SCHWERPUNKT www.taz.de [email protected] Freies Internet DONNERSTAG, 14. NOVEMBER 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG 03 Aktivisten fordern ein dezentrales Netz in Nutzerhand. Viele öffentliche WLANs haben damit allerdings nur sehr wenig zu tun DieInnenstädte gehen online NETZPOLITIK An immer mehr Orten gibt es kostenfreien öffentlichen Internetzugang. Während die Unterhändler der Großen Koalition weitere Hindernisse dafür abbauen wollen, verfolgen die großen Konzerne ihre eigenen Interessen VON SVENJA BERGT BERLIN taz | München hat es. Potsdam hat es. Und Pforzheim auch. In vielen Städten können Passanten und Anwohner mittlerweile einen öffentlichen drahtlosen Zugang zum Internet (WLAN) nutzen – mal mit Registrierung und individuellem Zugangscode, mal mit zeitlicher Beschränkung und immer vorzugsweise in den Innenstädten. Öffentliche WLANs haben in Deutschland lange ein Nischendasein gefristet. Ursache dafür ist die Störerhaftung, ein Wort, bei dem man in der Branche noch heute zusammenzuckt. Betreiber eines WLAN sind demnach für das verantwortlich, was Nutzer über den Zugang treiben – illegal Filme hochladen zum Beispiel oder urheberrechtlich geschützte Musik tauschen. Wer etwa sein WLAN zu Hause nicht mit einem Passwort schützt, um es mit seinen Nachbarn zu teilen, dem kann in solchen Fällen eine Abmahnung ins Haus fliegen. Die Verhandler von SPD und Union wollen das ändern. Das haben sie vergangene Woche bei einem Treffen der Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda beschlossen. „Wir wollen endlich Rechtssicherheit schaffen im Bereich öffentliches WLAN“, sagte die CSU-Abgeordnete Dorothee Bär. Brigitte Zypris (SPD), Kovorsitzende der Arbeitsgruppe, begründete den Vorstoß folgendermaßen: „Die Vorteile eines freien WLAN liegen auf der Hand: Man kann mit seinem Smartphone durch die Stadt gehen und sich von WLAN-Netz zu WLAN-Netz einwählen und so online sein, ohne dass man zusätzlich dafür bezahlen muss.“ Doch auch schon ohne politische Absichtserklärung ist in den vergangenen Monaten die Zahl der Städte, in denen Nutzer sich in ein öffentliches WLAN einbuchen können, stetig gestiegen. So hat die Telekom im September ein Netz in Hamburg gestartet, in Pforzheim können Nutzer seit September in der Innenstadt über ein öffentliches WLAN surfen, und Kabel Deutschland will nach Pilotprojekten in Berlin und Potsdam bis Jahresende mehr als 200 öffentliche Hotspots in 21 Städten in Betrieb nehmen. Die Angebote scheinen auf Bedarf zu treffen: So meldet Kabel Deutschland, dass sich in Berlin monatlich 1,5 Millionen Nutzer in das Netz einloggen. Die Provider haben einen Vorteil gegenüber kleinen Anbietern: Sie gelten als nicht haftbar für das, was Nutzer in den WLANs treiben – im Gegensatz zu den Freifunkern oder Cafébetreibern und WGs, die ihr WLAN nicht verschlüsseln. Da ist die Rechtsprechung uneinheitlich. diese Mengen und diese Geräte über jene Verbindung sind unbedingt notwendig? Und so nutzen Unternehmen die Lücke. Doch die Freiheit ist bei diesen Angeboten meist eingeschränkt. So erlaubt Kabel Deutschland an seinen Hotspots gerade mal 30 Minuten täglich – nur Kunden des Unternehmens haben unbegrenzten Zugang. Ein Fall von Akquise also; der Zugang auch außerhalb der eigenen vier Wände als Argument für einen Providerwechsel. Ähnlich bei der Telekom: Wer hier nach Ablauf der Gratiszeit weiter surfen will, muss zahlen. Auffällig ist, dass Nutzer in München und Pforzheim kein Zeitlimit haben – hier stehen die Münchner Stadtwerke beziehungsweise ein Verein aus