Technische Universität Bergakademie Freiberg Fakultät für Geowissenschaften, Geotechnik und Bergbau Institut für Geotechnik Geotechnik–Jahresexkursion 2008 vom 28.09. bis 03.10.2008 in die „Ostalpen“ Vorbereitung und Leitung: Dipl.-Geol. Tondera / TU Bergakademie Freiberg, Institut für Geotechnik Teilnehmerliste der Studierenden: 1. Bonim, Christin 6. Fachsemester Geotechnik 2. Dörfel, Jens 6. Fachsemester Spezialtiefbau 3. Fötzsch, Rico 4. Fachsemester Geotechnik/Bergbau 4. Frank, Rene 8. Fachsemester Spezialtiefbau 5. Gerber, Christian 8. Fachsemester Geotechnik 6. Haack, Uli 4. Fachsemester Geotechnik/Bergbau 7. Herrmann, Matthias 8. Fachsemester Bergbau 8. Klemm, Sabine 8. Fachsemester Spezialtiefbau 9. Köditz, Sindy 6. Fachsemester Geotechnik 10. Noll, Sascha 6. Fachsemester Bergbau 11. Peukert, Claudia 8. Fachsemester Bergbau 12. Schönknecht, Josefine 8. Fachsemester Geotechnik Teilnehmende Hochschullehrer und Mitarbeiter: Dr.-Ing. Axel Hausdorf Techniker Gerd Münzberger Dipl.-Ing. Thomas Frühwirt Inhalt 1 Hangbewegungen Sudelfeld/Aggenalm......................................................... 02 2 Besichtigung des Zementwerkes Rohrdorf.................................................... 06 3 Talsperre Kaunertal/Gepatschspeicher.......................................................... 11 4 Besichtigung der Firma ILF und der neuen Hungerburgbahn in Innsbruck.................................................................................................... 15 5 Besichtigung von Baustellen der neuen Unterinntalbahn.............................. 21 6 Untertagebergbau auf Dolomit in Schwaz..................................................... 26 7 Felssturz am Eiblschrofen............................................................................. 30 8 Aussichtspunkt Kanzelkehre……………………………………………………. 31 9 Der Felssturz am Pletzachkogel bei Kramsach............................................ 35 10 Steinbruch Mayr-Höttinger Breccie............................................................... 38 11 Kiesgrube Derfeser....................................................................................... 41 12 Besichtigung zweier Geotope im bayerischen Inntal..................................... 43 Alle in diesem Exkursionsbericht enthaltenen Angaben und Daten sind von den jeweiligen Berichterstatterinnen/Berichterstattern nach bestem Wissen erstellt worden. Die dazu verwendeten Quellen sind am Ende eines jeden Abschnittes zusammenfassend wiedergegeben worden. Dies betrifft auch die Quellen für übernommene Bilder. Darüber hinaus ist der Bericht durch eigene Bilder der Exkursionsteilnehmer ergänzt worden. Inhaltliche Fehler können nicht vollständig ausgeschlossen werden. Daher erfolgt die Veröffentlichung nachstehender Angaben und Daten ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie sowohl der Autoren als auch des Instituts für Geotechnik, das bei der Berichtserstellung federführend tätig gewesen ist. An dieser Stelle sei dem Lehrstuhl für Ingenieurgeologie der TU München, namentlich Prof. Thuro und Dr. Lehrberger, recht herzlich für ihre inhaltliche und organisatorische Vorbereitung und Durchführung dieser Exkursion gedankt. Ein ganz besonderer Dank der Organisatoren und Teilnehmer gilt dem Verein Freiberger Geotechniker e. V. für dessen großzügige finanzielle Unterstützung. Detlev Tondera Axel Hausdorf Institut für Geotechnik 5-Tages-Exkursion vom 28.09. bis 03.10.2008, gemeinsam mit der TU München, Lehrstuhl für Ingenieurgeologie in die “Ostalpen“ Abfahrt: Sonntag, den 28.09.2008 13:00 Uhr vom Hof des Institutes für Geotechnik Sonntag, 28.09.: - Reise von Freiberg in Richtung München; Übernachtung in Schweitenkirchen, Pension Heigl; Adresse: Pension Heigl, Hauptstraße 4, 85301 Schweitenkirchen Montag, 29.09.: Nördlicher Alpenrand - Projekt Hangbewegungen Sudelfeld - Zementwerk und Steinbruch Rohrdorf - Übernachtung mit Halbpension an allen Tagen (Mo. bis Fr.) im Kloster Fiecht bei Vomp/Schwaz Dienstag, 30.09.: Kaunertal - Krafthaus Prutz - Speicher Gepatsch - Mittagessen in Feichten - Talsperrenkontrollstollen und Sondierstollen im Bereich eines Kriechhanges Mittwoch, 01.10.: Unterinntal - Eintreffen bei ILF und Vorstellung der Projekte „Ausbau Unterinntalbahn“ und „Neue Hungerburgbahn“ in Innsbruck - Fahrt mit der neuen Hungerburgbahn - Mittagessen in Wiesing - Besichtigung verschiedener Baustellen im Unterinntal (nördliche Zulaufstrecke zum Brenner–Basistunnel) Donnerstag, 02.10.: Schwaz/Kramsach/Innsbruck - Befahrung des derzeit gestundeten Untertagebergwerkes auf Dolomit in Schwaz - Aussichtspunkt Kanzelkehre an der Aachenseestraße - Bergsturz bei Kramsach - Mayrischer Steinbruch in Innsbruck - Stadtrundgang Innsbruck Freitag, 03.10.: Vomp-Terfens/Brannenburg/Hinterhör - Kieswerk bei Vomp-Terfens - Gletscherschliff bei Fischbach/Brannenburg - Mühlsteinbruch Hinterhör - ca. 12:00 Uhr: Rückfahrt nach Freiberg Ankunft : in Freiberg, Freitag 18:00 Uhr 1 1 Hangbewegungen Sudelfeld/Aggenalm Exkursionsbetreuung: Berichterstatter: Herr Dipl.-Geol. John Singer Josefine Schönknecht Projektübersicht Für ein Forschungsprojekt der TU München in Zusammenarbeit mit der Münchner Universität der Bundeswehr wurde im Sudelfeld auf einem rutschenden Berghang ein Testfeld angelegt. Ziel dieses Projektes ist die Entwicklung eines wirtschaftlichen, kostengünstigen und flexiblen Überwachungs- und Frühwarnsystems für rutschgefährdete alpine Hänge. Die untersuchte Bergflanke befindet sich auf der Aggenalm in der bayrischen Gemeinde Oberaudorf, ist ca. 15 ha groß und umfasst 60 Mio. m3 Gesteinsmassen, welche sich dauernd in Bewegung befinden. Sie liegt auf einer Höhe zwischen 900 und 1200 m und ist nach Nordosten geneigt. Dieser Hang wurde für die Forschung ausgesucht, da er mit einer Rutschgeschwindigkeit von ca. 2 cm/Jahr nicht akut gefährdet ist und die installierten Messgeräte über lange Zeit Daten liefern können. Geologie Die hauptsächlich für die Bewegung verantwortlichen kalkhaltigen Gesteine lagerten sich in der Trias ab (Bild 1.1). Der Hauptdolomit und der Plattenkalk des Nor bilden die standsichere Basis. Darüber befinden sich die Sedimente des Rhät, welche maßgeblich an der Rutschung beteiligt sind. Über den Kössener Schichten, einer Wechselfolge von Mergel und Kalk, liegt der Oberrhät-Kalk, welcher zum Teil mit dolomitischen Nestern durchsetzt ist. Dieser Oberrhät-Kalk weist eine zuckerkörnige Struktur auf und zerfällt unter Verwitterungseinflüssen zu feinkörnigem Schutt (Bild 1.2). Dieses Profil führt dazu, dass auf dem Hang primär zwei Bewegungsarten vorherrschen. Im oberen Bereich erfolgt ein sehr langsames Driften größerer Kalkblöcke auf den weicheren Kössener Schichten. Durch die fortschreitende Verwitterung des Oberrhät-Kalks kommt es im unteren Hangabschnitt zu einem langsamen Gleiten der Schuttmassen. Da die Messdaten in diesem Bereich sehr einheitlich sind, gehen die Forscher davon aus, dass der Hang hier homogen als Ganzes in Bewegung ist. Außerdem werden sekundär durch starke Niederschlagsereignisse oder die Schneeschmelze kleinere Muren ausgelöst, welche allerdings mit der kontinuierlichen Hangbewegung nicht in Zusammenhang stehen. 2 Bild 1.1: Profil der anstehenden Geologie Bild 1.2: Schuttmassen des Oberrhät-Kalks Historie Erste Anzeichen für eine Rutschung gab es bereits vor rund 100 Jahren, als es zur Zerstörung von Straßen und Hütten in diesem Gebiet kam. Seitdem traten immer wieder Risse und kleinere Schäden durch Rutschmassen auf. In den 1960er Jahren ereignete sich ein größerer Murabgang, aber erst nach einer Mure im Jahr 1992 begann der Geologische Dienst des Bayerischen Landesamtes für Umwelt mit der Untersuchung des Problems. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden schon zahlreiche Master-, Diplom- und Doktorarbeiten veröffentlicht. Messtechnik Für das Forschungsvorhaben wurde ein umfangreiches Messprogramm auf der Aggenalm eingerichtet (Bild 1.3). Es dient speziell der Erforschung weiterentwickelter und neuer Verfahren. Sämtliche gewonnenen Daten fließen in ein Modell des Hanges ein, welches sowohl die Bewegungen der Oberfläche als auch die des Untergrundes berücksichtigt. Dafür wurden zum einem in bis zu 30 Meter tiefen Bohrungen so genannte TDRSensoren (Time Domain Reflectometry) eingebaut. Diese bestehen aus einem Koaxialkabel, welches über ein Injektionsgut mit der Bohrlochwandung verbunden ist. Durch das Kabel wird ein elektromagnetischer Impuls geschickt. Über die Amplitude des reflektieren Signals kann die Deformation des Kabelquerschnitts, z. B. hervorgerufen durch Bewegungen des Untergrunds, gemessen werden. Die Messung erfolgt kontinuierlich und durch eine Fernübertragung der gewonnenen Daten ist eine Auswertung zeitnah möglich. Mit diesem Messverfahren lassen sich Deformationen wesentlich preisgünstiger als mit In-Place-Inklinometern erfassen. Das Verfahren kann allerdings nicht die Bewegungsrichtung oder eine bloße Krümmung des Kabels registrieren. 3 Zur Beobachtung der Oberfläche kommt neben einem hochgenauen, allwetterfähigen GNSS-System die reflektorlose Tachymetrie zum Einsatz. Hierbei sucht sich das Videotachymeter selbstständig markante Punkte in der Landschaft, an denen es durch Bildanalyse zeitliche Veränderungen registriert. Folglich werden Reflektoren, wie sie bei herkömmlichen Tachymetern benötigt werden, überflüssig. Dies ist vor allem ein Sicherheitsaspekt, da somit gefährliches Gelände zur Installation der Rückstrahler nicht mehr betreten werden muss. Das System soll auch dann zuverlässige Daten liefern, wenn sich die Konturen der Landschaft jahreszeitlich bedingt (Laub der Bäume, Schneedecke) verändern. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass sich das Tachymeter selbst auf dem Rutschungsgebiet befindet. Es muss zusätzlich eine Referenzstation am gegenüberliegenden unbewegten Hang anvisiert werden, um so über Rückrechnung die Positionen des Messgeräts und der Messpunkte zu erhalten. Zur Kontrolle und Kalibrierung der entwickelten Systeme werden herkömmliche Messverfahren eingesetzt. So sind in einigen Bohrungen neben den TDR-Sonden auch Piezometer bzw. Inklinometer eingebaut und an der Abrisskante und am Hangfuß wurden Extensometer angeordnet. Von allen Bohrungen und installierten Messinstrumenten laufen unterirdische Kabel zu einer zentralen Messstation mit Stromversorgung und Computer. Dieser steuert alle Messungen, sodass nicht für jedes eingebaute Messgerät ein eigener Steuerungscomputer benötigt wird. Hier stehen auch das Tachymeter, ein GPS-Gerät, eine WLAN-Antenne zur Fernübertragung der Daten und eine Wetterstation. Bild 1.3: Rutschungsgebiet mit Messprogramm 4 Besichtigungspunkte Im Laufe der Exkursion wurden einige besondere Punkte des Forschungsfeldes besichtigt. Auf einer Straße im unteren Hangbereich (in Bild 1.3 beim rechten gelben Strich) trat vor einiger Zeit ein „Schlagloch“ auf. Dieses stellte sich allerdings beim Verfüllen mit Kies als ein 3 m3 großer Hohlraum heraus. Ein unterhalb der Straße installiertes Drahtextensometer zeigte gleichzeitig eine Deformation von 25 cm an. Daher vermuten die Wissenschaftler, dass sich der Hang hier komplett mit der Straße bewegt haben muss. Die genaue Ursache ist aber noch unklar. Ein weiteres Phänomen sind mehrere Meter breite Spalten im Kössener Kalk (Bild 1.4). Sie entstehen dadurch, dass größere Gesteinsblöcke in feinkörnigen Auflockerungsmassen „schwimmen“ und durch die kontinuierliche Hangabwärtsbewegung des Untergrunds auseinandergerissen werden. An einer Hütte auf der Alm (in Bild 1.3 nahe der Bohrung B2) traten schon vor längerer Zeit durch die Rutschung vertikale Risse an zwei Außenwänden auf. Die weitere Rissöffnung wird nun an zwei orthogonalen Seiten überwacht und betrug in den letzten 6 Monaten 0,5 mm. Die Rissufer sind um einige Millimeter bis Zentimeter gegeneinander versetzt. Daraus ist ersichtlich, dass sich nur die linke Seite talwärts bewegt (Bild 1.5). Im oberen Abrissbereich ist nach einer schon länger zurückliegenden Rutschung ein flaches Felsplateau entstanden. Es bewegte sich eine Scholle und bildete einen Graben bergwärts, welcher sich mit Sedimenten verfüllte. Dass die Bewegung bereits abgeschlossen ist, zeigt der so genannte Säbelwuchs an ausschließlich älteren Bäumen. Jüngere Bäume weisen wieder eine gerade Gestalt auf und wuchsen somit erst nach Beendigung des Rutsches. Bild 1.4: Öffnung einer Spalte im Kalk Quellen: - Text: - Fotos: Bild 1.5: Riss an Almhütte Josefine Schönknecht Josefine Schönknecht; TU München (Bild 1.3) 5 2 Besichtigung des Zementwerkes Rohrdorf Exkursionsbetreuung: Berichterstatter: Herr Dr. Roppelt Sascha Noll Geschichte des Zementwerkes Rohrdorf Bereits seit dem Jahre 1808 ist der Steinbruch Rohrdorf in Betrieb. Beim Bau einer Soleleitung vom Salzbergwerk Reichenhall zur Aufbereitung der salzhaltigen Sole in Rosenheim wurde an der Stelle des heutigen Steinbruches Rohrdorf der damals so genannte „Rosenheimer Granit-Marmor“ gefunden. Dieser ist ein Lithothamnienkalk des Helvetikums, der bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in Rohrdorf als Baumaterial (Bau- und Dekorgestein) abgebaut wurde. Aufgenommen wurde die Produktion an diesem Standort erst wieder einige Jahrzehnte später mit der Gründung des Zementwerkes Rohrdorf im Jahr 1930 durch den Unternehmer Georg Wiesböck. Steinbrüche des Zementwerkes Rohrdorf Sechs Steinbrüche beliefern das Zementwerk Rohrdorf (Abb. 2.1). Sie alle liegen geologisch im Bereich des Helvetikums, einem Deckensystem am Nordrand der Alpen. Das Helvetikum bildet eine Zone, die sich von Österreich im Osten bis in die Schweiz im Westen erstreckt, in der Schweiz auch ihre größte Ausdehnung besitzt und deshalb nach der Schweiz (Helvetia) benannt ist. Das Helvetikum besteht vorwiegend aus dolomitischen und calcitischen Gesteinen, (Muschelkalk, Wettersteinkalk und Kalkmergel). In Richtung Norden schließt sich eine Molassezone an, nach Süden schließen sich die Flyschzone und die nördlichen Kalkalpen an. Bild 2.1: Standorte der Steinbrüche (links) sowie Steinbruch und Zementwerk Rohrdorf (rechts) Aktive Steinbrüche Nach der Wiederinbetriebnahme des Steinbruches Rohrdorf wurden durch selektiven Abbau zunächst nur wenige 1000 t pro Jahr gefördert und verarbeitet. Heutzutage liegt die Produktion bei 2 Mio. t pro Jahr und deckt somit 40 % des Gesamtrohstoffbedarfes des Zementwerkes ab. Der Steinbruch hat durch sukzessiven Abbau eine Ausdehnung von 1 km in Ost-West-Richtung erreicht. 6 Der Steinbruch Nußdorf wurde in einer Schicht aus alpinem Muschelkalk als Trichtersteinbruch aufgeschlossen. Er ist für das Zementwerk kaum von Bedeutung, da der Muschelkalk unter einer bis zu 25 m mächtigen Abraumschicht liegt. Der Steinbruch Fischbach besteht zu großen Teilen aus Wettersteinkalk, Raibler Kalk und Raibler Dolomit, die aus dem mittleren Trias stammen. 52 kt pro Jahr werden hier produziert und diese dienen zur Erhöhung der Kalkgehalte für das Zementwerk. Der Materialtransport geschieht per Bahn nach Rohrdorf. Die auf österreichischem Staatsgebiet liegenden Steinbrüche Eiberg produzieren zusammen 250 kt - 300 kt pro Jahr für das Zementwerk Rohrdorf. Auch die ebenfalls in Österreich gelegenen Steinbrüche Bad Häring und Thiersee beliefern das Zementwerk Rohrdorf. In Bad Häring werden Molasse-Kalkmergel aus dem Tertiär und Wettersteinkalk abgebaut, in Thiersee stehen Anhydritkalk aus dem oberen Jura, zum Teil dolomitischer Plattenkalk aus dem oberen Trias und Fleckenmergel aus der unteren Kreidezeit an. Inaktive Steinbrüche Im Lias-Kieselkalk liegt der Steinbruch Flintsbach, der Siliziumgehalte von über 40 % aufweist. Dieser Steinbruch befindet sich bereits in der Phase der Renaturierung. Der Steinbruch Kirchbichl, der aus tertiärem Mergel besteht, besitzt einige Stollengänge unter dem Steinbruch, in denen seit Jahrhunderten Kohleschwelbrände glimmen. Der Steinbruch Kirchbichl 2 wird noch im Jahr 2008 in die Phase der Renaturierung übergehen. Aus Rentabilitätsgründen wurde der Steinbruch Wachtl stillgelegt, er bildet aber immer noch die stillen Reserven des Zementwerkes, die theoretisch eine weitere Betriebszeit von 100 - 120 Jahren garantieren. 7 Produktionsablauf im Zementwerk Rohrdorf Bild 2.2: Schema des Produktionsablaufes im Zementwerk Rohrdorf Die Produktion (Abb. 2.2) beginnt in den beschriebenen Steinbrüchen (Abb. 2.3), wo die Rohstoffe wie Kalk und Mergel gewonnen, auf Schwerlastkraftwagen und gegebenenfalls Güterbahnwagons verladen und zu einem Brecher gefahren werden. Bild 2.3: Steinbruch Rohrdorf (links) und Mischbetthalle (rechts) Dort wird das grobstückige Gestein auf eine maximale Kantenlänge von 40 mm gebrochen. Zur Schonung der natürlichen Ressourcen werden auch sogenannte Sekundärrohstoffe (wie z.B. Gießereialtsand) eingesetzt. Das zerkleinerte Material wird anschließend über Bandanlagen in eine Mischbetthalle gefördert (Abb. 2.3). Diese ist 170 m lang und besitzt ein Fassungsvermögen von 30.000 t. 8 Um das Material zu vergleichmäßigen wird die Halde mittels Kratzern quer zur Schichtung über den gesamten Querschnitt abgetragen und via Förderbänder mit 250 t/h der Rohmühle zugeführt. Je nach Klinkersorte erforderliche Zuschlag-(mahl-)stoffe werden über eine Dosiereinrichtung zu den 76 % des karbonatischen Rohmaterials Quarzsande, Eisenerze und Kraftwerksflugaschen beigemischt. In der Rohmühle wird das Rohmaterial nun mit Ofenabgas getrocknet und in der Walzenschüsselmühle mehlfein gemahlen. Das so entstandene Rohmehl wird in Silos mit einem Fassungsvermögen von 22 t zwischengelagert. Von den Silos wird das Rohmehl über ein Becherwerk in die Ofenanlage transportiert, wo es im 74 m hohen Wärmetauscherturm von den Abgasen des Ofens auf 800 ºC erhitzt wird (Abb. 2.4). Auf Grund dieses Wärmeaustausches entsteht trockenes Rohmehl, dieses wird teilentsäuert und man erreicht eine Brennstoffeinsparung von 1/3 im Vergleich zu einer direkten Zuführung des Rohmehls in den Ofen. Die zum Wärmetausch verwendeten Abgase enthielten früher bis zu 32 g/m3 Staub, seit dem Einsatz von Filtertechnik Mitte der 1960er Jahre liegt der Staubgehalt der Ofenabluft mittlerweile nur noch bei 1 2 mg/m3. Nach dem Wärmetauscherturm gelangt das vorbehandelte Rohmehl in den Drehofen, in dem bei Temperaturen zwischen 1400 ºC und 1500 ºC die Sinterung beginnt. Diese Temperaturen liegen noch unterhalb des Schmelzpunktes des Gesteins, so dass aus dem Rohmehl durch chemisch-mineralogische Umwandlung der sogenannte Zementklinker entsteht. Aus dem Ofen fällt dieser kleinstückige, grauschwarze Klinker in ein luftdurchströmtes Rohrsystem, dem so genannten Planetenkühler, wo er auf etwa 150 ºC abgekühlt wird (Abb. 2.4). Die Ofeneinheit mit einer Tagesleistung von bis zu 3500 t Klinker wird zusammen mit der Rohmaterialaufbereitung und Zementmahlanlage von einem zentralen Leitstand gesteuert. Neben Primärrohstoffen wie Kohle und Öl wird der Ofen zu 70 % mit Sekundärrohstoffen beheizt. Diese Sekundärrohstoffe bestehen zum einen aus recycelten Tetra-Packs (85 % PE-Material, 15 % Aluminium) und zum anderen aus produktionsspezifischen Reststoffen, darunter auch alte Geldscheine, die auf diese Weise restlos vernichtet werden. Nach dem Durchlaufen der Ofenanlage wird der Klinker in drei Großraumsilos mit einem Fassungsvermögen von 140 kt gelagert, um jahreszeitlich schwankende Angebots- und Nachfragemengen auszugleichen. Von Januar bis März, wenn die industrielle Nachfrage, z. B. der Bauindustrie, gering ist, werden Reparaturen am Ofen vorgenommen. In der Zementmühle wird der Klinker mit Gips feingemahlen, um so eine höhere Effektivität des „Zementsteins“ zu erhalten. Dies geschieht in Kugelmühlen, in denen durch das Aufeinanderschlagen von verschieden großen Kugeln bei 16 Umdrehungen der Mühle pro Minute das Klinker- und Gipsmaterial ideal zerkleinert wird. Je nach Zementsorte können dem Mahlprozess qualitativ hochwertige Zusatzstoffe (wie z. B. Hüttensand) beigemengt werden. Aus ursprünglich rund 7500 t Rohstoffen werden letztendlich insgesamt 5000 t Zement pro Tag ausgeliefert. Dazu wird der Zement nach Sorten getrennt in Silos zwischengelagert, verlässt entweder lose in Silofahrzeugen oder in 25 kg Säcken auf Paletten gestapelt das Werk und beliefert Verbraucher in einem Umkreis von 150 km. 9 Bild 2.4: Wärmetauscherturm und Ofenanlage mit Planetenkühler am oberen Ende Der Energieverbrauch des Zementwerkes Rohrdorf liegt bei 80 Mio. kWh pro Jahr und entspricht damit dem Gesamtjahresenergieverbrauch