Schlaglicht 38 Interleukin-18 als Angriffspunkt antientzündlicher Therapie Heiko Mühl Pharmazentrum Frankfurt (ZAFES), Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main Interleukin-18: Ein konstitutiv exprimiertes pro-entzündliches Zytokin Das lokale Milieu immunregulatorischer Zytokine gilt als wichtiger Parameter, der darüber entscheidet, ob eine Entzündung ausheilt oder in ein chronisches Stadium fortschreitet. Hierbei spielt insbesondere das Gleichgewicht zwischen pro- und anti-entzündlichen Zytokinen eine entscheidende Rolle. Interleukin (IL)-18 ist ein Mitglied der IL-1 Zytokinfamilie, das strukturell und funktionell eng mit IL-1β verwandt ist. Obwohl beide Zytokine an unterschiedliche Rezeptoren binden, teilen sie zentrale Mechanismen der Signaltransduktion, wie die Aktivierung der p38 MAP Kinase sowie des Transkriptionsfaktors Nuclear Factor-κB (NF-κB). Folgerichtig zeigt IL-18, genauso wie IL-1β, pro-entzündliche Eigenschaften. Diese werden besonders deutlich durch die Fähigkeit von IL-18, eine Freisetzung von Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und IL-1β aus mononukleären Zellen des peripheren Blutes (PBMC) vermitteln zu können. Auf diese Weise ist IL-18 in der Lage, eine Zytokinkaskade mit nachgeschalteter Bildung pro-entzündlicher Parameter wie IL-8, induzierbarer NO-Synthase und Matrixmetalloprotease-9 (MMP-9) zu initiieren. Eine herausragende Eigenschaft von IL-18 ist seine Funktion als Co-Stimulus der Interferonγ (IFNγ) Produktion durch T- und natürliche Killerzellen, besonders in Synergie mit IL-12. In dieser Eigenschaft wird IL-1β durch IL-18 bei weitem übertroffen. Entsprechend gilt IL-18 als zentraler Mediator der pro-entzündlichen T Helfer-1 Zytokinantwort. Ein für die Biologie von IL-18 besonders charakteristisches Merkmal ist seine konstitutive Expression in unterschiedlichen Zelltypen, darunter Monozyten/Makrophagen, Synovialfibroblasten und Kolonepithelzellen. Im Gegensatz dazu bedürfen andere wichtige pro-entzündliche Zytokine wie IL-1β und TNFα der Induktion auf Ebene der Genexpression. Dieses besondere Merkmal von IL-18, gepaart mit seiner Fähigkeit zur Induktion von IL-1β und TNFα legt den Schluss nahe, dass IL-18 innerhalb der pro-entzündlichen Zytokinkaskade eine sehr proximale Stellung einnimmt und sich deshalb als besonders aus- sichtsreicher Angriffspunkt immunpharmakologischer Therapie anbietet. Dieser therapeutische Ansatz wird gestützt durch den Nachweis erhöhter IL-18 Spiegel bei den Patienten mit entzündlichen Erkrankungen (Tab. 1). Bei einigen dieser Erkrankungen, z.B. bei juveniler chronischer Arthritis, Psoriasis oder Lupus erythematodes, konnte gezeigt werden, dass IL-18 mit dem Schweregrad des klinischen Bildes korreliert. Aus diesen Vorüberlegungen erschließt sich die Blockade der IL-18 Bioaktivität als aussichtsreiche Strategie zur Behandlung chronisch entzündlicher Erkrankungen. Im Folgenden werden Ansatzpunkte einer Anti-IL18 Pharmakotherapie vorgestellt[1–4]. Tab. 1: Erhöhter Spiegel von IL-18 bei folgenden entzündlichen/autoimmunen Erkrankungen Rheumatoide Arthritis juveniler chronischer Arthritis Lupus erythematodes Psoriasis Morbus Crohn Akute Pankreatitis Allergische Rhinitis Type I Diabetes Arteriosklerose Multiple Sklerosis nachweisbar. Durch seine konstitutive Freisetzung erzeugt IL-18BP gewissermaßen einen Puffer für IL-18, das, wie anzunehmen ist, auch von sterbenden Zellen unter nichtpathologischen Bedingungen freigesetzt wird. Obwohl konstitutiv exprimiert, ist IL18BP auch ein induzierbares Protein. Tatsächlich gehen Entzündungszustände im Menschen mit erhöhten Spiegeln von IL18BP einher. Dies konnte bei Patienten mit Morbus Crohn, Psoriasis und Sepsis nachgewiesen werden. Hauptmediator der Induktion von IL-18BP im Rahmen einer Immunaktivierung ist IFNγ. Da IL-18 wiederum zentraler Mittler der IFNγ Produktion ist, legen diese Befunde den Schluss nahe, dass die Bioaktivität von IL-18 in vivo durch einen IFNγ-abhängigen negativen Rückkopplungsmechanismus kontrolliert wird. Eine Blockade der IL-18-Funktion