regionalen Unternehmen hinter den Netzen. Doch auch in diesen Städten Wasser, Strom … Internet? gibt es eine ganz andere Art der Der Staat dagegen hält sich mit Einschränkung: die regionale. Angeboten zurück. Auf eine AnÖffentliche Hotspots stehen befrage über den Onlinedienst vorzugt in zentralen Lagen – in fragdenstaat.de antwortete etwa Hamburg etwa rund um die Landie Stadtverwaltung Gütersloh, dungsbrücken, in München in dass vor allem die mit Einrichder Altstadt und in Düsseldorf tung und Unterhalt verbundesteht der erste Hotspot in der nen Kosten eine Hürde seien. In Königsallee. Berlin scheiterte ein WLAN-Pro„Mit Grundversorgung hat jekt der Verwaltung letztlich das alles nicht viel zu tun“, kritinicht nur an den Kosten, sondern Freies WLAN ist im Kommen. Die Freiheit ist bei den meisten Angeboten allerdings eingeschränkt Foto: imago siert Tripp. Ein öffentliches auch an der Sorge um das reiWLAN als Teil der Daseinsvorsor........................................................................................................................ bungslose Funktionieren der der seinen eigenen Anschluss bänden und Wirtschaft über eine ge dürfe nicht nur keine BegrenFunken und vernetzen Ampeln. Union und SPD haben leisten“, sagt Volker Tripp vom IT-Grundversorgung debattier- ...................................................................................................... zung bei Zeit und Volumen hain ihren Koalitionsverhandlun- Verein Digitale Gesellschaft. ten, stellte sich heraus: Der Staat ■ Die Initiative: Freie Funknetzben, es müsse auch flächendegen zwar beschlossen, jährlich Selbst das Zentralkomitee der ist in dieser Frage unentschlos- werke gibt es seit einigen Jahren ckend und anonym nutzbar sein. eine Milliarde Euro zusätzlich zu deutschen Katholiken forderte sen. weltweit. Dabei bauen die Nutzer „Schließlich trage ich ja auf der investieren, um die Breitband- kürzlich, „gerechte Zugangsvor„Der Versuch, Grundversor- ihre eigene Netz-Infrastruktur auf, Straße auch nicht ständig ein Naversorgung auszubauen, die ge- aussetzungen zum Internet für gung zu definieren, trifft auf eine mit dem Ziel, Kommunikationsmensschild vor mir her.“ Er rade auf dem Land noch löchrig Menschen mit geringen finanzi- hohe Marktdynamik“, formulier- medien zu demokratisieren. Auch spricht sich außerdem für eine ist. Doch davon hat nur etwas, ellen Möglichkeiten“ zu schaf- te es Martin Schallbruch, IT-Di- Menschen, die sich keinen eigeFörderung von bürgerschaftliwer sich einen eigenen An- fen. Öffentliche WLANs wären rektor im Innenministerium. nen Anschluss leisten können, ha- chen Initiativen wie den Freifunschluss leisten kann. ein Weg, diese Grundversorgung Verschiedene Zugangsgeräte – ben so die Möglichkeit, Zugang kern (siehe Interview) aus. Eine Hinter all dem steckt die zu erreichen – ohne dass jeder erst PCs, dann Notebooks, jetzt zum Internet zu bekommen. In konsequente Abschaffung der grundsätzliche Frage, ob ein In- Haushalt sich selbst einen Inter- Smartphones und Tablets –, un- Dutzenden deutschen Städten Störerhaftung, vielleicht ein ternetzugang zur Daseinsvorsor- netanschluss besorgen muss, zu- terschiedliche Frequenzen, dazu gibt es inzwischen lokale Freifunk- Fonds für den Freifunk und einige gehört – und damit so wichtig mal der nur örtlich gebunden ständig wachsende Mengen an Communitys. ges an bürgerschaftlichem Engaist wie Wasser, Strom oder Stra- nutzbar ist. Auf einer Fachdiskus- Daten, die heruntergeladen, ge- ■ Das Prinzip: Jeder Teilnehmer gement – das könnte die