der Stadt Rosenheim. Am Standort Rohrdorf werden 240 Mitarbeiter beschäftigt, die hauptsächlich in der Instandhaltung tätig sind. Die Arbeitsabläufe im Zementwerk sind so sehr automatisiert, dass in der Nachtschicht eine Belegschaft von 5 Mitarbeitern ausreichend ist. Die Qualität wird in sämtlichen Produktionsschritten bis zum Endprodukt durch das werksinterne Qualitätsmanagementsystem überwacht. Dies beginnt bei der Probennahme des Bohrmehls der Sprengbohrlöcher im Steinbruch und reicht bis zur automatischen Probennahme von Roh-, Ofenmehl und Klinkern. Alle entnommenen Proben werden einer chemischen Analyse unterzogen. Wir danken Herrn Dr. Roppelt sehr für einen informativen Vortrag und eine sehr interessante Führung durch das Zementwerk Rohrdorf. Quellen: Text: - Gesprächsnotizen aus Vortrag und persönlichem Gespräch mit Dr. Roppelt - Informationsmaterial des Zementwerkes Rohrdorf - http://www.zementwerk-rohrdorf.de Fotos: - Informationsmaterial des Zementwerkes Rohrdorf - S. Noll 10 3 Talsperre Kaunertal/Gepatschspeicher Exkursionsbetreuer: Berichterstatter: Herr Rüdiger Herr Dr. Perzlmaier René Frank Sabine Klemm Christian Gerber Die Energieerzeugung aus Wasserkraft ist die einzige großtechnisch verfügbare Energiequelle in Österreich und nimmt daher einen hohen Stellenwert ein. Der Gepatschspeicher und das dazugehörige Kraftwerk Kaunertal tragen in einem durchschnittlichen Wasserjahr mit 661 GWh dazu bei. Somit zählt das Speicherkraftwerk zu den größten Österreichs. Gepatschspeicher Der Grund des Gepatschspeichersees mit einem Nutzinhalt von 139 Mio. m³ liegt auf 1660 m Seehöhe im hintersten Kaunertal. Zur Speicherung dieser enormen Wassermenge wurde ein Steinschüttdamm in West-Ost-Ausrichtung am nördlichen Ende des anzustauenden Sees errichtet (Bild 3.1). Der Damm hat eine rund 600 m lange Dammkrone und eine maximale Höhe von 153 m über dem Fels und ist damit bis heute der größte geschüttete Damm in Österreich. Bild 3.1: Lageplan des Gepatschspeichers Nach dem Baubeginn 1961 wurde binnen vier Jahren ein Damm aus 7,1 Millionen m³ Boden und Fels aufgeschüttet, obwohl aufgrund der Witterung nur an ca. 100 Tagen im Jahr gearbeitet werden konnte. Zunächst wurde der anstehende, teils verwitterte Augengneis mittels Kontaktinjektionen vergütet. Diese reichen zum Teil bis zu 80 m in die Tiefe und sollen vor allem die wenigen großen Klüfte schließen. Der hierzu errichtete Injektionsstollen dient heute als Kontrollstollen mit Sickerwasserableitung. 11 Zu den Messeinrichtungen im Stollen gehören Setzungspegel und Piezometer. Ankommendes Sickerwasser wird mittels Pegeln gemessen. Durch eine wöchentliche Begehung wird das Maß an Sicherheit zusätzlich erhöht. Im Bereich der späteren Innendichtung wurde nach erfolgreicher Vergütung ein Voraushub des Lockerbodens bis auf Felsniveau vorgenommen. Dadurch wird ein wasserundurchlässiger Anschluss des Dichtkerns an den Felsuntergrund gewährleistet. Der Kern selbst besteht aus Hangschutt vom nahegelegenen Gschaidhang, der in Lagen zu je 30 cm eingebaut und mit statischen Walzen verdichtet wurde. Durch ein Größtkorn von 80 mm und einer Beimischung von Bentonit (Zone 1a in Bild 3.2) wurde eine geringe Durchlässigkeit von 10-9 bis 10-10 m/s erzielt. An den Kern schließt sich beidseitig eine Übergangszone aus sandigem Kies (Zone 2 in Bild 3.2) an, die gleichzeitig als Filter fungiert. Sie soll innerer Erosion vorbeugen und zusätzlich drainierende Wirkung haben. Das im Filter eingebaute Größtkorn beträgt 200 mm und bietet eine hohe Steifigkeit. Bild 3.2: Quer- und Längsschnitt durch den Damm Die äußersten Bereiche bilden den Stützkörper (Zone 3 in Bild 3.2) mit Fein- und Grobkorn, aber auch Steinen und Blöcken bis zu mehreren Metern Durchmesser aus dem Steinbruch Versetz. Durch die Verdichtung mittels dynamischer und statischer Walzen in zwei Meter mächtigen Lagen wurde eine hohe Scherfestigkeit realisiert. Mit einem Durchlässigkeitsbeiwert von 10-3 m/s ist der Stützkörper gut drainagefähig. Eine Besonderheit der Steinschüttung auf der Luftseite bildet der Bereich 2a (Bild 3.2), in welchem Filtermaterial anstatt des Stützkörpermaterials eingebaut wurde. Dieser „Rucksack“ ist der Tatsache geschuldet, dass der Stützkörper schneller gebaut wurde, als Material herangeschafft werden konnte. Obwohl das Filtermaterial weniger scherfest ist, hat dies keine Auswirkungen auf die Standsicherheit, da die Gleitkreise außerhalb dieses Bereichs verlaufen. 12 Das natürliche Einzugsgebiet des Speichers Gepatsch von 107 km² wurde durch Beiund Überleitungen anderer Bäche auf 279 km² ausgeweitet, um eine jährliche Füllung zu gewährleisten. Hierzu wurde ein fast 34 km umfassendes Stollensystem angelegt. Die Wasserentnahme aus den Bächen erfolgt in großer Höhe, sodass der Wasserverlust in den besiedelten Gebieten kaum bemerkt wird. Um das gefasste Wasser von Schwebstoffen und anderen Unreinheiten zu säubern, wurden fast alle Bäche mit horizontalen Rechen und Entsanderkammern (Absetzbecken) ausgestattet. Erst danach kann das geschiebefreie Wasser über die jeweiligen Freispiegelstollen in das Speicherbecken geführt werden, sodass sich Stollen und Becken nicht zusetzen. Nach etwa 50-jährigem Betrieb hat sich das Nutzvolumen des Gepatschspeichers daher erst um etwa 5 % verringert. Beim ersten Teilstau im August 1964 begann unvorhergesehen der Westhang des Stausees um 4 m zu rutschen, was auf ein Ungleichgewicht infolge des Auftriebs zurückgeführt wurde. Da sich durch ins Becken stürzende Massen und hieraus resultierender Wellen die Gefahr einer Zerstörung des Dammes sowie einer Überschwemmung ergab, wurde kurz darauf ein Sondierstollen mit beweglichem Verbau im Hang aufgefahren. In diesem werden durch Seildeformeter, Schleifbolzen und Schlauchwaagen permanent Verformungen gemessen. Weiterhin finden in regelmäßigen Abständen geodätische Vermessungen an der Tagesoberfläche statt. Beim folgenden ersten Vollstau rutschte der Hang weitere 2 m, weshalb der Sondierstollen heute einen Absatz aufweist. Um plötzliche Rutschungen zu vermeiden, wird sowohl die Entwässerungs- als auch die Aufstaugeschwindigkeit beschränkt. Derzeit werden Kriechbewegungen von 3 cm pro Jahr registriert, wobei die Messungen auch zeigen, dass sich der Hang bei Vollstau (1767 m) in Ruhe befindet. Bild 3.3: Blick über den Gepatschspeicher 1: Hochwasserentlastung 2: Rutschhang 3: Steinschüttdamm Zur Hochwasserentlastung dient ein freistehender tulpenförmiger Einlauftrichter von 14 m Durchmesser (Nr. 1 in Bild 3.3). Das aufgefangene Wasser wird anschließend über einen Stollen abgeführt, welcher in der Bauphase als Umleitung eines Baches angelegt wurde. Der gleiche Stollen dient der Wasserentnahme aus dem Grund- bzw. Betriebsablass. Zur Stromerzeugung fließt das Wasser zunächst durch einen 13,2 km langen, leicht geneigten Druckstollen hin zum Wasserschloss Burgschrofen, welches Druckstöße abfängt, bevor es im 1,9 km langen mit Stahl gepanzerten Druckschacht eine Fallhöhe von rund 800 m überwindet. Nach den letzten 300 m Flachstrecke wird das Wasser über Verteil- und Abzweigrohre den Maschinen im Krafthaus Prutz zugeführt. 13 Kraftwerk Kaunertal Das Kraftwerk Kaunertal wird von der TIWAG Tiroler Wasserkraft AG betrieben. Es liefert mit einer maximalen Werksleistung von 392 MW Spitzen- und Regelenergie, die zu 2/3 auch im europäischen Verbundnetz der Partner RWE und E.ON Energie AG zur Spitzenlastdeckung und Frequenzhaltung genutzt wird. Derzeit sorgen 26 Mitarbeiter dafür, dass vor allem im Winterhalbjahr und zu den Stoßzeiten morgens, mittags und abends Energielücken geschlossen werden. Bild 3.4: Maschinensätze mit zwei Pelton-Turbinen im Vordergrund Das ankommende Wasser wird mittels zehn Abzweigrohren über je einen Kugelschieber zu jeweils zwei Düsen geleitet. Von dort aus treffen die Wasserstrahlen mit mehr als 400 km/h auf zwei beidseitig angeordnete Turbinenräder der fünf Pelton-Doppelturbinen (Bild 3.4). Ein Drehstrom-Generator wandelt schließlich die Rotationsenergie der Turbinenschaufeln in elektrische Energie um. Pro Maschinensatz kann so ein maximaler Durchfluss von zwei mal 54000 Liter Wasser pro Sekunde verarbeitet werden, der mit Hilfe der Düsen geregelt wird. Dabei ist es möglich, die Maschinen binnen nur 100 Sekunden zu starten und dem Netz somit die volle Leistung bereitzustellen. Abschließend wird das abgearbeitete Triebwasser über einen kurzen Unterwasserkanal dem Inn zugeführt (Bild 3.5). Bild 3.5: Querschnitt durch das Krafthaus Prutz Der Bau des Kraftwerks wirkte sich nicht nur energietechnisch positiv auf die Region aus, sondern brachte auch einen Ausbau der Infrastruktur, den Aufschwung des Tourismus und sichere Arbeitsplätze. Zudem liefert es einen Beitrag zum Hochwasserschutz; gerade in Zeiten von Klimaerwärmung und Gletscherschmelze. Ein erfreulicher Nebeneffekt ist die Beheizung des nahe gelegenen Freibades mit Abwärme. Wir danken Herrn Rüdiger und Herrn Dr. Perzlmaier für die interessante Führung. Quellen: Firmenprospekt TIWAG – Die Kraftwerke der Tiroler Wasserkraft Firmenprospekt TIWAG – Das Kraftwerk Kaunertal 14 4 Besichtigung der Firma ILF und der neuen Hungerburgbahn in Innsbruck Exkursionsbetreuung: Berichterstatter: PD Dr.