durch Gabe von IL-18BP im Tierversuch zeigte therapeutische Wirksamkeit bei Kollageninduzierter Arthritis sowie bei experimenteller Kolitis. Dieser protektive Effekt von IL-18BP war begleitet von einer signifikanten Reduktion lokaler Spiegel pro-entzündlicher Zytokine wie IL-1β, TNFα und IFNγ. Diese Studien belegen klar das anti-entzündliche und therapeutische Potenzial von IL-18BP in Tiermodellen chronischer Entzündung. In Übereinstimmung mit diesen Befunden zeigte IL-18BP ebenso anti-entzündliche Eigenschaften in humanen Vollblutkulturen[5–10]. Die vorklinischen Befunde stützen daher deutlich die Hypothese, dass eine Gabe von IL-18BP protektive Funktionen vermitteln kann und bilden die Grundlage für derzeit laufende klinische Studien zum therapeutischen Einsatz dieses Proteins bei der Behandlung von Patienten mit Psoriasis und rheumatoider Arthritis (siehe auch www.serono.com/index.jsp). Sarkoidosis Nephrotisches Syndrom Chronische Herzinsuffizienz β Funktion durch Modulation der IL-18/IL-1β Hemmung der Caspase-1 (Abb. 1B) Myasthenia Gravis IL-18 Bindungsprotein: Gegenspieler von IL-18 und potenzielles Therapeutikum (Abb. 1A) Die Bioaktivität von IL-18 wird durch einen löslichen Rezeptor kontrolliert, der IL-18 mit hoher Affinität bindet und so die Interaktion von IL-18 mit seinem membranständigen Rezeptor effizient blockiert. Tatsächlich ist das so genannte IL-18 Bindungsprotein (IL-18BP) in der Lage, bei nur 2-fachem Überschuss eine 95%ige Inhibition der IL18 Bioaktivität zu erreichen. Wie IL-18, so ist auch IL-18BP ein konstitutiv exprimiertes Gen. Beide Gegenspieler, IL-18 und IL18BP, sind im Serum gesunder Probanden Ebenso wie pro-IL-1β, so wird auch pro-IL18 durch die Protease Caspase-1 prozessiert und auf diese Weise in das biologisch aktive Zytokin überführt[1]. Eine Hemmung der Caspase-1 bei Immunaktivierung und Entzündung erscheint als besonders wirkungsvoll, da diese Strategie auf beide Zytokine, IL-1β und IL-18, abzielt. Tatsächlich sind Caspase-1 Inhibitoren wie Pralnacasan in Tiermodellen der rheumatoiden Arthritis oder des Morbus Crohn anti-entzündlich und therapeutisch wirksam. Leider zeigte sich jedoch das oral verfügbare Pralnacasan bei Patienten mit rheumatoider Arthritis in einer Phase-IIa-Studie weniger aussichtsreich als erwartet. Zwar waren in den Patienten anti-entzündliche Wirkungen nachweisbar, zum Beispiel eine Verminderung BIOspektrum · 1/05 · 11. Jahrgang Schlaglicht der Erythrozyten-Sedimentationsrate oder eine Reduktion der Serumparameter C-reaktives Protein und Serum Amyloid A. Die klinischen Resultate erscheinen im untersuchten Patientenkollektiv hingegen eher als moderat, besonders dann, wenn man die Erfolge der AntiTNFα Therapie bedenkt. Eine mögliche Ursache für diesen Befund liefert das Phänomen der Caspase-1-unabhängigen Reifung von IL-1β und IL-18. Solche alternativen Wege zur Prozessierung beider Zytokine sind sowohl für das murine als auch für das humane System beschrieben worden und könnten durch extrazelluläre Proteasen wie MMP-9, Proteinase-3 und Mastzell-Chymase vermittelt sein. In diesem Zusammenhang ist von besonderem Interesse, dass unter einer Caspase-1 Hemmung eine gesteigerte Freisetzung von pro-IL-1β und pro-IL18 beobachtet wurde. Weiterführende Studien sind notwendig, um die Bedeutung dieser Caspase-1-unabhängigen Wege im humanen System zu charakterisieren[3]. β Die Sekretion von IL-18/IL-1β als potenzieller Angriffspunkt anti-entzündlicher Therapie (Abb. 1C) Trotz intensiver Forschungen sind die molekularen Prozesse, die die Sekretion von IL-1β und IL-18 vermitteln, nur teilweise charakterisiert. Die Freisetzung beider Zytokine scheint über sehr ähnliche, wahrscheinlich sogar gleiche Mechanismen vermittelt zu werden. Eine besondere Rolle nimmt der Purinrezeptor P2X7 ein. Stimulation dieses Rezeptortyps durch extrazelluläres ATP in aktivierten Monocyten/Makrophagen vermittelt durch Induktion eines K+-Efluxes die Caspase-1-abhängige Prozessierung von proIL-18 zu mat-IL-18. Die proentzündliche Rolle dieses Rezeptors konnte durch