Entzündliche Erkrankungen: Das Immunsystem ausbremsen Stockbyte / John Foxx / Hemera / iStockphoto / Thinkstock Entzündliche Erkrankungen wie Psoriasis, Rheumatoide Arthritis oder Multiple Sklerose werden heute als Autoimmunkrankheiten angesehen, bei denen das Immunsystem körpereigene Strukturen attackiert. Zur Therapie steht eine Vielzahl von Wirkstoffen zur Verfügung, welche die Immunreaktion gezielt oder ungezielt eindämmen können. November 2012 Seite 40 www.pharmarundschau.de Zertifizierte Fortbildung für Apotheker D as Immunsystem ist das Abwehrsystem des menschlichen Körpers gegen alle Krankheitserreger (Mikroorganismen wie Viren, Bakterien, Parasiten) und Fremdstoffe, mit denen der Mensch in Berührung kommt. Während im Knochenmark ständig neue Immunzellen für eine Immunabwehr produziert werden, übernehmen andere lymphatische Organe wie Thymus, Milz, Mandeln und Lymphknoten deren Schulung und Spezialisierung. Ein optimaler Schutz vor Krankheitserregern ist aber nur durch das Zusammenwirken aller Komponenten des Immunsystems gewährleistet. Die ersten Organe, die das Eindringen von Fremdkörpern verhindern, sind Haut, Atemwegsschleimhaut und Darm. Rund 70 Prozent aller körpereigenen Abwehrzellen befinden sich im Darm. Die Peyer-Plaques in der Darmschleimhaut sind voller Abwehrzellen (bis zu 80 Lymphfollikel), die Krankheitserreger vor Ort bekämpfen können. Im Bedarfsfall gelangen die Immunzellen über die weit verzweigten Systeme von Blut und Lymphe zu ihren Zielorten. Dort schützen sie in einem sorgfältig abgestimmten Zusammenspiel den Körper vor Erregern und Schadstoffen. Problematisch wird es, wenn dieses Zusammenspiel außer Kontrolle gerät. Zusammenspiel der Immunzellen Prinzipiell wird zwischen einer unspezifischen oder auch angeborenen Immunabwehr sowie einem spezifischen Abwehrmechanismus unterschieden. Zur unspezifischen Immunabwehr zählen innere und äußere Schutzfunktionen. Zu den äußeren Schutzbarrieren gehören beispielsweise die Haut, Schleimhäute, Speichel aber auch der Magensaft. Wenn Erreger es dennoch schaffen, diese oberflächlichen Barrieren zu durchbrechen, werden bestimmte Zellen des Immunsystems aktiv. Substanzen, die gegen die Erreger wirken (z. B. Interferone, Komplementsystem oder Transferrine), Fresszellen (Pha- www.pharmarundschau.de gozyten) oder aber auch natürliche Killerzellen erkennen körperfremde Eindringlinge und beseitigen sie. Die angeborene Immunantwort findet innerhalb von Minuten statt und ist durch die Erbinformation lebenslang festgelegt. Die spezifische oder adaptive Immunabwehr, früher auch »erworbenes Immunsystem« genannt, zeichnet sich durch die Anpassungsfähigkeit gegenüber neuen oder veränderten Krankheitserregern aus und muss sich beim Heranwachsen des Menschen entwickeln. Viele Immunzellen erreichen erst im Erwachsenenalter ihre volle Funktionsfähigkeit, sodass Kinder häufiger an verschiedenen Infektionskrankheiten leiden. Zu den Zellen der unspezifischen Immunabwehr gehören Granulozyten (eine Art von Leukozyten, weißen Blutkörperchen), außerdem Monozyten/ Makrophagen, natürliche Killerzellen und dendritische Zellen. Zu den Zellen der spezifischen Immunabwehr zählt eine andere Form der Leukozyten, die B- und T-Lymphozyten. Die verschiedenen Bestandteile des Immunsystems ermöglichen in einem gut koordinierten Zusammenspiel die komplexe Immunreaktion des Körpers. Die Zellen der unspezifischen Immunabwehr Granulozyten können die Blutbahn verlassen und ins Gewebe einwandern. In ihrem Zytoplasma befinden sich zahlreiche Bläschen, die Vesikel oder Granula. Sie enthalten aggressive Stoffe, mit denen Krankheitserreger unschädlich gemacht werden können. Monozyten und Makrophagen können schädliche Stoffe, Bakterien und Pilze in ihr Inneres aufnehmen, umschließen und phagozytieren (»auffressen«). Körpereigene Zellen werden von den Zellen der unspezifischen Immunabwehr verschont. Diese erkennen sie an ihren Oberflächenproteinen, dem Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC), der als »Mitgliedsausweis« des Körpers dient. Körperfremde oder er- krankte Zellen, die nicht über den richtigen MHC verfügen, werden aufgespürt und vernichtet. Somit kann die angeborene Immunabwehr Krankheitserreger bekämpfen, ohne dass der Organismus vorher mit dem Erreger selbst Kontakt gehabt haben muss. Um zur Verstärkung andere Immunzellen herbeizurufen, senden die Zellen der unspezifischen Immunabwehr Botenstoffe aus. Dazu gehören Zytokine wie Interferone oder Interleukine. Vielfach laufen diese Vorgänge unbemerkt ab. Jedoch kann es notwendig werden, dass das Immunsystem noch stärker aktiviert werden muss. Dann werden Fieber und Entzündungen ausgelöst, um die Immunantwort zu verstärken. So werden bestimmte Abwehrzellen durch Fieber besser und schneller aktiviert, was zu einer effektiveren Immunantwort gegen Krankheitserreger führt und somit die Sinnhaftigkeit von Fieber unterstreicht. Die Zellen der spezifischen Immunabwehr Die Zellen der adaptiven Immunabwehr müssen Krankheitserreger erst kennenlernen, bevor sie reagieren können. Damit sie sich nicht gegen körpereigene Eiweiße richten, müssen T-Lymphozyten »geschult« werden. Dazu wandern sie aus ihrem Bildungsort im Knochenmark in die Thymusdrüse, die hinter dem Brustbein liegt. Hier »lernen« sie, körpereigene Zellen an ihren MHC-Molekülen zu erkennen und zu tolerieren, indem sie mit einer Vielzahl gewebespezifischer Proteine des Körpers konfrontiert werden. Von der Bundesapothekerkammer zertifiziert: Fortbildungspunkte für Apotheker November 2012 Seite 41