-Ing. habil R. Pöttler Lehrauftrag an der TU Bergakademie Freiberg (Tunnelbau) Herr Christian Haas Herr Schmid Sindy Köditz Christina Bonim Die ILF-Gruppe Die Firma ILF Beratende Ingenieure vertritt seit über 40 Jahren als eigenständiges privates Beratungs- und Ingenieurunternehmen die Interessen ihrer international tätigen Kunden zur Realisierung von Industrie- und Infrastrukturprojekten. Gegründet wurde das Unternehmen 1967 in Innsbruck von Herrn Pius Lässer; 1969 erfolgte durch den Beitritt von Herrn Adolf Feizlmayr die Erweiterung zur Ingenieurgemeinschaft Lässer–Feizlmayr (ILF). Heute arbeiten insgesamt etwa 1300 Mitarbeiter in den Hauptstandorten Innsbruck und München sowie in über 30 Tochtergesellschaften und Niederlassungen weltweit. Bild 4.1: Übersicht des Leistungsangebotes der ILF Das Leistungsangebot reicht von der Beratung neuer Projektideen über Planung, Beschaffung, Bauüberwachung bis zur Durchführung der Inbetriebnahme (Bild 4.1). Dabei ist die ILF in der Lage, komplexe Ingenieurbauwerke als Generalunternehmer oder Gesamtplaner aus einer Hand zu entwickeln und zu realisieren. Außerdem beteiligt sie sich vermehrt an Public Private Partnership-Modellen. Kunden sind zum Beispiel öffentliche Verwaltungen und Körperschaften, private Auftraggeber oder internationale Finanzinstitute. In den ersten Jahren nach der Gründung lag die Kernkompetenz der ILF bei Planungs- und Baubegleitleistungen für Öl- und Gasprojekte. Heute zählen zu den Hauptgeschäftsfeldern neben „Öl und Gas“ auch „Energie“, „Wasser und Umwelt“ sowie „Bau und Infrastruktur“. Der Umsatz liegt bei 130 - 140 Mio. Euro pro Jahr. Im Bereich „Öl und Gas“ (Bild 4.2) hilft ILF bei der Realisierung von Produktionsanlagen (Beispiel: gesamte Fördereinrichtung mit Prozessanlagen für die Aufbereitung von saurem Öl aus dem Slawoborzefeld in Polen), Speicheranlagen (Erdgaskavernenspeicher Epe, Etzel und Lesum in Deutschland), Prozessanlagen (Nebenanlagen der Ethylencracker-Rehabilitierung in der Raffinerie Schwechat in Österreich), PipelineSystemen (Mitteleuropäische Rohölleitung MERO, Deutschland - Tschechische Republik) und Terminals (Modernisierung des LNG Peak Shavers Stuttgart in Deutschland). 15 Bild 4.2: Projekte aus Bereich „Öl und Gas“, an denen ILF beteiligt war Im Bereich „Energie“ plant, entwickelt und begleitet ILF den Bau von Meerwasserentsalzungsanlagen (Beispiel: Chennai-Anlage in Indien), thermischen Kraftwerken (kohle- und biomassebefeuertes Kombikraftwerk Tschenstochau CHP in Polen), Transport- und Verteilsystemen (Freileitungsstromversorgung für drei Wassertransportsysteme in Saudi Arabien) sowie die Nutzungsentwicklung erneuerbarer Energien (Biomassekraft- und Heizwerk Hall in Tirol in Österreich). Das Geschäftsfeld „Wasser und Umwelt“ (Bild 4.3) beinhaltet Leistungen zur baulichen Schaffung von Projekten der Wasserversorgung (Beispiel: Städtische Wasserversorgung und Kanalisation in Kosovo), Wasserkraft und konstruktiver Wasserbau (Pumpspeicherkraftwerk Linth-Limmern in der Schweiz), Abwasserentsorgung (Abwasserreinigungsanlage Innsbruck in Österreich) und Abfallentsorgung (Deponie Graslboden in Österreich). Bild 4.3: Projektbeispiele der Bereiche „Wasser und Umwelt“ und „Bau und Infrastruktur“ Kompetenzen im Feld „Bau und Infrastruktur“ (Bild 4.3) liegen beim Bau von Straßen (Beispiel: LKW-Mautsystem GSM in Deutschland), Bahnsystemen (Neue Eisenbahnstrecke München - Verona in Österreich), Tunnel und Kavernen (Sicherheitsorientierte Prüfung des Gotthardbasistunnels in der Schweiz), Flughäfen (Machbarkeitsstudie für Flughafen Bonny Island in Nigeria), Alpintechnik (Schneeanlage Zwölferkogel in Österreich) sowie im Hoch- und Ingenieurbau (Kreuzseilbahn in Deutschland). 16 Neue Hungerburgbahn in Innsbruck (Tirol, Österreich) Im Dezember 2007 ist die neue Hungerburgbahn nach dreijähriger Bauzeit in Betrieb gegangen. Da eine Erneuerung der alten Strecke wenig sinnvoll war, entschied man sich für den kompletten Neubau der Standseilbahn vom Stadtzentrum bis auf die Hungerburg, einem nördlichen Stadtteil Innsbrucks. Die Architektur der vier neuen Haltestationen stammt von der Britin Zaha Hadid, welche bereits die Bergiselschanze in Innsbruck entworfen hatte. Der zweite Teil dieses Projektes bestand in der Erneuerung der sich anschließenden Nordkettenbahn, einer Pendelbahn, unter Wahrung des Denkmalschutzes. Auftraggeber für das gesamte 52 Mio. Euro teure Großprojekt waren die Innsbrucker Nordkettenbahnen GmbH (INKB) und die STRABAG AG, Innsbruck. Da es sich hierbei um das erste Public Private Partnership-Projekt in Österreich handelt, mussten besondere Herausforderungen bewältigt werden. Die ILF war unter anderem verantwortlich für die Machbarkeits- und Trassenstudie, die Beratung bei der Erarbeitung des PPP-Angebots, die Streckenplanung der Standseilbahn, die Landschafts-, Brücken- und Tunnelplanung und die geologische, geotechnische und hydrogeologische Dokumentation und Bearbeitung. Auf einer 1.838 m langen Strecke überwindet die Standseilbahn einen Höhenunterschied von 288 m. Pro Stunde können von den zwei jeweils 130 Personen fassenden Bahnfahrzeugen bis zu 1.200 Personen in jede Richtung befördert werden. Um auch bei maximal 46 % Steigung eine angenehme Fahrt zu ermöglichen, besteht ein Wagen aus einem Metallrahmen, innerhalb dessen fünf einzelne Kabinen hängend befestigt worden (Bild 4.4). Eine hydraulische Neigungsverstellung ermöglicht immer eine horizontale Lage der Abteile. Die neue Bahn fährt mit einer Geschwindigkeit von 10 m/s; eine Fahrt von der Altstadt bis zur Hungerburg dauert etwa 8 Minuten. Bild 4.4: Ein Wagen der Seilbahn und Blick von der Station Alpenzoo auf das Portal des Weiherburgtunnels Zur Bestimmung der geologischen Situation entlang der Trasse der Hungerburgbahn konnten nur wenige direkte Aufschlüsse genutzt werden; größtenteils erfolgte dies durch Bohrproben. Im Bereich der Innenstadt liegen Schotter und schluffige Feinsande vor. Nach Überquerung des Inns kommt man in die Lechdecke der nördlichen Kalkalpen, in der Hauptdolomit (Kalke, Dolomite, Tonschiefer, z. T. Sandsteine) ansteht. Auf dem Hauptdolomit wurden durch Gletscher Schichten aus Feinsanden und 17 Mehlsanden am Rand der Hanglagen zum Flachlandbereich abgelagert. Diese Schichten sind unverfestigt, wobei Mehlsande einen höheren Schluffanteil aufweisen als Feinsande. Die Talstation am Congresszentrum ist der unterirdische Startpunkt der Bahn nahe der Altstadt und liegt 569 m über dem Meeresspiegel. Vom Kongresshaus aus führt die Strecke durch den Rennwegtunnel und kommt dann kurz vor der Station Löwenhaus an die Oberfläche. Der Tunnel ist 371 m lang und wurde in offener Bauweise hergestellt. Nach der Station Löwenhaus erfolgt die Überquerung des Inns auf einer sförmig gewundenen und 242 m langen Schrägseilbrücke mit zwei Pylonen (Bild 4.5). Beim Bau der Brücke musste der Inn zunächst an den Stellen der Fundamente zugeschüttet werden. In diesen Bereichen erfolgte die Ausspundung von Baugruben, worauf hin man jeweils 6 Großbohrpfähle abteufen konnte. Diese Pfahlgründungen sichern den Halt der anschließend schräg aufgebrachten Pylonen. Bild 4.5: Blick von der Station Löwenhaus auf die Innbrücke (links) und renaturierter Bereich der ehemaligen Verbrüche über dem Weiherburgtunnel Auf der Nordseite des Flusses verläuft die Trasse kurz oberirdisch am Ufer entlang, bevor sie in den Weiherburgtunnel übergeht. Der Tunnel wurde von zwei Seiten bergmännisch aufgefahren und ist 445 m lang. Der Durchmesser beträgt 5,0 m beim Regelprofil und weitet sich auf 7,7 m an der Ausweichstelle auf. Der Vortrieb erfolgte zunächst von der Talseite aus nach oben durch das Festgestein (Hauptdolomit), bis man verwitterte Gesteinsbereiche (Raiblerschichten) antraf. Danach begann man mit der Auffahrung von oben durch das Lockermaterial (u. a. verwitterter Sandstein) mittels Rohrschirmvortrieb. Da das Lockergestein früher erreicht wurde als angenommen, kam es Ende August 2006 zu einem Verbruch, der sukzessive bis an die Oberfläche, etwa 15 m über dem Tunnel, gelangte. Nach der Sicherung und Auffüllung des Loches mit Ästen und Bodenmaterial erfolgte Mitte September 2006 ein zweiter Verbruch (Nachbruch), woraufhin der Bereich mit einer Betonplombe versehen wurde. Beide Verbrüche hatten keinen nennenswerten Einfluss auf die Bauzeit und bis jetzt sind keine Bodenbewegungen mehr aufgetreten. Der Verbruchbereich liegt etwa 100 m vor der Station Alpenzoo (Bild 4.6). 18 Nach Verlassen des Tunnels behält die Strecke weiterhin die große Steigung und verläuft nun oberirdisch 460 m auf einer Stahlbetonbrücke. Die Zwischenstation „Alpenzoo“ wurde an die Schräglage der Steilstrecke angepasst (Bild 4.6). Danach überquert die neue Trasse die alte, bevor sie kurz vor der Bergstation Hungerburg (857 m über Seehöhe, Bild 4.6) in den alten Verlauf einbindet. Bild 4.6: Die Stationen Alpenzoo (links) und Hungerburg (rechts) Quellen: - Text: www.ilf.com, S. Köditz, C. Bonim - Fotos: www.ilf.com, Firmenschriften der ILF – Gruppe, R. Frank, C. Peukert, S. Noll 19 20 5 Besichtigung von Baustellen der neuen Unterinntalbahn Exkursionsbetreuer: Berichterstatter: Herr Christian Haas Herr Schmid Ulli Haack Übersicht Eine Übersicht über den planerischen Hintergrund und die angewandten Bauweisen der zehn Hauptbaulose der neuen Unterinntalbahn wurde während einer Präsentation von Dipl.-Geol. Katharina Wende im Baubüro gegeben. Der Internetauftritt der Brenner Eisenbahn GmbH findet sich unter http://www.beg.co.at/. Planerischer Hintergrund Der „1. & 2. Ausbauschritt der Eisenbahnachse Brenner im Tiroler Unterinntal“ wurde im Juni 1994 auf einer Verkehrsministertagung in Montreux beschlossen. Dem war die 1993 gelieferte Machbarkeitsstudie vorausgegangen, die 1986 von den Regierungen Deutschlands, Italiens und Österreichs auf den Weg gebracht worden war. Im Dezember 1994 kam als Vorhaben vom Europarat das gemeinsame transeuropäische Verkehrsnetz, das TEN-Netz, mit insgesamt 14 Projekten. Die neue Unterinntalbahn wird hier als Teil der TEN-Achse Berlin - Palermo geführt (Bild 5.1). Sie soll die Kapazität des stark belasteten Streckenabschnitts, auf dem sich transalpiner Fernverkehr und österreichischer Ost-West-Verkehr treffen, im Vorlauf des Brenner-Basistunnels steigern. Sie wird zusätzlich zur vorhandenen Bahnstrecke ebenso als zweigleisige vollelektrifizierte Normalspur für Geschwindigkeiten bis 250 km/h ausgeführt und verläuft zu ca. 80 % untertage, um die Anwohner vor Lärmbelastung und das Inntal vor Flächenverbrauch zu schützen. Bild 5.1: TEN-Achse Berlin - Palermo 21 Die Hauptbaulose von West nach Ost LOS H1 Kundl/Radfeld (Länge 5329 Meter, Bauzeit 2008 - 2011) Beschleunigungsgleis zur Anknüpfung an den Streckenbestand LOS H2-2 Radfeld Mitte (Länge 4345 Meter, Bauzeit 2007 - 2010) neue Trasse hinführend zum Tunnel Radfeld-Brixlegg für 2,4 Kilometer als Unterflurstrecke in offener Wannenbauweise gebaut LOS H2-1 Radfeld/Brixlegg (Länge 4125 Meter, Bauzeit 2004 - 2006) bergmännische Auffahrung des Tunnels Radfeld-Brixlegg, im westlichen Teil im Rahmen einer Großerkundung bereits auf 600 m Länge im Vollausbruch hergestellt LOS H3-4 Münster/Wiesing (Länge 5835,5 Meter, Bauzeit 2006 - 2011) Tunnel in Schildvortrieb LOS H3-6 Tunnel Wiesing (Länge 671 Meter, Bauzeit 2006 - 2008) Tunnel als Sprengvortrieb im Festgesteinsriegel, verbindet die mit Tunnelbohrmaschine aufzufahrenden Hauptbaulose H3 und H8 LOS H8 Jenbach (Länge 5186 Meter, Bauzeit 2006 - 2010) Verknüpfung Stans, Wanne Jenbach, auf ca. 3500 m mit Hydroschildmaschine unter Bahnhof Jenbach, Autobahn, Kanal hergestellt LOS H4-3 Stans (Länge 2615 Meter, Bauzeit 2005 - 2010) Unterflurstrecke in Druckstollenvortrieb und offener Bauweise LOS H5 Vomp-Terfens (Länge 8480 Meter, Bauzeit 2003 - 2007) Tunnel bergmännisch vom Portal Terfens und vom Zwischenangriff Vomp aus vorangetrieben LOS H6 Galerie Terfens (Länge 1330 Meter, Bauzeit 2003 - 2006) offene Galerie in Geländehöhe zwischen Inn und schützenswertem Eichenwald, Heranführung an vorhandene Strecke LOS H7 Fritzens-Baumkirchen (Länge 5285 Meter, Bauzeit 2005 - 2009) Unterflurstrecke, Unterfahrung Bahnhof Fritzens bergmännisch, zur Anbindung in Wanne zwischen vorhandene Gleise geführt Die besichtigten Baustellen Hauptbaulos H8 Jenbach Das LOS H8 besteht aus der Verknüpfungsstelle Stans, dem Tunnel als Grundwasserwanne ausgeführt, dem Tunnel in offener Bauweise und dem Tunnel in Schildbauweise. Es werden 7 Rettungsschächte erstellt. Die ausführenden Firmen sind Strabag, Züblin und Hoch-Tief. Die Bauaufsicht macht das Konsortium BGS. Die voraussichtlichen Baukosten betragen ca. 150 Millionen Euro. Der Baugrund Innschotter, Schwemmfächer (v. a. bei Kasbach), Kalk der Wettersteinformation („Tiroler Tiergarten“), Lockergesteine (meist sandige Kiese, im Ostteil auch Schluffe und Tone) Grundwasserwanne Wegen des hohen Grundwasserspiegels werden auf 610 m Länge Spundwandbohlen, in mehrere Abschnitte unterteilt, eingerammt und mit Ankern gesichert. Das anstehende Material (Innsedimente) wird mit Nassbaggern aus den Spundwandkästen ausgehoben. Eine Unterwasserbetonsohle wird betoniert und mit Mikropfählen gegen Auf22 trieb gesichert. Die nun gegen das Grundwasser abgedichtete Baugrube wird gelenzt, der Tunnel wird als Kastenquerschnitt in ihr gebaut. Tunnel in offener Bauweise Dieser Abschnitt mit 230 m Länge wird als Startbaugrube für den Schildvortrieb genutzt und deshalb nicht mit einer Spundwand aus hierfür ungeeignetem Stahl gesichert. Um das problemlose Anfahren der Tunnelbohrmaschine gewährleisten zu können, kommen glasfaserbewehrte Bohrpfähle zum Einsatz. Die Baugrubensohle wird betoniert. Bild 5.2: Baulos H8, Tunnel Jenbach: Karin-Tunnel als TBM-Vortrieb mit Tübbingausbau Tunnel in Schildvortrieb (Bild 5.2) Die Tunnelbohrmaschine für den 3467 m langen Abschnitt ist die TBM-S4, eine Vollschnittmaschine mit 13 Metern (Hydro-) Schilddurchmesser. Der Schild ist mit Disken, Schälern und im Kaliberbereich mit Räumern ausgestattet, er wird über Drucklufteinstiege gewartet. Das Bohrzeug ist auf den Innschotter abgestimmt, der auch sehr harte Bestandteile haben kann. Die Ortsbrust ist durch eine Bentonitsuspension flüssigkeitsgestützt. Der wegen der geringen Überdeckung im Vergleich zu anderen Tunnelbaustellen niedrige Druck an der Ortsbrust reicht von 2,4 bar an der Firste bis 3,1 bar im druckregelnden Luftpolster. Er muss immer höher als Gebirgsdruck plus Wasserdruck sein. Die Bentonitsuspension wird über Leitungen im Kreislauf zwischen Ortsbrust und Separationsanlage bewegt, sie hat wegen ihrer hohen Wichte stützende Funktion und kann zudem das Räummaterial gut transportieren. In der Separationsanlage wird das Räummaterial durch Siebe von der Suspension getrennt und in zwei Fraktionen kleiner/größer 6,3 mm Korndurchmesser auf Halde gebracht. Nicht mehr verwendbare Altsuspension wird mit Zentrifugen entwässert und deponiert. Räummaterial und Bentonitsuspension dienen der Bauüberwachung. Im Baustellenlabor durchgeführte Siebanalysen, petrographische Auszählungen - ein Auflichtmikroskop steht bereit - und Dichtemessungen lassen unter Berücksichtigung der Verzögerung durch den Transport Rückschlüsse auf die anstehenden Gesteine zu, die in veränderlichen Anteilen hauptsächlich aus Quarz, Feldspäten und Karbonaten bestehen. 23 Die Bentonitsuspension muss hinsichtlich Dichte und gegebenenfalls auch Zusatzmitteln auf die Gesteine bzw. das anstehende Gebirge, eingestellt werden. Sonst bildet sich z. B. in Feinstkornlagen am Schild ein so genannter „Bohrkuchen“, ein schwer zu verdrängender Brei, der den Vortrieb behindert und das umgebende Gestein negativ beeinflusst. Probleme beim Bohren ergeben sich auch durch angetroffenes Holz o. ä., das sich vor den Rechen legt, der die Förderleitung schützen soll. Solche Sonderfälle und das Warten des Bohrzeugs machen den Einstieg über die Druckluftschleuse unumgänglich. Dieser wird wegen Sicherheit und Sauberkeit im Schutze vorher durch Bodenverbesserung im Injektionsverfahren erstellter Dichtblöcke vorgenommen. Der Tunnel entsteht als Ringbau aus Tübbingen mit je 2 Metern Länge. Die Tunnelbohrmaschine nutzt die eingesetzten geschlossenen Tübbingringe als Widerlager, in der Startbaugrube war hierzu ein Widerlagerblock vorgesehen. Im Hauptbaulos H8 liegt die Tagesleistung im Schichtbetrieb zwischen 6 und 8 verbauten Tübbingringen. Der Ringspalt zwischen Tübbingen und Bohrung wird mit Mörtel verpresst. Rettungsschächte Für das Hauptbaulos H8 sind 7 Rettungsschächte bzw. -stollen geplant. Die Baugruben der Rettungsschächte (bis 28 Meter Teufe) werden mit freistehenden Bohrpfählen gesichert, wobei Bohrschablonen die genaue Lage und Kreisform der Schächte gewährleisten. Die Unterwasserbetonsohlen werden von Bautauchern betoniert. Die Rettungsstollen mit Längen zwischen 20 und 107 Metern werden bis auf eine Ausnahme im Rohrvortrieb aufgefahren. Fertigbetonteile werden vom Angriffspunkt mit Bohrfortschritt nachgeführt. Die Bohrmaschine hat auf den Außendurchmesser der Fertigteile herausklappbare Schneiden. Ein Rettungsstollen ist bergmännisch aufgefahren worden. Beim Rettungsschacht 7 gibt es „mixed face“-Bedingungen mit Wechsellagerung von Lockergesteins- und Festgesteinsschichten. Zusätzliche Baugrundaufschlüsse sind angeordnet, die notwendige Homogenisierung der Schichten wird mit einer Bodenverbesserung erreicht. Hauptbaulos H3-6 Tunnel Wiesing (Bild 5.3) Der Tunnel Wiesing „Tiergartentunnel“ stellt das Verbindungsstück zwischen den beiden mit Tunnelbohrmaschine aufzufahrenden Hauptbaulosen H3-4 und H8 dar. Sein Hauptstollen hat 671 m, der Rettungsstollen 160 m Baulänge. Der Ausbruchsquerschnitt liegt bei 118 m2. Die Kosten belaufen sich auf ca. 13,8 Millionen Euro. Der Tiergartentunnel ist im bergmännischen Vortrieb aufgefahren worden und durchörtert Festgesteine der Wettersteinformation. Diese sind teilweise stark gestört. Von Trennflächen ausgehende Verwitterung und schwierige Grundwasserverhältnisse im Bereich der Einfahrkavernen (für die Schildbohrmaschinen mit 128 m2 Querschnittsfläche) machten den Bau mit einem hohen Verbruchrisiko zur Herausforderung. Besondere Aufmerksamkeit verlangte der unter der Inntalautobahn verlaufende Abschnitt, der mit Spießen unterfangen ist, um Setzungen aufgrund von geringer Überdeckung und schlechten Gebirgsverhältnissen vorzubeugen. Zur Bauerschließung ist ein 167 m langer Zugangsstollen aufgefahren worden, der mit 10 % in Richtung des Haupttunnels einfällt. 24 Bild 5.3: Baulos H3-6, Tunnel Wiesing Portal des Rettungsstollens zum Tiergartentunnel Bild 5.4: Baulos H4-3, Tunnel Stans Vortrieb unter Druckluft Hauptbaulos H4-3 Stans (Bild 5.4) Im Zuge des Hauptbauloses H4-3 Stans kommt auf 750 m Länge eine bergmännische Sonderbauweise zur Anwendung, um die in räumlicher Nachbarschaft verlaufenden Trassen der Bestandstrecke Eisenbahn und der Inntalautobahn vor Setzungen zu schützen. Die Überdeckung des Tunnels beträgt im Bereich der vorhandenen Eisenbahn ca. 6,5 m, die minimale Überdeckung 2,3 m zu Fundamenten einer Autobahnbrücke. Es werden von Übertage eine ringförmige Umschließung des Tunnelquerschnitts (Querschnittsfläche 127 m2) und im Abstand von 20 m zusätzliche Querschotte hergestellt, indem im Düsenstrahlverfahren durch Hochdruckinjektion überlappende Einzelsäulen aus zementverbessertem Boden mit mindestens 2 m Stärke entstehen. Der Tunnel wird unter Druckluft (etwa 1,1 bar) ausgebrochen, um Wasserzutritt auszuschließen. Um den Überdruck zu halten, sind Druckluftschleusen eingerichtet, eine fürs Material ohne Schleusungszeiten, eine fürs Personal mit Schleusungszeiten. Bei ihrem Betrieb wird wegen der Lebensgefahr bei abruptem Druckwechsel (Taucherkrankheit) ein hoher Standard der Arbeitssicherheit verlangt. Quellen: - Text: - Bild 5.1: - Fotos: U. Haack www.beg.co.at A. Hausdorf 25 6 Untertagebergbau auf Dolomit in Schwaz Exkursionsbetreuung: Berichterstattung: Herr Dr. Johannes K. Bauer Herr Max Haun Claudia Peukert Mathias Herrmann Geologie Die nördliche Grauwackenzone reicht vom Alpenostrand bis Schwaz durch die so genannte Inntalstörung. Mit dem Schwazer Trias sind jene Gesteine gemeint, die hier in der Trias, einem Abschnitt des Mesozoikums vor 290 - 240 Mio. Jahren, entstanden bzw. abgelagert worden sind. Folgende Gesteine finden sich im Bereich des Reviers Falkenstein: Wildschönauer Schiefer Der Wildschönauer Schiefer ist ca. 500 - 400 Milllionen Jahre alt und generell sehr erzarm. Er ist intern kompliziert aufgebaut und besteht aus Phylliten (metamorphen Gesteinen) und Porphyroiden (vulkanischen Gesteinen) Schwazer Dolomit Der Schwazer Dolomit besteht aus dem Mineral Dolomit, einem Doppelsalz aus Calcium-Magnesiumcarbonat [CaMg(CO3)2]. Er wurde vor rund 100 - 350 Millionen Jahren im Devon abgelagert, wobei ein großer Teil später der Erosion zum Opfer fiel. Dabei handelt es sich um ein Sedimentgestein, das aus einem devonischen Riss entstanden ist. Der Dolomit ist nach dem Franzosen Désdat de Dolomieu benannt, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts den Dolomit im oberen Isachtal erstmals fand und beschrieb. Der Schwazer Dolomit hat eine Mächtigkeit von über 500 m, im Osten durch die Tektonik allerdings nur 0,1 m. An der Basis ist das Gestein vorwiegend riffogen (aus einem Riff entstanden), es findet sich hier der typische Fossilgehalt an riffogenen Algen, Schwämmen und Korallen. Die Farbe des Schwazer Dolomit ist weiß, grau oder rötlich. Zu der Lagune (das ist jener Teil, der zu der Riffzeit nahe der Wasseroberfläche und der Schichten Lagune war) sind die Dolomitgesteine gut gebankt, d. h., es sind Schichten der Ablagerung zu erkennen (eine solche Lagune findet man im „Alten Abbau“). Durch aggressive Lösungen wurde der Dolomit später verändert, es kam zu einer Kornvergröberung also einer Veränderung des Gefüges. Der Schwazer Dolomit liegt somit als feinkörniger Dolomit, sonst als feinkörniger Dolomitmarmor vor. Das wirtschaftlich relevante Fahlerz wurde im Dolomit gefunden. Oft ist bis zu 3 % Kieselsäure enthalten. Von der Gebirgsklasse ist der Schwazer Dolomit nachbrüchig, teilweise stark nachbrüchig. Eigentlich ist das Gestein stark durchtrennt, jedoch sind die Klüfte nicht ausgerichtet, teilweise sind sie wieder mit Calcit verheilt. Vererzung Die Vererzung ist vom Brekzien-Typus, was dafür spricht, dass das Erz schon bei der Gebirgsbildung vorhanden war. Das vorhandene sulfidische Fahlerz hat einen speziellen Typus und wurde dementsprechend Schwazit genannt. Es enthält etwa 35 - 41 % Kupfer (Cu), 0,3 - 0,8 % Silber (Ag), 15 - 22 % Antimon (Sb) und 0,4 - 6 % Quecksilber (Hg). 