– Aus der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik – der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau Epidemiologie psychischer Störungen im Allgemeinkrankenhaus unter besonderer Berücksichtigung dysthymer, neurotischer, belastungsreaktiver, funktioneller, psychosomatischer und persönlichkeitsbedingter psychischer Störungen – Systematische Literaturübersicht – INAUGURALDISSERTATION zur Erlangung des Medizinischen Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau vorgelegt 2003 von Daniela Granderath geboren in Mexico-City Dekan: Professor Dr. med. J. Zentner 1. Gutachter: Privatdozent Dr. med. Dipl. Psych. Th. Herzog 2. Gutachter: Privatdozent Dr. med. Dr. phil. Dipl. Psych. M. Härter Jahr der Promotion: 2004 INHALT INHALTSVERZEICHNIS 1. EINLEITUNG 1.1 Psychische Störungen im Allgemeinkrankenhaus 1 1 1.2 Die Behandlung psychischer Störungen im Allgemeinkrankenhaus im Wandel der Zeit 3 1.3 Epidemiologie psychischer Störungen und ihr Behandlungsbedarf 4 1.4 Interpretation epidemiologischer Befunde 5 1.5 Die Bedeutung von Meta-Analysen 7 1.6 Klassifikationssysteme 7 1.7 Epidemiologie psychischer Störungen – Stand der Forschung 10 1.8 Relevanz der vorliegenden Arbeit und Fragestellung 11 2. 13 METHODEN 2.1 Vorbemerkung 13 2.2 Untersuchungsgang 13 2.3 Definition von Ein- und Ausschlußkriterien 14 2.4 Stichprobengewinnung 15 2.4.1 Systematische EDV-gestützte Datenbankanalyse 2.4.2 Konventionelle manuelle Literatursuche 2.4.3 Selektion der Stichproben 2.5 Untersuchungsinstrument 2.5.1 Beschreibung des Erfassungsbogens 2.5.2 Raster zur Instrumentenbeurteilung 2.6 Gütekriterien und Güteklassen 2.6.1 Methodische Gütekriterien 2.6.2 Klinische Gütekriterien 2.6.3 Beschreibung der Güteklassen 2.7 Auswertung 2.7.1 Pilotphase 2.7.2 Auswertungsphase 15 15 16 16 17 18 19 19 19 20 21 21 21 INHALT 3. ERGEBNISSE 22 3.1 Beschreibung der evaluierten Studien 22 3.2 Neurotische, belastungsreaktive, funktionelle, Verhaltens-, Persönlichkeits- und „psychosomatische“ Störungen (ICD-10, Kapitel F4-F6 und F34.1) bei Allgemeinkrankenhauspatienten 28 3.2.1 Studiendesign, Zeitstruktur, Fallidentifikation / verwendete Untersuchungsinstrumente und Falldefinition 3.2.2 Stichprobenbeschreibung 3.2.3 Prävalenz psychischer Störungen bei Patienten internistischer Abteilungen 3.2.4 Prävalenz psychischer Störungen bei Patienten neurologischer Abteilungen 3.2.5 Prävalenz psychischer Störungen bei Patienten auf Notfallabteilungen 3.2.6 Prävalenz psychischer Störungen in abteilungsübergreifenden Patientenpopulationen 28 30 30 31 31 32 3.3 Dysthyme Störungen bei Patienten im Allgemeinkrankenhaus (ICD-10, Kapitel F34.1) 33 3.3.1 Studiendesign, Zeitstruktur, Fallidentifikation / Untersuchungsinstrumente, Falldefinition und Klassifikationssysteme 3.3.2 Stichprobenbeschreibung 3.3.3 Prävalenz dysthymer Störungen bei Patienten internistischer Abteilungen 3.3.4 Prävalenz dysthymer Störungen bei Patienten neurologischer Abteilungen 3.3.5 Prävalenz dysthymer Störungen bei Patienten auf Notfallabteilungen 3.3.6 Prävalenz dysthymer Störungen in abteilungsübergreifenden Patientenpopulationen 3.4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen bei Patienten im Allgemeinkrankenhaus (ICD-10, Kapitel F40-F48) 3.4.1 Studiendesign, Zeitstruktur, Fallidentifikation / Untersuchungsinstrumente, Falldefinition und Klassifikationssysteme 3.4.2 Stichprobenbeschreibung 3.4.3 Prävalenz neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen (ICD-10, F40-F48) bei Patienten internistischer Abteilungen 3.4.4 Prävalenz neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen (ICD-10, F40-F48) bei Patienten neurologischer Abteilungen 3.4.5 Prävalenz neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen (ICD-10, F40-F48) bei Patienten auf Notfallabteilungen 3.4.6 Prävalenz neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen (ICD-10, F40-F48) in abteilungsübergreifenden Patientenpopulationen 3.5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren (ICD-10, Kapitel F50-F59) 34 36 36 37 37 37 38 39 40 40 41 42 42 44 3.5.1 Studiendesign und Stichprobenbeschreibung 3.5.2 Prävalenz von Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren bei Allgemeinkrankenhauspatienten (ICD-10, Kapitel F50-F59) 44 44 3.6 Prävalenz von Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (ICD-10, Kapitel F60-F69) 45 3.7 Zusammenfassung der Ergebnisse 46 3.8 Tabellen 50 INHALT 4. DISKUSSION 4.1 Methoden 4.1.1 Literaturgewinnung 4.1.2 Literaturauswahl 4.1.3 Literaturauswertung 4.2 Ergebnisse 4.2.1 Allgemeine Ergebnisdiskussion 4.2.2 Gesamtprävalenz neurotischer, Belastungs-, Verhaltens-, Persönlichkeits- und „psychosomatischer“ Störungen (ICD-10, Kapitel F4 - F6 und F34.1) 4.2.3 Prävalenz dysthymer Störungen 4.2.4 Prävalenz neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen 4.2.5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren 4.2.6 Prävalenz von Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen 61 61 61 62 63 64 64 68 71 72 75 76 4.3 Schlussfolgerungen zum Behandlungsbedarf 77 4.4 Überlegungen und Schlussfolgerungen für die Klinik 78 4.5 Schlussfolgerungen zum Forschungsbedarf 79 5. ZUSAMMENFASSUNG 81 6. ANHANG A 82 6.1 Verzeichnis der evaluierten Publikationen 6.1.1 „Erste-Klasse-Studien“ 6.1.2 „Zweite-Klasse-Studien“ 6.2 Verzeichnis der nicht evaluierten Publikationen 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 82 82 82 83 Ausschließliche Verwendung von Selbstbeobachtungs-Fragebögen 83 Auf Konsilanforderungen und Überweisungen beruhende Untersuchungen 84 Untersuchungen ausschließlich durch Laien oder Nicht-Psychologen / Psychiater 86 Selektion der Stichproben nach der Behandlungsmodalität (Fachkliniken oder Fachabteilungen untersucht) 86 6.2.5 Nichtrepräsentative Stichproben durch Vorselektion (ambulante Patienten, spezifische somatische Erkrankungen, nur ältere Patienten) 87 6.2.6 Retrospektive Studien 89 6.2.7 Aus anderen methodischen Gründen nicht miteinander vergleichbare Ergebnisse 89 6.2.8 Epidemiologische Studien zu weiteren nicht psychosomatischen Störungen (ICD-10, Kapitel F0-F3) 89 6.2.9 Vor 1980 publizierte Studien 90 6.2.10 Epidemiologische Studien mit anderer Fragestellung, die keinen Vergleich erlaubten 90 INHALT 7. ANHANG B 92 7.1 Instrument zur Datenerfassung 92 7.2 Raster zur Instrumentenbeurteilung 97 8. 98 ANHANG C Verzeichnis der verwendeten psychometrischen Tests, Interviewverfahren und Klassifikationssysteme 98 9. 99 LITERATURVERZEICHNIS DANKSAGUNG 109 1 1. EINLEITUNG 1. EINLEITUNG 1.1 Psychische Störungen im Allgemeinkrankenhaus „Ein Arzt ist dazu verpflichtet, mehr als nur ein krankes Organ zu sehen, mehr sogar als nur den ganzen Menschen – er muss den Menschen in seiner Umgebung sehen.“ Harvey Cushing (1869-1939) Durch die atemberaubenden Fortschritte der biomedizinischen Wissenschaften in den letzten Jahren ist unter anderem in der Medizin ein enormer Zuwachs an technischen Möglichkeiten bezüglich Diagnostik und Therapie zu verzeichnen. Durch das reine Vorhandensein dieser Möglichkeiten und die dazu kommende zunehmende Informiertheit der Gesellschaft (via Medien, Internet etc.) wächst auch die Anspruchshaltung der Bevölkerung diese Möglichkeiten auszuschöpfen. Dies führt zu einem enormen Zuwachs an u.a. technischem und dokumentationsbedingtem Aufwand im klinischen Alltag, der, meist aus Kostengründen, nicht entsprechend personell ausgeglichen werden kann. Darüber hinaus ist eine zunehmende Inanspruchnahme medizinischer Dienste zu verzeichnen, nicht zuletzt durch die alternde Bevölkerungsstruktur vor allem in den „industrialisierten Ländern“, die zu einem größeren Patientendurchlauf in Kliniken und Arztpraxen führt. Durch den obengenannten zeitraubenden technischen Mehraufwand und der immer größer werdenden Patientenzahl müssen im klinischen Alltag Zeiteinsparungen in anderen Bereichen stattfinden, die sich insbesondere in der Kontaktzeit zwischen Arzt und Patient auswirken. So nimmt der Trend zur Verkürzung der klinischen Visiten, Anamnesen und körperlichen Untersuchungen immer mehr zu. Angesichts dieser Tatsachen ist unschwer zu erkennen, dass eine ganzheitliche Wahrnehmung und Betreuung eines einzelnen Patienten (einschließlich seiner Umgebung), wie es Harvey Cushing forderte, kaum noch möglich ist. Besonders die Erfassung psychischer Einflüsse und Störungen des einzelnen Patienten bedarf ihrer Zeit, sodass durch eine pragmatische, meist auf somatische Aspekte orientierte Symptombeurteilung eine psychosoziale Komorbidität leicht übersehen werden kann. Folgen der Nichterkennung sind überstürzte Diagnosen, Unmengen an oft teuren klinischen Untersuchungen, Fehlbehandlungen und nicht zuletzt problematische Arzt-Patient- Beziehungen, die sich letztlich negativ auf den Krankheitsverlauf und auf die Motivation des 2 1. EINLEITUNG Arztes auswirken können. Die Verkennung krankheitswertiger psychischer Störungen bei somatisch erkrankten Patienten hat weiterhin schwerwiegende Folgen für das Gesundheitssystem. So konnte bereits in zahlreichen Studien gezeigt werden, dass nicht erkannte Komorbidität häufig zu einer vermehrten Inanspruchnahme medizinischer Dienste, zu einer unangemessenen Diagnostik und Therapie, zu Fehlbelegungen und zu verlängerten Krankenhausliegezeiten führt (FINK, 1992; SARAVAY & LAVIN, 1994; HUYSE ET AL, 1993; MAYOU ET AL., 1988; MAYOU & SHARPE, 1991; GOLDBERG ET AL., 1994; HERZOG, STEIN & DIE ECLW, 1994; STRAIN ET AL., 1994; FULOP ET AL., 1989; LEVENSON ET AL., 1990B; SARAVAY ET AL., 1991). Angesichts dieser Tatsache ist es sinnvoll, Möglichkeiten und Methoden zu entwickeln, die eine effektive und rasche Erfassung und Behandlung von psychischer (Ko-) Morbidität insbesondere bei Allgemeinkrankenhauspatienten erlauben. Da jedoch ein ohnehin zeitlich überlasteter und darüber hinaus meist psychiatrisch unerfahrener Stationsarzt eines Allgemeinkrankenhauses diese Aufgabe kaum zusätzlich bewältigen kann, hat sich die Integration von psychiatrisch/psychosomatischen Institutionen bewährt. Durch diese Institution soll eine signifikante Verbesserung der Diagnostik und Behandlung sowie eine Steigerung der Zufriedenheit seitens der Ärzte und der Patienten erreicht werden. Möglichkeiten der Integration psychiatrisch/psychosomatischer Dienste in den Krankenhausalltag sind 1.) die Weiterbildung und Sensibilisierung der behandelnden Ärzte und des Pflegepersonals hinsichtlich psychischer Störungen, wodurch eine frühere Einschaltung psychiatrisch geschulter Kollegen erreicht und unangemessene medizinische oder psychopharmakologische Behandlungen vermieden werden können, 2.) die konsiliarische Mitbeurteilung und Mitbetreuung einzelner Patienten und 3.) die Einführung von Liaisondiensten, in denen Psychiater, Psychosomatiker oder Psychotherapeuten zusätzlich zu den gezielten Anfragen, mindestens einmal pro Woche in den Stationsalltag eingebunden sind (HERZOG, STEIN & DIE ECLW, 1994). 3 1.2 1. EINLEITUNG Die Behandlung psychischer Störungen im Allgemeinkrankenhaus im Wandel der Zeit Bemühungen, psychiatrische Einrichtungen in die Struktur der Allgemeinkrankenhäuser einzugliedern, reichen bis in das vorletzte Jahrhundert zurück und bedeuteten das Ende einer langen ideologischen und geographischen Trennung der Psychiatrie von den übrigen medizinischen Fächern. Noch im 19. Jahrhundert wurden Hospitäler für Geisteskranke als getrennte Institutionen betrachtet und in ländlichen Gegenden erbaut. Nur einzelne „leichtere“ psychiatrische Krankheitsbilder, wie z.B. „die Hysterie“, „die Hypochondrie“ oder „die Neurasthenie“ wurden gelegentlich auf neurologischen Stationen betreut. Ebenso wurden „delirante Zustände“ in gesonderten, eigens dazu geschaffenen Stationen in Allgemeinkrankenhäusern behandelt. Erst durch das Wachstum von Lehreinrichtungen an Universitätskliniken in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Integration psychiatrischer Abteilungen in den Behandlungsbereich der Allgemeinkrankenhäuser vorangetrieben. Allmählich wurden auch in den größeren Krankenhäusern Institutionen eingerichtet, die Betreuungsdienste für chirurgische und internistische Abteilungen bereitstellten, welche unter dem Namen „psychiatrisch-psychosomatische Konsiliar- und Liaisondienste“ („CL-Dienste“) bekannt wurden. Der weitere Ausbau dieser Institutionen entwickelte sich weltweit auf sehr unterschiedliche Weise weiter, sodass in Deutschland bis heute, selbst innerhalb der einzelnen Länder und Regionen, große Unterschiede in der psychosozialen Versorgung der Allgemeinkrankenhauspatienten zu verzeichnen sind. Darüber hinaus ist zu betonen, dass sich in der Bundesrepublik Deutschland durch die Studienreform 1970 die Psychiatrie, Psychotherapie/Psychosomatik und Psychologie/Soziologie getrennt voneinander weiterentwickelten. Dabei beschäftigte sich die Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, maßgeblich aufgrund ihres Ursprungs aus der Inneren Medizin, vermehrt mit der Versorgung von Allgemeinkrankenhauspatienten, bei denen vornehmlich Neurosen, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen einerseits und Compliance, Bewältigungsprobleme, psychosoziale Aspekte und Folgen somatischer Erkrankungen andererseits im Vordergrund stehen. Daraus folgt, dass die Psychiatrie in Deutschland bis heute eine relativ kleine Rolle in der CL-Praxis spielt, obwohl sie für psychiatrische Notfälle weiterhin die Verantwortung trägt. Darüber hinaus ist noch zu berücksichtigen, dass die Organisation der CL-Praxis selbst weltweit große Unterschiede aufweist (HERZOG & SCHEIDT 1991). 4 1. EINLEITUNG Ein wesentlicher Antrieb zur Weiterentwicklung und Vereinheitlichung der bestehenden CLDienste in Europa bot die 1988 gegründete „European Consultation Liaison Workgroup“ (ECLW). Dies ist ein Zusammenschluss von Psychiatern und Psychosomatikern aus 14 europäischen Ländern mit dem Ziel, die psychosoziale Versorgung im Allgemeinkrankenhaus durch europaweite Kooperation und Angleichung zu verbessern. 1.3 Epidemiologie psychischer Störungen und ihr Behandlungsbedarf Laut Umfragen und diversen Studien vermuten Ärzte und Pflegepersonal, dass ca. 20-45% ihrer Patienten eine – meist therapiewertige – psychische Störung aufweisen (MAYOU & HAWTON, 1986; FELDMANN ET AL., 1987; STUHR & HAAG, 1989). Des Weiteren wird ein großer Bedarf an praktischer Unterstützung durch „Psycho-Experten“ bei der Betreuung dieser Patienten geäußert (STEUBER & MÜLLER, 1983; HERZOG ET AL., 1991; AROLT ET AL., 1995). Dabei konnte gezeigt werden, dass durch psychiatrisch-/psychotherapeutische Konsiliar-/Liaison- (CL-) Dienste eine verbesserte psychosoziale Versorgung von Allgemeinkrankenhauspatienten, eine Reduktion der Inanspruchnahme medizinischer Dienste, der Fehlbelegungen und der Krankenhausliegezeiten und damit schließlich eine Kosteneinsparung erreicht werden kann (SARAVAY & STRAIN, 1994; STRAIN ET AL., 1991; STRAIN, 1994; SLAETS, 1994; KATON ET AL., 1995; SCHLESINGER ET AL., 1983; SMITH & ROST, 1995; LYONS ET AL., 1986; SHEMO, 1985; DEVINE & COOK, 1983; LEVITAN & KORNFELD, 1981; STRAIN 1991; HENGEVELD ET AL., ET AL., 1987). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nicht nur Prävalenzraten den Behandlungsbedarf bestimmen. Gemäß vorsichtigen Schätzungen sind nur 5 bis 10% der stationär behandelten Patienten zu einer Intervention überhaupt motiviert (STUHR & HAAG, 1989). Das sind gerade einmal ein Drittel der obengenannten identifizierten „Fälle“. Daher ist bei der Bedarfsbestimmung entscheidend, dass alle drei Parteien gemeinsam, nämlich Patient, Behandler und Psychoexperte, psychosoziale Konsultationen für sinnvoll erachten. Nur dann kann eine effektive Intervention erfolgen (HERZOG & SCHEIDT, 1991; HERZOG & STEIN, 1996). 5 1.4 1. EINLEITUNG Interpretation epidemiologischer Befunde Einem alten Scherz zufolge ist ein Epidemiologe ein Arzt der zählen kann. Zählen hat zwar nach wie vor einen Stellenwert in der modernen Epidemiologie, dennoch müssen, wie in jedem anderen Forschungsbereich auch, klare Konzepte und strikte Richtlinien zum besseren Verständnis und zur richtigen Interpretation komplexer epidemiologischer Zusammenhänge eingehalten werden. Im Folgenden sollen daher einige, für die vorliegende Untersuchung relevante methodische Grundlagen und Probleme der modernen Epidemiologie dargestellt werden. Formal werden drei Untersuchungstypen in der Epidemiologie unterschieden: der deskriptive, der analytische und der experimentelle Typ. Die deskriptive Epidemiologie beschreibt die Krankheitsentstehung, deren Verlauf oder ihre Modifikation. Die analytische Epidemiologie hingegen evaluiert die quantitativen Aussagen über krankmachende und verlaufsbeeinflussende Faktoren. Beide Studientypen nehmen ausschließlich einen beobachtenden Standpunkt ein. Die experimentelle Epidemiologie greift darüber hinaus aktiv in das Untersuchungsgeschehen ein und beobachtet die Folgen der Stimuli (PSCHYREMBEL). Zur Erfassung von Prävalenzraten eignen sich am besten analytische Studien. Diese können von ihrem Aufbau her als Korrelations-, Fall/Kontroll-, Kohorten- oder Querschnittsstudien durchgeführt werden. Nach SCHEPANK (1982) empfiehlt sich zur Stichprobengewinnung die Durchführung von Querschnittstudien in Form von Feldstudien, da sie in der Lage sind, ein breites Spektrum an psychischen Störungen aufzudecken. Bezüglich des Erhebungszeitpunktes werden Stichtagserhebungen und konsekutive Untersuchungspläne differenziert (AROLT ET AL., 1995). Zur Fallidentifikation können weiterhin einstufige Untersuchungsverfahren (mit einem einzigen Untersuchungsgang) von zweistufigen Verfahren unterschieden werden. Bei diesen erfolgt in der ersten Stufe eine Fallidentifikation – im Sinne eines Screenings – und in der zweiten Stufe eine Falldefinition. Bezüglich der Falldefinition werden dimensionale und kategoriale Untersuchungsverfahren unterschieden. Bei Erstgenannten kommen zur Aufdeckung psychischer Störungen Selbst- oder Fremdbeurteilungsfragebögen zum Einsatz, die zumeist nur einzelne Dimensionen wie „Depression“, „Angst“ oder „kognitive 6 1. EINLEITUNG Beeinträchtigungen“ erfassen. Dahingegen ermöglichen kategoriale Untersuchungsverfahren – auf der Grundlage von standardisierten, kriterienorientierten Interviews – zusätzlich zur Aufdeckung auch eine direkte Zuordnung zu definierten Störungsgruppen eines Klassifikationssystems (AROLT ET AL., 1995). Wie jede wissenschaftliche Untersuchung unterliegen auch epidemiologische Studien zufälligen und systematischen Fehlern. Systematische Fehler sind in epidemiologischen Untersuchungen besonders gefährlich, da ihnen keine Kontrollgruppen oder Kontrollwerte zur Verfügung stehen. Folglich können solche Fehler, wenn unbemerkt oder undiskutiert, zum Teil zu erheblichen Ergebnisverzerrungen (sog. „Bias“) führen. LEVENSON ET AL. (1990A) stellten eine systematische Übersicht von Verzerrungen zusammen, die bei der Ermittlung der Prävalenz psychischer Störungen bei somatisch erkrankten Patienten eine besondere Rolle spielen. Zu den wichtigsten gehört die Verzerrung durch Selektion, durch Information oder Klassifikation und durch Konfrontierung. Zu einer Selektionsverzerrung führt z.B. das Vorhandensein und Inanspruchnahmeverhalten psychosozialer Einrichtungen in der jeweiligen Erhebungsinstitution, die Vermischung von Inzidenz und Prävalenz (sog. „Neyman-Bias“), die mangelnde Angabe klinischer und demographischer Daten sowie der Ausschluss von Studienverweigerern. Die Informations- oder Klassifikationsverzerrung wird in personen-, instrument- oder beobachterabhängige Bias unterteilt. Personenabhängige Verzerrungen entstehen z.B. durch die soziokulturelle (In-)Akzeptanz bestimmter Störungen, durch die Wahl der Identifikationsmethode oder durch die Erwartungshaltung der untersuchten Patienten (Hawthorne-Effekt). Eine instrumentabhängige Informations- verzerrung wird vorrangig durch die Validität und Reliabilität der verwendeten Untersuchungsinstrumente, jedoch auch durch den Ein- oder Ausschluss von Analphabeten in die Studienpopulation beeinflusst. Eine beobachterabhängige Informationsverzerrung entsteht hauptsächlich durch die Erwartungshaltung des Beobachters. Die Konfrontierung schließlich wird definiert als eine Situation, in der die Effekte von zwei oder mehr Einflussfaktoren miteinander vermischt werden und einer dieser Faktoren fälschlicherweise als zufällig erachtet oder falsch zugeordnet wird (LAST, 1983). So kann beispielsweise die Krankenhausverweildauer sowohl von der Schwere der somatischen Erkrankung, als auch vom Versicherungsoder Arbeitsverhältnis des Patienten oder eben von der Komorbidität abhängen, schließlich jedoch isoliert die Komorbidität als ursächlich angesehen werden. 