Mode - KONstruktiv

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Foto: Nieto/Sobejano
EINKAUFSWELTEN
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Als einstimmige Sieger aus dem Wettbewerb für den Dachumbau des Warenhauses
Kastner & Öhler in Graz gingen die spanischen Architekten Nieto/Sobejano hervor.
Der im Jahr 2005 entschiedene internationale Wettbewerb sorgte für einiges Aufsehen.
Erst nach einer Umarbeitung des Entwurfes wurde das Projekt von der UNESCO und
der ICOMOS akzeptiert.
von ANNE MARTISCHNIG
D
ie Entscheidung der Jury wurde nach einer ausführlichen
Diskussion getroffen. Die Verträglichkeit des Projektes mit
dem sensiblen Umfeld der Innenstadt waren die Vorgaben
des Altstadt-Erhaltungsgesetzes sowie das Wiener Memorandum
der UNESCO, das zeitgemäße Architektur ausdrücklich empfiehlt
und pseudohistorische Planungen entschieden ablehnt.
DAS PROJEKT: Bei dem Projekt von Nieto/Sobejano wird ein
tiefgehendes Verständnis für historisch sensible Umfelder sichtbar. Die Unregelmäßigkeit des bestehenden Gebäudes ist der
Ausgangspunkt für den Entwurf. Der Entwurf geht einen Dialog
mit den Baukörpern der Stadt ein, hebt sich dramatisch in die
Höhe, um sich wieder abrupt abzusenken. Es entsteht so auf der
Basis der darunter liegenden Räume eine variantenreiche
Sequenz schlanker Oberlichtbänder. Die beiden höchsten dieser
Bänder bringen natürliches Licht bis in die untersten Geschosse
der Gebäude. So entsteht unter anderem ein Bezug zu dem
Entwurf von Fellner und Hellmer, den ursprünglichen Planern
des Gebäudekomplexes.
Aus den Faltungen der Dachhaut entstehen zwei Terrassen.
Die größere der beiden ist dem Restaurant Feinspitz angeschlossen, das sich in der obersten Etage des Kastners befindet und
bietet einen wunderschönen Blick auf die Dachlandschaft, den
Schlossberg und die Grazer Altstadt. An den Stellen mancher
Technikräume ist die Dachhaut perforiert. Um die umgebenden
Gebäude nicht zu sehr zu beeinträchtigen, wurde das Dach in der
Überarbeitungsphase um ungefähr drei Meter nach unten versetzt. Zusätzlich wurden die Trauflinien des neuen Daches nach
innen versetzt. So liegen, bis auf drei Ausnahmen, sämtliche
Oberlichter unterhalb der geforderten Traufkantenhöhe von
etwa sechs Metern. Die Ausnahmen bilden die zwei Oberlichter
über den Rolltreppen im Norden und Süden des Gebäudes und
ein weiteres Oberlicht an der nördlichen Gebäudegrenze. Die
Höhe dieser Dachgiebel erklärt sich durch den verbesserten
Tageslichteinfall und die dadurch erzeugte Atmosphäre im
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Innenraum des Kastners. Wer fährt nicht gerne mit der Rolltreppe
dem Tageslicht entgegen? Zwecks eines besseren Außenraumbezuges wurde die große Terrasse erweitert und im Süden eine dritte
hinzugefügt. Dadurch bieten sich im Osten, Süden und Südwesten
den Besuchern schöne Ausblicke. Um diese Ausblicke auch den
sich im Inneren des Gebäudes befindlichen Besuchern zu bieten,
INFORMATION
Was ist die UNESCO? Die Organisation der Vereinten Nationen für
Bildung, Wissenschaft und Kultur ist eine internationale Organisation
und gleichzeitig eine der 16 rechtlich selbstständigen UN-Sonderorganisationen. Zu den Aufgaben der UNESCO gehört die Förderung
von Bildung, Wissenschaft, Kommunikation, Information und Kultur.
Weitere Aufgabe ist die Verwaltung des Welterbes der Menschheit, die
durch das World Heritage Committee durchgeführt wird.
