Vorlesung „Rechtskunde und Toxikologie“ Mechanismen toxischer Wirkungen Prof. Dr. W. Dekant Institut für Toxikologie Universität Würzburg Veränderungen zellulärer Parameter und ihre toxischen Folgen Erhöhung der intrazellulären Ca2+-Konzentrationen Erniedrigung der intrazellulären ATPKonzentrationen Modifikation von Proteinthiolen und Disulfiden ↓ ↓ ↓ Aktivierung Ca2+-abhängiger degradierender Enzyme, Zerstörung von Zellmembranen und Cytoskelettelementen, DNAFragmentierung Störung des zellulären Ionenmusters, Beeinträchtigung der Proteinsynthese Störung der Funktion sulfhydrylabhängiger Proteine (z.B. Ionenpumpen, Cytoskelettelemente ) Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg Calciumabhängige Mechanismen der Cytotoxizität Ca2+ ↑↑ Anhaltende Erhöhung der zellulären Calciumkonzentrationen führt zur Proteasen ↑ Phospholipasen ↑ Endonucleasen ↑ Aktivierung von calciumabhängigen degradierenden Enzymen und dadurch zur Zerstörung zellulärer Makro- Störung von Struktur und Funktion des Cytoskeletts führt zur Bildung von Plasmamembranbläschen DNADoppelstrangbrüche, DNA-Fragmentierung Beeinträchtigung der physiologischen Intaktheit der Zellmembranen Zelltod Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg moleküle. Die nach oben zeigenden Pfeile kennzeichnen eine Konzentrationsbeziehungsweise Aktivitätszunahme.! Zelluläre Strukturen als Angriffspunkte toxischer Fremdstoffe und daraus resultierende funktionelle Störungen Plasmamembran Mitochondrien Endoplasmatisches Retikulum Lysosomen ↓ ↓ ↓ ↓ Störung des zellulären Störung der Störung des FremdIonen-musters, des Energieproduktion stoffmetabolismus inter-zellulären Infor- und des Calciumund des zellulären mationsaustauschs haushalts Ionenmusters und der Erregungsübertragung Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg Freisetzung lysosomaler degradierender Enzyme in das Cytosol Schematische Darstellung einer Synapse synaptischer Spalt Wiederaufnahme postsynaptische Zelle präsynaptische Zelle Reaktion mit postsynaptischen Rezeptoren Transmitterfreisetzung synaptische Vesikel Neurotransmitter Abtransport, Abbau Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg Einteilung von Bioaktivierungsreaktionen nach der chemischen Struktur und Reaktivität der enzymatisch gebildeten Zwischenstufen Mechanismus Struktur und Reaktivität der gebildeten Zwischenstufe Biotransformation zu stabilen toxischen Metaboliten verschiedene Strukturen; selektive Interaktion mit essentiellen zellulären Prozessen Biotransformation zu reaktiven reaktive Elektrophile Elektrophilen Biotransformation zu freien Radikalen Radikale Bildung reaktiver Sauerstoffmetabolite Radikale Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg Beispiele Dichlormethan Acetonitril Parathion Dimethylnitrosamin Acetaminophen Brombenzen Tetrachlorkohlenstoff Paraquat Nitroverbindungen Beispiele von Bioaktivierungsreaktionen und dadurch ausgelösten toxischen Wirkungen Fremdstoff durch Bioaktivierung ausgelöste toxische Bioaktivierungsmechanismus Wirkung oder reaktives Zwischenprodukt Acetamidofluoren Blasenkrebs Nitreniumion AflatoxinB1 Leberkrebs Epoxidierung Benzen Blutkrebs Bildung von Benzochinon Brombenzen Lebernekrosen Bildung von 2-Bromchinon Bromtrichlormethan Lebernekrosen Radikalbildung Dimethylnitrosamin Krebs in vielen Organen Tetrachlorkohlenstoff Lebernekrosen Radikalbildung Thioacetamid Leberkrebs S-Oxidation und nachfolgend weiterer Metabolismus Vinylchlorid Leberkrebs Epoxidierung Diethylstilböstrol Scheidentumoren bei Töchtern, deren Mütter während der Schwangerschaft behandelt wurden Semichinonradikal, DES-Chinon Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg α-Hydroxylierung mit nachfolgender Umlagerung zum Carboniumion Beispiele für Bioaktivierungsreaktionen OH Cl HCCl3 P-450 Cl P-450 O2 HOCCl3 - 2 HCl Cl H CO Cl O - HCl Cl C kovalente Bindung Cl toxische Wirkung . . HO 2 + O 2 + H+ Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg H2O 2 + O2 Beispiele für Fremdstoffe, die zu Radikalen metabolisiert werden Verbindung Radikalmetabolit Schädigung Tetrachlorkohlenstoff .CCl3 Leberschäden Paraquat Paraquatradikalkation und O2.- Lungenfibrose Daunomycin Daunomycinradikal und O2.- Schädigung des Herzmuskels Nitrofurantoin RNO2.-, O2.