7 1.5 1. EINLEITUNG Die Bedeutung von Meta-Analysen Für jeden, der verantwortungsbewusst nach dem aktuellsten Stand der Forschung praktische Handlungsanweisungen gewinnen will, sind Meta-Analysen unerlässlich geworden, um einen klaren Überblick zu gewinnen über die Unmengen an Studien zu ein und demselben Forschungsgebiet, mit zum Teil widersprüchlichen Ergebnissen. Meta-Analysen haben den Zweck, bereits vorhandene Studien zusammenzuführen, einen kritischen Textvergleich vorzunehmen und eine statistische Integration aller Ergebnisse zu ermöglichen. Darüber hinaus bieten Meta-Analysen die Möglichkeit, mehrere Gesichtspunkte zum gleichen Forschungsbereich aufzudecken, wissenschaftliche Ergebnisse zu vereinheitlichen und eine erhöhte Ergebniskonsistenz durch die Aufdeckung von Inkonsistenzen zu erlangen. Durch die Fallzahlerhöhung kann darüber hinaus eine erhöhte Aussagekraft, Objektivität, Präzision und Reliabilität erreicht und Ergebnisverzerrungen minimiert werden. Meta-Analysen werden formell zu den retrospektiven Studien gezählt und sind hinsichtlich ihrer Aussagekraft und ihres methodischen Aufbaus Multicenterstudien ähnlich, ohne jedoch ein einheitliches Studienprotokoll zu besitzen. Dieser bedeutende Unterschied erschwert oftmals den unmittelbaren Vergleich der einzelnen Studienergebnisse. Dies kommt bei der Untersuchung der Prävalenz psychischer Störungen insbesondere durch Unterschiede in der Stichprobenzusammensetzung, in der Falldefinition oder durch die Verwendung unterschiedlicher Klassifikationssysteme zum tragen (CAVANAUGH & WETTSTEIN, 1984). Aus dem genannten wird somit deutlich, dass bei der Durchführung von Meta-Analysen eine strikte Einhaltung eines a priori festgelegten Untersuchungsplanes mit genau definierten Richtlinien und systematischen Schritten unerlässlich ist, um Ergebnisverzerrungen zu minimieren oder gar komplett falsche Ergebnisdarstellungen auszuschließen (BRAVO & BOLVIN, 1994). 1.6 Klassifikationssysteme Die Konsistenz der Ergebnisse bezüglich der Prävalenz psychischer Störungen steht und fällt mit der Fallidentifikation und -definition. Bezüglich der Fallidentifikation sind insbesondere die Sensitivität und Spezifität der verwendeten Untersuchungsinstrumente und die InterraterReliabilität der Untersucher maßgebend, welche die Validität der Ergebnisse bestimmen. 8 1. EINLEITUNG Verzerrungen diesbezüglich sind meist durch zahlreiche Validierungs-Studien begrenzt. Anders ist es jedoch bei der Falldefinition, die auf Krankheits- oder Störungs-Klassifikationen beruht. Durch die Existenz einer Vielzahl von Klassifikationssystemen, die nebeneinander verwendet werden und nicht immer untereinander kompatibel sind, ist eine einheitliche Falldefinition nicht immer möglich, wodurch Verzerrungen unumgänglich sind. Grundsätzlich sind zwei Formen der Klassifikation zu unterscheiden: die der traditionellen, auf Symptombeschreibung beruhenden versus der kriterienbezogenen, operationalisierten Psychiatrie. Zu den symptombeschreibenden Klassifikationssystemen gehören das DSM-II und die ICD-9. Mit der Einführung des kriterienorientierten Klassifikationssystems DSM-III im Jahre 1980 konnte eine deutliche Verbesserung der diagnostischen Reliabilität und eine Erleichterung der Kommunikation erreicht werden. Das Diagnostic and Statistical Manual (DSM) wird vor allem in den USA verwendet und liegt seit 1994 in seiner 4. Revision vor. Die International Classification of Diseases (ICD) wurde durch die WHO entwickelt und liegt seit 1992 in ihrer 10. Revision vor, deren Weiterentwicklung und Erweiterung maßgeblich durch das DSM-III-R beeinflusst wurde. Wesentliche Vorteile der ICD-10 und DSM-IV gegenüber deren vorausgehenden Versionen liegen in der Verbesserung der diagnostischen Reliabilität durch konkrete und detaillierte Kriterien (z.B. Verhaltensauffälligkeiten, Symptome, Zeit- und Verlaufsmerkmale, soziale Kennzeichen und Schweregrad) und in der Festlegung von Entscheidungsregeln (Algorithmen) mittels Ein- und Ausschlusskriterien. Sie zeichnen sich durch eine breite Anwendbarkeit für klinische, administrative und wissenschaftliche Zwecke aus. Im Wesentlichen unterscheiden sie sich von ihren Vorläufern durch • die größere Anzahl der Diagnosen, • die fehlende Berücksichtigung psychodynamischer Ansätze, • den Verzicht auf die theoretischen Neurosekonzepte (die früheren Neurosen werden jetzt als affektive, Angst- und somatoforme Störungen klassifiziert), • die Aufgabe der Dichotomie Neurose – Psychose, • die Terminologie bei der Bezeichnung „Störung“ statt „Krankheit“ und • die eingeschränkte Berücksichtigung ätiologischer Annahmen nur noch bei Anpassungsstörungen, posttraumatischen und akuten Belastungsstörungen, substanzinduzierten und organisch bedingten psychischen Störungen. 9 1. EINLEITUNG Tabelle 1.1 zeigt eine Gegenüberstellung der Gliederung der meist verwendeten Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV. Neben der hier auffallenden unterschiedlichen Bezeichnungen für äquivalente Störungsgruppen sind auch Unterschiede hinsichtlich der spezifischen Kriterien für die einzelnen Störungen zu verzeichnen. Allerdings konnte für die meisten Störungsgruppen eine gute Interrater-Reliabilität nachgewiesen werden (HILLER ET AL., 1994). Tabelle 1.1: Gegenüberstellung der äquivalenten ICD-10- und DSM-IV-Störungsgruppen ! # & " $%% ' ( ) $%% $ % % * + %%, % + $ , . 0 1 3 45 , / , 2 6 ) 7 ( 8 " 6 ) 7 Zur Erleichterung der Diagnosestellung sind verschiedene Instrumente entwickelt worden. Dazu liegen strukturierte/standardisierte Interviews sowie Checklisten vor. Zu den meist verwendeten standardisierten Interviews gehören das „Strukturierte Klinische Interview für DSM-IV (SCID)“ (FIRST ET AL., 1997; WITTCHEN ET AL., 1997; FYDRICH ET AL., „Diagnostische Interview bei psychischen Störungen (DIPS)“ (DINARDO MARGRAF ET AL., 1994; UNNEWEHR ET AL., 1997), das ET AL., 1983; 1995), das „Composite International Diagnostic Interview für ICD-10 (CIDI)“ (WHO 1993B; WITTCHEN ET AL., 1997), die „Schedules for Clinical Assessment in Neuropsychiatry (SCAN)“ (WING ET AL., 1990; VAN GÜLICK-BALLER ET AL., 1995). An Checklisten sind beispielsweise die „Internationalen Diagnose Checklisten (IDCL)“ (HILLER ET AL., 1990, 1995; BRONISCH ET AL., 1995) zu nennen. 10 1.7 1. EINLEITUNG Epidemiologie psychischer Störungen – Stand der Forschung Die Epidemiologie psychischer Störungen wurde bereits hinsichtlich verschiedener Fragestellungen in zahlreichen Studien dargestellt. Übersichtsarbeiten, welche die Ergebnisse internationaler Publikationen systematisch zusammentragen und vergleichen, sind jedoch selten. Auffallend ist, dass die Mehrzahl der epidemiologischen Untersuchungen zu diesem Forschungsbereich aus dem angloamerikanischen Raum, und hier maßgeblich aus dem ambulanten Versorgungsbereich stammt. Bedeutende Übersichtsarbeiten zur Prävalenz psychischer Störungen in der Allgemeinbevölkerung in den letzen 20 Jahren führten CAVANAUGH & WETTSTEIN (1984), HÄFNER (1986), KATON & SCHULBERG (1992), KATON (1987) und LLOYD (1991) durch. Während HÄFNER (1986) sein Augenmerk nur auf den älteren Teil der Bevölkerung richtete und KATON & SCHULBERG (1992) sowie KATON (1987) ausschließlich Depressionen aufführten, beschrieben die übrigen Autoren diverse Störungsbilder ungeachtet ihrer Altersmerkmale. Internationale Darstellungen zur Prävalenz psychischer Störungen im ambulanten Sektor sind kritisch zu beurteilen und schwer miteinander zu vergleichen, da sich die medizinische Versorgung und die Gesundheitssysteme weltweit sehr unterscheiden. Übersichten zur Prävalenz psychischer Störungen in diesem Bereich werden bei CAVANAUGH & WETTSTEIN (1984), KATON ET AL. (1984), SHAH (1992), GOLDBERG & HUXLEY (1980), HIGGINS (1994) und FLINT (1994) dargestellt. KATON (1987) und KATON & SCHULBERG (1992) stellten isoliert die Prävalenz von Depressionen in der ambulanten Versorgung dar. Zur Prävalenz psychischer Störungen bei stationären Allgemeinkrankenhauspatienten existieren derzeit vier Übersichtsarbeiten, die den Zeitraum von 1959 bis 1992 abdecken. Es handelt sich um die Arbeiten von CAVANAUGH & WETTSTEIN (1984), MAYOU & HAWTON (1986), STUHR & HAAG (1989) und AROLT ET AL. (1995). CAVANAUGH & WETTSTEIN (1984) gaben einen Überblick über Publikationen der Jahre 1959 bis 1983 und stellten im Einzelnen Depressionen, Angststörungen, Schizophrenien und somatoforme Störungen dar. Die Übersichtsarbeit von MAYOU & HAWTON (1986) erfasste von 1960 bis 1986 weltweit durchgeführte Prävalenzstudien zu Affekt-, Alkohol-, kognitiven und somatoformen Störungen im Allgemeinkrankenhaus. STUHR & HAAG (1989) führten insgesamt elf Studien im Zeitraum von 1907 bis 1987 an, die Prävalenzdaten zu psychosomatischen Störungen im 11 1. EINLEITUNG allgemeinstationären Bereich lieferten sowie acht Untersuchungen, die Expertenschätzungen angaben. Die jüngste Übersichtsdarstellung stellt die Publikation von AROLT ET AL. (1995) dar, in der insgesamt vierzehn Studien zwischen 1975 und 1990 zu diesem Forschungsbereich erfasst wurden. Weitere Literaturübersichten zu einzelnen Störungsgruppen oder zu einzelnen Krankenhausabteilungen finden sich beispielsweise bei KATON (1987) und KATON & SCHULBERG (1992) bzw. STRAIN & FULOP (1991). Bei den erwähnten Übersichtsarbeiten ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich meist nur um Literatursichtungen und Ergebniszusammentragungen handelt, ohne dass auf systematische und methodische Aspekte eingegangen wurde. Dadurch kommt es zu einer großen Streubreite der Prävalenzraten. Darüber hinaus warnen AROLT ET AL. (1995) beim Vergleich der inter- nationalen Literatur – aufgrund der erheblichen Unterschiede in den jeweiligen Versorgungsstrukturen im ambulanten und stationären Bereich – vor einer vorschnellen Übertragung der Prävalenzraten aus dem englischen Sprachraum auf deutsche Verhältnisse. Leider ist jedoch in der deutschsprachigen Psychiatrie ein besonderes Forschungsdefizit zu beklagen (HERZOG & HARTMANN, 1990), sodass zunehmend fundierte Untersuchungen vor allem zur psychiatrischen Morbidität an somatischen Krankenhäusern gefordert werden (STUHR & HAAG, 1989; HERZOG & HARTMANN, 1990; AROLT ET AL., 1995). 1.8 Relevanz der vorliegenden Arbeit und Fragestellung Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine strukturierte und systematische Literaturanalyse zur Prävalenz psychischer Störungen im Allgemeinkrankenhaus. Diese Arbeit stellt einen Teilbereich einer Gesamtuntersuchung im Rahmen der Europäischen Verbundstudie der ECLW dar. Darüber hinaus wurde sie als Teil eines Forschungsprojektes von der Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin der Universitätsklinik Freiburg zur psychosozialen Versorgung und Bedarfsplanung am Allgemeinkrankenhaus durchgeführt. Die Untersuchung beinhaltet eine methodenkritische Auswertung von Studien, welche schwerpunktmäßig die Prävalenz neurotischer, belastungsreaktiver, funktioneller, psychosomatischer und persönlichkeitsbedingter psychischer Störungen beschreibt (ICD-10, Kapitel 12 1. EINLEITUNG F4 bis F6). Weitere, vorwiegend „psychiatrische“ Störungsgruppen, wie affektive, organische, psychotische oder durch psychotische Substanzen bedingte Störungen (ICD-10, Kapitel F0 bis F3), wurden bereits in einer vorausgehenden Untersuchung durch ein weiteres Mitglied der Forschungsgruppe dargestellt (MERKLEIN, 1998). Im Einzelnen sollen folgende Aspekte untersucht werden: 1. Die Art und Vorkommenshäufigkeit psychischer Störungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten, 2. Unterschiede zwischen einzelnen Krankenhausabteilungen und Patientenpopulationen sowie 3. Hinweise auf einen potentiellen Behandlungsbedarf. 13 2. METHODEN 2.1 Vorbemerkung 2. METHODEN Eine systematische Literaturübersicht ist eine wissenschaftliche Untersuchung, welche eines klaren Aufbaus bedarf, um Ergebnisverzerrungen möglichst auszuschließen. Aus diesem Grund folgen die Arbeits- und Vorgehensweisen einem detailliert fixierten Protokoll (BRAVO & BOLVIN, 1994). In Struktur und Methodik stützt sich diese Arbeit auf Vorarbeiten und Veröffentlichungen der Arbeitsgruppe Essstörungen der Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin der Universitätsklinik Freiburg von HERZOG ET AL. Als Vergleichsarbeiten wurden die methodenkritischen Literaturübersichten dieser Arbeitsgruppe herangezogen (HARTMANN ET AL., 1992; HERZOG ET AL., 1995; HERZOG & HARTMANN, 1997), sowie eine niederländische Arbeit (HOEK, 1993). 2.2 Untersuchungsgang Die Durchführung dieser Arbeit beinhaltete angelehnt an BRAVO & BOLVIN (1994) folgende Einzelschritte: 1. Präzisierung der Fragestellungen 2. Definition von Ein- und Ausschlusskriterien 3. Sammlung und Selektion der allen Kriterien genügenden Studien 4. Entwicklung eines Datenerfassungsinstrumentes und eines Qualitätsprofils 5. Auszug der Studiencharakteristika und der numerischen Daten sowie Eingabe dieser in eine digitale Datenmaske 6. Zusammenführung der Ergebnisse und Auswertung der gesammelten Daten 7. Beantwortung der Fragestellungen und Schlussfolgerungen, sowie Erkennung von Grenzen. 14 2.3 2. METHODEN Definition von Ein- und Ausschlußkriterien Ausgewählt wurden zunächst alle Publikationen, die folgende Charakteristika aufwiesen: 1. Beschreibung der Prävalenz psychischer Störungen nach ICD-10 F34.1 sowie F4-F6 (Dysthyme; neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen, Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen oder Faktoren, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen) 2. Stichproben bestehend aus stationär behandelten Patienten 3. Stichprobengewinnung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines definierten Zeitraumes 4. Publikationsjahre 1980∗ – 1998 Unveröffentlichte oder nur als Abstract publizierte Studien wurden ausgeschlossen, da aufgrund ihrer geringen Anzahl nur ein unbedeutendes Publikationsbias zu erwarten ist, das die sehr mühsame und zeitaufwendige Auffindung nicht aufwiegt (BRAVO & BOLVIN, 1994). Ferner wurden solche Studien von der Auswertung ausgeschlossen, die ausschließlich auf Selbstbeurteilungsverfahren beruhten oder durch Laien oder Nicht-Psychologen durchgeführt wurden, da ihre Sensitivität und Reliabilität besonders bei somatisch schwer erkrankten Patienten zu niedrig ist (MAYOU & HAWTON, 1986). Studien, in denen die Stichprobe aus überwiesenen oder konsiliarisch gesehenen Patienten bestand, blieben ebenfalls unberücksichtigt, da in ihnen keine Angaben zu der Gesamtmenge der behandelten Patienten geliefert wurden und somit keine Rückschlüsse auf die wahre Prävalenz gezogen werden konnten. Außerdem unterliegen solche Studien besonderen Einflussfaktoren, wie das Vorhandensein und die Inanspruchnahme der CL-Dienste in der jeweiligen Institution, die zu einem Selektionsbias führen würden. Schließlich wurden alle Studien ausgeschlossen, die aufgrund einer vorselektierten Patientenpopulation keiner repräsentativen Stichprobe eines Allgemeinkrankenhauses entsprach. Dies war der Fall, wenn die Stichprobe einer Fachklinik entstammte (z.B. internistisch-psychosomatische Klinik oder Herz-Klinik), sie einer spezifischen Behandlungsmethode unterlag (z.B. Dialyseabteilung) oder nur aus Patienten mit einer spezifischen Erkrankung bestand (z.B. Schlaganfall- oder Herzinfarkt-Patienten). * 1980 erfolgte die Einführung des kriterienorientierten Klassifikationssystems zur Diagnostik psychischer Störungen DSM-III (WITTCHEN, 1994) 15 2.4 2. METHODEN Stichprobengewinnung Die Sammlung und Selektion der geeigneten Studien erfolgte zum einen durch eine systematische EDV-gestützte Datenbankanalyse und zum anderen durch eine konventionelle manuelle Literatursuche. Es wurden beide Vorgehensweisen angewandt, da gezeigt werden konnte, dass sich durch manuelle Suchstrategien, trotz der Einschränkung durch Ermüdung des Untersuchers infolge der Eintönigkeit der Arbeit, immerhin 94% der Publikationen finden ließen, während eine digitale Suche nur eine Ausbeute von 65% ergab (BARETA ET AL., 1990). 2.4.1 Systematische EDV-gestützte Datenbankanalyse Die Datenbanken “Medline” und “Psyclit” sowie die ca. 2800 Titel umfassende Literatursammlung zum Thema “Konsiliar-Liaison-Psychiatrie” ‘Psychosomatische Kooperationsforschung’ der Abteilung für der Arbeitsgruppe Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin der Universitätsklinik Freiburg wurden nach geeigneten Publikationen abgefragt. Die dazu benutzten Schlüssel- und Stichworte waren („*“ steht für beliebige Endung): „epidemiology,“ „prevalence“, „psychopathologic disorders“, „psychosomatics“, „mental disorders“, „neuroti*“, „hysteri*“, „somatoform*“, „depressive*“, „anxiety*“, „phobi*“, „eating*“, „adjustment*“, „obsessiv*-compulsiv*“, „PTSD“, „mental*“, „disord*“, „inpatient*“, „hospital*“, „general hospital“, „medic* ward*“, „surg* ward*“, „gynaecolog*“, „neurolog*“, „internal*“, „accident*, „emergenc*“. Erfasst wurden Artikel in deutscher, englischer, spanischer und französischer Sprache, die im Zeitraum zwischen Januar 1980 und Mai 1998 publiziert wurden. 2.4.2 Konventionelle manuelle Literatursuche Die manuelle Literaturrecherche beinhaltete die Durchsicht verschiedener Monographien, Übersichtsarbeiten und einzelner bedeutender Studien sowie ihrer Literaturverzeichnisse. Weiterhin wurden die Inhaltsverzeichnisse der von Januar 1980 bis Juni 1998 erschienenen Jahrgänge folgender Indexzeitschriften durchsucht: 16 2. METHODEN • General Hospital Psychiatry • American Journal of Psychiatry • British Journal of Psychiatry • Nervenarzt • International Journal of Psychiatry in Medicine • Journal of Psychsomatic Research • Psychosomatics • Psychotherapie, Psychosomatik und Medizinische Psychologie 2.4.3 Selektion der Stichproben Die Selektion der analysierten Studien erfolgte in zwei Schritten. Aus der umfangreichen Publikationssammlung der ersten Literaturdurchsicht schieden in einem ersten Selektionsschritt all diejenigen Studien aus, die nicht den o.g. Ein- und Ausschlußkriterien entsprachen. Im zweiten Selektionsschritt wurden die aussortierten Studien auf ihre methodische Qualität hin geprüft und anhand von geforderten Kriterien beurteilt. Anhand der Gewichtung der einzelnen Studien erfolgte eine Zuordnung zu vier Qualitätskategorien bzw. Güteklassen (s. Kapitel 2.6 und Tabelle 2.1), aus denen schließlich die geeigneten Studien ausgewählt wurden. 2.5 Untersuchungsinstrument Durch ein Erfassungs- und Untersuchungsinstrument wurden die relevanten Informationen aus den ausgewählten Studien extrahiert. Dieses Instrument ermöglichte sowohl eine inhaltlichdeskriptive Erfassung des Untersuchungsgegenstandes als auch eine methodische Analyse der einzelnen Studien. Die erfassten Daten wurden in eine digitale Datenmaske eingegeben und durch die Erstellung von Tabellen vergleichbar gemacht. Diese Methode ermöglichte eine standardisierte und systematische Auswertung der methodischen Charakteristika und der numerischen Daten. 17 2. METHODEN Das verwendete, im Anhang B vorliegende Untersuchungsinstrument stützt sich inhaltlich und formell auf die 10. Fassung des Auswertungsrasters, das zur Literaturübersicht zum Thema „Therapie der Bulimie“ durch Mitglieder der Arbeitsgruppe entwickelt wurde (HERZOG, HARTMANN und WISCHMANN). Es besteht aus einem Erfassungsbogen, einem Raster zur Analyse der Untersuchungsinstrumente, die zur psychiatrischen Befunderhebung und Diagnostik verwendet wurden und einem Raster zur Beurteilung der Studienqualität. Aus methodischer Sicht orientiert es sich an den von DICKERSIN ET AL. (1995) geforderten Kriterien für systematische Literaturanalysen: • Allgemeine Informationsbeschreibung • Studienprotokoll • Statistische Auswertung Zur Qualitätsbeurteilung wurden nach LICHTENSTEIN ET AL. (1987), SPITZER (1991) und FELSON (1992) folgende Kriterien berücksichtigt: • Ausführlichkeit und Qualität der gegebenen Information • Ausführlichkeit und Qualität der Auswertung • Ausführlichkeit der Ergebnisbeschreibung • Validität und Stabilität der Ergebnisse • Fehlerkontrolle und klinische Relevanz • Methodenkritische Anmerkungen von FEIGHNER ET AL. (1972), MAYOU & HAWTON (1986), LEVENSON ET AL. (1990A), CAVANAUGH (1984), SCHEPANK (1982 & 1987). 2.5.1 Beschreibung des Erfassungsbogens Der Erfassungsbogen gliedert sich in acht Abschnitte mit folgenden Punkten: 1. Angaben zur Veröffentlichung und Kodierung der Veröffentlichung: Kodierung der Publikation, bibliographische Angaben und Publikationsjahr. 2. Beschreibung der Studie: Studiendesign, Methoden der Informationsgewinnung, Methoden der Stichprobengewinnung, Dauer und Zeitpunkte der Stichprobengewinnung; Beschreibung von Teilmengen und des Untersuchungsplanes, Ein- und Ausschlusskriterien. 18 3. 2. METHODEN Beschreibung der Ergebnisse: Größe der Stichprobe, Anzahl und Gründe der Ausfälle, Alters- und Geschlechtsverteilung; verwendetes Klassifikationssystem, beschriebene Störungsgruppen und Prävalenzzahlen, weitere Ergebnisse oder Besonderheiten der Studie. 