Psychotherapie als Profession kurz 2010 [Kompatibilitätsmodus]

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Psychische Erkrankungen
Psychotherapie als Profession
Dr. Jutta Fiegl
Psychische Erkrankungen
• 20% aller Frühpensionen sind aus psychischen
Gründen – sind im Steigen
• Frauen sind mehrheitlich betroffen
• Krankenstände aus psychischen Gründen
steigen
• 850 Mio Euro Jahr wurden 2009 von den
Sozialversicherungen für psychische
Erkrankungen ausgegeben in Österreich
• 900.000 Menschen (15%) erhielten 2009
Leistungen der KK wegen psychischer Leiden
• Ca 3% der Bevölkerung sind in schwerem
Ausmaß betroffen
Bedarfsschätzung für Psychotherapie:
(ÖBIG 2003)
• Der Psychotherapiebedarf in der Bevölkerung
Österreichs wird etwa auf 2 – 5% geschätzt.
• Auch wenn nur vom Minimalbedarf 2,1%
ausgegangen wird, gibt es in Österreich keine
Deckung.
• Schätzungsweise stehen ca 50% der Personen
mit Psychotherapiebedarf in Behandlung.
Psychotherapie in Wien
• Allein in Wien geht die Schätzung davon aus,
dass es eine Untergrenze von 32.800
Psychotherapiebedürftige gibt (ÖBIG ) Laut
ÖBIG sind 2,1% bis 5% der Bevölkerung
psychotherapiebedürftig. In Gesamtösterreich
sind aber nur rund 46.000 Personen in
Behandlung.
Depression
• Bis zu 20% der Bevölkerung leiden
mindestens einmal im Leben an einer
Depression.
• Ca 15% an schweren Depressionen leidenden
Menschen nehmen sich das Leben.
Depression
• Depression gilt als die Volkskrankheit Nr.1 und ist
laut WHO stetig im Steigen begriffen. Bis 2020
könnte die Depression die am häufigsten gestellte
Diagnose sein.
• Depression im Alter: in einer Langzeitstudie (Vita
Studie des LB Institutes für Alterforschung) wurden
rund 600 75-jährige BewohnerInnen zweier Wiener
Bezirke auf Depression untersucht: 16,5% litten an
einer mehr oder weniger starken Depression.
Europäische Vergleichsstudien finden bei 10 – 17%
eine Depression.
Depression:
• Ältere Menschen – vor allem ältere Männer sind
Hochrisikogruppe
• 15% aller depressiven Patienten begehen
Selbstmord, bis zu 60% begehen einen
Selbstmordversuch. Pro Jahr versterben in Österreich
bis zu 1500 Menschen durch Suicid – doppelt so viele
als bei Verkehrsunfällen
• In Österreich leiden 10% der Bevölkerung zumindest
vorübergehend an depressiven Erkrankungen
PsychotherapeutInnen in Österreich
• Berufsbild- seit 1991 geregelt
• PthG regelt die Pth
• Krankheitsbegriff geändert
• Ende 2005 gab es ca 6000 eingetragene
PsychotherapeutInnen in Österreich (Stumm
et al)
• 45% davon sind weniger als 10 Stunden pro
Woche tätig (ÖBIG 1997; damals waren 3000
Pthen eingetragen)
• 1985 war das Geschlechterverhältnis nahezu
gleich, 10 Jahre später sind 70% aller Pthen
weiblich.
PsychotherapeutInnen in Wien
Psychotherapie
• Wien: 1998 gab es 877 ausschließlich
freiberuflich tätige Pth., 285 angestellte Pth,
1008 sowohl freiberuflich als auch angestellte
Pth.
• 2007 sind in Wien etwa 3000
PsychotherapeutInnen eingetragen
ist eine eigenständige Wissenschaft, die weder
der Medizin untergeordnet, noch ein Teil der
Psychologie ist. Die Ausübung der
Psychotherapie setzt eine mehrjährige
Spezialausbildung voraus, die durch das
Psychotherapiegesetz geregelt ist.
Gesetzliche Voraussetzungen
der Psychotherapie in Österreich
Seit 1991 ist die Psychotherapeutische Heilbehandlung
durch das Psychotherapiegesetz geregelt und
verankert und der ärztlichen Hilfe gleichgestellt.
• Im Gesetz sind gleichfalls das Ausmaß und der Inhalt
der Psychotherapieausbildung geregelt.
• Die Arbeit ist eigenständig, sie erfolgt weder nach
Verordnung noch unter Aufsicht einer anderen
Berufsgruppe, gleichgültig, ob in einer Institution
oder in freier Praxis.