Verßen. „Es ist auch eine soziale Fra- sion im Oktober, bei der Akteure speichert, verschickt werden stellt seinen WLAN-Router für den sorgung schon erheblich verge, schließlich kann sich nicht je- aus Politik, Wissenschaft, Ver- können – wer will da noch sagen, Datentransfer zur Verfügung. Die bessern. Freifunk-Router verbinden sich untereinander, so dass ein Netz entsteht. Dieses wird umso dichter und schneller, je mehr Nutzer mitmachen. So können Musik, Texte und sonstige Dateien untereinander ausgetauscht werden – unabTEILEN Die Freifunk-Initiative will WLAN überall kostenlos verfügbar machen hängig vom Internet. Wer den eitaz: Herr Gutowski, in der Ham- bar zu machen. Schließlich ist In- Aber wer sich beteiligt, muss genen Internetanschluss zur VerAls großes Hemmnis für öffentburger Innenstadt bietet die Te- ternet ein Bürgerrecht. Und auch Kosten tragen. fügung stellt, ermöglicht anderen liche Netze gilt die sogenannte lekom ein öffentliches WLAN Deutschland hinkt anderen Län- Ja, aber nicht viel. Uns ist wichtig, darüber hinaus Zugang zum welt- Störerhaftung. Betreiber eines an, in Pforzheim gibt es ein ähn- dern da um einiges hinterher. In dass auch Menschen mit wenig weiten Netz. WLAN werden dafür verantliches Angebot von regionalen Skandinavien zum Beispiel gibt Geld mitmachen können. Die ■ Weitere Informationen: freiwortlich gemacht, was die NutUnternehmen. Können die Frei- es mindestens in den Ballungs- einzige Voraussetzung ist ein funk.net zer im Netz tun. Die Unterhändfunker das besser als die Unter- gebieten eine flächendeckende Router, der für 20 Euro zu krieler der Großen Koalition haben ........................................................................................................................ Versorgung. Aber was häufig ver- gen ist. nehmen? beschlossen, sie abzuschaffen. Reiner Gutowski Reiner Gutowski: Wir können es gessen wird: Freifunk ist nicht Ein Internetanschluss ist nicht ...................................................................................................... Wäre dann alles gut? vor allem anders machen. Unser nur WLAN. Es ist auch eine Art notwendig? Es wäre natürlich ein Schritt in 49, ist zweiter Vorsitzender des Netz liegt in den Händen der Bür- lokales Bürgernetz, unabhängig Nein. Zum Beispiel stellen Sie in 2011gegründetenVereinsFreifunk die richtige Richtung. Die Störerger und nicht in denen eines gro- vom Internet. Da können Leute Ihrer Wohnung einen FreifunkRheinland. Haupt- haftung ist einfach widersinnig. Inhalte teilen, man kann sich auf Router auf und teilen Ihren Interßen Konzerns. Wenn ich jemandem mein Auto beruflich ist Was für einen Unterschied einer Facebook-Alternative ver- netanschluss. Nun stellt im Neleihe und der baut damit einen Gutowski als netzen – also im Prinzip das, was bengebäude jemand einen solmacht das? selbstständi- Unfall, ist er schuld. Wenn ich Zum Beispiel sammeln wir keine die Politik als Reaktion auf die chen Router auf, hat aber kein Inaber jemandem mein Internet ger IT-BeraDaten. Es ist ein offenes Netz, bei NSA-Überwachung auf nationa- ternet. Dann würde dieser Rouleihe und der macht damit Mist, ter tätig. dem jeder mitmachen kann. Un- ler oder europäischer Ebene um- ter Ihren Router erkennen und werde ich in Haftung genomFoto: privat darüber ins Internet gehen. ser Ziel ist, WLAN überall verfüg- setzen will. Nur eben lokal. men. INTERVIEW: SVENJA BERGT „Internet ist ein Bürgerrecht“ Öffentliches WLAN – hier nicht von den Freifunkern, sondern von der Stadt Pforzheim angeboten Foto: dpa