4. Angaben zu den Datenerhebern: Berufsgruppenzugehörigkeit, klinisch relevante Erfahrung, Untersuchungen zur Interrater-Reliabilität. 5. Angaben zum Erhebungsort: Land in dem die Studie stattfand, Name und Art der Institution, Einzugsgebiet, Fachabteilungen der Stichprobengewinnung. 6. Qualitätsbeurteilung der Studie: Ausreichende Beschreibung der demographischen Daten, des Studiendesigns und der Ergebnisse. 7. Bewertung der Studie und der Ergebnisse 8. Beurteilung der verwendeten Instrumente: Kodierung, Beschreibung, Schwellenwerte, Angaben zum Klassifikationssystem, Fallidentifikation, Skalierung, Validität, Reliabilität, Fehlerquellen und Besonderheiten. 2.5.2 Raster zur Instrumentenbeurteilung Zur Erfassung der Prävalenz psychischer Störungen ist die Wahl des Untersuchungsverfahrens zur Erhebung des psychischen Status zur Diagnostik von eminenter Bedeutung (MAYOU & HAWTON, 1986; AROLT ET AL., 1995). Aus diesem Grund erfolgte die Entwicklung eines separaten Rasters zur Beurteilung der verwendeten Untersuchungsinstrumente, das die folgenden Schwerpunkte erfasst: • Angaben zur Art, Auswahl und Messbereich des Verfahrens • Informationen über das zu Grunde liegende Klassifikationssystem • Kriterien der ‘Fall’ und ‘Nichtfall’-Identifikation • Aussagen zur Validität, Reliabilität und Verzerrung. 19 2.6 2. METHODEN Gütekriterien und Güteklassen Zur Qualitätsbeurteilung der einzelnen Studien wurden operationalisiert methodische und klinische Gütekriterien herangezogen, die maßgeblich auf einer ausreichenden Beschreibung und Dokumentation von demographischen und medizinischen Daten sowie des Studiendesigns und der Ergebnisse beruhten. Anhand dieser Kriterien konnten vier Güteklassen geschaffen werden (0, +, ++, +++), denen die identifizierten Studien nach dem obengenannten ersten Selektionsschritt zugeteilt wurden. 2.6.1 Methodische Gütekriterien • Ausreichende Beschreibung der soziodemographischen Variablen der Stichproben (Alter und Geschlecht), der medizinischen Parameter (Aufnahmebedingungen, Behandlungsmodalitäten, Versorgungsschwerpunkte usw.), des Studiendesigns (Studienaufbau, Methode der Stichproben- und Informationsgewinnung) und der Ergebnisse (Vergleichbare Ergebniskategorien, Differenzierung der Diagnosen, verwendete Klassifikationssysteme) • Verwendung von teil- oder vollstrukturierten Interviewverfahren • Verwendung von Qualitätsmerkmalen, die über die qualitativen Mindestanforderungen hinausgehen (z.B. Verwendung eines zweistufigen Untersuchungsansatzes) 2.6.2 Klinische Gütekriterien • Untersuchung einer repräsentativen Stichprobe hinsichtlich ihrer demographischen Variablen (gemischtgeschlechtliches Patientenkollektiv mit einem Durchschnittsalter zwischen 45 und 70 Jahren) und ihrer medizinischen Parameter (Einbeziehung von Notfall- und Routineaufnahmen) • Vergleichbare Ergebniskategorien (Darstellung von mindestens einer der wichtigsten Störungsgruppen, Verwendung eines kriterienorientierten Klassifikationssystems) • Vergleichbare Berechnung der Ergebnisse, die sich auf die Grundgesamtheit beziehen lassen. 20 2.6.3 2. METHODEN Beschreibung der Güteklassen Die oben genannten Gütekriterien wurden gemäß ihrer Gewichtung in vier Kategorien eingeteilt. Dabei wurden Kriterien, die die Mindestanforderungen beschrieben, der Kategorie „A“ zugeteilt. Zusatzkriterien wurden unter der Kategorie „B“ und Sonderanforderungen unter der Kategorie „C“ zusammengefasst. Je nach Erfüllung der jeweiligen Kriterien konnten die einzelnen Studien schließlich den vier Güteklassen „+++“, „++“, „+“ und „0“ zugeteilt werden. Unzureichende Kriterien waren die ausschließliche Durchführung von Screeningverfahren zur Erfassung psychischer Störungen sowie die ausschließliche Untersuchung von Notfall- oder Routineaufnahmen. Trafen diese Punkte zu, wurden diese Studien, ungeachtet ihrer übrigen Qualitätsmerkmale, der Güteklasse „0“ zugeteilt und mussten aus der weiteren Untersuchung ausgeschlossen werden. Zur besseren Anschaulichkeit wurden die entsprechenden Kriterien und Güteklassen in folgender Tabelle dargestellt: Gütekriterien und Güteklassen Tabelle 2.1 <= )> $ - % $ % $ $ ( 2 + " - % / 9 + 9 : " % ' $ $ ) ' ( % ) ) ! <? )> ( + : - ; % ) 2 &* + < )> " $ @ ) ) ) ) ) ) $ % " 6 %8 1 7 / < ) > " ) % + ) " " $ ; / $ % ( , % ) " % 2 % %8 : % " % " " 21 2.7 2. METHODEN Auswertung 2.7.1 Pilotphase Die erste Version des Untersuchungsinstrumentes wurde zunächst anhand zweier Studien getestet. Die dabei festgestellten Schwächen und Mängel wurden revidiert und führten zur Entwicklung einer verbesserten, komfortableren Fassung. Diese wurde mit weiteren fünf Studien getestet und von einem erfahrenen Mitglied der Arbeitsgruppe begutachtet, woraufhin einzelne Merkmale sowie unklare Definitionen verbessert wurden. 2.7.2 Auswertungsphase Die Auswertung der ausgewählten Studien aus der ersten Selektion erfolgte mittels der endgültigen Version des Erfassungsbogens und des Rasters zur Instrumentenbeurteilung durch die Verfasserin der vorliegenden Arbeit. In regelmäßigen Treffen mit der Arbeitsgruppe wurden während der Auswertungsphase Unklarheiten vor allem bei der Zuordnung der einzelnen Störungen zu den ICD-10-Störungsgruppen erörtert. Die im Erfassungsbogen manuell rekrutierten Informationen wurden in eine eigens für diese Untersuchung erstellte digitale Datenmaske eingegeben, wodurch eine synoptische, übersichtliche tabellarische Darstellung der Einzeldaten möglich wurde. Zur Berechnung der durchschnittlichen Prävalenz der hier untersuchten Störungen (ICD-10, F4 bis F6 sowie F34.1) wurden zur jeweiligen Störungsgruppe ausschließlich Studien der Güteklasse ‘+++’ und ‘++’ herangezogen. Nur in solchen Fällen, in denen sich keine „höherwertige“ Studie zur entsprechenden Störung finden ließ, wurde auf Studien der Güteklasse ‘+’ und in Einzelfällen sogar der Güteklasse ‘0’ zurückgegriffen. Diese Untersuchungen wurden allerdings gesondert beschrieben und erörtert, ohne deren Ergebnisse in die Gesamtberechnung zu integrieren. Die Prävalenzraten wurden einheitlich in Bezug auf die realisierte Gesamtstichprobe berechnet. 22 3. ERGEBNISSE 3. ERGEBNISSE 3.1 Beschreibung der evaluierten Studien Insgesamt konnten 122 Studien identifiziert werden, welche die Prävalenz dysthymer, neurotischer, belastungsreaktiver, funktioneller, psychosomatischer und persönlichkeitsbedingter psychischer Störungen im Zeitraum von Januar 1980 bis Mai 1998 bei stationären Patienten im Allgemeinkrankenhaus untersuchten. Die Auswahl der Publikationen, die zur Auswertung und zur weiteren Analyse herangezogen wurden, erfolgte in zwei Schritten. Im ersten Selektionsschritt wurden die 122 identifizierten Studien bezüglich der Erfüllung der Ein- und Ausschlußkriterien hin geprüft. Hierbei wurden 81 Studien (66,4%) ausgeschlossen. Die zweite Revision diente maßgeblich der Aufdeckung von Qualitätsmängeln. Hierfür wurden die Informationen und Ergebnisse der verbliebenen 41 Studien mittels eines Erfassungsbogens (s. Anhang B) in eine vergleichbare Form gebracht. Auf diese Weise konnte eine genauere Prüfung der Ein- und Ausschlusskriterien, des methodischen Aufbaus und der qualitativen Wertigkeit erfolgen. Die Qualitätsprüfung beruhte auf der Bewertung der jeweils verwendeten Untersuchungsinstrumente und auf der Erfüllung von qualitativen Mindest- („A-Kriterien“), Zusatz- („B- Kriterien“) und Sonderanforderungen („C-Kriterien“) (s. Tabellen 2.1 und 3.3). Die Studien konnten danach den Güteklassen „0“, „+“, „++“ und „+++“ zugeteilt werden. Nach beiden Revisionsgängen wurden, wie in Tabelle 3.1 ersichtlich, insgesamt 103 Studien ausgeschlossen. Dies entsprach 84% der Gesamtausbeute. Zu den häufigsten Ausschlussgründen zählte eine Selektion der untersuchten Stichprobe. Dabei lag bei 28 Studien (23%) eine Selektion durch eine ausschließliche Untersuchung von überwiesenen und auf Konsilanforderung gesehenen Patienten vor. Bei sechs Studien (4,9%) erfolgte eine Selektion durch die Untersuchung einer Patientenpopulation, die einer bestimmten Behandlungsmodalität unterlag. Bei 28 weiteren Studien (23,9%) erfolgte eine Selektion durch isolierte Betrachtung von Patienten mit bestimmten somatischen Grunderkrankungen (z.B. Herzinfarkt- oder Schlaganfall-Patienten). 13 weitere Studien (10,7%) wurden ausgeschlossen, weil sie anderen Fragestellungen nachgingen und ihre epidemiologischen Daten für die vorliegende Untersuchung nicht verwertbar waren. Sechs Studien fanden keine 23 3. ERGEBNISSE nähere Betrachtung, da sie vor 1980 publiziert wurden und ihre Ergebnisse aufgrund der fehlenden Verwendung von kriterienorientierten Klassifikationssystemen nicht ohne weiteres mit neueren Untersuchungen vergleichbar waren. Bei zwei der identifizierten Studien wurden nur vage Angaben zu den hier untersuchten Störungsgruppen geliefert, während das Hauptaugenmerk den hirnorganischen, psychotischen und durch Abhängigkeit entstandenen psychischen Störungen galt. Zwei weitere Studien wurden ausgeschlossen, da die Identifizierung der psychischen Störungen ausschließlich durch Laien, nicht psychologisch ausgebildeten Untersuchern oder auf der Basis von Selbstbeurteilungsfragebögen erfolgte. Drei weitere Studien konnten aus diversen anderen methodisch-qualitativen Gründen von vornherein ausgeschlossen werden. Ein weiterer Ausschlussgrund war das Vorliegen eines retrospektiven Studiendesigns, insgesamt sechs Studien fielen in diese Ausschlusskategorie. Nur in einem Fall musste von dieser Regel abgewichen werden und eine derartige Studie zur näheren Betrachtung herangezogen werden, da es sich um die einzige Studie handelte, welche die Prävalenz von Essstörungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten untersuchte (GOETESTAM ET AL., 1998). Übersicht der ausgeschlossenen Studien Tabelle 3.1: " - % %6 % A " ( , < B( B - > ", 6 $ + 53 * ; $ 0 < #&B 2C ) 6 &) > - 9 D ' ) %8 - % 9 $ % % /8 - Insgesamt ausgeschlossene Studien %" E '& , 9 % " # $& / # $& $ B / - @ - @ $= - @ $D B 5 5 3 < B @ . > " %" # $ # $ " # $ 28 0 28 3 3 6 16 13 29 13 0 13 6 0 6 6 1 7 2 0 2 2 0 2 2 4 6 3 1 4 81 22 103 # $& $ " ) ( 8 24 3. ERGEBNISSE Für die Endauswertung standen schließlich 19 Studien (15,6% der Gesamtausbeute) zur Verfügung, die zur nähen Untersuchung, Analyse und Kommentierung herangezogen wurden. Eine Übersicht über diese Studien liefert Tabelle 3.2. Von ihnen konnten nur sieben Untersuchungen den qualitativ hochwertigen Güteklassen „++“ und „+++“ zugeordnet werden (5,7% der Gesamtmenge), die gut direkt miteinander verglichen und verrechnet werden konnten. Sie sind in den Übersichtstabellen 3.4 sowie 3.5.1 bis 3.9.2 im oberen Abschnitt aufgeführt (s. Seite 51 ff). Die übrigen zwölf sog. qualitativ mangelhaften „Zweite-KlasseStudien“ im unteren Abschnitt der Tabellen werden im Folgenden einzeln betrachtet und kommentiert. Übersicht der analysierten Publikationen zur Prävalenz psychischer Störungen im Allgemeinkrankenhaus Tabelle 3.2: ( $ ! C # & * 0 1 B 55* 55# B G D D B B B H B 3 ( B 5 ( B / B / !/ ) B B 531 55 550 550 550 * $ 4 ' ' $ <@ " / / 9 I > 2 2 C 2 = ' 2 2 C 55 / 9 55* 531 D <( : $ 553 55! 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Von diesen stammten drei aus Großbritannien (15,7%), jeweils zwei (10,5%) aus der Bundesrepublik Deutschland und Griechenland und jeweils eine aus Österreich, den Niederlanden und Norwegen. Die übrigen, nichteuropäischen Publikationen stammten aus den USA (n=2; 10,5%), dem afrikanischen (n=3; 15,7%), asiatischen (n=2; 10,5%) und lateinamerikanischen Raum (n=1; 5,3%) sowie aus Australien (n=1; 5,3%). Damit stammten insgesamt 31,6% der Untersuchungen aus dem englischsprachigen Raum. In zehn Publikationen wurde eine abteilungsübergreifende Untersuchung durchgeführt. In fünf wurden ausschließlich internistische Abteilungen, in den übrigen isoliert neurologische und Notfallabteilungen untersucht (s. Abbildung 3.1). Innere Abt. 26% n=5 Mehrere Abt. 52% n=10 Notfall-Abt. 11% n=2 Neurologie 11% n=2 Abb. 3.1: Verteilung der evaluierten Studien auf die jeweils untersuchten Abteilungen Weiterhin zeigte sich eine große Variabilität hinsichtlich der Größe der Stichproben und der Dauer der Erhebungen. In den meisten Studien lag die Stichprobengröße zwischen 100 und 300 untersuchten Patienten (s. Abbildung 3.2). 26 3. ERGEBNISSE 10 9 Anzahl der Studien 8 7 6 5 4 3 2 1 0 unter 100 100-299 300-499 500-699 über 700 Stichprobengröße Abb.3.2: Verteilung der Stichprobengröße Die Untersuchungszeiträume aller evaluierten Studien erstreckten sich zwischen vier Tagen und fünf Jahren. In zehn Untersuchungen (52%) wurde ein Erhebungszeitraum zwischen einem und zwölf Monaten gewählt. Zwei Untersuchungen (11%) erstreckten sich über einen Zeitraum von über vier Jahre, drei (16%) nur über weniger als einen Monat. Zwei Publikationen lieferten keine Angaben über den Untersuchungszeitraum (Abbildung 3.3). 12 Anzahl der Studien 10 8 6 4 2 0 unter 1 Monat 1-12 Monate Studiendauer Abb.3.3: Verteilung der Erhebungsdauer über 1 Jahr keine Angaben 27 3. ERGEBNISSE Die größte Variabilität zeigte sich im methodischen Aufbau und in der Verwendung der Untersuchungsverfahren. Eine Übersicht über den methodischen Aufbau der einzelnen Studien ist in Tabelle 3.4 am Ende dieses Kapitels zu finden. In 13 Studien (68%) wurden konsekutive Untersuchungspläne gewählt. In drei Studien (16%) wurden randomisierte Stichproben untersucht und zwei Studien (10%) führten Querschnittsuntersuchungen durch. Eine Untersuchung wurde analysiert, die einen retrospektiven Untersuchungsgang wählte. In sechs der 19 Studien (32%) wurden darüber hinaus zweistufige Untersuchungsverfahren benutzt. Ebenfalls bezüglich der Wahl der Untersuchungsinstrumente und Klassifikationssysteme bestand eine große Variabilität. Die im Folgenden vorgestellten Untersuchungsinstrumente, psychometrischen Tests, Interviewverfahren und Klassifikationssysteme sind im Anhang C aufgelistet. Das meistverwendete mehrdimensionale Untersuchungsinstrument stellte der Selbstbeurteilungsfragebogen „ General Health Questionnaire (GHQ)“ (GOLDBERG, 1978; GOLDBERG & HILLIER, 1979; GOLDBERG & WILLIAMS, 1988) in einer seiner Formvarianten dar. Er fand in sechs Untersuchungen Verwendung. Das am häufigsten eingesetzte Interviewverfahren (n=6) war ein nicht näher beschriebenes klinisch-psychiatrisches Interview, gefolgt (n=5) vom strukturierten und standardisierten Interviewleitfaden „ Clinical Interview Schedule (CIS)“ (GOLDBERG ET AL., 1970). An Klassifikationssystemen wurde am häufigsten das „ Diagnostic and Statistical Manual (DSM)“ in einer seiner verschiedenen Versionen verwendet (AMERICAN PSYCHIATRIC ASSOCIATION, 1980; 1987; 1994) (insg. n=9; 47%). Die „ Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD)“ der WHO (WORLD HEALTH ORGANISATION, 1978; 1993A) fand dahingegen nur in vier Studien Verwendung (21%), dabei nur in einer einzigen Studie in ihrer 10. Revision. In einem Fall wurden die erfassten Störungen nach den „ Feighner-Kriterien“ (FEIGHNER ET AL., 1972) klassifiziert. 28 3.2 3. ERGEBNISSE Neurotische, belastungsreaktive, funktionelle, Verhaltens-, Persönlichkeitsund „psychosomatische“ Störungen (ICD-10, Kapitel F4-F6 und F34.1) bei Allgemeinkrankenhauspatienten Die Beschreibung des methodischen Aufbaus bezieht sich auf 14 der identifizierten Publikationen, in denen die Gesamtprävalenz derjenigen psychischen Störungen angegeben wurde, die Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind (s. Tabelle 3.5.1). Zur genaueren Bestimmung der Prävalenzrate wurden zunächst die qualitativ hochwertigen Studien „ erster Klasse“ beschrieben und miteinander verrechnet. Anschließend wurden die Ergebnisse der übrigen „ Zweite-Klasse-Studien“ dargestellt (s. Tabelle 3.5.2). 3.2.1 Studiendesign, Zeitstruktur, Fallidentifikation / verwendete Untersuchungsinstrumente und Falldefinition In der Mehrzahl der Fälle wurden konsekutive Untersuchungspläne gewählt (n=9; 64%). In drei Studien (21%) wurden randomisierte Stichproben untersucht und in zwei Fällen (14%) Querschnittserhebungen durchgeführt. Hinsichtlich der Erhebungszeiträume konnten, wie bereits beschrieben, starke Schwankungen registriert werden. Die kürzeste Untersuchung dauerte vier Tage, die längste vier Jahre. Die meisten Studien wählten einen Erhebungszeitraum von ein bis zwölf Monaten (n=6; 43%). Drei Studien erfassten weniger als einen Monat (21%), zwei Studien dauerten über ein Jahr (14%) und in zwei Studien wurden keine Angaben über die Erhebungsdauer gemacht. Unter den fünf qualitativ hochwertigen Studien wurde nur in einem Fall ein zweistufiges Untersuchungsverfahren angewandt. Hierbei kam der mehrdimensionale Fragebogen GHQ in seiner 28-item Version als Screeninginstrument in der ersten Stufe und das kategoriale „ Strukturierte Klinische Interview für DSM-III-R (SCID-R)“ (NEW YORK PSYCHIATRIC INSTITUTE, 1995) zur Anwendung. In den übrigen vier einstufigen Untersuchungen wurden in zwei Fällen kategoriale diagnostische Interviews zur Falldefinition herangezogen, das „ Composite International Diagnostic Interview (CIDI)“ (WITTCHEN & SEMLER, 1990) für ICD-10. und die „ Schedules for Clinical Assessment in Neuropsychiatry (SCAN)“ (WING ET AL., 1990) für DSM-IV. In zwei weiteren Studien wurden verschiedene mehrdimensionale Untersuchungsverfahren in Kombination mit einem nicht näher beschriebenen klinisch- 29 3. ERGEBNISSE psychiatrischen Interview oder mit dem o.g. standardisierten Interview SCID verwendet. Eine Untersuchung bediente sich zur Fallidentifikation und -definition ausschließlich der standardisierten, teilstrukturierten Interviewvorlage „ Clinical Interview Schedule (CIS)“ . Bei den Studien „ zweiter Klasse“ wurde ebenfalls meist ein einstufiges Studiendesign gewählt. In den drei zweistufigen Untersuchungen wurde zweimal das GHQ-28 als Screeninginstrument in der ersten Stufe und der Interviewleitfaden CIS in der zweiten Stufe eingesetzt. In der dritten zweistufigen Untersuchung wurde als Screeninginstrument der mehrdimensionale Selbstbeurteilungsfragebogen „ Self Report Questionnaire (SRQ)“ (DHADPHALE, 1984) und in der zweiten Stufe das „ Standardized Psychiatric Interview (SPI)“ (GOLDBERG ET AL., 1970) eingesetzt, das dem CIS entspricht. Zur Identifizierung von psychischen Störungen wurde in der Mehrzahl der vierzehn untersuchten Studien (n=9) „ dimensionale“ Untersuchungsinstrumente verwendet. Diese erfassen per definitionem nur einzelne Dimensionen wie z.B. Depression oder Angst, ohne diese einer spezifischen Störungsgruppe zuzuordnen. Unter ihnen zählte das „ General Health Questionnaire“ (GHQ) in einer seiner vier Formvarianten (12-, 28-, 30- und 60- Items) zu den meist verwendeten Fragebögen. Es wurde in sechs Fällen benutzt. Die „ Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS)“ (ZIGMOND & SNAITH, 1983) kam insgesamt zweimal zum Einsatz. Jeweils einmal verwendet wurde die von der „ Symptom Checkliste (SCL-90R)“ (DEROGATIS, 1982) abgeleitete „ Brief Symptom Rating Scale (BSRS)“ (LEE ET AL., 1990), der „ Short Portable Mental Status Questionnaire (SPMSQ)“ (PFEIFFER, 1975), die „ Mini Mental State Examination“ (MMSE) (FOLSTEIN ET AL., 1975) sowie der „ Illness Behaviour Questionnaire (IBQ)“ (PILOWSKY ET AL., 1979). Die Falldefinition erfolgte bei den „ Erste-Klasse-Studien“ in vier von fünf Fällen mithilfe des standardisierten und kriterienorientierten Interviews SCID-R, des CIDI und der SCAN. In der übrigen Studie erfolgte die Falldefinition nach einem nicht näher bezeichneten klinischpsychiatrischen Interview. In den neun „ Zweite-Klasse-Studien“ erfolgte die Falldefinition nur in einem Fall mithilfe eines standardisierten und kriterienorientierten Interviews (SCID-R). Im übrigen erfolgte die Falldefinition in vier Fällen nach Verwendung des teilstrukturierten Interviewleitfadens CIS bzw. CIS-R (LEWIS ET AL., 1992) und in weiteren vier Füllen nach Durchführung eines nicht näher bezeichneten klinisch-psychiatrischen Interviews. 