Untersuchungen an P2X7 defizienten Mäusen in einem Modell der experimentellen Arthritis belegt werden. Interessanterweise wurde kürzlich gezeigt, dass humaBIOspektrum · 1/05 · 11. Jahrgang ne PBMC von Spendern mit eingeschränkter P2X7 Funktion (Glu496Ala Polymorphismus) nach Aktivierung mit LPS/ATP deutlich weniger IL-18 freisetzen. An der P2X7-vermittelten Freisetzung von IL-18 scheint ebenfalls auch der „ATP binding cassette transporter“ vom Typ 1 (ABCA1) beteiligt zu sein. Zellkulturexperimente zeigen, dass Antagonisten des P2X7 Rezeptors, wie KN-62 oder oxATP, genauso wie Inhibitoren von ABCA1 (z.B. Glibenclamid) in der Lage sind, die Sekretion von IL18 effizient zu blockieren. P2X7 und ABCA1 können somit als attraktive potenzielle Angriffspunkte immunpharmakologischer Interventionen zur Kontrolle der IL-1β/IL-18 Sekretion gelten[11–14]. Ausblick Anti-Zytokinstrategien sind seit einigen Jahren wichtiger Bestandteil moderner anti-entzündlicher Therapie. Bei der Behandlung von chronisch-entzündlichen Erkrankungen, wie der Rheumatoiden Arthritis, werden TNFα neutralisierende Antikörper, lösliche TNFα Rezeptoren sowie der IL-1 Rezeptor Antagonist mit teilweise großem Erfolg eingesetzt. Im Allgemeinen sind diese so genannten „Biologicals“ sehr gut verträglich. Andererseits sind proentzündliche Zytokine wichtige Bestandteile der Immunabwehr bei Infektionen. Tatsächlich steigt unter der Hemmung der TNFα Bioaktivität das Risiko der Patienten an opportunistischen Infektionen zu erkranken. Mit einer entsprechend erhöhten Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankheiten ist auch bei einer Blockade der IL-18 Bioaktivität zu rechnen. Ein weiteres Problem der gegen TNFα und IL-1 gerichteten Anti-Zytokintherapie ist die Fraktion der so genannten „Non-Responder“, die je nach Präparat 28-50% der betreffenden Patientenpopulation bildet. Die frühzeitige Identifikation solcher Patienten ist eine wichtige Herausforderung immunpharmakologischer Forschung. ZZZDJRZDGH Schlaglicht 40 A., Novick, D., van Deventer, S., Chvatchko, Y. (2002): IL-18-binding protein expression by endothelial cells and macrophages is up-regulated during active Crohn’s disease. J. Immunol., 168: 3608–3616. [11] Andrei, C., Margiocco, P., Poggi, A., Lotti, L.V., Torrisi, M. R., and Rubartelli, A. (2004): Phospholipases C and A2 control lysosome-mediated IL-1β secretion: Implications for inflammatory processes. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 101: 9745–9750. [12] Mühl, H., Höfler, S., and Pfeilschifter, J. (2003): Inhibition of lipopolysaccharide/ATP-induced release of interleukin-18 by KN-62 and glyburide. Eur. J. Pharmacol., 482: 325–328. [13] Hamon, Y., Luciani, M. F., Becq, F., Verrier, B., Rubartelli, A., and Chimini, G. (1997): Interleukin-1β secretion is impaired by inhibitors of the Atp binding cassette transporter, ABC1. Blood, 90: 2911–2915. [14] Sluyter, R., Dalitz, J. G., and Wiley, J. S. 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L., Dinarello, C. A., Rubinstein, M. (1999): Interleukin-18 binding protein: a novel modulator of the Th1 cytokine response. Immunity, 10: 127–136. [6] Mühl H., and Pfeilschifter J. (2003): Anti-inflammatory properties of pro-inflammatory interferon-γ. Int. Immunopharmacol., 3: 1247–1255. Literatur [7] Paulukat, J., Bosmann., M., Nold, M., Garkisch, S., Kämpfer, H., Frank, S., Raedle, J., Zeuzem, S., Pfeilschifter, J., and Mühl H. (2001): [1] Dinarello, C. A. (1996): Biologic basis for interleukin-1 in disease. Blood, 87: 2095–2147. Expression and release of IL-18 binding protein in response to IFNγ. J. Immunol. 167: 7038–7043. [2] Dinarello, C. A., Novick, D., Puren, A. J., Fan- [8] Hurgin, V., Novick, D., and Rubinstein, M. (2002): The promoter of IL-18 binding protein: activation by an IFN-γ-induced complex of IFN regulatory factor 1 and CCAAT/enhancer binding protein beta. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 99: 16957–16962. tuzzi, G., Shapiro, L., Mühl, H., Yoon, D. Y., Reznikov, L. 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