Informationsblatt Transfusion related acute lung injury (TRALI) Akutes, nicht kardiogenes, interstitielles Lungenödem, das nach Transfusion auftritt und von Alloantikörpern gegen humane Neutrophilenantigene (HNA) verursacht wird. Häufigkeit Häufigste Ursache der tödlichen immunologischen Transfusionsreaktionen (15 %). Antikörperspezifität Humane Neutrophilenantigene HNA-3a (5b), HNA-1a (NA1), HNA-1b (NA2), HNA-2a (NB1) und humane Leukozytenantigene (HLA) Klasse I, v.a. HLA-A2 auf neutrophilen Granulozyten. Antikörper gegen HLA-Klasse II-Antigene auf Endothelzellen der Lungengefäßendothelien und auf Monozyten können ebenfalls schwere TRALI-Reaktionen hervorrufen. Nach Einführung der Leukozytenreduktion bei Blutpräparaten wird die immunologisch bedingte TRALI-Reaktion nahezu ausschließlich durch Antikörper im Blut des Spenders verursacht, welche mit Leukozyten des Patienten reagieren. Krankheitsbild TRALI ist ein akutes Lungenödem, das im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Gabe eines Blutpräparates (bis max. 6 Std. nach Transfusion) auftritt und mit einer verminderten Sauerstoffkonzentration bzw. -sättigung einhergeht. Die Thorax-Röntgenaufnahme der Lunge weist neue, beidseitige interstitielle Infiltrate auf. Meist werden solche Fälle als TRALI erkannt, die eine mechanische Beatmung erforderlich machen. Eine kardiogene Ursache des Lungenödems oder eine Volumenüberlastung des Kreislaufs sollte auszuschließen sein. Man geht davon aus, dass leukozytäre Antikörper im Spenderblut die Patientengranulozyten aktivieren, die sich im Gefäßbett der Lunge ansammeln und dort das Gefäßendothel schädigen. Allerdings entsteht TRALI nur durch das Zusammenwirken von Antikörpern mit weiteren Faktoren, welche zu einer Voraktivierung des Gefäßendothels der Lungenkapillaren führen. Diese weiteren Faktoren können z.B. Zytokine oder andere lösliche Bestandteile sein, die im Körper des Patienten aufgrund seiner Vorerkrankung gebildet werden. Es wurde oft beschrieben, dass nur ein Blutprodukt von vielen eines Spenders bei Empfängern TRALI verursacht hat. Beispiel: das Blutprodukt aus der 59. Spende einer Blutspenderin verursachte eine TRALI-Reaktion, obwohl bei keinem der 58 von ihr zuvor gespendeten Präparate Transfusionsreaktionen dokumentiert worden waren. Die mutmaßliche Immunisierung der Spenderin durch Schwangerschaft lag mehrere Jahrzehnte zurück. In den meisten Fällen bildet sich das Lungenödem innerhalb von einigen Stunden bis wenigen Tagen vollständig zurück. Bei bis 18 % der Patienten tritt jedoch der Tod innerhalb weniger Stunden oder seltener bis zu einigen Tagen ein. Diagnose Klinik: - Akute Atemnot Auftreten bis max. 6 Stunden nach Bluttransfusion Hypoxämie (PaO2/FiO2 < 300 mmHg oder O2-Sättigung <90% oder andere klinische Hinweise) Bilaterale Lungeninfiltrate in der Thoraxröntgenaufnahme Kein Anhalt für kardiogenes Lungenödem bzw. Volumenüberladung Keine weiteren Risikofaktoren für akute Lungeninsuffizienz (ALI) wie: o - Aspiration, multiple Traumata, Pneumonie, kardiopulmonarer Bypass, Brandverletzungen, Inhalation von Schadstoffen, Lungenquetschungen, akute Pankreatitis, Medikamentintoxikationen, Beinahe-Ertrinken, Schock, Sepsis Wenn ein oder mehrere weitere ALI-Risikofaktoren vorliegen, sollte