52 zement + beton 1_14 | Museen Zentrum für zeitgenössische Kunst Córdoba, Spanien, 2013 Architektur und Text | Nieto Sobejano Arquitectos Bilder | © Roland Halbe Pläne | © Nieto Sobejano Arquitectos Auf einer der Altstadt von Córdoba vorgelagerten Halbinsel steht das kürzlich fertiggestellte Kunstzentrum, das mehr als nur ein Museum sein will. Es präsentiert sich als eine Art Treffpunkt, der Raum bietet für Ausstellungen, Workshops und Debatten. Anstatt eines multifunktionalen neutralen und austauschbaren Baukörpers entwickelten die Architekten bewusst ein Gebäude, das durch seine starke und sehr individuelle Formensprache geprägt ist, eng verknüpft mit der Geschichte des Ortes und seinen Traditionen. Die Architektur nährt sich immer von Bildern, die in unserem Gedächtnis verborgen liegen, von Ideen, die plötzlich klar hervortreten und unerwartet zum Ausgangspunkt für ein Projekt werden. Vielleicht sind auf diesem Weg die in Córdoba vorhandenen Wurzeln maurischer Kultur zu mehr als einer Randnotiz bei unserem Entwurf geworden. Das Zentrum für zeitgenössische Kunst möchte Bezüge bilden anstatt sich in die Homogenität zu fügen, die die Globalisierung produziert. Skeptisch gegenüber der Effizienz und Flexibilität der neutralen und universellen „Container“, wie sie heute so oft eingesetzt werden, haben wir ein Gebäude entworfen, das eng an den Ort und seine Tradition gebunden ist. Schnitte In diesem Bau ist jeder Raum individuell gestaltet, gleichzeitig aber auch wandelbar und die Räume entfalten sich in einer Abfolge verschiedener Dimensionen, Nutzungsmöglichkeiten und räumlicher Qualitäten. Wir haben schon immer die Einfachheit der geometrischen Gesetze bewundert, die die Künstler, Handwerker und Baumeister Córdobas befähigt haben, die vielfältigen und doch isotropen Räume der Moschee zu entwickeln, den facettenreichen Komplex von Kuppeln und Waben, die Permutationen der Ornamentmotive bei Gitterwerken und Pflasterungen, wie auch die Erzählrhythmen, die den Gedichten und Geschichten islamischer Tradition zugrunde liegen. zement + beton 1_14 53 54 zement + beton 1_14 | Museen Das von rohem Sichtbeton geprägte Innere mit seinen massiven trichterförmigen Oberlichtern unterstreicht den Charakter einer Kunstfabrik. In Anlehnung an die literarischen Strukturen, die eine Geschichte in einer anderen verpacken – eine endlose Geschichte – haben wir als Ausganspunkt für das Projekt ein System entwickelt, das auf geometrischen Formen basiert, die im Sechseck ihren Ursprung haben. Es entstanden drei unterschiedliche Raumtypen mit 60, 90 und 150 Quadratmetern. Wie in einem Kombinationsspiel können Permutationen dieser drei Typen Abfolgen verschiedener Räume Grundriss Ebene 0 erzeugen, immer wieder neu kombiniert werden oder einen einzigen Ausstellungsraum bilden. Die Werkstätten der Künstler im Erdgeschoß und die Labors im Obergeschoß schmiegen sich so an die Ausstellungshalle an, dass es keine strikte Trennung zwischen ihnen gibt. In den Werkstätten können Ausstellungen stattfinden, während die Ausstellungsräume als Ateliers für künstlerische Produktionen genutzt werden können. zement + beton 1_14 Axometrien Das Auditorium – die “Blackbox” – das größte Sechseck, ist als szenischer Raum für Theateraufführungen, Konferenzen und Filme konzipiert und kann auch als Raum für audiovisuelle Ausstellungen dienen. Zwei gleichwertige Eingänge im Norden und Süden führen jeweils direkt in ein Foyer, dem sich ein Museumsshop bzw. die Cafeteria anschließt. Der labyrinthische Kern des Gebäudes wird von zwei klaren, länglichen Baukörpern umschlossen. Der zweigeschoßige westliche Riegel beinhaltet Büros, Werkstätten und Ateliers. Im Osten gliedern sich die Mediathek und eine