30 3. ERGEBNISSE 3.2.2 Stichprobenbeschreibung Genaue Angaben zu den 14 untersuchten Stichproben und der Ergebnisse sind in Tabelle 3.5.2 am Ende des Kapitels ersichtlich. In sechs der vierzehn Studien (36%) fand eine abteilungsübergreifende Untersuchung statt. In den übrigen neun Studien wurden einzelne Abteilungen untersucht, davon wurden in vier Fällen internistische, in zwei Fällen neurologische und in weiteren zwei Fällen Notfall-Abteilungen untersucht. Bezüglich der Altersangaben waren erhebliche Unterschiede zu verzeichnen. Das durchschnittliche Alter schwankte zwischen 30 Jahren (auf einer Notfallabteilung) und 54 Jahren. In einer Publikation wurde der Alters-Median statt der Alters-Mittelwerte, in einer anderen der Prozentsatz der Patienten über bzw. unter 65 Jahren und in einer weiteren das Durchschnittsalter der „ Fälle“ dem der „ Nicht-Fälle“ gegenübergestellt. Drei Studien lieferten keine Altersangaben über die Stichprobe, beschrieben die Stichprobe jedoch als repräsentativ. In den meisten Studien (n=10 von 14; 71%) wurde eine gemischtgeschlechtliche Patientenpopulation untersucht. Zwei Studien untersuchten gezielt nur männliche oder weibliche Patienten und wurden daher auch (vor allem hinsichtlich ihrer Prävalenzangaben) gesondert betrachtet. Weitere zwei Publikationen lieferten keine Angaben zu der Stichprobenzusammensetzung. Die Größe der Stichproben erstreckte sich zwischen 64 und 759 Patienten, die durchschnittliche Größe lag bei 285 und der Median bei 186 Patienten. 3.2.3 Prävalenz psychischer Störungen bei Patienten internistischer Abteilungen Die globale Prävalenz psychischer Störungen gemäß ICD-10 Kapitel F4 bis F6 und F34.1 (Dysthymie) isoliert auf internistischen Abteilungen wurde in nur einer der qualitativ hochwertigen Studien untersucht (s. Tabelle 3.5.2). Sie betrug 24,9% (SILVERSTONE, 1996). Zur Falldefinition wurde das kategoriale Interview angewandt. Bei den drei „ Zweite-Klasse-Studien“ streute die Prävalenz psychischer Störungen (gemäß ICD-10 Kapitel F4 bis F6 und F34.1) auf internistischen Abteilungen zwischen 9,4% (GOUS 31 ET AL., 3. ERGEBNISSE 1992) und 38,3% (STUHR & HAAG, 1989). Im Mittel betrug die Prävalenz unter Vorbehalt 30,0%. Die Ergebnisse lassen sich jedoch aufgrund fehlender demographischer Angaben, unrepräsentativer Stichproben aufgrund des Durchschnittsalters und durch zum Teil fehlende Angaben zur Verwendung eines Klassifikationssystems nicht unmittelbar miteinander vergleichen. 3.2.4 Prävalenz psychischer Störungen bei Patienten neurologischer Abteilungen Nur eine qualitativ hochwertige Studie konnte identifiziert werden, die isoliert auf neurologischen Abteilungen eines Allgemeinkrankenhauses die Prävalenz psychischer Störungen (gemäß ICD-10 Kapitel F4 bis F6 und F34.1) im Allgemeinen untersuchte (LYKOURAS L. ET AL., 1996). Sie wurde mit 36,4% angegeben. Zur Falldefinition wurde nach einem zweistufigen Untersuchungsverfahren das SCID-R verwendet, das Diagnosen nach DSM-III-R Kriterien bestimmt. Eine weitere Untersuchung, die auf neurologischen Stationen erfolgte, kann aufgrund der ausschließlichen Betrachtung von weiblichen Patienten nicht unmittelbar mit der o.g. verglichen werden (METCALFE ET AL., 1988). Darüber hinaus verwendet sie zur Falldefinition das deskriptive Klassifikationssystem ICD-9. Nach Durchführung des teilstrukturierten Interviews CIS lag eine Prävalenz von 12,5% psychischer Störungen vor, die weitgehend denen entsprachen, die unter Kapitel F4 bis F6 und F34. der ICD-10 klassifiziert sind. 3.2.5 Prävalenz psychischer Störungen bei Patienten auf Notfallabteilungen Zwei Studien konnten identifiziert werden, in denen eine isolierte Erhebung auf Notfallabteilungen erfolgte. Beide erfüllten jedoch nicht die qualitativen Mindestkriterien, sodass sie nicht direkt miteinander verglichen und ihre Ergebnisse aus Repräsentativitätsgründen nicht auf die Grundgesamtheit bezogen werden konnten. BELL ET AL. (1990) lieferten keine Angaben zum verwendeten Klassifikationssystem, das Durchschnittsalter der Stichprobe betrug 30 Jahre. Dieses ist zwar möglicherweise repräsentativ für die Gesamtpopulation einer englischen Notfallabteilung, jedoch nicht für die gesamte Krankenhauspopulation. Des Weiteren erfolgte ein Ausschluss von zu schwer kranken 32 3. ERGEBNISSE Patienten, bei denen die Untersuchung entweder unmöglich oder unzumutbar erschien, sodass die angegebene Prävalenz von 20% möglicherweise als zu gering angesehen werden muss. LEUNG ET AL. (1992) untersuchten ausschließlich männliche Patienten einer chinesischen Notfallabteilung. Hier wurde mittels eines nicht näher beschriebenen klinisch-psychiatrischen Interviews bei 14,2% der untersuchten Stichprobe eine psychische Störung aufgedeckt, die – basierend auf DSM-III Kriterien – den Störungsbildern der Kapitel F4 bis F6 und F34.1 nach ICD-10 entsprachen. 3.2.6 Prävalenz psychischer populationen Störungen in abteilungsübergreifenden Patienten- Drei qualitativ hochwertige „ Erste-Klasse-Studien“ untersuchten abteilungsübergreifend die Prävalenz psychischer Störungen, Allgemeinkrankenhaus (AROLT gemäß ET AL., ICD-10, 1995; CLARKE F4 ET AL., bis F6 1993; LEE und F34.1, ET AL., im 1990). Die Gesamtprävalenz lag – bezogen auf die aus allen drei Studien gebildete Gesamtstichprobe – bei 15,5% mit einer Streubreite zwischen 13,2% und 21,8%. In allen Studien wurde ein einstufiges Design gewählt. In zwei dieser Studien wurde als Untersuchungsinstrument ein kriterienorientiertes Interview verwendet (CIDI bzw. SCID-R) und in einer Studie ein nicht näher beschriebenes klinisch-psychiatrisches Interview durchgeführt. Darüber hinaus wurden in zwei Untersuchungen zusätzlich diverse dimensionale Fragebögen eingesetzt (CLARKE ET AL., 1993 und LEE ET AL., 1990). Aufgrund ihres Studienaufbaus und der Qualitätsmerkmale könnte die Untersuchung von NAIR & PILLAY (1997) (im unteren Abschnitt der Tabellen 3.5.1 und 3.5.2 aufgeführt) mit den zuvor beschriebenen „ Erste-Klasse-Studien“ verglichen werden. Allerdings lag hier das Durchschnittsalter der untersuchten südafrikanischen Stichprobe bei 40 Jahren. Sie entspricht somit nicht einer vergleichbaren europäischen oder nordamerikanischen Allgemeinkrankenhauspopulation, auch wenn sie für südafrikanische Verhältnisse möglicherweise durchaus repräsentativ ist. Die festgestellte Prävalenzrate psychischer Störungen, gemäß ICD-10, F4 bis F6 und F34.1, betrug 3,5%. In einer weiteren Studie, in der die Prävalenz der o.g. psychischen Störungen bei kenianischen Allgemeinkrankenhauspatienten untersucht wurde (KIGAMWA, 1991) erfolgte weder eine Angabe zum Untersuchungsfeld (mutmaßlich abteilungsübergreifend) noch zu den demographischen Daten der Stichprobe, die jedoch als 33 3. ERGEBNISSE repräsentativ (für die kenianische Allgemeinkrankenhauspopulation ?) angegeben wurde. Die hier aufgedeckte Prävalenz betrug nach ICD-9 4,0%. Die Ergebnisse der dritten in den Tabellen 3.5.1 und 3.5.2 aufgeführten Studie von WANCATA ET AL. (1996) können aufgrund der Verwendung des nicht kriterienorientierten Klassifikationssystems ICD-9 nicht direkt mit den „ Erste-Klasse-Studien“ verglichen werden. Unter Verwendung des Interviewleitfadens CIS wurde hier eine Prävalenz von 13,0% an psychischen Störungen angegeben, die den dysthymen, neurotischen, belastungsreaktiven, funktionellen, psychosomatischen und persönlichkeitsbedingten psychischen Störungen zugeordnet werden konnten. Bei einer unkonventionellen Ergebniszusammenführung, in der eine totale Gesamtstichprobe von 1758 Patienten aus den „ Erste-Klasse-Studien“ (ungeachtet ihres Erhebungsfeldes) gebildet wird, ergab sich eine Gesamtprävalenz der hier untersuchten psychischen Störungen von 18,4%. 3.3 Dysthyme Störungen bei Patienten im Allgemeinkrankenhaus (ICD-10, Kapitel F34.1) Als Dysthymie werden nach ICD-10 Störungen bezeichnet, die charakterisiert sind durch eine langdauernde, depressive Verstimmung, die nie oder nur in sehr seltenen Fällen ausgeprägt genug ist, um die Kriterien einer rezidivierenden oder mittelgradigen depressiven Störung zu erfüllen. Sie beginnen gewöhnlich früh im Erwachsenenleben und halten mindestens mehrere Jahre, manchmal lebenslang an. Beim Beginn im höheren Alter treten sie häufig nach einer abgrenzbaren depressiven Episode, einem Trauerfall oder einer anderen offensichtlichen Belastung auf (DILLING ET AL., 1993). Formell gehören sie nach diesem Klassifikationssystem den affektiven Störungen an und waren damit auch Gegenstand einer vorausgegangenen Untersuchung eines weiteren Mitglieds der Arbeitgruppe, in der die Prävalenz der psychotischen, organisch- und durch psychotrope Substanzen bedingten und affektiven psychischen Störungen (gemäß Kapitel F0 bis F3 der ICD-10) untersucht wurde (MERKLEIN, 1998). Aufgrund der zahlenmäßig besonderen Bedeutung der dysthymen Störungen im psychosomatisch/psychotherapeutischen Konsiliar-Liaison-Dienst in Deutschland wurden 34 3. ERGEBNISSE diese in der vorliegenden Arbeit erneut, isoliert von den übrigen affektiven Störungen, betrachtet. Die Isolierung dieser Störung gestaltete sich jedoch etwas schwierig. In einigen Studien erfolgte eine Differenzierung zwischen „ major“ und „ minor depressive disorders“ , welche hier aufgegriffen wurde. Die „ minor depressive disorders“ wurden der Klasse der dysthymen Störungen zugeteilt. Da jedoch häufig keine klaren Grenzen zwischen diesen beiden Störungsgruppen gezogen wurden, blieben Überschneidungen unvermeidbar, sodass die im Folgenden eruierten Prävalenzraten eher als orientierende Näherungswerte zu betrachten sind. Zu beachten ist, dass Kombinationen von Depression mit Angst- oder Anpassungsstörungen, gemäß ICD-10 Kapitel F4, den neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen zugeordnet und daher auch mit ihnen aufgeführt und verrechnet wurden. 3.3.1 Studiendesign, Zeitstruktur, Fallidentifikation / Untersuchungsinstrumente, Falldefinition und Klassifikationssysteme In sieben der neun identifizierten Studien, in denen bei Allgemeinkrankenhauspatienten die Prävalenz dysthymer – oder zu diesen subsummierbarer depressiver – Störungen untersucht wurden, fand ein konsekutiver Untersuchungsplan Anwendung. In den übrigen zwei wurde eine Querschnittserhebung durchgeführt (s. Tab. 3.6.1 und 3.6.2). Sieben Studien gaben den Ausschluss zu kranker, ablehnender oder anders verhinderter Patienten an, während die restlichen zwei keine Auskünfte über derartige Ausfälle lieferten. Die Erhebungszeiträume der einzelnen Untersuchungen erstreckten sich zwischen einem und sechzehn Monaten. Eine Publikation lieferte keine Angaben über den Zeitraum ihrer Untersuchungen. Vier dieser neun identifizierten Studien konnten aus methodischer Sicht zu den „ Erste-KlasseStudien“ gerechnet werden. Diese waren aufgrund der verwendeten, recht gut untereinander kompatiblen Klassifikationssysteme gut miteinander verglichen werden, zumal sie explizit die Störungsbezeichnung „ dysthyme Störungen“ aufwiesen. Unter ihnen wurde in zwei Fällen ein zweistufiges Untersuchungsdesign gewählt. Als Screeninginstrument wurde einmal der eindimensionale Fragebogen „ Beck’ s Depression Inventory (BDI)“ und einmal das mehr- 35 3. ERGEBNISSE dimensionale Untersuchungsinstrument GHQ-28 angewandt. Die Falldefinition erfolgte in drei Fällen mithilfe eines kriterienorientierten Interviews, dabei einmal durch das CIDI für ICD-10 und zweimal durch das SCID-R für DSM-III-R. Einmal erfolgte die Falldefinition durch ein nicht näher beschriebenes klinisch-psychiatrisches Interview nach DSM-III Kriterien. Unter den übrigen fünf „ Zweite-Klasse-Studien“ , in denen dysthyme oder dysthymieähnliche Störungen angegeben wurden, erfolgte nur in einem Fall eine zweistufige Untersuchung. Die Fallidentifikation erfolgte hierbei mittels BDI in der ersten Stufe, in der zweiten Stufe mithilfe des „ Hamilton Depression Rating Scale (HDRS)“ (HAMILTON, 1960) und eines nicht näher beschriebenen klinisch-psychiatrischen Interviews. In den einstufigen Untersuchungen wurde zur Falldefinition zweimal das teilstrukturierte CIS bzw. CIS-R angewandt, jedoch wurde danach bei BOTEGA ET AL. (1995) keine definitive Diagnose nach einem Klassifikationssystem gestellt, sondern lediglich „ depressive Symptome“ und „ depressive Ideen“ aufgeführt. In den übrigen drei Studien erfolgte die Falldefinition nach einem nicht näher beschriebenen klinisch-psychiatrischen Interview. In drei Fällen wurden Klassifikationssysteme angegeben, dabei wurden jeweils einmal Diagnosen nach DSM-III, nach ICD-9 und nach FeighnerKriterien gestellt. Wie in Tabelle 3.6.1 ersichtlich, kamen in den neun aufgedeckten Studien diverse dimensionale Untersuchungsinstrumente zur Anwendung. Zweimal wurde das eindimensionale BDI angewandt, je mit einem festgelegten Schwellenwert von 13 Punkten, um auch mildere Ausprägungen depressiver Störungen erfassen zu können. Die eindimensionale HDRS wurde dreimal und die „ Geriatric Depression Scale (GDS)“ (YESAVAGE ET AL., 1983) einmal angewandt. Des Weiteren wurde je einmal das mehrdimensionale HADS eingesetzt. Das störungsgruppenübergreifende Screeninginstrument GHQ fand insgesamt dreimal Verwendung, dabei wurden somatischen Items des Fragebogens ersetzt um eine Verzerrung der Ergebnisse durch Confounding zu minimieren. 36 3. ERGEBNISSE 3.3.2 Stichprobenbeschreibung In fünf der neun evaluierten Studien wurden mehrere medizinische Fachabteilungen in die Untersuchungen einbezogen. In zwei wurden ausschließlich internistische und je in einer wurden ausschließlich neurologische oder Notfallabteilungen untersucht. Hinsichtlich der Alters- und Geschlechtsverteilung waren unter den einzelnen Untersuchungen erhebliche Unterschiede zu verzeichnen. Bei den vier qualitativ hochwertigen Studien konnte von einer repräsentativen gemischtgeschlechtlichen Stichprobe ausgegangen werden. Unter fünf „ Zweite-Klasse-Studien“ wurden in zwei Publikationen ausschließlich männliche Patienten untersucht. In zwei weiteren lag das Durchschnittsalter unter 45 Jahren. In einer wurden keine Angaben zur Altersverteilung gemacht (s. Tab. 3.6.2). Die Größe der untersuchten Stichproben variierte bei den vier „ Erste-Klasse-Studien“ zwischen 107 und 400 Patienten. Der Mittelwert lag bei 327, der Median bei 220 Patienten. Bei den übrigen fünf Publikationen streute die Stichprobengröße zwischen 79 und 569, bei einem Median von 175 Patienten. 3.3.3 Prävalenz dysthymer Störungen bei Patienten internistischer Abteilungen Nur eine Untersuchung lieferte aufgrund ihres Studienaufbaus verlässliche Angaben zur Prävalenz dysthymer Störungen bei internistischen Patienten eines Allgemeinkrankenhauses (HENGEVELD ET AL., 1987). Hierin wurde mithilfe des BDI (mit einem cut-off-point größer 13) und eines nicht näher beschriebenen klinisch-psychiatrischen Interviews eine Prävalenz an Dysthymien von 1,4% nach DSM-III-Kriterien aufgedeckt. Unter den „ Zweite-Klasse-Studien“ wurde eine Studie aufgeführt, die sich nur bedingt mit der obengenannten vergleichen ließ, da in ihr nur sog. „ andere depressive Störungen“ (gemäß ICD-9 Ziffer 311) aufgeführt wurden. Die Prävalenz dieser „ nicht-endogenen Depressionen“ nach ICD-9 lag hier bei 0,8%. Eine weitere „ Zweite-Klasse-Studie“ fand sich, in der isoliert internistische Abteilungen untersucht wurden (BOTEGA ET AL., 1995). Sie führte jedoch keine spezifischen Diagnosen auf, sondern deckte mittels GHQ und CIS lediglich „ depressive Symptome und Ideen“ bei 25,6% der untersuchten Patienten auf. 37 3. ERGEBNISSE 3.3.4 Prävalenz dysthymer Störungen bei Patienten neurologischer Abteilungen Die Prävalenz dysthymer Störungen bei neurologischen Patienten wurde in nur einer qualitativ hochwertigen Studie beschrieben (LYKOURAS L. ET AL., 1996). Hier wurde in einem zweistufigen Untersuchungsgang nach einem Screening mittels GHQ-28 und einem kriterienorientierten Interview mittels SCID-R für DSM-III-R eine Prävalenz von 11,2% dysthymer Störungen auf neurologischen Abteilungen aufgedeckt. 3.3.5 Prävalenz dysthymer Störungen bei Patienten auf Notfallabteilungen Nur eine Studie konnte gefunden werden, die die Prävalenz dysthymer Störungen auf Notfallabteilungen aufzeigte (LEUNG ET AL., 1992). Da in dieser jedoch nur männliche Patienten untersucht wurden, kann die Stichprobe nicht als repräsentativ erachtet werden und wurde unter den „ Zweite-Klasse-Studien“ aufgeführt, obwohl sie ansonsten ein qualitativ höherwertiges Untersuchungsdesign aufwies. Nach Durchführung eines nicht näher beschriebenen klinisch-psychiatrischen Interviews wurde bei 12,5% der untersuchten männlichen Patienten einer neurologischen Abteilung in China eine dysthyme Störung nach DSM-III-Kriterien aufgedeckt. 3.3.6 Prävalenz dysthymer populationen Störungen in abteilungsübergreifenden Patienten- Fünf Studien untersuchten abteilungsübergreifend die Prävalenz dysthymer Störungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten, davon konnten nur zwei den „ Erste-Klasse-Studien“ zugeordnet werden. Die durchschnittliche abteilungsübergreifende Prävalenz betrug hierbei 3,3%. Unter den „ Zweite-Klasse-Studien“ wiesen KOENIG ET AL. (1992) „ depressive Symptome“ bei 16,0% – allerdings nur männlichen – Patienten mittels GDS-30, HDRS und einem nicht näher beschriebenen klinisch-psychiatrischen Interview nach. LYKOURAS E. ET AL. (1989) deckten mittels einer qualitativ zwar hochwertigen Untersuchung, jedoch in einer zu jungen und daher 38 3. ERGEBNISSE nicht repräsentativen Stichprobe eine abteilungsübergreifende Prävalenz „ milder primärer oder sekundärer depressiver Syndrome“ von 28,7% nach Feighner-Kriterien auf. WANCATA ET AL. (1996) gaben eine abteilungsübergreifende Prävalenz an „ nicht endogener Depressionen“ nach ICD-9-Kriterien von 1% an. Bei einer wie unter Kapitel 3.2.6 beschriebenen unkonventionellen Ergebniszusammenführung, in der eine totale Gesamtstichprobe von 906 Patienten aus den „ Erste-KlasseStudien“ (die Studie von WANCATA ET AL. [1996] ausgeschlossen) gebildet wird, ergab sich abteilungsübergreifend eine Gesamtprävalenz dysthymer Störungen von 3,8%. 3.4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen bei Patienten im Allgemeinkrankenhaus (ICD-10, Kapitel F40-F48) Wie bereits erwähnt, wurden in den verschiedenen Publikationen unterschiedliche Nomenklaturen und Klassifikationssysteme zur Beschreibung sich entsprechender psychischer Störungen aufgeführt, was insbesondere beim Vergleich der Ergebnisse Probleme bereitet. Um dennoch eine gute Vergleichbarkeit zu ermöglichen, mussten die aufgeführten Störungen durch eine besonders sorgfältige Zuordnung zu den entsprechenden Kapiteln der ICD-10 vereinheitlicht werden. Die Tabellen 3.7.1 und 3.7.2 bieten eine Übersicht über die dreizehn identifizierten Publikationen, die Störungen aufführten, die den Kapiteln F40 bis F48 der ICD-10 zugeordnet werden konnten. In ihnen werden das von den Autoren jeweils verwendete Klassifikationssystem, die von ihnen gewählte Störungsbezeichnung sowie die entsprechende F-Ziffer der ICD-10, der sie zugeordnet wurden, gegenübergestellt. Die Angaben über die aufgeführten Störungen waren sehr uneinheitlich. Manche Autoren erfassten übergeordnete Störungsgruppen wie „ phobische Störungen“ oder „ somatoforme Störungen“ , während andere differenzierte Störungsangaben wie „ Agoraphobie“ oder „ Anpassungsstörung und Depression“ angaben. 39 3. ERGEBNISSE 3.4.1 Studiendesign, Zeitstruktur, Fallidentifikation / Untersuchungsinstrumente, Falldefinition und Klassifikationssysteme In neun der dreizehn identifizierten Publikationen, die die Prävalenz dieser „ F4subsummierbaren konsekutiver Störungen“ im Untersuchungsplan Allgemeinkrankenhaus gewählt (70%). Zwei untersuchten, wurde Untersuchungen ein führten Querschnittserhebungen durch und in weiteren zwei wurden randomisierte Stichproben untersucht. Die Erhebungszeiträume erstreckten sich zwischen vier Tagen und dreizehn Monaten. In zwei Untersuchungen wurde keine Auskunft über den Erhebungszeitraum gegeben. Fünf Untersuchungen wurden identifiziert, die als „ Erste-Klasse-Studien“ zusammengeführt werden konnten. Von ihnen wurde nur in einem Fall ein zweistufiges Studiendesign gewählt. Meist wurden mehrdimensionale Untersuchungsverfahren verwendet, darunter zweimal das GHQ und jeweils einmal die HADS bzw. die BSRS. Zur Falldefinition wurden in vier Untersuchungen kategoriale diagnostische Interviews benutzt, einmal das CIDI, einmal das SCAN und zweimal das SCID-R. In der fünften wurde zur Falldefinition ein nicht weiter beschriebenes klinisch-psychiatrisches Interview durchgeführt. Unter den acht „ Zweite-Klasse-Studien“ wurden in drei Fällen zweistufige Erhebungen durchgeführt. Dabei wurde in der ersten Stufe jeweils das Screening mithilfe eines mehrdimensionalen Fragebogens durchgeführt. Hierbei wurde zweimal das GHQ in seiner 28-item Version (einmal in Kombination mit der HADS) und einmal das SRQ alleine benutzt. In der zweiten Stufe wurde jeweils ein standardisiertes Interview verwendet und zwar zweimal das CIS und einmal das SPI. Unter allen acht Studien wurde nur einmal im Rahmen einer einstufigen Untersuchung ein kriterienorientiertes Instrument (SCID-R für DSM-III-R) angewandt. Unter diesen 13 Studien wurde das GHQ insgesamt sechsmal eingesetzt, dreimal in der 28item und je einmal in der 60-, 30- und 12-item Formvariante. Jeweils einmal kam das BSRS, das SRQ und die SCL 90-R zum Einsatz. Zur Einschätzung einzelner psychischer Symptome kamen die störungsgruppenspezifischen Untersuchungsinstrumente HADS und die HDRS zum Einsatz. Darüber hinaus wurde einmal das IBQ eingesetzt. Zur Beurteilung der kognitiven Fähigkeiten wurden zweimal das MMSE und einmal das SPMSQ verwendet. 