Was ist ICOMOS? Das International Council on Monuments and
Sites (ICOMOS) ist der Internationale Rat für Denkmalpflege. Er
wurde 1965 in Warschau gegründet und ist eine Unterorganisation
der UNESCO. ICOMOS setzt sich ein für Schutz und Pflege von
Denkmälern und die Bewahrung des historischen Kulturerbes.
Was ist das Wiener Memorandum? Das Wiener Memorandum ist eine
Leitlinie der UNESCO zum Thema „Entwicklung von Welterbestätten“,
die 2005 im Rahmen einer internationalen Konferenz in Wien verabschiedet wurde. Darin geht es um die Koexistenz von Alt und Neu in
den Städten. Auslöser war eine Diskussion über Hochhäuser um den
Kölner Dom. Das Prädikat „Welterbe“ beruht auf der UNESCOKonvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (1972).
Zweck dieser Konvention ist es, dieses „Kultur- und Naturerbe“ auszuwählen und in einer Welterbeliste zusammenzufassen. Insgesamt
wurden bereits 788 Objekte in 134 Staaten in die Liste eingetragen,
davon 611 Objekte des Kulturerbes, 154 des Naturerbes und 23, auf
die beides zutrifft. Aus Österreich wurden seit 1996 acht Orte aufgenommen: Die Altstädte von Salzburg, Graz und das historische Zentrum von Wien, Schloss und Park Schönbrunn, die Semmeringbahn
sowie die Kulturlandschaften „Hallstatt-Dachstein-Salzkammergut“,
„Wachau“ und – gemeinsam mit Ungarn – „Fertö/Neusiedler See“.
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Fotos: zepp-cam
Ein Grazer
Memorandum?
von CHRISTIAN ANDEXER
ettbewerbe sind die höchste
Kunst der Architektenschaft.
Nicht nur, dass wir ein gutes Projekt
abliefern müssen, sondern das beste
unter mehreren, beurteilt von einer
kompetenten Jury. Wettbewerbe sind
unsere Zertifizierung, unser Referenzkataster.
Der Dachausbau von Kastner &
Öhler, dem Grazer Traditionskaufhaus
und ökonomischem Rückgrat der
alten Stadt von Graz, hat einen international besetzten, geladenen Wettbewerb (natürlich wäre auch ein offener nicht schlecht gewesen) ausgelobt. Eine Jury, zusätzlich besetzt mit
AltstadtexpertInnen, hat das beste
Projekt gefunden, nämlich das der
ArchitektInnen Fuensanta Nieto und
Enrique Sobejano aus Madrid.
Welterbestädte sind eine eigene
Spezies, so geht es z. B. beim Taj
Mahal um die Bewahrung eines Denkmales, bei Städten aber um lebende
sozioökonomische Räume, die einer
ständigen Entwicklungsdynamik unterliegen. Hierzu einige Passagen des
Wiener Memorandums:
„Mit besonderem Augenmerk sollte
garantiert werden, dass die Entwicklung von zeitgenössischer Architektur
in Welterbestätten zu den Werten der
historischen Stadtlandschaft komplementär ist und sich in Grenzen hält,
um den historischen Charakter der
Stadt nicht zu kompromittieren...,
sollten Stadtplanung, zeitgenössische
Architektur und Erhaltung der historischen Stadtlandschaft alle Formen
pseudohistorischer Gestaltung vermeiden, da diese eine Verleugnung des
Historischen und des Zeitgenössischen darstellen. Es soll nicht eine
historische Sicht die andere verdrängen, da Geschichte ablesbar bleiben
muss, während die kulturelle Kontinuität mittels qualitätsvoller baulicher
Eingriffe das höchste Ziel ist.“ (Vienna
Memorandum on World Heritage and
contemporary architecture)
Durch die Wettbewerbsvorberei-
W
o.: Bestandsaufnahme des Kastner & Öhler-Areals;
u.: Mit neuer Dachlandschaft von Nieto/Sobejano.
wird die Dachhaut an den entsprechenden
Stellen perforiert. Die Materialwahl des Daches
wurde nach dem Erstentwurf neu geplant.