26 Geschichte Ursprünglich wurde im Schwazer Bergbau auf Kupfer und dann auf Fahlerz abgebaut. Die Blütezeit war das 15. und 16. Jahrhundert, als 4000 - 5000 Bergleute in Schwazer Bergwerken arbeiteten. Mitte des 16. Jahrhunderts kam es dann aber durch billiges südamerikanisches Silber zu einer schweren Krise und zum völligen Zusammenbruch des Bergbaus. Aus dieser Zeit stammt auch das Schwazer Bergbuch, das weniger einen wissenschaftlichen Ansatz besaß, als vielmehr dem Zweck dienen sollte neue solvente Investoren zu finden. Bereits aus dem 15. Jahrhundert ist Abbau unterhalb der Talsohle überliefert. In der weiteren Geschichte wurde das eigentliche Nebengestein, der Dolomit, zunehmend für den Straßenbau genutzt. Vor etwa 150 Jahren wurde damit beispielsweise eine wichtige Reichsstraße errichtet. Die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung des Dolomits ergab sich aus den großen Kursschwankungen der Zwischenkriegszeit. Nach einem größeren Felssturz in jüngerer Zeit wurde der Bergbau vorübergehend eingestellt. Es entstand eine Pinge auf einer Fläche von 1 ha, als ein größerer Block abgesackte. Das heißt, an der Tagesoberfläche ist ein Einbruchtrichter entstanden. Heutzutage überwacht die staatliche Montanbehörde das stillgelegte Bergwerk zusammen mit dem Inhaber, der Montanwerke Brixlegg AG. Momentan wäre der Abbau nicht wirtschaftlich, jedoch wäre der Abbau auf Jahrzehnte erschlossen. Bild 6.1: Mundloch des Willhelm-Erbstollens Bild 6.2: Etwaige Lage des Bergwerkes Wilhelm-Erbstollen Durch das Mundloch (Bild 6.1) des 1873 fertig gestellten „Wilhelm-Erbstolln“ (Bild 6.2) ist das Bergwerk zugänglich, darin fährt eine dieselbetriebene Grubenbahn bis heute für Arbeiten und Befahrungen. 3 Wochen nach der jährlichen Schneeschmelze nimmt die Wasserführung des etwa 2,6 km langen Erbstollens entsprechend zu. Er ist 500 m über NN gelegen. Erbstollen haben die vornehmliche Aufgabe, oberhalb gelegene Grubenbaue zu entwässern, dafür haben sie ein leichtes Gefälle. Früher konnte außerdem per Hand, mit 27 Pferden oder mit Wasserkünsten, z. B. angetriebenen Wasserrädern, entwässert werden. Der Nutzen eines Erbstollens besteht außerdem in seiner Wetterführung und der Möglichkeit, Material zu transportieren und ihn für Befahrungen zu verwenden. Dem Besitzer eines Erbstollens wurde ein Anteil an der Förderung der entwässerten Bergwerke zugestanden. Verbunden ist dieser Erbstollen mit einem weiteren, dem Sigmund-Erbstollen von 1517. Der ebenfalls in diesem Gebiet verlaufende Hüttenstollen liegt 16 m höher und ist 6 km lang. Grubenbaue Teilweise wurde schon vor dem 1. Weltkrieg Beton-Ausbau verwendet und mancherorts später durch Spritzbeton saniert. Erstmals 1918 ist maschinell gebohrt worden, um den Sprengstoff einbringen zu können. Davor wurde noch per Hand gebohrt mit einem Bohrfortschritt von 1 m/Mannschicht und mit Dynamit gesprengt. Bei ärmerer Vererzung wurde Weitungsbau angewandt und es wurden Trichter mit 38 - 40° Neigung angelegt. Große Abbaue von 500.000 m³ sind entstanden. Ältere Strecken besitzen nur geringe Querschnitte (Bild 6.3.), da zu früheren Zeiten kaum Maschinen zum Abbau vorhanden waren. Der Abbau folgte früher oft den Haupttrennflächen und nutzte so die natürlichen Spalten und Störungen für eine Reduzierung der Lösearbeit, auch wenn dadurch nicht der kürzeste Weg für Auffahrungen genutzt werden konnte. Störungszonen sind außerdem für die Wasserwegigkeit bekannt. Das Bergwerk beinhaltet 2 seismische Überwachungsstationen. Die unter Schwaz verlaufende Inntallinie ist tektonisch aktiv. Aus dem 16./17. Jahrhundert ist z. B. ein größeres Erdbeben aus Hall bekannt. Eine weitere noch vorhandene technische Einrichtung ist die Luttenleitung. Sie ist teilweise aus Stahl, teilweise aus Kunststoff ausgeführt. Heutzutage wird vornehmlich der natürliche Wetterzug für die Bewetterung genutzt. Zur Zeit der Befahrung war der Wilhelm Erbstollen ausziehend, im Winter ist er jedoch einziehend. Bild 6.3: Ältere Strecke Bild 6.4: Messerschmitthalle mit Schutt der Sprengung Einer der wichtigsten Grubenbaue mit großen Ausmaßen ist die Messerschmitthalle (Bild 6.4), dieser stammt aus der Zeit des historischen Bergbaus und sollte im 2. Weltkrieg der Montage von Flugzeugen und Teilen der gleichnamigen MesserschmittWerke dienen, um sich den alliierten Luftangriffen entziehen zu können. Zu diesem Zweck ist sie noch kurz vor Kriegsende fertig gestellt worden und in Betrieb gegangen. 28 Dazu wurde eine Betonkonstruktion erstellt, die in Teilen noch erhalten ist. Nach Kriegsende wurde die Anlage von französischen Besatzungssoldaten gesprengt. Der Schutt und einzelne Schrottteile der Produktion sind am Ort verblieben. Demzufolge konnte diese Halle nicht für spätere Wartungs- und Werkstattarbeiten genutzt werden. Besichtigt wurde ein Blindschacht, für deren Abteufung die Installation der Fördermaschine bereits vor dem 1. Weltkrieg erfolgte. Dieser Bereich ist mit Wasser geflutet. Am dortigen Falkenstein hatten Schächte keine Bedeutung, es existierten nur Blindschächte. Der Kompressor-Raum steht heute leer. Das Streckennetz des Bergwerkes hat eine Gesamtlänge von 500 km. Quellen: - Text: - Fotos: Claudia Peukert, Mathias Herrmann Herr Haun, MINCCON Geo GmbH, Jenbach 29 7 Felssturz am Eiblschrofen Exkursionsbetreuung: Berichterstatter: Dr. Johannes K. Bauer Rico Fötzsch Das Bergmassiv des Eiblschrofens liegt an der linken Mündungsseite des Zillertales ins Unterinntal nahe der Ortschaft Schwaz. Geologisch befindet sich das Eiblschrofenmassiv am Nordrand der südlichen Grauwackenzone. Es handelt sich dabei um ein steilstehendes Segment paläozoischer Karbonate die von permotriadischen Sedimenten bedeckt sind und am Wandfuß mit Buntsandstein abschließen. In Richtung Inntal herrscht eine steile bis überkippte Lagerung vor. Daraus ergibt sich eine Struktur von inntalparallelen hangein- und hangausfallenden Pultflächen sowie senkrechten Trennflächen. Aufgrund dessen kam es in der Vergangenheit immer wieder zu lokalen Abbrüchen. Eine genaue strukturgeologische Bearbeitung erfolgte aber erst 1995, nachdem es am 2. Mai 1993 zum Verbruch des Trichterabbaues des im Berg stattfindenden Dolomitbergbaus und zum Entstehen einer Pinge kam. Daraufhin wurden im Bergwerk zahlreiche Erschütterungsmessgeräte zur Stabilitätsüberwachung eingerichtet. Am 21. Oktober 1998 kam es erneut zu lokalen Steinschlägen und am 10. Juli 1999 zum entscheidenden Felssturzereignis an der Westwand (Bild 7.1.), bei dem 20.000 m3 ins Tal stürzten, wodurch der Eiblschrofen seine geotechnische Bedeutung erlangte. Innerhalb von wenigen Tagen brachen insgesamt 150.000 m3 Gestein ab und es mussten 270 Einwohner evakuiert werden. Im Folgenden wurde ein umfangreiches Konzept zur Bewältigung der direkten Bedrohung erstellt und um einen dauerhaften Schutz zu gewährleisten, installierte man die verschiedensten geotechnischen, geodätischen und geophysikalischen Messsysteme. Diese reichen vom einmaligen Erfassen der gesamten geologischen Struktur bis zur regelmäßigen und dauerhaften Kontrolle der exogenen Einflussfaktoren und deren Auswirkungen. Als weitere Schutzmaßnahme schüttete man oberhalb der evakuierten Bereiche zwei Auffangdämme (Bild 7.2.) mit einer Kapazität von 180.000 m3 auf und errichtete zusätzlich noch 130 m Schutznetze. Um auch diese Maßnahmen ausreichend abzusichern wurde bereits unmittelbar nach dem Felssturzereignis mit der intensiven Überwachung begonnen. Bild 7.1: Westwand der Eiblschrofen mit Felssturz Bild 7.2: Errichtung Schutzdamm Quellen: http://www.geologie.ac.at/filestore/download/BR0058_099_A.pdf http://de.wikipedia.org/wiki/Eiblschrofen http://www.geotechnik-hammer.com/damm01.html (Bild 7.2) 30 8 Aussichtspunkt Kanzelkehre Exkursionsbetreuung: Berichterstatter: Prof. K. Thuro, Dr. Johannes K. Bauer, Dr. G. Lehrberger René Frank Sabine Klemm Der Aussichtspunkt Kanzelkehre liegt an der B 181 nördlich des Ortes Wiesing und ermöglicht einen herrlichen Ausblick nach Norden, Osten und Süden. Zur besseren Orientierung auf Karten gröberen Maßstabs empfiehlt es sich, die direkte Verbindung Innsbruck – Salzburg zu verwenden. Dort befindet sich der Aussichtspunkt Kanzelkehre von Innsbruck aus gesehen etwa auf einem Viertel der Strecke. Blick nach Norden Im Norden des Aussichtspunktes befinden sich die Nördlichen Kalkalpen (blauer Bereich in Bild 8.1). Oberflächennah stehen hier vor allem Kalkstein und Dolomit an. Bild 8.1: Geologische Karte Österreichs Der in den Kalkalpen vorkommende Dolomit wird auch als Hauptdolomit bezeichnet. Er ist im Allgemeinen sehr spröde und besitzt eine deutlich sichtbare Schichtung. Die vorkommenden Farbtöne schwanken von hellgrau bis bräunlich-grau. Der Hauptdolomit entstand während der Obertrias, also vor etwa 228 Millionen bis 200 Millionen Jahren. Da er gegenüber Erosion recht unanfällig ist, bestehen heute viele markante Gipfel aus Dolomit. Das neben Dolomit am häufigsten vorkommende Gestein in den Nördlichen Kalkalpen ist Kalkstein. Diesen kann man in zwei bedeutende Untergruppen unterteilen, den Wettersteinkalk und den Dachsteinkalk. Letzterer kommt weiter