40 3. ERGEBNISSE Zur Fixierung der Diagnosen wurde in sieben Untersuchungen das DSM verwendet, davon dreimal in der dritten, dreimal Fällen in der revidierten III-R-Version und einmal in seiner vierten Version. In vier Untersuchungen kam die ICD zur Anwendung, dreimal in ihrer neunten und nur einmal in ihrer kriterienorientierten, zehnten Version. In zwei Publikationen wurde kein Klassifikationssystem angegeben. 3.4.2 Stichprobenbeschreibung In sechs der dreizehn Studien fand eine abteilungsübergreifende Untersuchung statt, dabei untersuchten zwei dieser Studien neben internistischen und chirurgischen Abteilungen ebenfalls gynäkologische Abteilungen. Weitere zwei dieser abteilungsübergreifenden Studien untersuchten mehrere, nicht genauer differenzierte Abteilungen. In sechs weiteren Studien wurden diverse einzelne Abteilungen untersucht und in einer wurden keine Angaben über die untersuchten Abteilungen geliefert, so dass von einer abteilungsübergreifenden Erhebung ausgegangen wurde (KIGAMWA, 1991), da die Stichprobe als repräsentativ angegeben wurde. Die Größe der Stichproben schwankte zwischen 64 und 759 Patienten. Auch bezüglich des Durchschnittsalters der Stichproben bestanden deutliche Unterschiede, abhängig vom Untersuchungsland oder -feld. So wies die englische Stichprobe aus einer Notfallabteilung ein Durchschnittsalter von dreißig Jahren auf. Dieses Alter entspricht zwar nicht dem Durchschnittsalter einer „ westlichen“ Allgemeinkrankenhauspopulation, ist jedoch, bezogen auf die entsprechende Abteilung, durchaus als repräsentativ anzusehen. Ebenso ist das niedrige Durchschnittsalter in den südafrikanischen und brasilianischen Untersuchungen zu beurteilen, wo das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung schon niedriger ist. 3.4.3 Prävalenz neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen (ICD-10, F40F48) bei Patienten internistischer Abteilungen Die erfassten Störungen und ihre Prävalenzraten werden in Tabelle 3.7.2 detailliert aufgeführt. Unter den „ Erste-Klasse-Studien“ fand sich nur eine, die isoliert internistische Stationen untersuchte (SILVERSTONE, 1996). Die Erfassung und Definition der Störungen erfolgte hier mit Hilfe des SCAN nach DSM-III-R-Kriterien. Hiermit wurde eine die Gesamtprävalenz von 41 3. ERGEBNISSE 20,5% neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen aufgedeckt. Im Einzelnen lag bei 6,7% der Patienten eine Angststörung (gemäß F40 und F41 nach ICD-10) vor, darunter fanden sich 4,8% reine Angst- und 1,9% Panik-Störungen. Des Weiteren wurde bei 13,7% der internistischen Patienten eine Anpassungsstörung (gemäß F43 nach ICD-10) aufgedeckt. Zwei weitere Arbeiten wurden identifiziert, die neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen auf internistischen Abteilungen beschrieben, die den „ Zweite-Klasse-Studien“ zugeteilt werden mussten (BOTEGA ET AL., 1995 und GOUS ET AL., 1992). GOUS ET AL. (1992) führten kein Durchschnittsalter ihrer Stichprobe an, das entsprechend südafrikanischer demographischer Verhältnisse möglicherweise niedriger und dadurch nicht direkt mit europäischen oder nordamerikanischen Verhältnissen zu vergleichen ist. In dieser Untersuchung wurde eine Prävalenz neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen von insgesamt 9,4% nach DSM-III-Kriterien ermittelt. Diese teilten sich auf in 3,2% Anpassungs- und 6,2% somatoforme Störungen. BOTEGA ET AL. (1995) hingegen verwendeten kein Klassifikationssystem und wiesen via GHQ und CIS-R lediglich die Dimensionen Phobie bei 2,6%, Angst bei 9,0%, Panik bei 2,6%, Zwangsgedanken bei 5,1% und Zwangshandlungen bei 2,6% der internistischen Patienten auf, ohne jedoch diese einer Diagnose zuzuordnen. Darüber hinaus lag auch in dieser Untersuchung das Durchschnittsalter unter dem europäischer und nordamerikanischer Länder. 3.4.4 Prävalenz neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen (ICD-10, F40F48) bei Patienten neurologischer Abteilungen Die Prävalenz von neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen auf neurologischen Abteilungen wurde nur in einer qualitativ hochwertigen Studie untersucht (LYKOURAS, L. ET AL., 1996). Unter Verwendung des SCID-R wurde hier eine Prävalenz von 25,2% aufgedeckt. Diese teilte sich auf in 4,7% Phobien, 14,0% Angststörungen, 4,7% Anpassungsstörungen und 1,8% somatoforme Störungen. Des Weiteren lieferten auch METCALFE ET AL. (1988) Daten zur Prävalenz von Störungen dieser Gruppe auf neurologischen Stationen. Diese konnten jedoch nicht direkt mit o.g. verglichen werden da hier zum einen ausschließlich weibliche Patienten untersucht wurden, zum anderen keine Angaben über die Altersverteilung oder die Repräsentativität der 42 3. ERGEBNISSE Stichprobe gemacht wurden. Es wurde unter Verwendung des GHQ-28 und des CIS eine Prävalenz an Störungen, die den neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen nach ICD-10-Kriterien zuzuordnen waren, von 12,9% aufgeführt, darunter 9,7% Angst- und 3,2% dissoziative Störungen. 3.4.5 Prävalenz neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen (ICD-10, F40F48) bei Patienten auf Notfallabteilungen Nur eine Studie konnte gefunden werden, die die Prävalenz von neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen in einer englischen Notfallabteilung untersuchte (BELL ET AL., 1990). Diese führte jedoch ein Durchschnittsalter von 30 Jahren auf. Dieses entspricht zwar nicht dem Durchschnittsalter einer europäischen Allgemeinkrankenhauspopulation, ist jedoch, bezogen auf die entsprechende Abteilung, durchaus als repräsentativ anzusehen. Auch aufgrund der fehlenden Angabe des verwendeten Klassifikationssystems, wodurch die Vergleichbarkeit mit anderen Studien deutlich eingeschränkt wird, wurde sie zu den „ ZweiteKlasse-Studien“ gezählt. In ihr wurde eine Prävalenz neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen von 17,5% beschrieben, diese teilten sich auf in 0,8% Phobien und 16,7% Angststörungen. Hier muss jedoch eingeräumt werden, dass zu schwer kranke und ablehnende Patienten ausgeschlossen wurden, wodurch vermutet werden kann, dass die Prävalenz bei Einschluss dieser Patienten noch höher sein dürfte. 3.4.6 Prävalenz neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen (ICD-10, F40F48) in abteilungsübergreifenden Patientenpopulationen Insgesamt drei methodisch und qualitativ gut miteinander vergleichbare Studien ließen sich identifizieren, welche die Häufigkeit von neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen abteilungsübergreifend untersuchten. Ihre durchschnittliche Gesamtprävalenz lag bei 13,8% mit einer Streuung von 13,2% bis 20,7%. Im Einzelnen fand sich eine durchschnittliche Prävalenz von 1,3% phobischen, 2,2% Angst-, 8,7% Anpassungs-, 0,3% dissoziativen Störungen (nur von AROLT ET AL. [1995] ermittelt) und 1,4% somatoformen Störungen. 43 3. ERGEBNISSE Vier weitere Studien wurden analysiert, die abteilungsübergreifend die Prävalenz neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen beschrieben. Diese konnten jedoch aufgrund mangelnder demographischer Daten hinsichtlich Durchschnittsalter und Stichprobenzusammensetzung nicht unmittelbar mit o.g. verglichen werden (DE GRUY 1987; KIGAMWA, 1991; NAIR & PILLAY, 1997 und WANCATA ET AL., ET AL., 1996). Darüber hinaus unterschieden sie sich auch aus methodischer Sicht sehr. So verwendeten KIGAMWA (1991) und WANCATA ET AL. (1996) beispielsweise beide die ICD-9 – somit kein kriterienorientiertes Klassifikationssystem –, sodaß eine sichere Zuordnung der aufgedeckten Störungen zu entsprechenden ICD-10 Kategorien kaum möglich war. KIGAMWA (1991) gab eine Prävalenz von 4,0% Angststörungen unter den untersuchten kenianischen Patienten an. WANCATA ET AL. (1996) wiesen bei 9,8 % der untersuchten österreichischen Patienten eine sogenannte „ Neurose“ nach. DE GRUY ET AL. (1987) deckten bei 8,9% der untersuchten nordamerikanischen Allgemeinkrankenhauspatienten eine Somatisierungsstörung nach DSMIII-Kriterien auf, lieferten jedoch keinerlei demographische Angaben. NAIR & PILLAY (1997) untersuchten eine südafrikanische Stichprobe, die mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren für südafrikanische Verhältnisse als repräsentativ angegeben wurde. In dieser wurde eine Prävalenz an Phobien, posttraumatischen Belastungsstörungen und Verhaltensstörungen von 0,4%angegeben, sowie eine Prävalenz an Anpassungsstörungen von 2,6% nach DSM-III-RKriterien angegeben. Bei Zusammenfassung aller 1758 Patienten der fünf „ Erste-Klasse-Studien“ zu einer Grundgesamtheit konnte eine Gesamtprävalenz an neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen von 15,6% ermittelt werden. Im Einzelnen ergab sich bei dieser unkonventionellen Berechnung eine abteilungsübergreifende Prävalenz von 1,6% phobischen (F40), 3,4% Angst- (F41), 9,3% Belastungs- (F43), 0,3% Konversions- (F44), 1,5% somatoformen (F45) und 0,3% sonstigen neurotischen Störungen (F48) nach der ICD-10. 44 3.5 3. ERGEBNISSE Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren (ICD-10, Kapitel F50-F59) 3.5.1 Studiendesign und Stichprobenbeschreibung Nur zwei Publikationen konnten identifiziert werden, die die Prävalenz von Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren (F5 nach ICD-10) bei Allgemeinkrankenhauspatienten darstellten (AROLT ET AL., 1995 und GOETESTAM ET AL., 1998). Allerdings ließen diese, durch das jeweils gewählte Untersuchungsdesign, keinen direkten Vergleich zu. Die Tabellen 3.8.1 und 3.8.2 bieten eine Übersicht über das Studiendesign und die Ergebnisse dieser beiden Untersuchungen. AROLT ET AL. (1995) führten eine Querschnittserhebung durch und stellten mithilfe des kategorialen Interviews CIDI die globale Prävalenz von Störungen der ganzen Störungsgruppe dar, die unter Kapitel F5 der ICD-10 angeführt wird. Dahingegen wurde von GOETESTAM ET AL. (1998) eine retrospektive Studie durchgeführt, in der durch Revision von Krankenakten gezielt und ausschließlich nach dem Vorliegen von Essstörungen als Entlassdiagnose gesucht wurde. Es handelte sich dabei um eine landesweite Datenerhebung in norwegischen Krankenhäusern, in der insgesamt 3,3 Millionen Krankenakten von nicht-psychiatrischen Krankenhausaufnahmen über fünf Jahre hinweg untersucht wurden, was etwa einer Anzahl von 2,2 Millionen Patienten entsprach. Diese Art der Untersuchungsmethode wurde gewählt, um eine möglichst hohe Fallzahl zu erfassen, die im Rahmen einer nicht-administrativen Feldstudie verschwindend gering zu erwarten war. 3.5.2 Prävalenz von Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren bei Allgemeinkrankenhauspatienten (ICD-10, Kapitel F50-F59) AROLT ET AL. (1995) wiesen eine Prävalenz von 1% Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren bei Allgemeinkrankenhauspatienten nach, ohne diese genauer zu differenzieren. GOETESTAM ET AL. (1998) deckten eine Prävalenz von 0,04% Essstörungen als Entlassdiagnose auf, davon lag bei 0,038% der Patienten eine anorektische Störung (davon 45 3. ERGEBNISSE 5,9% männliche Patienten) und bei 0,002% (ausschließlich weiblichen Patienten) eine bulimische Störung vor. 3.6 Prävalenz von Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (ICD-10, Kapitel F60-F69) Drei Studien wurden identifiziert, welche die Häufigkeit von Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten darstellen, allerdings erfüllte von ihnen keine die Kriterien der „ Erste-Klasse-Studien“ . WANCATA übergreifende Untersuchung nach einem ET AL. (1996) führten eine abteilungs- konsekutiven Untersuchungsplan durch, verwendeten jedoch kein kriterienorientiertes Klassifikationssystem. BELL ET AL. (1990) und LEUNG ET AL. (1992) untersuchten ausschließlich Notfallabteilungen. Dabei wurde bei LEUNG ET AL. (1992) eine nicht repräsentative Stichprobe, in der ausschließlich männliche Patienten erfasst wurden, durch ein sonst qualitativ hochwertiges Studiendesign untersucht. BELL ET AL. (1990) gaben kein zugrundeliegendes Klassifikationssystem an und die untersuchte Stichprobe wies ein Durchschnittsalter von 30 Jahren auf (siehe hierzu auch die Anmerkungen in Kapitel 3.4.5). WANCATA ET AL. (1996) beschrieben mithilfe des CIS eine Prävalenz von 2,3% Persönlichkeits-störungen nach ICD-9 (Ziffer 309). LEUNG ET AL. (1992) gaben nach DSM- III-Kriterien eine Prävalenz von 1,8% bei den untersuchten notfallmäßig betreuten männlichen Patienten an und BELL ET AL. (1990) wiesen bei 2,5% eine Persönlichkeitsstörung bei unbekanntem Klassifikationssystem nach. 46 3.7 3. ERGEBNISSE Zusammenfassung der Ergebnisse Von den 122 Untersuchungen, die zur Prävalenz psychischer Störungen im Allgemeinkrankenhaus identifiziert wurden, konnten nur 19 aus methodischen Gründen zur näheren Untersuchung herangezogen werden. Auch unter diesen fanden sich große Unterschiede bezüglich des gewählten Studiendesigns und der Zusammensetzung der Stichproben, weshalb nur sieben von ihnen einen unmittelbaren Vergleich untereinander erlaubten und als „ ErsteKlasse-Studien“ eine gemeinsame Betrachtung und Verrechnung zuließen. In den meisten Studien wurde eine abteilungsübergreifende Untersuchung durchgeführt. Unter diesen fanden sich auch die größten Stichproben (s. Abbildung 3.4). Mehrere Abt. 10 Notfallabteilung Anzahl der Studien 9 Neurologie 8 Innere Abt. 7 6 5 4 3 2 1 0 unter 100 100-299 300-499 500-699 über 700 Stichprobengröße Abb. 3.4: Verteilung der Stichprobengröße auf die jeweiligen Abteilungen Hinsichtlich der verwendeten Untersuchungsverfahren und Klassifikationssysteme konnten große Unterschiede aufgedeckt werden. Das meist verwendete Screeninginstrument stellte der mehrdimensionale Fragebogen GHQ in einer seiner Formvarianten dar. Nur in fünf Studien (26%) wurde ein standardisiertes, kriterienorientiertes Interview zur Falldefinition verwendet. Das meist verwendete Klassifikationssystem war das DSM, meist in seiner dritten Version. Die Verteilung der Prävalenzraten neurotischer, belastungsreaktiver, funktioneller, Verhaltens-, Persönlichkeits- und „ psychosomatischer“ Störungen (gemäß ICD-10 Kapitel F4 bis F6 und F34.1) auf die jeweils untersuchten Abteilungen eines Allgemeinkrankenhauses sind in Abbildung 3.5 ersichtlich. Die Balken entsprechen der durchschnittlichen 47 3. ERGEBNISSE Prävalenzrate unter den aufgedeckten „ Erste-Klasse-Studien“ der jeweiligen Abteilungen. Zusätzlich wird in Klammern die Streubreite der Ergebnisse, bezogen auf alle aufgedeckten Studien (ungeachtet ihrer Qualitätsmerkmale) angegeben. Die gestrichelten Balken geben die mittlere Prävalenzrate der jeweiligen Störungen aus den „ Zweite-Klasse-Studien“ an, zu denen keine Angaben aus den „ Erste-Klasse-Studien“ vorlagen. Unter der Rubrik „ Gesamtstichprobe, abteilungsübergreifend“ wurde in Abbildung 3.5 die Prävalenz der untersuchten Störungen unter allen „ Erste-Klasse-Studien“ als Grundgesamtheit ermittelt, ungeachtet der Abteilung (graduell schattierte Balken am rechten Rand der 5 12,5 11,2 3,3 1,9 1,4 13,8 (3,5-21,8) (0,04 Eß- Störg.) 15,2 (1,8-2,5) (0,8-9,0) 0 12 10 17,5 (3,5-20,7) 20,5 20 15 25,2 24,9 (1,1-28,7) 25 36,4 (14,2-20,0) 30 (12,9-25,5) (9,4-22,8) 3 35 (9,4-38,3) 40 (12,9-36,4) Abbildung). 3,7 2,3 1 18,4 15,6 15,5 1 2,1 Abb. 3.5: " / B / B * * B 0 , #&B & B 0 & * #&B 0 B / B * * . * & B 0 . / / B * #&B * " & #&B B 0 / B * #&B & 0 / * " * " Verteilung der Prävalenzraten der einzelnen Störungen auf die jeweiligen Untersuchungsfelder. F34.1: Dysthymie, F4: neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen, F5: Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren, F6: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Ges. Psm.: Gesamtheit der dysthymen, neurotischen, belastungsreaktiven, funktionellen, psychosomatischen und persönlichkeitsbedingten Störungen, Ges.Stipr. Abt.übergr.: stellt die Gesamtprävalenz aller „Erste-Klasse-Studien“ zu dem jeweiligen Störungsbild dar, ungeachtet des Untersuchungsfeldes. Die durchschnittliche Prävalenz neurotischer, belastungsreaktiver, funktioneller, VerhaltensPersönlichkeits- und „ psychosomatischer“ Störungen beträgt abteilungsübergreifend 15,47%. Bei der oben beschriebenen unkonventionellen Zusammensetzung aller fünf „ Erste-KlasseStudien“ lässt sich eine Gesamtprävalenz von 18,4% ermitteln (graduell schattierte Balken in Abbildung 3.5). Zu den häufigsten Störungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten zählen die 48 3. ERGEBNISSE neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen (F4) mit einer abteilungsübergreifenden Gesamtprävalenz von 13,8%, bzw. 15,6% unter allen fünf „ Erste-KlasseStudien“ . Die höchste Prävalenzrate psychischer Störungen, gemäß ICD-10 Kapitel F4 bis F6 und F34.1, fand sich auf neurologischen Abteilungen. Sie betrug insgesamt 36,4%. Hier bildeten die neurotischen-, Belastungs- und somatoformen Störungen (F4) mit 25,2% den höchsten Anteil. Unter ihnen waren, wie in Abbildung 3.6 ersichtlich, Angststörungen prädominierend vertreten. Die Prävalenz dysthymer Störungen (F34.1) beträgt abteilungsübergreifend 3,3% (bzw. 3,7% unter allen „ Erste-Klasse-Studien“ ). Die Angaben zur Prävalenz von Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F6) (unter den ausschließlich identifizierten „ Zweite-Klasse-Studien“ ) schwankten zwischen 1,8% und 2,5%. Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren (F5) sowie Zwangs- (F42), Konversions- (F44) und sonstige neurotische Störungen (F48) scheinen zahlenmäßig im Allgemeinkrankenhaus eine untergeordnete Rolle zu spielen und/oder wurden selten isoliert untersucht. Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen oder Faktoren (F5) wiesen eine abteilungsübergreifende Gesamtprävalenz von 1% auf. Unter diesen wurde in einer einzigen retrospektiven Studie eine Prävalenz von 0,042% Essstörungen angegeben (0,038% Anorexien und 0,002% Bulimien). Die Verteilung der neurotischen-, Belastungs- und somatoformen Störungen (F4) auf die jeweiligen Abteilungen zeigt Abbildung 3.6. Wie hieraus ersichtlich, sind unter ihnen Anpassungsstörungen (F43) bei Allgemeinkrankenhauspatienten mit einer Prävalenz von 8,7% am häufigsten vertreten. (9,7-14,0) 49 4,7 4,7 3,3 4 2 1,9 1,9 1,3 0,8 (0,1-8,9) 6,2 4,8 9,3 8,7 (0,3-5,0) 7,7 (0,3-6,7) 0 12 6 (1,9-2,6) 10 (3,2-13,7) 12 8 14 13,7 14 (4,8-11,5) 3 16 16,7 (3,0-10,1) 18 3. ERGEBNISSE 2,2 0,3 1,4 3,4 1,6 1,5 0,3 0,3 0,3 * " . . / * * * / &3 &* && &# & & &3 &* && &# & & & & &* && &# & & &* &# &! & & 0 " , " * " * " Abb. 3.6: Verteilung der Prävalenz der F4-Störungen (neurotische, belastungsreaktive und somatoforme Störungen) auf die jeweiligen Untersuchungsfelder. F40: phobische Störungen; F41: sonstige Angststörungen; F42: Zwangsstörungen; F43: Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen; F44: dissoziative Störungen (Konversionsstörungen); F45: somatoforme Störungen; F48: sonstige neurotische Störungen (u.a. Neurasthenie, Depersonalisations- oder Derealisationsstörungen). Ges.Stipr. Abt.überg.: stellt die Gesamtprävalenz aller „Erste-Klasse-Studien“ zu dem jeweiligen Störungsbild dar, ungeachtet des Untersuchungsfeldes. Im Gegensatz zu den abteilungsübergreifenden und auf internistischen Abteilungen durchgeführten Untersuchungen schienen auf neurologischen und Notfallabteilungen Angststörungen (F41) mit einer durchschnittlichen Prävalenz von 14% anteilmäßig eine besondere Rolle zu spielen. Dahingegen standen abteilungsübergreifend und auf internistischen Abteilungen Anpassungsstörungen (F43) mit 8,7% bzw. 13,7% im Vordergrund. 50 3.8 3. ERGEBNISSE Tabellen Kriterienorientierte Qualitätsbeurteilung Tabelle 3.3: ! 5 / . 6 7 8 4 ∅ " " ≥ " # & $ . $ 0 $ ( ( ( ( C C C C C & ! # 0 3 5 ! !* !0 50 !1 # * #& #* #0 & &0 &1 51 53 &5 * *! *0 ** *3 0 0# 03 1 3! 5# 0 / / / G G 7 6 6 6 D D D D D D D = = ' ; H 55# 55& 55* 55 55# 55* 55# 55# 55& 55 55# 531 / 551 53# 550 53! 55 55& 553 55! 535 531 531 " 55 533 55! = 55 55 55 55! 530 535 550 % 55 % 533 551 55 55 550 535 550 F F F F F F F F F ) F F ) F F ) ) F ) ) ) F ) ) ) F F F F F F F F F ) F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F ) F ) F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F ) ) F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F ) F ) F F F F F ) ) F ) F F F F F F F F F F F ) F F F F F F ) F F F F F F F F F F F F ) F F F F F F ) F F ) F F F ) ) ) F F F ) F F F F ) F F F F F F F ) F ) ) ) ) F F F F ) ) F ) ) ) ) ) ) F F ) ) ) ) F ) F F F F F ) ) ) F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F ) F F F F F F ) ) ) F F ) ) ) ) ) ) ) ) F F ) F F ) ) F F ) ) ) F F F F F ) F F F " - " F F F F F F F ) F ) F F F F F F F F F F F F F F F F ) F F F F F F F F F F ) F ) F F F F F F F F F F ) F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F ) F F F F F ) ) ) ) ) ) F ) F F F ) F F F F F F ) ) F ) F F F F ) F F F ) F F ) F ) ) % /" ) ) ) F ) ) ) ) ) ) ) F ) ) ) ) ) ) ) ) ) F ) F ) ) ) ) ) ) ) F F ) F ) ) ) ) ) ) F F FF F F F F FF F F F F FFF F F F FF F F FFF F F FF FF F F A/G: Alters- und Geschlechtsangaben, Aufn: Aufnahmebedingungen, N+R: Not- und Routineaufnahmen, Int: Interview, m+w: gemischtgeschlechtliche Population, ∅ Alter: durchschnittliches Alter entspricht nicht den Einschlusskriterien, Design: Beschreibung des Studiendesigns, Strk. Int.: strukturiertes Interview, vgl. Dg: vergleichbare Diagnosen, ≥ 1 Dg: 1 oder mehr Diagnosen, 2 Stuf.: zweistufiges Studiendesign, Kla-Syst: kriterienorientiertes Klassifikationssystem verwendet, QS: Qualitätsscore. 