach Projekt und Nutzerprofil sehr unterschiedlich. Das geht vom Umbau technischer Anlagen (teilweise
auch als Mängelbeseitigung) über den Austausch der Sensorik,
Anpassung der Betriebsweise bis hin zu wiederholter Nutzerinformation.
Welches sind die wesentlichen Kriterien der projektbegleitenden Evaluation?
Die technischen Kriterien zur Feststellung der Effizienz, die im
Leitfaden MONITORING 2006 erarbeitet wurden sind nach nun 6
Jahren überarbeitet worden. Die Überarbeitung ist fertiggestellt
und wird in Kürze veröffentlicht.
Darüber hinaus sind in jedem Demonstrationsvorhaben nutzungs- oder forschungsbedingte Schwerpunkte gegeben, die
keinem einheitlichen Kriterienkatalog unterliegen.
Wurden bereits Erfahrungen im Betrieb der energieoptimierter Gebäude gemacht?
Die Kernprobleme scheinen nach den in EnBop dokumentierten
Erfahrungen weniger in der Technik bzw. deren Versagen als
vielmehr in den Strukturen der Planung, Ausführung und des
Betriebs zu liegen. Nicht das Ergebnis, sondern eine Planungsleistung ist meist Auftragsgegenstand. Die Planer sind in den
seltensten Fällen an dem „Ergebnis beteiligt“.
Die Forderung die HOAI (Honorarordnung für Architekten und
Ingenieure) in diesem Punkt zu novellieren ist ein Ergebnis:
Wenn energieoptimiertes Bauen funktionieren soll, muss es sich
für die Beteiligten lohnen.
Gibt es besondere Störfaktoren für einen optimalen Betrieb?
Eine der häufigsten Ursachen ist der Wechsel des Facility Management Unternehmens – ganz gleich, ob dies eine große Firma
ist oder die Person des Hausmeisters betrifft.
Wie beurteilen die Nutzer den Komfort und die Funktionalität der optimierten Gebäude?
Die Komfortuntersuchungen werden sowohl in den Vorhaben als
auch durch die Begleitforschungsteams sehr ernst genommen
und in umfangreichen Nutzerbefragungen werden Daten erhoben. Im Allgemeinen kann der Komfortgewinn in optimierten
Welche Impulse gab es durch EnOB für neue Produkte
und Dienstleistungen in der Bauwirtschaft z.B. Bei Architekten, Handwerk und Bauindustrie?
Wesentlicher Impuls der Projekte in EnOB war und soll es weiterhin sein, zu belegen, dass energieoptimiertes Bauen als Architektur überzeugt, wenn nicht sogar dazu beiträgt eine neue
Architektursprache zu ermöglichen. Der BMWi-Wettbewerb „Architektur mit Energie“ setzt hier Maßstäbe.
Konnte sich dadurch die deutsche Bauwirtschaft international einen Innovationsvorsprung sichern?
Das Renommee deutscher Technologie hat international einen
hohen Stellenwert. Ob und wie weit dieser Innovationsvorsprung
ausreicht, international wirtschaftlich erfolgreicher zu sein, darf
bezweifelt werden. Internationale Zertifizierungssysteme haben
hier deutlich mehr Gewicht. Daher war die Initiative zur Etablierung des DGNB ein nachvollziehbarer Schritt.
Gibt es im Vergleich zu anderen Ländern in Deutschland
spezielle Voraussetzungen, die energieoptimiertes Bauen
unterstützen?
Die Strukturierung der deutschen Wirtschaft mit einem hohen
Anteil klein- und mittelständischer Unternehmen wird häufig als
speziell deutsche Voraussetzung angesehen.
Wurden aus dem EnOB-Projekt Empfehlungen für Neubau und Sanierung abgeleitet und z.B. in Auslandprojekten mit deutscher Beteiligung umgesetzt?
Bisher noch nicht, obwohl Anfragen hierzu bereits vorlagen. Das
kann sich in Zukunft ändern, da das 6. Energieforschungsprogramm die Grundlagen für derartige Beteiligungen gelegt hat.
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