• Derzeit sind 22 psychotherapeutische Methoden
gesetzlich anerkannt in Österreich
Gesetzliche Definition von
Psychotherapie
"Die nach einer allgemeinen und besonderen Ausbildung
erlernte, umfassende, bewusste und geplante Behandlung
von psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten
Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit
wissenschaftlich - psychotherapeutischen Methoden in einer
Interaktion zwischen einem oder mehreren
Psychotherapeuten mit dem Ziel, bestehende Symptome zu
mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen und
Einstellungen zu ändern und die Reifung, Entwicklung und
Gesundheit des Behandelten zu fördern."
Psychotherapie
Denkmodelle Medizin/Psychotherapie
Es gibt nicht „die“ Psychotherapie im Sinne
einer Einheit, sondern verschiedene
Ansätze und Schulen.
Psychotherapie ist nicht an ein Schema
gebunden, wie ein fixes Programm,
sondern ist prozessorientiert und läuft
meist in Form von Gesprächen ab.
• In der Medizin herrscht eher ein linear - kausales
"wenn - dann" Modell vor: wenn ich diese oder jene
Untersuchungen vornehme, dieses oder jenes
Medikament verabreiche, erwarte ich bestimmte
messbare körperliche Reaktionen.
• Setze ich in der Psychotherapie eine bestimmte
Intervention, deute etwas, stelle eine Frage, kann ich
nie vorhersagen, was genau im Patienten dadurch
bewirkt wird, was im Patienten ausgelöst wird - es
wird individuell differieren.
Professionelle Psychotherapie
• Therapiekonzepte sind somit nicht
unmittelbar auf die konkrete
Therapiesituation übertragbar, da jede
Konstellation anders ist, gleiche
Interventionsstrategien unterscheiden sich in
ihrer Wirkung erheblich.
• Sie müssen daher an die jeweilige
Therapiesituation angepasst werden.
Gruppenarbeit
Fallbeispiele
Was fällt Ihnen auf in der Geschichte? Was könnte zu
den Ursachen der Beschwerden zählen?
Welche Gefühle löst der/die PatientIn in Ihnen aus?
Welche Ideen haben Sie, auf welche
Lösungsmöglichkeiten hingearbeitet werden könnte?
Was ist Psychotherapie?
Diese Leistung ist jedoch abhängig von der
Kompetenz der Person des
Psychotherapeuten. Therapie bleibt somit
„personengebundene Kompetenz“ (Polanyi
1985) und kann nicht als rein technische
Leistung entwickelt und überprüft werden
(Hofmarcher et al)
Sie ist von der subjektiven Identität der
TherapeutInnen nicht zu trennen.
• Psychotherapeutische Behandlung ist Hilfe zur
Selbsthilfe
• Therapeutische Gespräche entlasten, helfen
Lebensmuster zu erkennen, Ängste, innere
Konflikte zu identifizieren und abzubauen, die
ein Wohlbefinden verhindern.
Professionelles Arbeiten
Psychotherapie hat anzuregen, dass der/die PatientIn
Erkenntnisse gewinnt und für seine/ihre persönliche
Lösung einsetzt.
Ich kann diesen Prozess nicht pushen, nicht erzwingen,
sondern fördern, begleiten, stützen, damit
Erkenntnisse zum Beispiel um die Aufrechterhaltung
eines Symptoms auch zu dessen Linderung oder
Befreiung umgesetzt werden können.
• Der Psychotherapeut ist der Experte für Prozess und nicht für
die Lösung. Im Unterschied zum Anspruch der Medizin.
• In der Interaktion, der Begegnung, mit dem Klienten geht es
dann weniger um die diagnostische Suche nach externen
Ursachen für Krankheit und Störung (kausales Modell der
Medizin und Naturwissenschaft) sondern um die Suche nach
dem Sinn. Nicht Kampf, sondern Verstehen – keine kausale
Frage „warum“? sondern „wozu?“
„Eine Störung zu verstehen, bedeutet, sie als Zeichen auf der
Suche nach einem Adressaten aufzufassen (v. Uexküll 1989)
Was ist professionelle Psychotherapie?
Was braucht ein Therapeut?
• Interaktion
• spezielle Kommunikation auf der Basis eines
erlernten Kommunikationsstiles (Methode),
• Wissen über bisherige Erkenntnisse von Gesundheit
und Krankheit, Einbeziehung des gesellschaftlichen
Kontextes (Psychotherapie spiegelt natürlich auch
den gegenwärtigen Stand und die momentan
gültigen Übereinkünfte der Gesellschaft wieder), die
angrenzenden Wissenschaften sind ebenfalls
Umwelt.
• Fähigkeit, selbstreflexiv, seine eigene Person
zu kennen und abzugrenzen, damit die
Begegnung mit Patienten hilfreich möglich
wird.
• Die eigenen Grenzen – die persönlichen und
die fachlichen- reflektieren und das
individuelle Leiden der PatientInnen ernst
nehmen.
• Hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
Wirksamkeit von Psychotherapie
• Einigkeit, dass Psychotherapie wirkt (anders
als Eysenck 1952 feststellte); sie ist eine
kostengünstigere Alternative zu
Nichtbehandlung psychischer Probleme oder
substituierender pharmakologischer
Behandlungen. (außer, wenn Medikation
indiziert ist!)
Studienergebnisse
• Psychotherapie bewirkt substantielle Veränderungen
: 87% gaben eine Besserung in Richtung sehr gut an
• Längere Psychotherapien sind wirksamer
• Wirksame Psychotherapien gehen über die
Symptomreduktion hinaus
• Keine Psychotherapiemethode ist der anderen
überlegen
• Wirkfaktor ist die Beziehung, somit auch die Wahl
des Psychotherapeuten.
Consumer Reports Studie
Seligman
• 1995: Studie publiziert zur Wirksamkeit von
Psychotherapie von einer Konsumenten
Zeitschrift mit geschätzten 180.000 Lesern
(USA)
• 7000 Personen antworteten auf Fragen nach
Dauer und Frequenz der Behandlung,
Medikation, Art und Ausmaß der Störung,
psychischer Zustand vor und nach der
Behandlung.
Funktionen der Psychotherapie
1. Funktion der Heilbehandlung
2. Psychotherapie als Begleitmaßnahme
3. Stützung und Problemlösungshilfe in
Belastungssituationen, Lebenskrisen, bei
Paar und Familienkonflikten
4. Hilfe zur Persönlichkeitsbildung
Psychotherapie als
Begleitmaßnahme
Gruppenarbeit
Pth als Begleitmaßnahme
Arbeitskontext Krankenhaus
• Psychotherapeutische Arbeit, aber meist keine
klassische Psychotherapie (Setting,
Freiwilligkeit, Intensität)
• Häufig am Krankenbett
• Interdisziplinäres Arbeiten nötig
• Flexibilität des/der TherapeutIn sowohl in
Bezug auf Setting als auch Anpassung an
Krankheitsphasen
• Arbeit beinhaltet: Krisenmanagement,
Ausübung der Holding Function, Arbeit am
Hier und Jetzt, Erarbeiten der unmittelbaren
Zukunft, Angehörigenarbeit
• Bereitschaft, sich somatisches Basiswissen
anzueignen
Krankheitsbewältigung
• Psychische Leistung
– der Betroffenen
– deren Familien und Umfeld
was kann Psychotherapie bzw. psychosoziale
Betreuung leisten ?
• Psychische Anforderungen an den Helfer
Benachbarte Professionen
• Lebens und Sozialberater
• Psychiater
• Klinische Psychologie
– Burn - Out Prophylaxe, was brauchen Helfer?
Psychiatrie
• Medizinisches Fach
• Befasst sich mit Diagnose, Therapie und
Rehabilitation psychischer Erkrankungen
unter Beachtung körperlicher
Störungsursachen
• Anwendung von Psychopharmaka und anderer
somatischer Therapien sind ausschließlich der
Psychiatrie vorbehalten
Psychiatrische Einrichtungen
• Medikamentöse Therapie hat vorrangige
Bedeutung
• Viele PsychiaterInnen haben ebenfalls eine
psychotherapeutische Ausbildung
• Kombinationstherapie: Medikation/
Psychotherapie
• Psychiatrische Behandlung kann auch
zwangsweise verordnet werden (bei Fremdoder Selbstgefährdung)
Klinische Psychologie
• Psychologie beschäftigt sich mit der Erklärung,
Beschreibung und Beeinflussung menschlichen
Erlebens und Verhaltens
• Klinische Psychologie legt dabei den Fokus auf das
Gesundheitswesen
• Diagnostik: Tests, explorierende Gespräche
• Psychologische Behandlung: Rehabilitation, übende
Verfahren, Biofeedback, Entspannungsverfahren
Berufsfelder/ verschiedene Kontexte der
Psychotherapie:
• Privatpraxis
• Krankenanstalt
• Institutionen des Sozialwesens,
Beratungsstellen (Familienministerium fördert
– Möglichkeit zur Teamarbeit, verschiedene
Settings, Intervision
• Justiz (Zwangskontext)
• Suchteinrichtungen (Zwangskontext)
• Schule
Lebens- und Sozialberatung
• Beim Klienten liegen keine krankheitswertigen
psychischen Störungen vor
• Keine Behandlung krankheitswertiger
Leidenszustände
• Zielt eher auf Problembewältigung umschriebener
Lebensprobleme ab
• Dauer und Frequenz sind eher begrenzt
• Beziehung zwischen BeraterIn und KlientIn ist nicht
so zentral wie bei der Psychotherapie
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