51 Methodischer Aufbau aller evaluierten Studien Tabelle 3.4: * * ( $ C B B G D B B D DB 3. ERGEBNISSE , 8 4 ) * 7 6 6 L L * " " B B M B B 1= M 1= M B$B M 1= B$B ! = ! ( 2 M ! /GE ) !3 55* 55# $ 531 55 ' @ " L 550 / L M 550 / 9 B L M 55 / 9 B L M 55* ( L 531 553 : $ ' " L 55! 55 6 L " " B$B B ( B ( B / B / &H C2 2 /GE )0 G$ C2 ); 6 2 N # ( ; = 2 )$ ) 2 . = E / ) ) 6 2 C2 ); C$' == - M B B M &= B B *7 /GE !3 C2 G$ /GE ) ! C2 ); 6 2 B B B B B B L L B$B B$B # = M #H ! L M &@ M != ! 2C ) =)222); =)222 =)222 *40 =)222); N! =)2+ *40 B$B *40 4! 6 B B 6 =)222 B / 6 B " 8 % ;E 6 B 55! : $ L M M 0= D D B -B 55! 535 C / L L M M M #= = ! 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S T <2C )5 # > 4= " ; & $ - 6 % B 4= " " & 73& $ $ , " $ & 4 ) ? 56 Tabelle 3.7.1: * Methodischer Aufbau der Studien zur Prävalenz neurotischer-, Belastungsund somatoformer Störungen (ICD-10, F4) bei Allgemeinkrankenhauspatienten * , ( $ C B B D B D DB 3. ERGEBNISSE 8 4 ) 55* 55# $ 55 @ " * 6 7 6 L L L * " " B B M B B 1= M 1= B$B B$B 550 / L M 550 / 9 B L M 55 / 9 B L M 55* ( L 531 55! 55 : $ 8 % 6 L L L M B$B 533 / 9 L 551 8 M " " != B$B ! B ( B ( B / B / 6 B " = % B ' J B % L /GE ) !3 &H M &@ M != C2 2 /GE )0 G$ C2 ); ( ; = 2 ) $ )2 = E / B ( B 6 2 C2 ); 2C ) =)222); =)222 . B C$' == ! M &= B$B # = M #H ! M M #= ! M M B$B /GE !3 C2 G$ /GE ) ! C2 ); 6 2 = 2 ;E 2 /GE ) !3 -" *40 =)222); N! =)2+ *40 *40 4! N3 N N* 2( E C2 /GE )# 4 B$B O =)222 =)222 2C )5 2C )5 =)222); ! 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Auf eine konventionelle manuelle Literatursuche konnte dennoch nicht verzichtet werden, da trotz einer extensiven Datenbankrecherche – unter Einschluss von ‘Medline’ ‘Psyclit’ und ‘Psindex’ – nur eine 50% bis 70%-ige Ausbeute zu erwarten ist (DICKERSIN ET AL., 1995; HERZOG ET AL. 1995; HERZOG & HARTMANN, 1997; BRAVO & BOLVIN, 1994). Als bedeutendster Verzerrungsfaktor bei der Auffindung relevanter Publikationen spielten insbesondere das „ Retrieval-“ und das „ Publikationsbias“ eine Rolle. Aufgrund der in vorliegender Arbeit vorgenommenen sensivitätsorientierten Suchstrategie dürfte sich ein „ Retrievalbias“ in Grenzen gehalten haben, zumindest hinsichtlich deutscher, englischer, französischer und spanischer Publikationen. Anders verhielt es sich dagegen bei dem „ Publikationsbias“ . Einerseits herrscht bei Herausgebern von Review-Komitees zwar die Tendenz, Veröffentlichungen mit statistisch signifikanten Resultaten zu favorisieren, andererseits gibt es jedoch Meinungen, die behaupten, dass ausschließlich als Abstract publizierte Studien durchschnittlich häufiger ein signifikantes Resultat liefern als jene, die später in Artikelform veröffentlicht werden (DETSKY ET AL., 1987). Ungeachtet dieser Argumente blieben in vorliegender Arbeit unveröffentlichte Arbeiten wie Dissertationen, Habilitationsschriften, Kongressbeiträge oder nur als Abstract publizierte Studien, aufgrund deren schwieriger Auffindbarkeit, weitgehend unberücksichtigt. Einem Anspruch auf Vollständigkeit kann vorliegende Arbeit somit nicht gerecht werden. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die Mehrzahl der relevanten Publikationen zum untersuchten Forschungsgebiet identifiziert werden konnte. 62 4. DISKUSSION Insgesamt konnten 122 Publikationen zur Prävalenz neurotischer, belastungsreaktiver, funktioneller, Verhaltens-, Persönlichkeits- und „ psychosomatischer“ Störungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten aufgedeckt werden. Unter diesen fiel ein deutliches Überwiegen epidemiologischer Studien zu vorwiegend „ psychiatrischen“ Störungsbildern (wie Psychosen, Suchterkrankungen, affektiven und hirnorganischen Störungen) auf, im Gegensatz zu jenen psychischen Störungen, die den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bildeten. 4.1.2 Literaturauswahl Der Schwerpunkt der Bemühungen lag in vorliegender Untersuchung in der Erlangung einer möglichst hohen Präzision und Anschaulichkeit der epidemiologischen Daten. Diese sollte durch eine strenge Einhaltung von methodischen und qualitativen Kriterien erreicht werden, um einen möglichst verzerrungsfreien Ergebnisvergleich zu gestatten. Letzten Endes fanden sich nur fünf qualitativ hochwertige Studien, die alle qualitativen Merkmale erfüllten, um den Güteklassen ‘++’ und ‘+++’ zugeordnet zu werden. Da aus dieser geringen Studienanzahl keine sinnvollen Vergleiche angestellt werden konnten und somit auch keine zuverlässigen Ergebnisse zu erwarten waren, mussten Kompromisse gemacht werden, um die Fallzahl zu erhöhen, ohne zu sehr an Präzision einzubüßen. Entgegen des ursprünglichen Plans wurden folglich auch Studien der Güteklassen ‘+’ und ‘0’ in die Untersuchung miteinbezogen, deren Ergebnisse allerdings gesondert als „ Zweite-Klasse-Studien“ dargestellt und interpretiert wurden. Ein definitiver Ausschluss bestand für Untersuchungen, die einen retrospektiven Studienaufbau aufwiesen oder ein selektiertes unrepräsentatives Patientenkollektiv aufwiesen. Eine Ausnahme hinsichtlich der Berücksichtigung retrospektiver Studien bildete jedoch der Einschluss der Publikation von GOETESTAM ET AL. (1998), da es sich hierbei um die einzige auffindbare Studie handelte, die speziell die Prävalenz von Essstörungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten untersuchte. In einer Abhandlung zur Methodik in der CL-Forschung betonten LEVENSON ET AL. (1990A) die Bedeutung der sog. „ Recallbias“ , die durch die Wahl der verwendeten Methoden zur Informationsgewinnung entsteht. Dies ist beispielsweise der Fall bei ausschließlicher Verwendung von Selbstbeurteilungsverfahren oder bei Laienuntersuchungen ohne 63 4. DISKUSSION anschließende Validierung der Ergebnisse durch erfahrene Untersucher. Folglich blieben Studien, die auf solche Untersuchungsmethoden beruhten, unberücksichtigt. Bereits CAVANAUGH & WETTSTEIN (1984) betonten die Schwierigkeiten, die beim Literaturvergleich dadurch entstehen, dass im Laufe der Jahre wiederholt Änderungen der Nomenklatur und der diagnostischen Kriterien psychischer Störungen vorgenommen wurden. In vorliegender Untersuchung wurden aus diesem Grund nur Studien einbezogen, die nach 1980 – dem Jahr der Veröffentlichung des ersten kriterienorientierten Klassifikationssystems „ DSM-III“ – erschienen. Dennoch wurden zum Zwecke der Fallzahlerhöhung gelegentlich auch solche Studien erörtert, die zwar nach 1980 publiziert wurden, jedoch weiterhin ein nicht-kriterienorientiertes Klassifikationssystem verwendeten, wie beispielsweise die ICD-9. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass auch unter Verwendung kriterienorientierter Klassifikationssysteme durchaus Definitionsunterschiede zwischen den einzelnen Systemen bestehen, die gelegentlich keinen direkten Vergleich einzelner Störungen ermöglichten. 4.1.3 Literaturauswertung Die Bewertung der Publikationen erfolgte mithilfe eines Qualitätsrasters, das eine Einteilung in drei Güteklassen ermöglichte. Zu den Hauptkriterien der Qualitätsbewertung gehörten: 1.) die Erfüllung von Repräsentativitätskriterien, 2.) die Durchführung eines vergleichbaren Untersuchungsdesigns und 3.) die gute Vergleichbarkeit der Ergebnisse durch die Verwendung von kriterienorientierten Klassifikationssystemen sowie die Definition einzelner Diagnosekategorien. Dabei lag der Schwerpunkt im methodischen Aufbau der Studien, da hierin die meisten verzerrenden Faktoren zu finden sind. Keinen Einfluss auf die Bewertung der Studien und deren Ergebnisse hatte hingegen die Auswahl der verwendeten Instrumente, obwohl durch ihre unterschiedliche Sensitivität und Spezifität sowie durch die jeweils definierten Schwellenwerte Ergebnisverzerrungen durchaus möglich sind. Des Weiteren blieben die Dauer und der Zeitpunkt der Erhebung, die Größe der Stichproben, die Größe und der Schwerpunkt der untersuchten Allgemeinkrankenhäuser bei der Studienauswahl unberücksichtigt. Durch die vorgenommene standardisierte Informationsextraktion mittels einer Datenmaske und der tabellarischen Darstellung der relevanten Fakten gelang eine gute Vergleichbarkeit 64 4. DISKUSSION der einzelnen Befunde. Dadurch konnte auch eine Vereinheitlichung der Ergebniskategorien und die Ermittlung einer Gesamtprävalenz der einzelnen Störungen durchgeführt werden. Nachteil dieser systematischen Standardisierung, Komprimierung und Kategorisierung der erhobenen Fakten ist allerdings ein unter Umständen erheblicher Informationsverlust. Dieser wurde hier jedoch zugunsten der Übersichtlichkeit und der Präzisionserhöhung in Kauf genommen. Besondere Schwierigkeiten beim Vergleich und bei der Bewertung der untersuchten Studien bereiteten die unterschiedlichen Angaben und Darstellungsformen der demographischen Daten, die uneinheitliche Falldefinition, die zum Teil durch dimensionale, zum Teil durch kategoriale Untersuchungsverfahren vorgenommen wurde sowie die Verwendung unterschiedlicher Klassifikationssysteme und Nomenklaturen. Auch die ungleiche Darstellung der Ergebniskategorien beeinträchtigte oftmals den direkten Vergleich der Ergebnisse. So wurden beispielsweise in manchen Studien übergeordnete Störungsgruppen und in anderen einzelne Untergruppen angegeben, die vorab einheitlich zusammengefasst werden mussten bevor sie – so gut wie möglich – den entsprechenden Störungskategorien der ICD-10 zugeordnet werden konnten. Erst danach konnten die Ergebnisse auf eine Grundgesamtheit bezogen werden. Des Weiteren wurden in manchen Studien ausschließlich Prozentangaben zu den einzelnen Störungen geliefert, sodass zunächst auf die absolute Anzahl zurückgeschlossen werden musste bevor eine Verrechnung erfolgen konnte. 4.2 Ergebnisse 4.2.1 Allgemeine Ergebnisdiskussion Trotz der standardisierten Darstellung der methodischen Strukturen und der Studienergebnisse sowie der angestrebten Minimierung von verzerrungsinduzierenden Faktoren bot der Vergleich der neunzehn evaluierten Publikationen gelegentlich erhebliche Schwierigkeiten. Diese beruhten hauptsächlich auf der Zusammensetzung der untersuchten Stichproben, des 65 4. DISKUSSION Verfahrens zur Falldefinition und der Wahl der Untersuchungsverfahren sowie der Instrumente zur Fallidentifikation. In fast einem Drittel der evaluierten Studien wurden Stichtagserhebungen durchgeführt. Der Nachteil dieses Untersuchungsverfahrens gegenüber konsekutiven Untersuchungsplänen besteht maßgeblich darin, dass Patienten mit einer längeren Liegedauer (z.B. ältere und schwerkranke Patienten) mit einer größeren Wahrscheinlichkeit erfasst werden, als „ Kurzlieger“ . Dies kann unter Umständen zu einer erhöhten Erfassungswahrscheinlichkeit und damit zu einer Überrepräsentation bestimmter psychischer Störungen geführt haben, die mit diesen Faktoren assoziiert sind. So wird zum Beispiel bei AROLT ET AL. (1995) eine mögliche Häufung von organischen Psychosyndromen bei langliegenden älteren Patienten oder von reaktiven Depressionen, Angst- oder Belastungsstörungen bei „ Langliegern“ durch Komplikationen diskutiert. Bei Querschnittserhebungen können dahingegen keine Aussagen zur Dauer und dem zeitlichem Zusammenhang der erfassten Störungen gemacht werden, was zu einer Vermischung von Inzidenz, Punkt- und Lebenszeitprägvalenz beiträgt. Bereits CAVANAUGH & WETTSTEIN (1984) sowie MAYOU & HAWTON (1986) beschrieben Probleme, die bei der Verwendung unterschiedlicher Messinstrumente entstehen. Besonders zu beachten ist, dass keiner der bisher verwendeten dimensionalen Fragebögen auf Allgemeinkrankenhauspatienten validiert ist und dass es durch die Anführung somatischer Items zu einer großen Anzahl von falsch positiven Fällen kommt. In einigen Untersuchungen wurde versucht dieses Problem zu umgehen, indem ein Ausschluss somatischer Items oder eine Erhöhung der Schwellenwerte vorgenommen wurde. Diese Maßnahmen bewirken zwar eine höhere Spezifität jedoch auf Kosten der Sensitivität. Somit ist eine Unterrepräsentation insbesondere milderer Ausprägungsformen psychischer Störungen zu erwarten. Wie auch von MAYOU & HAWTON (1986) beschrieben stellte auch in dieser Übersicht das GHQ das beliebteste Untersuchungsinstrument dar, da es – besonders nach Anhebung der Schwellenwerte – am wenigsten durch somatische Symptome beeinflusst wird. Problematisch ist mit diesem Untersuchungsinstrument jedoch die Untersuchung älterer, verwirrter oder schwer kranker Patienten, bei denen mit Schwierigkeiten bei der Beantwortung des Fragebogens zu rechnen ist (SCHEPANK, 1982). Angesichts dieser Problematik wurden alle ausschließlich auf Selbstbeurteilungsfragebögen beruhende Studien aus der Untersuchung ausgeschlossen. Dennoch fiel auch bei der Kombination von Selbstbeurteilungsfragebögen 66 4. DISKUSSION mit standardisierten Interviewsystemen eine starke Ergebnisvarianz auf. Bei der Beurteilung der Gesamtprävalenz psychischer Störungen streuten die Angaben beispielsweise zwischen 3,5% und 21,8% unter einheitlicher Verwendung des standardisierten, kriterienorientierten Interviews SCID-R. Die Gründe hierfür sind sehr vielseitig und sowohl auf die Zusammensetzung der Stichproben als auch auf deren soziokulturellen Hintergründe zurückzuführen. Bei der Bewertung psychischer Störungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten sind Einflüsse wie Art und Schweregrad der somatischen Grunderkrankung sowie der Leidensdruck und der Grad der Beeinträchtigung durch dieselbe von großer Bedeutung (SCHEPANK, 1987; CAVANAUGH & WETTSTEIN, 1984). Diese Faktoren wurden jedoch in den wenigsten Studien registriert. Auch in der vorliegenden Arbeit blieben derlei Informationen unberücksichtigt, da zum einen die wenigsten Studien Angaben zu den vorliegenden somatischen Erkrankungen lieferten, zum anderen deren Evaluation, durch die gegenseitigen Einflüsse psychischer und somatischer Komorbidität, eines speziellen Studienaufbaus bedürfen würde, wodurch der Rahmen der vorliegenden Prävalenzstudie gesprengt worden wäre. Bezüglich der Zusammensetzung der Stichproben betonte SCHEPANK (1982) die Bedeutung der Ausfälle durch Studienverweigerer. Da kaum zu unterscheiden ist, ob es sich bei den Studienverweigerern um seelisch gesunde Patienten handelt, die unneurotischerweise „ Nein“ sagen, oder um besonders ängstliche, kontaktgestörte, neurotische Patienten, also um „ Fälle“ handelt, würde ihr grundsätzlicher Ausschluss zu einer verminderten, ihr Einschluss zu einer überhöhten Fallzahl führen. Ebenso verzerrend wirken sich Ausfälle durch Analphabetismus, sprachliche Behinderung, mangelnde Sprachkenntnisse ausländischer Patienten oder die Schwere der Erkrankung aus, die eine Untersuchung unzumutbar oder unmöglich machen. Unter diesen Patienten könnte beispielsweise eine erhöhte Prävalenz an Belastungsstörungen vermutet werden. Da beinahe alle der evaluierten Untersuchungen derartige Ausschlüsse angaben, ist bei der Gesamtauswertung von einem systematischen Fehler auszugehen, sodass die Prävalenz psychischer Störungen insgesamt höher sein dürfte. Leider konnten hinsichtlich der Geschlechtsverteilung der psychischen Störungen im Allgemeinen oder bezogen auf einzelne Störungsbilder auch in vorliegender Arbeit keine Tendenzen ausgemacht werden, da nur in den wenigsten Fällen dahingehende differenzierte Angaben gemacht wurden. Nur im Fall der Essstörungen ließ sich die in der Allgemeinbevölkerung beschriebene starke Frauenwendigkeit bestätigen. Des Weiteren konnten auch 67 4. DISKUSSION keine Alterstendenzen dargestellt werden, da nur in seltenen Fällen eine Altersstratifizierung vorgenommen wurde. Aus Mangel an Information blieben auch exogene Einflussfaktoren auf die untersuchten Patientenpopulationen, wie beispielsweise der soziale, politische, biographische, kulturelle oder historische Hintergrund unberücksichtigt. Besonders bei der Betrachtung internationaler Publikationen aus verschiedenen Kulturkreisen ist jedoch mit unterschiedlichen sozialen, logistischen und demographischen Merkmalen zu rechnen, die keinen unmittelbaren Vergleich der Ergebnisse erlauben. So beeinflusst beispielsweise die Bedeutung und Bewertung psychischer Störungen in verschiedenen Kulturen sowie die Infrastruktur und das Inanspruchnahmeverhalten medizinischer, psychologischer oder paramedizinischer Dienste die Erfassung dieser Störungen. Dies ist möglicherweise auch der Grund für die gute Kongruenz der Ergebnisse unter den afrikanischen Erhebungen von NAIR & PILLAY (1997) und KIGAMWA (1991), in denen, im Vergleich zu den Erhebungen aus „ westlichen Ländern“ , eine deutlich niedrigere Prävalenz neurotischer, Belastungs-, Verhaltens-, Persönlichkeits- und „ psychosomatischer“ Störungen aufgedeckt wurde (3,5% bis 4,0% vs. 13% bis 38,8%). Genauso ist das jeweilige Durchschnittsalter der Studienpopulationen zu bewerten. Da das Durchschnittsalter der afrikanischen Allgemeinbevölkerung deutlich niedriger ist als jenes der „ westlichen“ Länder wiesen auch die Studienpopulationen dort ein deutlich niedrigeres, jedoch für das Land repräsentatives Durchschnittsalter auf. Daher sind deren Ergebnisse isoliert zu betrachten und nicht direkt auf „ westliche“ Verhältnisse übertragbar. Aufgrund der geringen Anzahl an untersuchten Studien konnten nur in seltenen Fällen Tendenzen hinsichtlich der Verteilung einzelner Störungen auf bestimmte Abteilungen ausgemacht werden. Dazu kommt, dass sich in den meisten Publikationen, in denen eine abteilungsübergreifende Erhebung durchgeführt wurde, die Prävalenzangaben auf die gesamte Stichprobe bezogen und nur selten eine isolierte Betrachtung einzelner Abteilungen erfolgte. Somit konnte die von MAYOU & SHARPE (1991) beschriebene Häufung psychischer Störungen insbesondere in gynäkologischen, neurologischen, nephrologischen und intensivmedizinischen Abteilungen anhand der vorliegenden Daten nicht erhärtet werden. Die Mehrzahl der Untersuchungen wurde an großen Institutionen wie Universitätskliniken und Lehrkrankenhäusern durchgeführt. Diese Tatsache ist von eminenter Bedeutung bei der Beurteilung der Prävalenzraten psychischer Störungen, da durch das Vorhandensein 68 4. DISKUSSION psychiatrisch-psychosomatisch-psychotherapeutischer Dienste in diesen Institutionen (im Vergleich zu kleineren Krankenhäusern) eine erhöhte Erfassungswahrscheinlichkeit besteht. Des Weiteren ist in kleineren Krankenhäusern das Durchschnittsalter der Patienten in der Regel höher, wodurch auch mit einer Verschiebung der Prävalenzraten zugunsten „ altersspezifischer“ psychischer Störungen (z.B. der Demenzen) zu rechnen ist. Ein Vergleich der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit mit früheren Untersuchungen ist schwierig. In den vorhandenen Literaturübersichten von CAVANAUGH & WETTSTEIN (1984), MAYOU & HAWTON (1986) und AROLT ET AL. (1995) ist eine ausgeprägte Spannweite der Prävalenzraten zu verzeichnen. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass es sich in der Vergleichsliteratur um rein narrative Untersuchungen handelt, in denen keine methodischen und qualitativen Unterscheidungen vorgenommen wurden. Zum anderen wurden in diesen meist Punkt-, Einjahres- und Lebenszeitprävalenz miteinander vermischt. Des Weiteren wurden in den Vergleichsübersichten unterschiedliche Nomenklaturen aufgeführt, was einen Vergleich der Prävalenzraten mitunter unmöglich macht. Auch durch Unterschiede in der Falldefinition der einzelnen Untersuchungen aufgrund der Verwendung verschiedener, insbesondere nicht-kriterienorientierter Klassifikationssysteme ist der Vergleich der Prävalenzraten mit denen der vorliegenden Arbeit nicht immer möglich. 4.2.2 Gesamtprävalenz neurotischer, Belastungs-, Verhaltens-, Persönlichkeits- und „psychosomatischer“ Störungen (ICD-10, Kapitel F4 - F6 und F34.1) Im Gegensatz zu einer großen Anzahl an Studien im ambulanten Bereich oder in der Allgemeinbevölkerung ist die Zahl der Prävalenzstudien zu psychischen Störungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten, wie bereits von CAVANAUGH & WETTSTEIN (1984) beschrieben, nach wie vor rar. Beinahe alle der in vorliegender Arbeit evaluierten Publikationen berichten über Probleme bei der Falldefinition angesichts der engen Interaktion zwischen psychischen und somatischen Befunden. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Komorbidität zwischen verschiedenen Störungsgruppen, wie z.B. Angst-, Anpassungs- und depressiven Störungen besonders häufig ist, sodass die Gesamtprävalenz psychischer Störungen insgesamt geringer anzusehen ist als die Summe der einzelnen Störungen. 69 Die Gesamtprävalenz neurotischer, Belastungs-, 4. DISKUSSION Verhaltens-, Persönlichkeits- und „ psychosomatischer“ Störungen scheint abteilungsübergreifend mit 15,5% (mit einer Streubreite zwischen 13,2% und 21,8%) höher zu sein als die Prävalenz hirnorganischer, psychotischer, affektiver und suchtbedingter psychischen Störungen mit 9,1% bis 16,3% (MERKLEIN, 1998). Dies ist auf die besonders hohe Prävalenz an – zum Teil reaktiven – Anpassungs- und Angststörungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten zurückzuführen, was bereits von CAVANAUGH & WETTSTEIN (1984) postuliert wurde. Entgegen den Vermutungen von MAYOU & HAWTON (1986), dass bei internistischen gegenüber chirurgischen Patienten eine höhere Prävalenzrate psychischer Störungen vorläge, zeigten AROLT ET AL. (1995) eine etwa gleiche Prävalenzverteilung auf beiden Abteilungen. In der vorliegenden Untersuchung konnte dieses Ergebnis weder bestätigt noch widerlegt werden, da zum einen die meisten der hier evaluierten Studien keine abteilungsbezogenen Prävalenzangaben lieferten, zum anderen die Gesamtzahl der evaluierten Studien zu klein war, um etwaige Tendenzen aufzeigen zu können. CAVANAUGH & WETTSTEIN (1984) führten in ihrer Literaturübersicht sechs Publikationen aus den Jahren 1959 bis 1983 auf, in denen die Prävalenzraten psychischer Störungen im Allgemeinen (d.h. ohne Differenzierung zwischen „ psychiatrischen“ und „ psychosomatischen“ Störungen) bei Allgemeinkrankenhauspatienten zwischen 27% und 72% streuten. Auch in jüngeren Publikationen ist eine starke Streuung der Prävalenzraten zu verzeichnen. Sie liegen zwischen 17,6% (EICHINGER & GÜNTZEL, 1987) und 46,8% (AROLT ET AL., 1995). Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei EICHINGER & GÜNTZEL (1987) nur ältere Patienten jenseits des 60. Lebensjahres untersucht wurden und somit keine repräsentative Patientenstichprobe vorlag. Die Prävalenz psychischer Störungen in der Allgemeinbevölkerung liegt zwischen 14% (ANDREWS ET AL., 2001) und 32,5% (FRANZ & SCHEPANK, 1994) je nach Angabe von Punkt-, 6-Monats-, Jahres- oder Lebenszeit-Prävalenz (siehe hierzu auch die Übersicht in Tabelle 4.1). In der ambulanten Praxis ist eine deutlich höhere Prävalenz psychischer Störungen zu verzeichnen. Hier schwanken die Angaben zwischen 20,9% und 32,8% in Deutschland (LINDEN ET AL., 1996; MELLER ET AL., 1989) und in den USA zwischen 20% (REGIER ET AL., 1988) und 51% (bei nicht-krankenversicherten US-Amerikanern; MAUKSCH ET AL., 2001). Wie aus Tabelle 4.1 ersichtlich, stammt die Mehrzahl der bisher durchgeführten Erhebungen aus dem angloamerikanischen Raum. Eine Übertragung von Prävalenzraten aus Großbritannien und den USA auf deutsche Verhältnisse ist jedoch nur bedingt möglich, da 70 4. DISKUSSION erhebliche Unterschiede in der ambulanten und stationären Patientenversorgung bestehen (AROLT ET AL., 1995). Tabelle 4.1: Psychische Störungen allgemein Prävalenz psychischer Störungen im Vergleich Allgemeinbevölkerung 17,7% 7 $ G ! ! 18,0% 0= : $ <- C$> 18,5% 0= ( ; < ( > B 550 19,3% ' B 55* 14% F 23% 7 $ $ " B ! <$'=G > 32,5% ( ; <=6 > J 55& Ambulante Praxis 20,9% ( ; D B 550 15,5% P B 32,8% ( ; < ( +> = B 535 $ B 555 3-6% : $ $ J C ! 6,4% D@ F 2,5% 7 : $ 6 B 55& % B 55* B B J H 53& 17,6% , 55* B 32% D@ : $ F 20% 7 : $ ; J ; 55 - B J /8 531 30,2% , B B C B 531 37% , 30% 7 : $ 6 B 55& 0,8% C 8 B 27-72% C (; F H " % $ 46,5% P 33,6% : $ H B 533 „Dysthymie“ 8 &)0 J #&B > <2C ) B 28% : $ 6 51% : $ ' )6 = B ! 20,9% 24,0% : 8 J Allgemeinkrankenhaus B 68 3,3% P 2,6% : $ <- C$> F 5,4% ( ; < ( +> B 550 B 5,1% C B B 53& 8 % 8 % $ B 555 7% : $ $ J C 0,7% 1,1% : 8 J ! (; F H " 55* 3,3% D@ : $ ; J ; 55 Angststörungen allgemein 1,9%-5,1% ( ; H ! ! 11,2% D@ ( 533 24,9% D@ F 17,2% 7 6 B 55& 27,6% : $ <'2=G> H B 533 4,5% : $ <'2=G> H B 533 4-14% : $ 555 3,4% P 11% : $ 6 36% : $ ' )6 = B ! F B $ 8% ( ; H ! ! 12,2% ( ; F 10,0% H " : 8 J 55* 14,4% D@ F 12,5% 7 : $ ; J ; 55 Zwangsstörungen Anpassungsstörungen 0,7%-2,1% 0= /( ( 553 2-3% D@ : $ ! 2,5% D@ : $ <- C$> 55 7%-12% PTSD : $ J ! 2,4% : $ H B 533 5% m PTSD F 10% w PTSD : $ höher bei Risikogruppen ! k.A. $ 8,7% P Anpassungsstörungen allg. P 8 % B $ 71 Somatoforme und dissoziative Störungen / Somatisierung Allgemeinbevölkerung Ambulante Praxis 22,3%- 30,0% Somatisierung , 55! 1,5% P 8 B % $ 3,2% " / J ! (; F H " 55* 7% : $ 6 10% : $ ' )6 = B ! F B Anorexie: 1-2%, Bulimie: 2-3% J = ! 1%-10% C ; 55 18,7% F 20,3% F 11,7% " J @ 3,1% : $ F 8% : $ ( B 551 6,4% D @ ( / B ! ! 24% / ( = Anorexie: 0,038% 8 % Bulimie: 0,002% 8 Anorexie: 0,2% / ( F Bulimie: 1,5% / ( H B 55! 11,4% F 26,2% C ( B ! Schlafstörungen Persönlichkeitsund Verhaltensstörungen Allgemeinkrankenhaus 0,1% 7 : $ F 0,1% D@ : $ ; J ; 55 2,1% 2,7% : 8 J Essstörungen 4. DISKUSSION B % $ 1% Verhaltensstörungen allgemein B $ 553 1,8-2,5% P ' : $ B 8 % % $ B ! 2,6% D @ : $ F 1,2% 7 : $ ; J ; 55 ANMHS: Australian National Mental Health Survey; ECA: Epidemiologic Catchment Area; LTP: Lebenszeitprävalenz; m: männliche Patienten: w: weibliche Patienten; MKS: Mannheimer Kohortenstudie; OBS: Oberbayerische Verlaufsuntersuchung; PP: Punktprävalenz; 1JP: 1-Jahresprävalenz; 6MP: 6-Monatsprävalenz; 4.2.3 Prävalenz dysthymer Störungen Eine eindeutige Differenzierung und isolierte Betrachtung dysthymer Störungen war aufgrund der Verwendung unterschiedlicher Klassifikationssysteme und Nomenklaturen nicht immer durchführbar. So gut wie möglich, wurden die Ergebnisse von Arbeiten, die ein kriterienorientiertes Klassifikationssystem verwendeten und explizit die Diagnose „ Dysthymie“ aufwiesen, miteinander verglichen und verrechnet. Leider sind die diagnostischen Kriterien der verwendeten Klassifikationssysteme nicht vollständig kongruent, sodass hier Raum für eine Ergebnisverzerrung gegeben wird. Allerdings konnte in einer Untersuchung von HILLER 72 4. DISKUSSION (1994) zumindest zwischen den Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-III-R eine exzellente Interrater-Reliabilität, insbesondere bezüglich depressiver Störungen, gezeigt werden. Bei den evaluierten Studien, die nicht ICD-10-, DSM-III-, DSM-III-R- oder DSM-IVDiagnosen aufführten oder ausschließlich zwischen „ leichten“ (minor-) und „ schweren“ depressiven Störungen (major depression) differenzierten, erfolgte eine gesonderte Betrachtung. Da Symptome wie Angst, Verstimmung, Traurigkeit, Konzentrationsschwäche, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen, Grübeln etc. bei Allgemeinkrankenhauspatienten auch ohne Vorliegen einer depressiven Störung besonders häufig zu finden sind, ist durch die Verwendung dimensionaler Selbstbeurteilungsfragebögen mit einer hohen Zahl an falsch positiven Ergebnissen zu rechnen. Aus diesem Grund wurden in den meisten Studien, insbesondere bei Verwendung des GHQ und des HRSD, somatische Items durch die Untersucher herausgenommen oder erhöhte Schwellenwerte festgelegt. Dennoch bestand unter den evaluierten Studien eine deutliche Streuung der Prävalenzraten speziell im Fall der Dysthymien. Diese schwankten zwischen 1,1% und 4,3% unter den „ Erste-Klasse-Studien“ und bis zu 28,7% unter den „ Zweite-Klasse-Studien“ . Isolierte Angaben zu Dysthymien bei Allgemeinkrankenhauspatienten fanden sich in der Literatur nur bei CAVANAUGH & WETTSTEIN (1984). Sie führten drei Studien von 1959 bis 1983 auf, in denen eine Prävalenz von 16,2% bis 27% „ milder“ oder „ neurotischer“ Depressionen angegeben wurde. Die Prävalenz von Dysthymien in der Allgemeinbevölkerung wird zwischen 0,8% (STEINER ET AL., 1999) und 6,4% (Lebenszeitprävalenz; KESSLER ET AL., 1994) angegeben. In der ambulanten Praxis liegt sie zwischen 2,6% in den USA und 5,4% in Deutschland (FICHTER ET AL., 1996) und bis zu 7,0% gemäß einer weiteren nord- amerikanischen Erhebung (ALAO & COOLEY, 2000). 4.2.4 Prävalenz neurotischer, Belastungs- und somatoformer Störungen Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen spielen im psychosomatischen-/psychotherapeutischen CL-Dienst eine besondere Rolle, nicht nur aufgrund ihrer Häufigkeit, sondern auch durch ihre starke Wechselwirkung mit somatischen Befunden sowie durch ihre effektive Therapierbarkeit (MAYOU & HAWTON, 1986). Durch die begleitenden körperlichen Symptome stellen sie allerdings sowohl für den behandelnden Stationsarzt als auch für den Konsiliarius 73 4. DISKUSSION oft ein diagnostisches Problem dar. Hinzu kommt, dass es für ihre Aufdeckung kaum geeignete, validierte Instrumente gibt. Selbst das häufig verwendete HADS hat beim Screening nur eine eingeschränkte Aussagekraft, da es ursprünglich für Patienten entwickelt wurde, bei denen die Diagnose einer Angststörung bereits feststeht (STRAIN ET AL., 1991). Dennoch konnte in der vorliegenden Untersuchung eine gute Ergebniskonsistenz bezüglich dieser Störungsgruppe festgestellt werden. Mit einer hier ermittelten Gesamtprävalenz von 13,7% verkörpern sie die häufigste der hier untersuchten psychischen Störungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten. Beim Vergleich mit der Literatur ist zu beachten, dass die Zusammenführung von Angst-, Zwangs-, Anpassungs-, dissoziativen und somatoformen Störungen, wie sie die ICD-10 vornimmt, keineswegs in allen Klassifikationssystemen identisch gehandhabt wird. So beinhaltet zum Beispiel die vergleichbare Entität der „ emotionalen Störungen“ neben Angst- und Anpassungsstörungen auch diverse depressive Störungen, und unter dem Sammelbegriff der „ Psychoneurosen“ werden auch diverse Persönlichkeitsstörungen subsummiert. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache ist auch die extreme Streubreite der in der Literatur angegebenen Prävalenzraten zu erklären. Sie streut in der Literatur zwischen 16% und 61% (CAVANAUGH & WETTSTEIN, 1984; MAYOU & HAWTON, 1986). Angst- und phobische Störungen wurden in vielen Studien gemeinsam dargestellt. Ihre gemeinsame Prävalenz im Allgemeinkrankenhaus liegt abteilungsübergreifend bei 3,5%. Dabei machen Angststörungen 2,2% und Phobien 1,3% aus. Eine isolierte Untersuchung auf neurologischen Stationen gab sogar eine Prävalenz von 14% an (LYKOURAS L. ET AL., 1996). Da es sich jedoch nur um eine einzelne Studie handelt, wäre es vermessen, von einer besonderen Häufung auf neurologischen Stationen zu sprechen, obwohl eine weitere Studie diese Tendenz unterstützen würde (METCALFE ET AL., 1988). Hierin wurden allerdings nur weibliche Patienten auf neurologischen Stationen untersucht, unter denen eine Prävalenz an Angststörungen nach ICD-9 von 9,7% aufgedeckt wurde. In der Vergleichsliteratur wird die Prävalenz von Angststörungen im allgemein-stationären Bereich zwischen 6% und 21% angegeben (CAVANAUGH & WETTSTEIN, 1984). Diese Angaben stützen sich allerdings auf Studien aus den 50er bis 70er Jahren, als noch keine kriterienorientierten Klassifikationssysteme vorlagen. In der Allgemeinbevölkerung liegen die Angaben zur Prävalenz von Angststörungen zwischen 1,9% und 5,1% in Deutschland (WITTCHEN, 2002) und bis zu 24,9% in den USA (im Rahmen des „ National Comorbidity Survey“ ; KESSLER ET AL., 1994). 74 4. DISKUSSION In der ambulanten Praxis werden Prävalenzraten zwischen 8% in Deutschland (im Rahmen der „ Oberbayerischen Verlaufsuntersuchung“ ) und 27,6% in den USA (im Rahmen einer Studie des „ National Institute of Mental Health“ ) angegeben (WELLS ET AL., 1988). Die Prävalenz der Anpassungsstörungen liegt nach den in vorliegender Arbeit ermittelten Daten bei 8,7% im allgemein-stationären Bereich. Demgegenüber liegt sie in der Allgemeinbevölkerung zwischen 7% und 17% gemäß einer nordamerikanischen Erhebung (SEEDAT & STEIN, 2001). Diese Zahl entspricht auch der Prävalenz in der amerikanischen ambulanten Praxis (5% Männer und 10% Frauen), wobei zu beachten ist, dass hierbei nur posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD) berücksichtigt wurden. Somatoforme und dissoziative Störungen werden in der Literatur selten isoliert beschrieben und dann meist unter dem Überbegriff der „ Somatisierung“ zusammengefasst. Somatisierung ist jedoch nur ein Symptom, das sich unter anderem auch bei Depressionen, Panikstörungen, Somatisierungsstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen und Hypochondrie manifestiert (KATON ET AL., 1984). Dadurch ist bei der Beschreibung der Prävalenz von ‚Somatisierungen’ im Allgemeinen eine große Spannweite der Ergebnisse zu erwarten. In der ambulanten Praxis wird die Punktprävalenz der Somatisierungen zwischen 22,3% und 30% angegeben (FINK, 1992). Somatoforme und dissoziative Störungen, wie sie nach ICD-10 definiert werden, weisen dahingegen im Allgemeinkrankenhaus eine Prävalenz von 1,5% (mit einer Streuung von 0,1% bis 8,9%) auf. Im ambulanten Bereich beträgt die Ein-Jahres- sowie die Lebenszeit-Prävalenz in den USA 0,1% (ROBINS & REGIER, 1991). Die große Diskrepanz der Prävalenzraten liegt hauptsächlich an der Schwierigkeit, diese Störungen von somatisch begründbaren Funktionsstörungen zu trennen. Möglicherweise wird diese Diskrepanz zum Teil auch durch den Eifer oder die Angst des Somatikers, eine schwerwiegende organische Störung zu übersehen, zusätzlich getriggert. Außerdem übt auch das Drängen somatisierender Patienten, eine „ greifbare“ , funktionell und morphologisch begründbare (Alibi–) Diagnose zu erhalten, einen großen Druck auf den behandelnden Arzt aus, da psychische Störungen nach wie vor tabuisiert und in Freudscher Weise verdrängt werden wollen. Trotz der relativ niedrig angegebenen Prävalenzrate sind Somatisierungsstörungen im praktischen Alltag von großer Bedeutung, da sie durch vermehrte Inanspruchnahme medizinischer Dienste und diagnostischer Maßnahmen den Allgemeinpraktiker bzw. dem Krankenhausarzt erheblich in Punkto Kosten- und Zeitaufwand belasten. 75 4. DISKUSSION Dissoziative Störungen im Allgemeinkrankenhaus wurden in vorliegender Arbeit nur in zwei Untersuchungen beschrieben. Die Prävalenz wird abteilungsübergreifend mit 0,3% bei allen stationär behandelten Patienten und mit bis zu 3,3% unter weiblichen Patienten auf neurologischen Stationen angegeben. Die Literaturangaben zur Prävalenz dissoziativer Störungen bei allgemein-stationären und ambulanten Patienten liegen zwischen 0,3% und 33% mit einem Medianwert von 1% (CAVANAUGH & WETTSTEIN, 1984). Allerdings wurden in dieser Untersuchung acht Publikationen aus den Jahren 1951 und 1968 dargestellt, in denen die Diagnosen durch das Fehlen einheitlicher oder vergleichbarer diagnostischer Kriterien nur teilweise kongruent sind. In einer neueren Untersuchung gaben AROLT ET AL. (1995) eine Prävalenz von 1% bis 13% dissoziativer und somatoformer Störungen bei psychiatrisch/psychotherapeutischen Konsilpatienten an. Zwangsstörungen scheinen im stationären Bereich nur eine untergeordnete Rolle zu spielen bzw. werden selten isoliert aufgeführt. Nur in einer der in vorliegender Arbeit evaluierten Studien wurden bei 7,7% der untersuchten internistischen Patienten „ Zwangsgedanken“ oder „ Zwangshandlungen“ aufgedeckt. In der Übersichtsarbeit von CAVANAUGH & WETTSTEIN (1984) wurde ebenfalls nur eine Studie von 1959 angeführt, die eine Prävalenz an Zwangsstörungen nach DSM-I von 1,6% aufdeckte. In der Allgemeinbevölkerung liegt deren Prävalenz zwischen 0,7% und 2,1% (6-Monatsprävalenz; BEBBINGTON, 1998) und 2,5% (Lebenszeitprävalenz; SCHATZBERG, 1991). Entsprechend liegt im ambulanten Bereich die Lebenszeitprävalenz in den USA bei 2% bis 3%. Die Kongruenz dieser Daten lässt somit die Vermutung zu, dass Patienten mit einer Zwangsstörung maßgeblich ambulant versorgt werden und im allgemein-stationären Bereich kaum auffallen. 4.2.5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren Diese Störungsgruppe wird im stationären Bereich nur selten beschrieben. Möglicherweise kommen manche der unter dieser Gruppe subsummierten Störungen – wie beispielsweise sexuelle Funktionsstörungen – im Allgemeinkrankenhaus nicht zum Tragen. Andere, wie z.B. der Missbrauch von nicht abhängigkeitserzeugenden Substanzen wie Laxantia, Analgetika oder Hypnotika, können unter Umständen durch eine „ Verordnungsgroßzügigkeit“ bezüglich dieser Medikamente im Allgemeinkrankenhaus untergehen. Nur in einer der hier untersuchten 76 4. DISKUSSION Studien wurden nicht-organische Schlafstörungen bei 1% der untersuchten internistischen und chirurgischen Patienten beschrieben (AROLT ET AL., 1995). Die Prävalenz von chronischen, nicht organischen Schlafstörungen wird demgegenüber in der ambulanten Praxis zwischen 17,4% in Japan (SHIRAKAWA & TAKAHASHI, 1998) und 26,2% in Kanada (BLAIS ET AL., 2001) angegeben, während die Punktprävalenz zwischen 11,4% (BLAIS ET AL., 2001) und 38% (SHIRAKAWA & TAKAHASHI, 1998) angegeben wird. Andere Störungen dieser Gruppe, die vermutlich vermehrt auf Intensivstationen eine gewisse Häufung aufweisen, sind Essstörungen. Da jedoch der Allgemeinzustand dieser Patienten während ihres stationären Aufenthaltes im Allgemeinkrankenhaus meist kritisch ist, werden sie möglicherweise bei den Erhebungen ausgeschlossen, sodass falsch niedrige Prävalenzraten zu erwarten sind. Um dieses Erfassungsproblem zu umgehen, führten GOETESTAM ET AL. (1998) ein retrospektives Aktenstudium entlassener Patienten durch, unter Inkaufnahme der Nachteile und Probleme dieses Untersuchungsverfahrens. Hierbei wurden in schwedischen Allgemeinkrankenhäusern insgesamt 0,04% Anorexien und 0,002% Bulimien als Entlassdiagnose aufgedeckt. In der Allgemeinbevölkerung liegt, ebenfalls nach einer schwedischen Untersuchung, die Prävalenz der Essstörungen bei 3,2% (GHADERI & SCOTT, 2001). In der ambulanten Praxis streuen die Angaben zur Prävalenz der Anorexie zwischen 0,2% (WHITEHOUSE ET AL., 1992) und 1% bis 2% (PHILIP & MEHLER, 2001) mit einer wie auch im stationären Bereich vorherrschenden Frauenwendigkeit von 20:1. In einer Vergleichsuntersuchung zwischen US-amerikanischen Krankenversicherten gegenüber Nicht-Krankenversicherten wurde sogar eine Prävalenz an Essstörungen von 7% gegenüber 10% beschrieben (MAUKSCH ET AL., 2001). 4.2.6 Prävalenz von Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen im Allgemeinkrankenhaus wurden in den hier untersuchten Studien nur selten dargestellt, obwohl das Vorliegen von insbesondere dissozialen, anankastischen oder ängstlichen Persönlichkeitsstörungen bei der Behandlung und Führung des Patienten im Stations- und Praxisalltag erhebliche Probleme aufbringen kann. Diese Störungen können beispielsweise eine Malcompliance mit mangelndem Therapieerfolg oder eine gestörte Arzt-Patient-Beziehung verursachen. Gemäß der vorliegenden Arbeit liegt die Prävalenz an Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen bei 1,8% bis 2,5%. CAVANAUGH & WETTSTEIN (1984) stellten nur eine Untersuchung aus dem Jahre 1959 dar, in der eine 77 4. DISKUSSION Prävalenz von Persönlichkeitsstörungen von 13,7% im allgemein-stationären Bereich dokumentiert wurde. In der Allgemeinbevölkerung liegt die Prävalenz dieser Störungsgruppe zwischen 1% und 10% gemäß einer kanadischen Studie von ROSS (1991). In der ambulanten Praxis streuen die Prävalenzangaben insbesondere von „ dissozialen Verhaltensstörungen“ zwischen 2,6% (Lebenszeit-Prävalenz; ROBINS & REGIER, 1991) und 8% (ausschließlich männliche Patienten; BARRY ET AL., 1997). 4.3 Schlussfolgerungen zum Behandlungsbedarf Wie einleitend bereits beschrieben, kann allein auf dem Boden epidemiologischer Zahlen nicht direkt auf den tatsächlichen Behandlungsbedarf geschlossen werden. Der tatsächliche Behandlungsbedarf hängt vielmehr von einer Reihe von Faktoren ab. Zu ihnen gehören a) die Prävalenz psychischer Störungen im Allgemeinkrankenhaus, b) die Art und der Schweregrad beider, somatischer und psychischer Störungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten, c) der Verlauf der psychosozialen Komorbidität bei Allgemeinkrankenhauspatienten, d) die Beeinträchtigung durch somatische und psychische Störungen, e) der Einfluss psychischer Störungen auf den Therapieerfolg der somatischen Erkrankung und vice versa, f) die Erkennung und Akzeptanz des Vorliegens einer psychischen Komorbidität durch den Patienten selbst und g) dessen Leidensdruck mit der Motivation zur Intervention. Da jedoch schätzungsweise nur ca. 4,3% der identifizierten „ Fälle“ überhaupt zu einer Intervention motiviert sind, ist der Behandlungsbedarf zusätzlich davon abhängig, dass alle drei Parteien – Behandler, Patient und Psychoexperte – eine Intervention als sinnvoll erachten (HERZOG & STEIN, 1996). Der weitere Verlauf psychischer Störungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten blieb aufgrund mangelnder Verlaufsbeobachtungen lange unklar. Um jedoch die Therapiewürdig- 78 4. DISKUSSION keit und schließlich die Art der indizierten Intervention festlegen zu können, wurden im Rahmen der ECLW Follow-up- und Interventionsstudien initiiert. Gefördert durch die RobertBosch-Stiftung GmbH, Stuttgart wurden zwei deutsche Verbundstudien gestartet, die den Verlauf psychischer Störungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten, deren Behandlungsbedarf und die Effektivität bereits stattfindender Interventionen untersuchten. Durch diese konnten unter anderem wichtige versorgungsepidemiologische Daten zur „ Psychiatrischen und psychosomatischen Konsil/Liaison-Versorgung im Allgemeinkrankenhaus“ ermittelt werden (HERZOG, 2003). 