längliche Ausstellungsgalerie an. Das Zentrum für zeitgenössische Kunst in Córdoba ist kein Zentralgebäude. Der Mittelpunkt wandert von einem Raum zum anderen, kann überall sein. Das Konzept ist, dass aneinandergereihte Räume mit einem öffentlichen Bereich verbunden sind, in den all die verschiedenen Funktionen des Gebäudes münden. Als Interaktionsplatz ausgelegt ist dieser allgemeine Bereich für den Austausch von Ideen gedacht: Man kann hier Installationen anschauen, Ausstellungen besuchen, in die Cafeteria einkehren, in der Medienbibliothek recherchieren, auf den Beginn einer Vorführung in der „Blackbox“ warten oder einfach den vorgelagerten Fluss Guadalquivir betrachten. Das von rohem Sichtbeton geprägte Innere mit seinen massiven trichterförmigen Oberlichtern unterstreicht den Charakter einer Kunstfabrik und steht im Kontrast zu den weißen Fassaden des Zentrums, die mit glasfaserverstärkten Betonpaneelen verkleidet sind. Im Inneren schaffen leere Wände, Betonplatten und Fliesenböden eine Raumstruktur, die sich für eine individuelle Umgestaltung durch verschiedene Eingriffsmöglichkeiten anbietet. Ein Netzwerk elektrischer, digitaler, audiovisueller und beleuchtungstechnischer Infrastrukturen erleichtert den Zugang zu Steckdosen und Verbindungen im gesamten Bau. Nach außen präsentiert sich das Gebäude in einem einzigen Material: vorgefertigte Beton-Fiberglas-Paneele. Geschlossene Teile und durchbrochene Fassaden wechseln mit Flachdächern und den geneigten Dächern der Hallen. Das industriegerechte System mit seinen wasserdichten und 55 56 zement + beton 1_14 | Museen isolierenden Eigenschaften sowie der Leichtigkeit des Materials helfen, die Präzision in der Ausführung zu garantieren, die Teil des kombinatorischen Entwurfs ist und das gesamte Projekt durchzieht. Die flussseitige Fassade wirkt wie ein Bildschirm, der die Außenfassade des Gebäudes aktiviert, nur unterbrochen durch diverse polygonale Öffnungen, die mit monochromatischen LED-Strukturen hinterlegt sind. Bilder und Text, generiert durch computergestützte Videosignale, spiegeln sich auf der Wasseroberfläche des Guadalquivir und ermöglichen Installationen, die eigens für diesen Ort entworfen werden. Das Gebäude wird zum Sammelplatz für Künstler, Besucher, Experten, Forscher und Interessierte, zu einem modernen Kultur-Souk, einem Marktplatz wie in Nordafrika oder dem Nahen Osten, ohne offensichtliche Raumhierarchien. Es wird zum Zentrum künstlerischen Schaffens, das den architektonischen Kunstraum eng mit der Öffentlichkeit verbindet: ein offenes Labor, in dem die Architektur zu neuen Ausdrucksformen ermutigen möchte. Der Bau selbst wird zum Dialog anregen und zugleich Teil des Dialogs sein, so wie künstlerisches Arbeiten auf Fragen reagiert, eine Suche beschreibt, die auf Antworten trifft, die wiederum Fragen stellen. Projektdaten: Autoren: Adresse: Plaza Cruz del Rastro, Córdoba, Spanien | Bauherr: Regierung von Andalusien | Architektur: Nieto Sobejano Arquitectos | Projektarchitektin: Vanesa Manrique | Mitarbeiter Architektur: Sebastián Sasse, Beat Steuri, Carlos Ballesteros, Mauro Herrero, Bart de Beer, Alexandra Sobral, Juan Carlos Redondo, Rocío Domínguez, Nik Wenzke, Gilta Koch, Jesús Gijón | Tragwerksplanung: Miguel Mesas Izquierdo, Technischer Architekt, N.B.35, S.L. (Project Structure Consultant), IDI Ingenieros, S.L. (Construction Work Structure Consultant) | Fassadenplanung: Nieto Sobejano mit realities:united | Baufirma: FCC, S.A. | Planung: 2006–2008 | Baubeginn: 2008 | Fertigstellung: 2013 | Materialien: Massivbau, Stahlbeton, Ortbeton, Betonfertigteile | Wettbewerb: 1. Preis 2005 | Nieto Sobejano Arquitectos, S.L.P. Fuensanta Nieto Enrique Sobejano www.nietosobejano.com