TRALI als möglich diagnostiziert werden („possible TRALI“). Labor: Unmittelbar nach Transfusion, andauernd bis zu 3 Tagen, tritt meist eine passagere, ausgeprägte Neutropenie oder Granulozytopenie auf. Das Serum oder Plasma des Blutspenders enthält einen Antikörper, der mit Granulozytenproben des Patienten (Minortyp-Crossmatch) und von gesunden Spendern (Panel) reagiert. Seltener enthält das Patientenserum solche Antikörper, die mit Zellen des Blutspenders (MajortypCrossmatch) und anderer Granulozytenaggregationstest, reagieren (Panel). Die -immunfluoreszenztest Reaktionen und/oder werden anderen im speziellen Methoden nachgewiesen. Erforderliches Untersuchungsmaterial Blutprodukte: Plasma direkt aus den involvierten Präparaten Gemäß Absprache zusätzlich je 10 ml Nativ- und Heparinblutproben der Spender. Patient: 10 ml Nativblut und 10 ml Heparinblut. Therapie Intensivmedizinische Behandlung. Die hoch dosierte Gabe von Kortikoiden wird z. T. empfohlen. Rechtliche Aspekte Dokumentation von klinischen und Labordaten. Dokumentation des genauen Zeitpunktes des Anfangs und des Endes der Transfusion, der Blutpräparateart und des genauen Zeitpunktes, zu dem die respiratorischen Symptome beginnen. Nachricht an Transfusionsbeauftragten der Klinik und Transfusionsverantwortlichen sowie Hersteller des Blutprodukts (genaue Daten, die es ermöglichen, den Blutspender aufzufinden). Ein 2009 vom Paul-Ehrlich-Institut erlassener Stufenplan sieht vor, dass keine therapeutischen Plasmen von Frauen mit Schwangerschaftsanamnese verwendet werden dürfen. Ausnahme: Es kann mittels serologischer Diagnostik belegt werden, dass die Spenderin negativ für die entsprechenden Antikörper ist. Wurde ein granulozytenspezifischer (HNA-) Antikörper identifiziert, muss der Spender/die Spenderin zeitlebens von der Spende ausgeschlossen werden. Literatur Bux J. Infusionsther Transfusionsmed (1999) 26: 152 – 157. Danielson C, Benjamin RJ, Mangano MM, Mills CJ, Waxman DA. Transfusion (2008) 48: 2401-2408 Flesch BK, Neppert J. Brit J Haematol (2002) 116: 673 - 676. Grimminger F. Circulation Res (1991) 68: 503 – 512. Leger R. Anesthesiol (1999) 91: 1529 – 1532. Middelburg RA, van Stein D, Briet E, van der Bom JG. Transfusion (2008) 48: 2167 2176 Mueller-Eckhardt C: Transfusionsmedizin. 2nd ed., Springer (1996) (3rd ed. 2004). Neppert J and Mueller-Eckhardt C. Med. Klin. (1989) 84: 9 - 14. Keller-Stanislawski B, Reil A, Günay S, Funk MB. Vox Sang (2009) 98: 70 - 77 Reil A, Keller-Stanislawski B, Günay S, Bux J. Vox Sang (2008) 95: 313 - 317 Sachs U. Transfus Apher Sci (2007) 37: 273 - 282 Sazama K. Transfusion (1990) 30: 583 - 590. Seeger W. Blood (1990) 76: 1438 – 1444. Silliman CC. Transfusion (1997) 37: 719 - 726. Stroncek DF. Transfusion (1997) 37: 886 - 888. v. Witzleben-Schürholz E. Infus Ther Transfusion Med (2000) 27: 208-210. Win N, Chapman CE, Bowles KM, Green A, Bradley S, Edmondson D. Transfus Med (2008) 18: 276 - 280 Auskunft Institut für Transfusionsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Michaelisstraße 5, 24105 Kiel Annahme, Ausgabe, diensthabender Arzt: 0431 597 3233 [email protected] Kiel, III 2007, Prof. J. Neppert, Dr. E. v. Witzleben-Schürholz, Institut für Transfusionsmedizin; überarbeitet V 2010 PD Dr. B. Flesch