- Lungenödem 3-Methylindol 3-Methylindolradikal (N.) Lungenödem Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg Angriff von Radikalen an ungesättigtern Fettsäuren biologischer Membranen und Initiation der Lipidperoxidation H H R H R1 + HO R R1 - H2O O2 HOO OO R R1 + R2H R R1 - R2 Durch den Zerfall der ungesättigten Fettsäuren O entstehen α,ß-ungesättigte Carbonyl- H OH Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg verbindungen wie 4-Hydroxy-2-trans-hexanal.! Bildung reaktiver Sauerstoffmetabolite und "Redoxcycling" durch Menadion . O 2- . O CH3 O- + e- O2 CH3 + e- Flavoprotein NAD(P)H OH Menadion Menadion-Reduktase, NAD(P)H + 2eProf. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg Menadion kann in einer Zwei-Elektronen-Reaktion zum entsprechenden Hydrochinon umgewandelt werden.! OH CH3 Flavoprotein NAD(P)H O . O2 O2 OH Durch eine Ein-ElektronenReduktion entsteht aus Menadion ein Semichinonradikalanion, das mit Sauerstoff zum Superoxidradikalanion unter Rückbildung von Menadion weiterreagieren kann.! Oxidation des Hydrochinons durch molekularen Sauerstoff führt ebenfalls zu einem Semichinonradikalanion und dem Superoxidradikalanion.! Bildung aktiver Sauerstoffspezies durch stufenweise EinElektronen-Reduktion von molekularem TriplettSauerstoff 3 O2 Triplett-Sauerstoff + e- O2 + e-, 2H+ Superoxidradikal H2O 2 Wasserstoffperoxid + e-, H+ - H2O OH Hydroxylradikal + e-, H+ H2O Wasser Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg Metabolische gebildete Elektrophile und ihre Reaktionspartner in der Zelle weich hart Nucleophile: SH von Cystein Schwefel von primärer oder Aminogruppen von Sauerstoff von oder GSH Methionin sekundärer Purinbasen in RNA Purinen und Stickstoff von und DNA Lysin, Arginin oder Pyrimidinen in DNA und RNA Histidin Elektrophile: α,ß-ungesättigte Epoxide, Carbonyl- Alkylsulfate, verbindungen, Alkylhalogenide Chinone Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg Nitreniumionen benzylische aliphatische und Carbokationen aromatische Carbokationen Metabolische Aktivierung von Vinylchlorid zu Chloroxiran und Modifizierung von Deoxyadenosin zu 1,N6Ethenodeoxyadenosin (dR: Deoxyribose) NH2 + H Cl C H H O C C H N N N Cl O dR C H NH2 N N N - HCl H N N dR HO N N N N N N dR 1,N -Ethenodesoxyadenosin 6 Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg - H2O N N N N dR Strukturen von DNA-Addukten, die im Rahmen von endogenen oxidativen Prozessen entstehen O HN O N O NH2 CH3 OH OH H dR Thyminglycol NH CHO N N NH dR 4,6-Diamino-5formamidopyrimidin Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg N HN H2N N OH N N dR 8-Hydroxyguanin N N N N dR 1,N6-Ethenoadenin Mechanismus der Reparatur von O6-Methylguanosin in DNA durch O6-Methylguanin DNA-Methyltransferase. Dabei wird das Enzym durch Übertragung der Methylgruppe auf die Aminosäure Cystein inaktiviert NH2 OR O P O O N P CH2 N O CH2 O H O O N O O H NH2 OR O H P H H CH3 O N O N N O COOR + HS NH2 N O O H P C CH H2 HN COOR O O H P H O O N O CH2 H H O O N O NH O H P H O O N NH O CH2 N O N NH2 CH2 N O H H O NH2 N H O H COOR NH + H3C N O H H O H Cystein in Methyltransferase O CH2 N O O P H H H O OR Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg O O P OR H O H N NH2 S C CH H2 HN COOR Mehrstufenmodell der Krebsentstehung am Beispiel der Erzeugung von Hauttumoren bei der Maus Promotoren verkürzen die Latenzzeit und erhöhen die Zahl der Tumoren pro 1 2 3 4 5 X X X X + X X ++++ X ++++ Intervallen nach dem Initiator verabreicht werden (3, 4). Ist die Applikationsfrequenz des Promotors zu niedrig (5) oder erfolgt die Applikation in umgekehrter Reihenfolge, zuerst Promotor und dann Initiator (6), bleibt X 6 Tier nur, wenn sie in bestimmten die Entstehung von Tumoren aus; gleiches gilt für die alleinige X Verabreichung des Promotors (7). 7 Initiatoren können in ausreichender Dosierung auch in Abwesenheit von Zeit Promotoren Tumoren erzeugen (1); in X = Initiator = Promotor + = Tumor = kein Tumor diesem Fall wirken sie als komplette Kanzerogene. Bei zu geringer Dosis wird kein Krebs induziert (2). ! Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg Der lange Weg von einer normalen Zelle zu einem bösartigen Tumor Mehrere Mutationen in Proliferations- und Differenzierungsgenen bewirken die Umwandlung einer normalen Zelle in eine Tumorzelle (Initiation). Ein klinisch erfaßbarer Tumor entsteht aber erst, wenn Tumorpromotoren die initiierte Zelle dazu bringen, sich stark zu vermehren (Promotion). In der dritten Phase nimmt die Bösartigkeit des Tumors zu (Progression). Er wächst destruierend in das benachbarte Gewebe, infiltriert Blutgefäße und bildet Tochtergeschwülste (Metastasen) in entfernten Organen.! Prof. Dr. W. Dekant, Institut für Toxikologie, Universität Würzburg