östlich des Aussichts31 punktes Kanzelkehre vor, wie z. B. am Watzmann. Daher soll er hier nicht weiter betrachtet werden. Der Wettersteinkalk hingegen bildet im Umkreis des Aussichtspunktes markante Gipfel, wie beispielsweise die nördlich gelegene Guffertspitze (2195 m). Kennzeichnend für Wettersteinkalk ist seine Reinheit. Seine Färbung ist hellgrau; sie kann aber auch hellere oder dunklere Nuancen annehmen. Auch die Kalksteine wurden während der Obertrias gebildet. Aufgrund ihrer ähnlichen Färbung sind Kalkstein und Dolomit für den Laien kaum voneinander zu unterscheiden. Ausschlaggebend für eine Bestimmung ist daher ihr Reinheitsgrad, also der Anteil an Calciumcarbonat (CaCO3). Bei reinem Kalkstein ist dieser höher als bei Dolomit, weshalb eine Reaktion mit Salzsäure (HCl) bedeutend schneller abläuft. Dies bedeutet, dass wesentlich schneller Kohlendioxid (CO2) gebildet wird, was sich in einer beinahe sofortigen Bläschenbildung äußert. Bild 8.2: Blick auf die Nördlichen Kalkalpen Blick nach Süden Auch beim Ausblick in Richtung Süden fallen große Gebirgsketten auf. Diese befinden sich in der Grauwackenzone bzw. im Paläozoikum (Erdaltertum). In Bild 8.1 handelt es sich dabei um den dunkelbraun dargestellten Bereich. Im Gegensatz zu den Nördlichen Kalkalpen mit ihren schroffen Bergen (Bild 8.2) sind die Berge der Grauwackenzone eher gerundet (Bild 8.3). Die Ursache hierfür ist in der relativ weichen und wenig erosionssicheren Grauwacke zu suchen, die die Ausbildung schroffer Gipfel erst gar nicht ermöglicht. Weiterhin findet man auf den Bergen dieser geologischen Zone ausgedehnte Grünflächen (Bild 8.3), die vor allem für die Viehzucht genutzt werden. Viele der im Süden sichtbaren Berge rühren von längst vergangenem Bergbau her. So ist die Grauwacke vielerorts von Erzen und anderen Bodenschätzen (z. B. Graphit) durchzogen, die teilweise auch noch heute gewonnen werden. Fossilienfunde belegen, dass die Entstehung der Grauwackenzone bis ins Ordovizium, also bis vor fast 500 Millionen Jahre, zurückreicht. 32 Bild 8.3: Blick auf die sanften Berge der Grauwackenzone Blick ins Tal Wer von der Kanzelkehre einen Blick ins Inntal wirft, dem fällt sofort auf, dass das Tal relativ breit ist. Es handelt sich hierbei nicht um eine Schlucht, wie man sie vielleicht erwarten würde, sondern um ein U-förmiges Trogtal. Dessen Entstehung geht bis in die Eiszeiten zurück, als das damals noch V-förmige Tal von Gletschern überschliffen wurde. Gleichzeitig lagerten sich Unmengen von Sedimenten im Tal ab, so dass es immer weiter verfüllt wurde. Über 900 Meter tiefe Bohrungen im Bereich des Inntals, bei denen kein Fels angetroffen wurde, sind Zeuge dieser gewaltigen Ablagerungen. Bild 8.4: Blick ins Inntal auf die Ortschaft Wiesing Direkt unterhalb des Aussichtspunktes befindet sich die Ortschaft Wiesing (Bild 8.4). 33 Quellen: Bild 8.1: Karte zur Geologie Österreichs: http://www.geologie.ac.at/RockyAustria/geologie_und_landschaft.htm Bild 8.2: Foto R. Frank Bild 8.3: Blick auf die sanften Hügel der Grauwackenzone: http://www.nauonline.de/bilder/pano_kanzelkehre_01.jpg Bild 8.4: Foto S. Klemm http://de.wikipedia.org Artikel zu: Dachsteinkalk Dolomit (Gestein) Grauwacke Grauwackenzone Hauptdolomit Kalkstein Nördliche Kalkalpen Trias Wettersteinkalk http://aeiou.iicm.tugraz.at/aeiou.encyclop.g/g678663.htm http://aeiou.iicm.tugraz.at/aeiou.encyclop.h/h270103.htm http://aeiou.iicm.tugraz.at/aeiou.encyclop.n/n829931.htm http://aeiou.iicm.tugraz.at/aeiou.encyclop.n/n819727.htm (Grauwackenzone) (Hauptdolomit) (Nordtiroler Kalkalpen) (Nördliche Kalkalpen) http://www.geologie.ac.at/RockyAustria/ostalp_pal.htm http://www.geologie.ac.at/RockyAustria/kalkalpen.htm (Grauwackenzone) (Kalkalpen und Drauzug) 34 9 Der Felssturz am Pletzachkogel bei Kramsach Exkursionsbetreuung: Berichterstatter: Herr Prof. Thuro Herr Dr. Lehrberger René Frank Sabine Klemm Bild 9.1: Geographische Lage Kramsachs Bild 9.2: Geologische Lage Kramsachs in Tirol Die geographische Lage sowie die geologische Situation im Bereich der Ortslage Kramsach zeigen die Bilder 9.1 und 9.2. Der wahrscheinlich größte Felssturz am Pletzachkogel (Bild 9.3) ereignete sich bereits vor circa 5.000 Jahren. Dabei lösten sich über 1.000.000 m³ Gestein von der Bergflanke und bewegten sich ins Tal. Folge dieser Massenbewegung war das Aufstauen von Inn und Ziller. 35 Bild 9.3: Blick auf das Felssturzareal Die am Pletzachkogel vorherrschenden Gesteine sind vor allem der Liaskalk und die Kalksteinbrekzie aus der Kreidezeit. Wegen seiner weißen bis roten Färbung wurde der Kalkstein bereits im 14. Jahrhundert für Säulen, Portale und Spitzbögen nicht nur im Inntal verwendet, sondern sogar auch nach Übersee verkauft. Aus diesem Grund siedelten sich zahlreiche Steinmetz-Werkstätten in Kramsach, der nächstgelegen Gemeinde, an und förderten dort den wirtschaftlichen Aufschwung dieser Zeit. Den Namen „Kramsacher Marmor“ verdankt das Gestein der Tatsache, dass es sich sehr gut schleifen und polieren lässt und dadurch einem echten Marmor sehr ähnlich sieht. Verbaut wurde der „Marmor“ unter anderem bei der Annasäule oder dem Goldenen Dachl in Innsbruck (Bild 9.4). Bild 9.4: Goldenes Dachl (links) und Annasäule (rechts) in Innsbruck 36 Die Kalksteinbrekzie wurde ebenfalls häufig als Baumaterial (Bild 9.5) verwendet, wenn auch nicht so weitreichend wie der Kalkstein. Entstanden ist die Brekzie dieser Region in der Kreidezeit. Durch Erosion wurde das anstehende Gestein zerstört und es bildeten sich sowohl kleine als auch große, eckige Gesteinstrümmer. Durch Ablagerung und anschließende Überdeckung verfestigten sich die Bestandteile zur Brekzie. Durch den Bergsturz liegen sowohl der Kalkstein als auch die Brekzie als Findlinge vor und müssen für weitere Verarbeitung nicht erst in Steinbrüchen gewonnen werden (Bild 9.6). Bild 9.5: Domkirche St. Jakob in Innsbruck Bild 9.6: Verarbeiteter Kramsacher Marmor Quellen Text: René Frank, Sabine Klemm Fotos: - Bild 9.1: http://www.welt-atlas.de/datenbank/karte.php?reg=&kat=&kartenid=1-29 - Bild 9.2: http://www.tirolmultimedial.at/tmm/themen/0102.html - Bild 9.3: Foto R. Frank - Bild 9.4: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Innsbruck_Goldenes_Dachl pc.jpg &filetimestamp=20080402232458 http://images.google.de/imgres?imgurl=http://upload.wikimedia.org/wikipedia/common s/thumb/ - Bild 9.5: http://www.flickr.com/photos/pedalofilo/2179863093/ - Bild 9.6: http://www.vero-online.info/news.php?m=single&id=239 37 10 Steinbruch Mayr - Höttinger Breccie Exkursionsbetreuung: Berichterstattung: Herr Dr. Lehrberger Claudia Peukert Mathias Herrmann Der Steinbruch Mayr befindet sich an der Höhenstraße in Innsbruck. Ein Teil des ehemaligen Mayr’schen Steinbruchs wird heute als Klettergarten genutzt (Bild 10.1). Zu früheren Zeiten befand sich an dieser Stelle ein riesiger Steinbruch, der sogar mit einer Materialseilbahn ausgestattet war und mit der man letztendlich die Steine ins Tal befördert hat. Bild 10.1: Ehemaliger Steinbruch Mayr Bild 10.2: Breccienmaterial Zusammensetzung und Aufbau Der Steinbruch besteht aus Lagen mit Feinmaterial, die vom Einfallen her gegen den Hang gerichtet sind. Die Schichtung ist eher horizontal bis leicht in Richtung Norden geneigt. Diese feinkörnigen Lagen sind in Wechsellagerung mit einem Gestein, das bis zu Dezimeter große Blöcke beinhaltet, ansonsten durch sehr viele Bruchstücke herausgebildet ist. Aus diesem Grund lässt sich darauf schließen, dass es sich um eine Breccie (Bild 10.2) handelt. Die Breccie ist ein Gestein, das aus einzelnen Komponenten besteht, die Komponenten sind meist kantige Bruchstücke. Das Gestein wird aufgrund seiner guten Bearbeitbarkeit, seiner relativ guten Widerstandsfähigkeit 38 gegenüber Witterungseinflüssen als Baustein verwendet und ist auch somit das Hauptbaugestein Innsbrucks und der Stadt Hall. Die „Höttinger Breccie“ hat ihren Namen vom Innsbrucker Stadtteil Hötting, der sich am Fuß des Berges befindet. Aufgrund der Färbung und des Matrixanteils wird in eine „Rote Breccie“ im unteren Bereich der Nordkette und eine „Weiße Breccie“ im Bereich ab ca. 1000 m unterschieden. Die hangparallelen Ablagerungen der „Weißen Breccie“ lassen sich bis auf eine Höhe von 2000 m verfolgen. Die Rotfärbung im unteren Bereich ergibt sich durch das Ausstreichen einer Buntsandsteinlage. Die „Rote Höttinger Breccie“ zeichnet sich durch eine schlechte Sortierung und ein überwiegend matrixgestütztes Gefüge aus. Im Gegensatz zur „Roten Breccie“ ist die „Weiße Breccie“ korngestützt und schlecht bis mäßig sortiert. Entstehung Für das Entstehen der Höttinger Breccie muss sie einen kurzen Transportweg hinter sich haben, da die vorhandenen Komponenten wie Kalksteine und Buntsandsteine sonst gerundet wären. Bei längerem Transportweg würden sich die Komponenten durch die bei der Bewegung entstehende Reibung stärker abrunden und es würde ein Konglomerat entstehen. Wenn man die einzelnen Komponenten analysiert, stellt man fest, dass alle aus der dortigen Gegend kommen. Bei Betrachtung der Nordkette findet sich nämlich der Kalk und Sandstein wieder. Den Prozess, der über kurze Strecken große Massen mit hohem Matrixanteil transportierte, bezeichnet man als Mure. Muren sind Massenverlagerungen aus einem Gemisch von Wasser, Feinmaterial und bis zu tonnenschweren Blöcken. Ihre Entstehung ist von zahlreichen physischen Faktoren abhängig. Da Gesteinsschutt die Hauptkomponente eines Murganges ausmacht, sind sowohl Gebiete mit einem geologisch leicht verwitternden Ausgangsgestein als auch Gebiete mit vorhandenen Lockermaterial (z. B. Moräne, Schottter, Felssturzmaterial etc.) für die Murentstehung prädestiniert. Der Wasseranteil beträgt ca. 30 - 50 %. Je weniger Wasser eine Mure beinhaltet, desto matrixgestützter ist sie. Innerhalb des Gesteins findet man 3 - 4 Feinkornlagen, was sich auf verschiedene Murereignisse zurückzuführen lässt. Die Feinkornschichten sind feinkörniges, schluffiges Material. Hierbei handelt es sich um ein äolisches Sediment. Äolischer Transport ist ein Transportmechanismus, bei dem Feinmaterial (z. B. Schluff und Tonminerale) aus dem Ausgangssubstrat (Lockergestein) vom Wind über sehr große Entfernungen transportiert werden und fern des Herkunftsgebietes