4.4 Überlegungen und Schlussfolgerungen für die Klinik Bei ca. 28% der Allgemeinkrankenhauspatienten liegt eine psychische Störung im Allgemeinen, bei 15,5% eine neurotische, Belastungs-, Verhaltens- oder Persönlichkeitsstörung im Besonderen vor. Des Weiteren scheint, wie von BRIDGES & GOLDBERG (1989) bereits vermutet, eine Häufung dieser Störungen auf neurologischen Abteilungen vorzuliegen. Häufungen bestimmter psychischer Störungen wurden darüber hinaus auch bei älteren Patienten über 60 Jahren (BOND ET AL., 1989), bei Patienten auf onkologischen (DEROGATIS ET AL., 1983; BUKBERG ET AL., 1984; HARDMANN ET AL., 1989), intensivmedizinischen (GOLDSTEIN, 1987) und nephrologischen Abteilungen (HOUSE, 1987) beschrieben. Gemessen an der Inanspruchnahme psychosomatisch-/psychotherapeutischer CL-Dienste scheint insbesondere auf internistischen, neurologischen und gynäkologischen Abteilungen ein erhöhter Bedarf an Mitbetreuung vorzuliegen (HERZOG T, STEIN B & DIE ECLW, 1994). Leider wird von Ärzten und Pflegepersonal eine psychosoziale Komorbidität in einem Großteil der Fälle nicht erkannt (MAYOU & HAWTON, 1986), sodass den betroffenen Patienten eine spezifische diagnostische Abklärung und Behandlung verwehrt bleibt. Dies führt, wie einleitend beschrieben, zu einer verlängerten Liegedauer und damit zu erhöhten Kosten im Gesundheitswesen (FINK, 1992; SARAVAY & LAVIN, 1994; HUYSE ET AL., 1997; MAYOU & HAWTON, 1986; SMITH, 1994; MAYOU, 1991; GOLDBERG ET AL., 1994; HERZOG, STEIN & DIE ECLW, 1994; STRAIN ET AL., 1994; FULOP ET AL., 1989; LEVENSON ET AL., 1990B; SARAVAY ET AL., 1991). Demgegenüber konnte gezeigt werden, dass bereits durch kurze psychiatrisch/- 79 4. DISKUSSION psychosoziale Interventionen, sowohl bei stationär als auch ambulant betreuten Patienten mit psychischer Komorbidität, Kosten im Gesundheitswesen gesenkt werden können (SARAVAY & STRAIN, 1994). Leider lagen lange Zeit keine reliablen, standardisierten Untersuchungsinstrumente zur Früherkennung psychosozialer Probleme bei Allgemeinkrankenhauspatienten vor, die eine rechtzeitige und adäquate Intervention ermöglichen würden. Im Rahmen der Verbundstudie der ECLW wurde daher ein Instrument entwickelt, das bereits bei Aufnahme im Allgemeinkrankenhaus angewandt werden kann, um die Versorgungskomplexität zu ermitteln, die ein Patient benötigen wird (HUYSE, 1997). Das dabei konzipierte kombinierte Instrument ermöglicht eine standardisierte Frühidentifizierung zum einen (COMPRI) und die Erfassung des Versorgungsbedarfs zum anderen (INTERMED) (HUYSE ET AL., 2001; DE JONGE ET AL., 2001). In Praxi kommt vornehmlich den behandelnden Krankenhausärzten und dem Pflegepersonal durch ihren primären Kontakt mit dem Patienten die Aufgabe der Früherkennung und der Motivation zu einer indizierten psychosomatisch-/psychotherapeutischen Intervention zu. Dazu ist jedoch eine Sensibilisierung und Weiterbildung von Ärzten und Pflegepersonal Voraussetzung (HERZOG, STEIN & DIE ECLW, 1994). Eine Kompetenzsteigerung der primär für den Patienten Verantwortlichen könnte auch die Übernahme grundlegender diagnostischer und beratender Aufgaben ermöglichen. ‚Psycho-Experten’ dahingegen könnten somit verstärkt indirekt anleitend und supervisierend tätig oder bei schwerwiegenden Problemen konsiliarisch hinzugezogen werden im Sinne einer „ Integration durch Kooperation“ (WIRSCHING, 1990). 4.5 Schlussfolgerungen zum Forschungsbedarf Im Vergleich zu der Vielzahl an Untersuchungen zur Prävalenz psychischer Störungen im ambulanten Versorgungsbereich existieren nur wenige Erhebungen im stationären Bereich. Darüber hinaus stammt die Hälfte der Publikationen aus dem angloamerikanischen Bereich, 80 4. DISKUSSION deren Ergebnisse aufgrund großer Unterschiede in der medizinischen Versorgung nicht unmittelbar auf deutsche Verhältnisse übertragen werden können. Deutsche epidemiologische Untersuchungen sind nach wie vor rar. Des Weiteren liegt insgesamt ein Mangel an qualitativ hochwertigen Untersuchungen vor, die einen verzerrungsarmen Vergleich der Ergebnisse ermöglichen. Dabei ist mindestens eine ausreichende Dokumentation der demographischen und medizinischen Daten der Stichprobe, die Verwendung validierter Untersuchungsverfahren, die Darstellung vergleichbarer Störungsentitäten sowie die Verwendung vergleichbarer kriterienorientierter Klassifikationssysteme erforderlich. Zusätzliche Angaben zur Institution und deren Schwerpunkte sowie eine alters-, geschlechts- und abteilungsbezogene Darstellung der Prävalenzraten wären zur Aufdeckung besonders bedürftiger Patientengruppen hilfreich. Beispielsweise ist ein zunehmender Prozentsatz an älteren Patienten (über 60 Jahre) insbesondere in kleineren Allgemeinkrankenhäusern in den „ industrialisieren Ländern“ zu verzeichnen. Diese Patienten weisen eine besondere Prädisposition für psychische Komorbidität auf und bedürfen einer besonderen Beachtung. Dennoch sind Untersuchungen zur Prävalenz psychischer Morbidität bei älteren Patienten rar (FRITZSCHE ET AL., 1994). Für die weitere Diskussion in der Versorgungsforschung und -planung wurde angesichts des Forschungs- und Austauschbedarfs im Jahre 1994 – ausgehend von dem losen Zusammenschluss der „ European Consultation Liaison Workgroup for General Hospital Psychiatry and Psychosomatics“ (ECLW) – die „ European Association for Consultation Liaison Psychiatry and Psychosomatics“ (EACLPP) gegründet und im Juni 2000 in eine verbindliche Rechtsform gebracht. Diese hat sich unter anderem die Förderung von Diagnostik und Behandlung von Patienten mit psychischen Störungen und Problemen in medizinischen Behandlungskontexten, die Förderung und Entwicklung von Forschung und Praxis im CL-Bereich, sowie die Entwicklung und Durchsetzung von Standards für Weiterbildung und Praxis im CL-Bereich zur Aufgabe gemacht (HERZOG, 2003). Somit bleibt zu hoffen, dass dies eine Grundlage zu einer ganzheitlichen Betrachtung und Behandlung von Patienten bildet, wie es – wie einleitend zitiert – H. Cushing forderte. 81 5. 5. ZUSAMMENFASSUNG ZUSAMMENFASSUNG Die Komorbidität psychischer Störungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten ist häufig und verursacht einen höheren Ressourcenverbrauch in Punkto Sachkosten, Personal und Liegezeit. Bei einer frühzeitigen fachmännischen Mitbehandlung kann durch eine adäquate Therapie eine Kosteneinsparung im Gesundheitswesen erreicht werden. Da sich psychiatrisch/psychosomatische Konsiliar- und Liaisondienste bei der Versorgung von Allgemeinkrankenhauspatienten mit psychischer Komorbidität bewährt haben, wurde vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung Baden-Württemberg ein Gutachten zur Krankenhausplanung in Auftrag gegeben, durch das unter anderem der Bedarf dieser Dienste ermittelt werden soll. Dazu sind insbesondere epidemiologische Daten von großer Bedeutung. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine strukturierte, systematische Literaturübersicht zur Prävalenz psychischer Störungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten mit dem Schwerpunkt auf dysthyme, neurotische, belastungsreaktive, funktionelle, Persönlichkeits- und psychosomatische Störungen gemäß ICD-10, Kapitel F34.1 und F4 bis F6. Die Literatursuche erfolgte sowohl manuell als auch datenbankgestützt. Von 122 identifizierten Studien aus den Jahren 1980 bis 1998 konnten nach einer methodenkritischen Beurteilung nur 19 einer Auswertung unterzogen werden. Die Evaluation erfolgte mittels einer elektronischen Datenmaske, die neben Prävalenzraten auch methodische und demographische Daten erfasste. Die durchschnittliche Prävalenz dysthymer, neurotischer, belastungsreaktiver, funktioneller, Persönlichkeits- und psychosomatischer Störungen bei Allgemeinkrankenhauspatienten beträgt abteilungsübergreifend 15,5%. Eine gewisse Häufung scheint auf neurologischen Abteilungen vorzuliegen. Die höchsten Prävalenzraten weisen abteilungsübergreifend neurotische, belastungsreaktive und somatoforme Störungen auf (13,8%). Dysthyme Störungen liegen bei 3,3%, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen bei 1,8 bis 2,5% und Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen oder Faktoren wie z.B. Ess- oder Schlafstörungen bei 1% der Allgemeinkrankenhauspatienten vor. Während Anpassungsstörungen abteilungsübergreifend im Vordergrund stehen, scheinen auf neurologischen Abteilungen vor allem Angststörungen zu überwiegen. Leider gibt es insgesamt nur wenige Untersuchungen aus dem deutschsprachigen Raum, deren Daten unmittelbar zur Bedarfsplanung herangezogen werden können. Darüber hinaus fehlen auch in der internationalen Literatur Daten zur Geschlechts- und Abteilungsverteilung sowie zu Art, Schwergrad und Akuität der somatischen Haupt- oder Begleiterkrankung, die insbesondere für die Früherkennung psychischer Komorbidität hilfreich wären. 82 6. ANHANG A 6.1 Verzeichnis der evaluierten Publikationen 6. ANHANG A 6.1.1 „ Erste-Klasse-Studien“ AROLT V, DRIESSEN M, BANGERT-VERLEGER A, NEUBAUER H, SCHÜRMANN A, SEIBERT W (1995) Psychische Störungen bei internistischen und chirurgischen Krankenhauspatienten. Prävalenz und Behandlungsbedarf. Nervenarzt 66: 670-677 AROLT V (1992) Psychische Störungen bei internistischen und chirurgischen Krankenhauspatienten – Diagnostik, Vorkommenshäufigkeit und Behandlungsindikation. Habilitationsschrift, Medizinische Fakultät, Universität, Lübeck CLARKE DM, SMITH GC, HERRMANN HE (1993) A comparative study of screening instruments for mental disorders in general hospital patients. Int J Psychiatry Med 23: 323-337 HENGEVELD MW, ANCION FA, ROOIJMANS HG (1987) Prevalence and recognition of depressive disorders in general medical inpatients. Int J Psychiatry Med 17: 341-349 LEE MB, LEE YJ (1990) A cross sectional epidemiological study of psychiatric comorbidity in hospitalized medically ill. 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Psychiatr Prax 9: 20-23 6.2.4 Selektion der Stichproben nach der Behandlungsmodalität (Fachkliniken oder Fachabteilungen untersucht) AASS N, FOSSÅ SD, DAHL AA, MOE TJ (1996) Prevalence of anxiety and depression in cancer patients at the Norwegian Radium Hospital. Eur J Cancer 33(10): 1597-1604 CASSEM NH, HACKETT TP (1971) Psychiatric consultation in a coronary care unit. Ann Int Med 75: 9-14 HARDMAN A, MAGUIRE P, CROWTHER D (1989) The recognition of psychiatric morbidity on a medical oncology ward. J Psychosom Res 33: 235-239 HERMANN C, SCHOLZ KH, KREUTZER H (1991) Psychologisches Screening in einer kardiologischen Akutklinik mit einer deutschen Fassung der „ Hospital Anxiety and Depression“ (HAD)- Skala. 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ANHANG B 7.1.1 Angaben zur Veröffentlichung Ref-Man-Code: _______________________________________________________ Code der Studie Erstautor: Publikationsjahr: Titel: Weitere Autoren: Publikationsquelle: weitere Publikationsquellen: Fragestellung: 7.1.2 Beschreibung der Studie Design 1 = einstufig 2 = zweistufig Methoden zur Informationsgewinnung 1 = 2 = 3 = 4 = 5 = 6 = 7 = 8 = 9 = 44 = Screening nicht-standardisiertes Interview / eigenes Instrument klinisch-psychiatrisches Interview halbstandisiertes - semistrukturiertes Interview standardisiertes Interview Selbstbeurteilungs-Fragebogen Fremdbeurteilungs-Fragebogen / Checklisten Eigene Instrumente Retrospektive Studie von Patientenakten andere Verfahren / Instrumente Welche ?______________________________________________ 99= keine Angaben 93 7. ANHANG B Methode der Stichprobengewinnung 1 2 3 4 5 6 44 99 Konsekutive Aufnahme Nicht-konsekutive Aufnahme Randomisierte Stichprobe Nicht-randomisierte Stichprobe Stichtagserhebung Vorselektion andere, Welche ?________________________________________ keine Angaben bei Vorselektion 1 2 3 4 5 99 nach organischen / somatischen Krankheitsbildern nach psychiatrischen Krankheitsbildern nach soziodemographischen Gesichtspunkten nach Behandlungsmodalitäten nach Konsilanforderung keine Angaben Beschreibung von Teilmengen m1 m2 m3 m4 Zeitpunkt(e) der Stichprobengewinnung 1 = Aufnahmetag 2 = Fester Abstand zum Aufnahmezeitpunkt 3 = Beliebiger Stichtag 33 = Mehrere 44 = Andere 99 = Keine Angaben Anzahl der Erhebungszeitpunkte Beschreibung des Untersuchungsplanes/Erhebungszeitpunkte Zeitpunkt Methode Instrumente Instrumenten Code t1 t2 t3 t4 Zeitlicher Rahmen der Studie Dauer der Erhebung Beginn der Datenerhebung Ende der Datenerhebung ______________ ______________ (Ja/Mo/Wo/Ta) Festgelegte Datumsangabe default day=15 default mon=06 ______________ 94 7.1.3 Einschlusskriterien _ _ _ _ _ _ Ausschlusskriterien _ _ _ _ _ _ 7. ANHANG B Ergebnisse Größe der Stichprobe ____________ n Patienten Anzahl der Ausfälle insg davon ______/ _____ ____________ ____________ ____________ ____________ ____________ ____________ n Pat / % verweigert zu krank Sprache Lesen nicht angetroffen/erreichbar sonstige Gründe Altersverteilung Mittelwert SD lower Range upper Range Median Geschlechtsverteilung Anzahl m ___________ / ____________ % Anzahl w ___________ / ____________ % ____________ ____________ ____________ ____________ ____________ Klassifikationssystem 0 1 2 3 Kein ICD-9 ICD-10 DSM-III Mehrere: Sonstige: 4 5 6 DSM-III-R DSM-IV Feighner 33 Mehrere/Komb 44 Sonstige 99 Keine Angaben 95 7. ANHANG B Prävalenz der psychischen Störungen Störungen Besonderheiten / Anmerkungen / weitere Ergebnisse: n % m% w% 96 7.1.4 7. ANHANG B Angaben zu den Datenerhebern Berufsgruppe 33 Mehrere 44 Sonstige 1 = Psychiater 2 = Psychologen 3 = Stationsärzte 4 = Krankenpflegepersonal 5 = Laien 99 = keine Angaben klinisch relevante Erfahrung? K K systematisches Training durchgeführt? ** K durchgeführte Interrater-Reliabilität? 55 K M " $ 7.1.5 Angaben zum Erhebungsort Name der Institution: Land 1 Großbritannien 2 Deutschland 3 USA 4 Niederlande 5 Frankreich 6 Spanien 33 Mehrere 7 8 9 10 11 12 44 Italien Österreich Belgien Dänemark Finnland Griechenland Sonstige 13 14 15 16 17 18 99 Irland Kanada Norwegen Portugal Schweden Schweiz keine Angaben 19 20 21 22 Afrika* Asien* Australien / Neuseeland Lateinamerika* Genaue Bezeichnung * / Sonstige Mehrere Einzugsgebiet Sonstige: 1 Stadt 2 Land 3 Stadt und Land Art des Krankenhauses 4 Regional 5 Überregional 6 National 1 = Allgemeinkrankenhaus 2 = Unikrankenhaus / Lehr-KH 3 = Fachklinik 44 Sonstige 99 Keine Angaben 33 = Mehrere 44 = Sonstige 99 = keine Angaben Abteilungen der Stichprobengewinnung 1 2 3 4 Innere Med Chirurgie Neurologie Dermatologie 33 Mehrere: 44 Sonstige: 99 keine Angaben 5 6 7 8 Intensivmedizin Augenheilkunde Urologie HNO 9 10 11 12 Onkologie Nuklearmedizin/Radiologie Gynäkologie Geburtshilfe 97 7.2 7. ANHANG B Raster zur Instrumentenbeurteilung 7.2.1 Codierung der Publikation 7.2.2 Name des Instrumentes 1___________________________________________________________ 2___________________________________________________________ 3___________________________________________________________ 4___________________________________________________________ 5___________________________________________________________ 6___________________________________________________________ 7___________________________________________________________ 8___________________________________________________________ 7.2.3 Art des Untersuchungsverfahrens Code 1 2 1 = kein standardisiertes Instrument 33 = mehrere 2 = klinisch-psychiatrisches Interview 44 = sonstige 3 4 3 = strukturiertes standardisiertes Interview 99 = keine Angaben 5 4 = Fremdbeurteilungs- Fragebogen 6 5 = Selbstbeurteilungs- Fragebogen 7 6 = Krankenakte 8 7.2.4 Zu Grunde liegendes Klassifikationssystem 1 2 0 = keines verwendet 3 = DSM-III 6 = Feighner 55 = nicht anwendbar 3 1 = ICD-9 4 = DSM-III-R 33 = mehrere 99 = keine Angaben 4 2 = ICD-10 5 = DSM-IV 44 = sonstige 5 6 7 8 7.2.5 0= nein 7.2.6 0= nein 7.2.7 0= nein 7.2.8 0= nein 7.2.9 0= nein Angaben zur Instrumentenauswahl? 1= ja welche ?________________________________________________ Angaben zur Fall-/Nichtfallidentifikation? 1= ja welche ?________________________________________________ Angaben zur Validität? 1= ja welche ?________________________________________________ Angaben zur Reliabilität? 1= ja welche ? ________________________________________________ Werden mögliche Verzerrungen, Fehlerquellen, Defizite erörtert? 1= ja welche ?________________________________________________ 98 8. 8. ANHANG C ANHANG C Verzeichnis der verwendeten psychometrischen Tests, Interviewverfahren und Klassifikationssysteme ADL = Activities of the Daily Living (FILLENBAUM 1985) BDI = Beck’ s Depression Inventory (BECK ET AL., 1961) BSRS = Brief Symptom Rating Scale (50-item Version der SCL-90) (LEE ET AL., 1990) CIDI = Composite International Diagnostic Interview (WORLD HEALTH ORGANISATION, 1993B; WITTCHEN & SEMLER, 1990) CIS = Clinical Interview Schedule (GOLDBERG ET AL., 1970) CIS-R = Revised Clinical Interview Schedule (LEWIS ET AL., 1992) DSM = Diagnostic and Statistical Manual (AMERICAN PSYCHIATRIC ASSOCIATION, 1980; 1987; 1994) Feighner = Feighner Kriterien (FEIGHNER ET AL., 1972) GDS = Geriatric Depression Scale (YESAVAGE ET AL., 1983) GHQ = General Health Questionnaire (GOLDBERG, 1978; GOLDBERG & HILLIER, 1979; GOLDBERG & WILLIAMS, 1988) HADS = Hospital Anxiety and Depression Scale (ZIGMOND & SNAITH, 1983) HDRS = Hamilton Depression Rating Scale (HAMILTON, 1960) IBQ = Illness Behaviour Questionnaire (PILOWSKY ET AL., 1979) ICD = International Classification of Diseases (WORLD HEALTH ORGANISATION, 1978; 1993A) KPI = Klinisch Psychiatrisches Interview (INDIVIDUELL ODER NICHT NÄHER BESCHRIEBEN) MMSE = Mini Mental State Examination (FOLSTEIN ET AL., 1975) MPI = Maudsley Personality Inventory (EYSENCK, 1962) SCAN = Schedule for Assessment in Neuropsychiatry (WING ET AL., 1990) SCID-R = Structured Clinical Interview for DSM-III-R (NEW YORK PSYCHIATRIC INSTITUTE, 1995) SPI = Standardized Psychiatric Interview (entspricht dem CIS) (GOLDBERG 1970) SPMSQ = Short Portable Mental Status Examination (PFEIFFER, 1975) SRQ = Self Report Questionnaire (DHADPHALE, 1984) ET AL., 99 9. 9. LITERATURVERZEICHNIS LITERATURVERZEICHNIS ALAO AO, COOLEY EK (2000) Dysthymia: A diagnostic dilemma? South African Psychiatry Review 3(4) AMERICAN PSYCHIATRIC ASSOCIATION (Hrsg) (1980) Diagnostic and Statistical Manual. 3rd Edition. APA, Washington DC AMERICAN PSYCHIATRIC ASSOCIATION (Hrsg) (1987) Diagnostic and Statistical Manual 3rd revised Edition. APA, Washington DC AMERICAN PSYCHIATRIC ASSOCIATION (Hrsg) (1994) Diagnostic and Statistical Manual 4th Edition. APA, Washington DC ANDREWS G, HENDERSON S, HALL W (2001) Prevalence, comorbidity, disability and service utilisation. Overview of the Australian National Mental Health Survey. Br J Psychiatry 178: 145-153 AROLT V, DRIESSEN M, BANGERT-VERLEGER A, NEUBAUER H, SCHÜRMANN A, SEIBERT W (1995) Psychische Störungen bei internistischen und chirurgischen Krankenhauspatienten. 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Härter danke ich für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens für diese Arbeit. Ganz besonders möchte ich mich bei Dirk bedanken, der sich vor allem in der Endphase oft bis tief in die Nacht hingebungsvoll jedem einzelnen Punkt und jedem Space widmete und mir über so manch „ unüberwindbare“ EDV-technische Hürde hinweghalf. Danke auch für die gründliche Korrekturlesung und die konstruktive Kritik, durch die diese Arbeit schließlich doch ihr glückliches Ende fand. Und nicht zuletzt möchte ich vor allem meinen Eltern, Carolin und all den Freunden meinen ganz besonderen Dank ausdrücken, die mich mit Ihren ermutigenden Zusprüchen über die ganze Zeit bis zur Vollendung der Arbeit begleiteten, sowie all denjenigen, die durch ihre Unterstützung auf die eine oder andere Weise zum Gelingen beigetragen haben, unter anderen Kerstin Schieber, Matthias Merklein, Frau Gisela Beindorf und Frau Dipl. psych. Barbara Stein.