Ursprünglich sollte die Ummantelung eine dunkelgraue Färbung erhalten, nach Beratung mit
dem UNESCO-Team wurde eine rötliche Färbung vorgeschlagen, die sich mehr in die umliegende Dachlandschaft einfügt. Als Material stehen eloxierte Bronzegussplatten zur Diskussion.
DIE UMARBEITUNG: Den ursprünglichen
Einwänden der ASVK sowie der UNESCO-Experten wurde Rechnung getragen – das Projekt
wurde von Nieto/Sobejano zum dritten Mal
überarbeitet und adaptiert. Der Architekt
Enrique Sobejano meint hierzu: „Es ist nicht so,
dass man sich auf den Schlips getreten fühlen
muss, wenn man konstruktive Kritik akzeptiert
und einarbeitet.“ In Summe wurde das Projekt
um 35 Prozent verkleinert. Dies entspricht nun
den Vorstellungen der Stadtplanung sowie den
Anforderungen der ASVK. Weiters wurde die
kritisierte Höhe an mehreren Stellen verringert
und mehr Dachterrassenfläche integriert.
Bei Kastner & Öhler ist es schon Tradition,
mit Architekten zusammenzuarbeiten: zunächst
die Kollaborationen mit Fellner und Hellmer;
2003 planten Szyszkowitz Kowalski die neue
Tiefgarage des Warenhauses. Martin Wäg, einer
der Vorstände von Kastner & Öhler, sieht im
internationalen Wettbewerb eine anerkannte
Qualitätssicherung bezüglich baulicher Ästhetik. Er hat sich zusammen mit seinem Partner
Thomas Böck aus diesem Grund für die
Auslobung eines solchen entschieden.
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tung, den Wettbewerb und die Beiziehung von ExpertInnen in der Jury
sind die qualitativen Bedingungen erfüllt worden, aber wer definiert quantitativ darüber hinaus, was ins Welterbe passt? In Graz waren dies
Dr. Wiese von Ofen (UNESCO) und
Dr. Feyjerdy (Icomos). Was verhandelt
wurde ist ein Kompromiss, der für
Kastner & Öhler die Umsetzung des
Projektes sukzessive ermöglichen wird.
Ist aber damit schon alles geklärt?
Kriterien für das Welterbe waren
der „… urbane Komplex, der das historische Zentrum von Graz formt als
herausragendes Beispiel einer harmonischen Integration von architektonischen Stilen aus aufeinanderfolgenden Perioden. Jede Epoche ist mit
typischen Bauten repräsentiert, die
oftmals Meisterstücke darstellen. Die
urbane Physiognomie erzählt glaubhaft die Geschichte der historischen
Entwicklung.“ (Welterbebericht
Graz, Nr. 931)
Stellt nicht die, einen qualifizierten Prozess, gemäß der Agenda des
Wiener Memorandums, durchlaufende
zeitgenössische Architektur a priori
eine Bereicherung des Welterbes dar?
Kann die Herangehensweise an ein
solches Objekt daher nicht positiv
und nicht notwendigerweise kritisch
passieren? Die Chance für die Stadt
Graz besteht darin, aufbauend auf
der Tradition des Altstadtschutzes
und den Definitionen des Welterbes,
Werkzeuge zu entwickeln, die in
einem Managementplan Vorbild für
Welterbestädte weltweit sein könnten. Die Neugestaltung der Dachlandschaft von Kastner & Öhler eignet
sich als gutes Pilotprojekt für eine
Projektentwicklung der Stadt mit der
Architektenschaft im Umgang mit
dem historischen Stadtgefüge als
Ganzes. Dokumentation, Befundung
ist die eine, Entwicklung einer historischen Stadtlandschaft für die Zukunft in einem „Grazer Memorandum“ die andere Sache.
Arch. DI Christian Andexer
ist Architekt in Graz und Mitglied der Grazer Altstadtsachverständigenkommission.
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