abgelagert werden kann. Äolischer Transport tritt meist in ariden oder semiariden Landschaften ohne eine geschlossene Pflanzendecke auf. Ein typisches Beispiel für diese Transportform ist der Sandsturm. Das Material kann in Abhängigkeit von der Korngröße bei feinkörnigem Material als Schwebefracht, durch Suspension in der Luft, oder gröberem Korn (Sand) durch Saltation (springende Bewegung) transportiert werden. Zeitliche Einordnung Es wird debattiert, ob die zeitliche Einordnung risseiszeitlich sein könnte, also auf die vorletzte Eiszeit verweist. Allerdings gibt es Pflanzenfunde, die nicht eindeutig sind und die zeitliche Einordnung in Frage stellen. Tatsache ist jedoch, dass es sich hier um ein junges Gestein handelt. Andere Lehrmeinungen besagen, dass es sich um ein typisch interglaziales Gebilde handelt, also eine Entstehung zwischen den Eiszeiten, weil angeblich Pflanzenabdrücke dies belegen sollten. Dies stimmt aber nicht ganz, weil erstens die interglaziale Bildung von einem stärkeren Pflanzenbewuchs begleitet 39 wäre und zweitens nicht äolische Lagen diese Lößlagen bilden würden. Ein Professor der Universität Innsbruck stuft die Einordnung jedoch als interstadial ein, als eine natürliche Rückzugsbildung. Da im Tal kein Gletscher vorhanden war, konnte sich somit die Mure bilden. Die Temperaturverhältnisse müssen auch milder gewesen sein, da die Höttinger Breccie nur mäßig wärmeliebende Florenelemente aufweist. Für die Rote Breccie ergibt sich somit eher das Bild einer interstadialen als einer interglazialen Bildung. Quellen Text und Fotos: Claudia Peukert Mathias Herrmann 40 11 Kiesgrube Derfeser Exkursionsbetreuer: Berichterstatter: Herr Prof. Thuro Herr Dr. Lehrberger Jens Dörfel Die besichtigte Kiesgrube ist im Besitz der Firma „Ernst Derfeser GmbH“, welche seit 1960 den Schotterabbau im heutigen Schotterwerk und der damit verbundenen Kiesgrube am Vomperbach betreibt. Es handelt sich dabei um eine der größten Kiesgruben der Region. Sie arbeitet zurzeit unter voller Auslastung, da der gewonnene Kies für den Bau der Inntalstrecke Verwendung findet. Parallel zum Kiesabbau findet eine Verfüllung der Kiesgrube mit Aushubmaterial aus dem Tunnelbau der Inntalstrecke statt. Bild 11.1: Lage der Gebirgsgruppe Karwendel In der Kiesgrube ist eine Deltaschüttung mit typisch ausgebildeten topsets (Deltaplattformsande), foresets (dünne Kornlagen) und bottomsets (tonige Bodenschichten) aufgeschlossen, welche sich auf wassergesättigten Seeablagerungen niederließen. Durch Überkippen kam es zu den in der Kiesgrube markanten Relativverschiebungen entlang der Trennflächen, welche als Störungen (Bild 11.3) in schräger Lage von rechts oben nach unten in den Wänden der Kiesgrube zu beobachten sind. Als Entstehungsmöglichkeiten der Störungen werden zwei verschiedene Meinungen näher analysiert. Zum einen die „Münchner Meinung“, welche als Ursache der Störungen eine Setzung der darunter liegenden Seeablagerungen durch eventuell ausgelöste tektonische Ereignisse sieht, und die „Innsbrucker Meinung“, welche als Ursache junge tektonische Vorgänge heranzieht, wie sie bis heute im Inntal noch stattfinden. Desweiteren ist die Kiesgrube durch sehr steile Wände gekennzeichnet (Bild 11.2), welche durch die vielen Verfestigungen gewährleistet sind. Zum einen gibt es die teilweisen Verfestigungen in den horizontalen Fächern und zum anderen die oberflächige Verfestigung. Beide Verfestigungen sind für Kiesablagerungen typisch. 41 Bild 11.2: Wechsellagerung grober und mittelkörniger Sedimente Bild 11.3: Lage der Störung Quellen: Text: Jens Dörfel Abbildungen: Bild 11.1: http://de.wikipedia.org/wiki/Karwendel Bild 11.2: Foto J. Dörfel Bild 11.3: Foto G. Lehrberger (http://www.geo.tu-muenchen.de/exkursionen/2001/ostalpen) 42 12 Besichtigung zweier Geotope im bayerischen Inntal Exkursionsbetreuung: Berichterstatter: Herr Dr. Lehrberger Sindy Köditz Christina Bonim Begriffserklärung “Geotope” Laut der offiziellen Seite des Bayerischen Landesamtes für Umwelt sind Geotope “erdgeschichtliche Bildungen der unbelebten Natur, die Erkenntnisse über die Entwicklung der Erde und des Lebens vermitteln. Sie umfassen Aufschlüsse von Gesteinen, Böden, Mineralien und Fossilien sowie einzelne Naturschöpfungen und natürliche Landschaftsteile. Schutzwürdige Geotope zeichnen sich durch ihre besondere erdgeschichtliche Bedeutung, Seltenheit, Eigenart oder Schönheit aus. Für Wissenschaft, Forschung und Lehre sowie für Natur- und Heimatkunde sind sie Dokumente von besonderem Wert. Sie können insbesondere dann, wenn sie gefährdet sind und vergleichbare Geotope zum Ausgleich nicht zur Verfügung stehen, eines rechtlichen Schutzes bedürfen.“ Die erste Naturschutzmaßnahme dieser Art in Bayern verfügte König Ludwig I. von Bayern schon 1840. Damit wurde die Weltenburger Enge bei Kelheim an der Donau vor der Zerstörung durch Steinbruchbetriebe geschützt. Bis jetzt wurden schon 77 solcher Schutzgebiete in Bayern gekennzeichnet; in den nächsten Jahren soll die Zahl auf 100 steigen. Der Gletscherschliff bei Fischbach Das Geotop mit dem freigelegten Gletscherschliff liegt etwa 800 m südöstlich von Fischbach entfernt, einem Ort der Gemeinde Flintsbach am Inn, direkt an der Autobahn A 93 zwischen Kufstein und Rosenheim. Der Gletscherschliff wurde erst beim Bau der Autobahn entdeckt, deren Verlauf direkt hindurch führt. Auf der westlichen Seite der Autobahn hat man ihn an einer Stelle freigelegt; er setzt sich aber unter Schotterbedeckungen bis unter die Berge fort. Auf der östlichen Seite, welche unter Naturschutz steht, ist er ebenfalls mit Lockergesteinsmaterial und Pflanzenbewuchs bedeckt. Bild 12.1: Der Inn-Gletscher während der Eiszeiten und die geologische Karte der Umgebung von Fischbach (Poster am Geotop) 43 Entstanden ist der Gletscherschliff während der letzten Eiszeiten, in denen die Gletscher der Alpen zu einem großen Eisstromnetz verbunden waren und große Gletscherzungen, wie der Inntal-Gletscher, weit in das Alpenvorland reichten (Bild 12.1). Es wird angenommen, dass in diesem Bereich eine Felsrippe des anstehenden Gesteins aus gering gebanktem Wettersteinkalk (Riffkalk) der Trias bestand, über die sich der Gletscher aus Richtung Kufstein kommend hinweg bewegte. Begründen lässt sich die Fließrichtung des zäh plastischen Gletschereises mit der Form vorhandener Rundhöcker. Auf der flachen Stoßseite erfolgte die Abtragung hauptsächlich durch Wasser, weshalb sie geschliffen oder leicht geschrammt ist. Im Gegensatz dazu wurde auf der Leeseite das Gesteinsmaterial herausgerissen und es entstanden kolkartige Strukturen und eine steile Neigung. Die Eisüberlagerung wird auf etwa 500 m geschätzt und die Übertiefung des Tals auf 200 - 500 m. Die abgeschliffenen Felsen zeigen, dass das Gestein sehr kompakt ist und einen großen Widerstand gegen Erosion besitzt. Bild 12.2: Der Gletscherschliff und eine durch das Wasser des Gletschers entstandene Auskolkung Als dieser Bereich aufgeschlossen wurde, hatte der Wettersteinkalk eine helle Farbe und eine glatte Oberfläche. Durch Algenbewuchs sieht er heute dunkelgrau aus und hat nur einige helle Stellen, an denen er durch Frostsprengung verwittert. Außerdem sind in den polygonalen Klüften Nester mit sekundärer Dolomitisierung vorhanden. Von dem freigelegten Gletscherschliff lassen sich einige typische eiszeitliche Abtragungserscheinungen ablesen (Bild 12.2). Abschleifungen des Gesteins erfolgten durch Sand oder kleine Steine, die an der Gletscherbasis mitgeführt wurden. Größere Felsbruchstücke haben lang gezogene Schrammen, so genannte Kritzungen, auf den rund geschliffenen Felshebungen (Höckern) hervorgerufen. Da das Schmelzwasser an der Basis des Gletschers unter sehr hohem Druck (bis zu 50 bar im Sommer) stand, verursachte es eine größere Erosion als die Eismassen selbst. Deshalb sind um diese Rundhöcker herum viele tief eingeschnittene Rinnen und einige Kolke zu sehen, die durch rollende Steine und Blöcke im Schmelzwasser entstanden. Kolke sind kessel- oder trichterförmige Aushöhlungen im Fels und werden auch als Gletschermühlen bezeichnet. 44 Der Mühlsteinbruch Hinterhör Der Mühlsteinbruch liegt in der Nähe der Autobahnanschlussstelle Rohrsdorf an der A 8 (München - Salzburg). Im Steinbruch wurde von 1572 bis 1860 ein mittel- bis grobkörniger Sandstein des Helvetikums (nördliche alpine Einheit) zur Herstellung von Unter- bzw. Bodensteinen von Mühlen abgebaut. Der Sandstein ist ein Teil der Kressenberger Serie. Man vermutet, dass er als Sandfächer eines in ein Flachmeer mündenden Flusses in oberster Kreide und im Alttertiär als Sediment abgelagert worden ist (Bild 12.3). Im inselreichen Flachmeer entstanden zudem auch Kalkschlämme, die zur Verkittung der grob gerundeten Quarz- und Feldspatkörner beitrugen. Die extrem homogene Sandsteinschicht, welche fast keine Trennflächen aufweist, ist im Steinbruch bis zu 28 m mächtig und fällt nach Süden ein. Das Vorkommen ist nur lokal und in anderen Aufschlüssen durch kalkreicheres Gestein ersetzt. Da das Gestein ein Strand- bzw. Flusssediment ist, findet man teilweise Austernschalen- und Krabbenfossilien darin (Bild 12.4). Bild 12.3: Geologische Karte der Umgebung des Mühlsteinbruches und Lagevergleich der Stelle vor und nach der Alpenfaltung (Poster am Geotop) Die Mühlsteine wurden vor Ort in richtiger Form aus dem Fels geschlagen. Dazu hat man einen kreisrunden Schlitz in Dicke des Mühlsteins mit Schlägel und Eisen in den Stein gehauen und setzte in jenen Holzkeile, die mit Wasser getränkt wurden. Das quellende Holz setzte den Stein so unter Spannung, dass sich die Rückseite des Mühlsteins aus der Steinbruchwand löste. Man kann noch heute deutlich die runden Abbauspuren im Steinbruch erkennen (Bild 12.4). Die fertig behauenen Mühlsteine transportierte man dann ins Inntal, um sie sogar bis in die Türkei zu verschiffen. Die Möglichkeit dieses einfachen Transports über den Inn ermöglichte es, dass man in Hinterhör drei Jahrhunderte lang Mühlsteine abbauen konnte. 45 Bild 12.4: Abbauspuren im Steinbruch Hinterhör und Fossil einer Austernschale Quellen: - Text: www.geotope.bayern.de, Sindy Köditz, Christina Bonim - Fotos: www.geotope.bayern.de, Postertafeln an den Geotopen, Sascha Noll, René Frank, Christian Gerber 46