Wie psychischer Stress das Immunsystem schwächt

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Wie psychischer Stress das Immunsystem schwächt
Zu viel Stress macht krank - so lautet die weitläufige Meinung. Doch wie genau sich chronische
psychische Belastung tatsächlich negativ auf unseren Körper auswirkt, ist noch nicht
abschließend geklärt. Dieser Frage widmet sich Dr. Annette Sommershof an der Universität
Konstanz. Sie erforscht stressbedingte Veränderungen des Immunsystems und hat dabei
Hinweise dafür gefunden, dass eine direkte Schwächung der Immunabwehr für die erhöhte
Infektanfälligkeit unter Dauerstress verantwortlich ist.
Dr. Annette Sommershof erforscht die Auswirkungen von Stress auf das Immunsystem. © privat
Starke Arbeitsbelastung im Berufsleben, familiäre Probleme, traumatische Erlebnisse – Stress
begegnet uns im Alltag in vielen Varianten. Kurzfristig kann er uns zu gesteigerter Leistung
antreiben. Doch wenn die Stresssituation über einen längeren Zeitraum anhält, kann dies
negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass es
eine wechselseitige Beeinflussung des zentralen Nervensystems, der Psyche und des
Immunsystems gibt. „Zahlreiche Studien bestätigen, dass sich psychische Belastungen direkt
auf das Immunsystem auswirken und damit wahrscheinlich auch einen entscheidenden
Einfluss auf die Entstehung von Krankheiten haben“, erklärt Dr. Annette Sommershof, Biologin
an der Universität Konstanz. Dort arbeitet sie am Lehrstuhl für Immunologie unter der Leitung
von Prof. Dr. Markus Groettrup. Sie beschäftigt sich mit Veränderungen des Immunsystems
unter dem Einfluss von Stress.
Um seine Energie für eine überlebensnotwendige Kampf- oder Fluchtreaktion konzentrieren zu
können, fährt der Organismus in Belastungssituationen das Immunsystem durch
Stresshormone wie Cortisol vorübergehend herab. „T-Lymphozyten, welche darauf spezialisiert
sind, fremde Organismen oder kranke Zellen im Körper zu erkennen und abzutöten, scheinen
besonders empfindlich auf diese Signale zu reagieren“, schildert Annette Sommershof. Wird
diese zelluläre Immunantwort beeinträchtigt, führt das zu einer erhöhten Anfälligkeit
gegenüber Infektionen durch Viren, Bakterien und andere Pathogene. Wie genau die
zugrundeliegenden Wirkmechanismen für diese Unterdrückung der Immunabwehr sind, ist
aber noch unklar. Dies wird von Sommershof und ihren Kollegen untersucht. „Wir gehen
beispielsweise der Frage nach, ob im Verlauf einer Infektion virusspezifische T-Zellen in
chronisch gestressten Individuen fehlen oder ob sie zwar vorhanden, jedoch in ihren
spezifischen Effektor-Funktionen eingeschränkt sind“, erläutert sie.
Traumatisierte Immunabwehr
Für ihre Studien analysiert Sommershof Blutproben von Patienten, die unter einer
posttraumatischen Belastungsstörung (engl. posttraumatic stress disorder, PTSD) leiden, wie
sie beispielsweise bei Unfall- oder Kriegsopfern auftreten kann. „Trauma-Patienten zeichnen
sich durch eine außerordentlich hohe Stressbelastung aus, die mit bestimmten Veränderungen
der Immunparameter korreliert“, erläutert die Forscherin. Sie konnte zeigen, dass die
Patienten weit weniger naive, also noch nicht spezialisierte T-Zellen im peripheren Blut
aufwiesen, die für die Abwehr von unbekannten Erregern zuständig sind. Auch war bei ihnen
die Anzahl sogenannter regulatorischer T-Zellen um die Hälfte verringert. Diese sind essenziell
für die Aufrechterhaltung der Selbsttoleranz.
Über ihre Rolle im Kontext von chronischem Stress ist bisher aber noch wenig bekannt. „Die
von uns festgestellten, erheblichen Veränderungen der peripheren T-Zell-Populationen sind
vermutlich eine Ursache für die reduzierte Immunabwehr, die erhöhte Infektanfälligkeit und
eine verstärkte Entwicklung von Autoimmunerkrankungen bei den traumatisierten Patienten“,
erklärt sie. Ob sich diese Erkenntnisse auch auf chronischen Stress in unserem Alltag
übertragen lassen, ist Gegenstand eines aktuellen Forschungsprojekts, das sich mit den Folgen
von Examensstress bei Studenten beschäftigt. „Dabei konnten wir bereits teilweise identische
Einflüsse auf die Zusammensetzung der peripheren T-Zell-Population beobachten“, so
Sommershof.
Erhöhte Infektionsgefahr in Belastungssituationen
Während diese Humanstudien wichtige Erkenntnisse darüber liefern, welche Veränderungen im
Immunsystem zur reduzierten Immunabwehr und erhöhten Infektanfälligkeit führen, sind
damit doch keine Rückschlüsse möglich, wie es durch Stress überhaupt zu diesen
Veränderungen kommt. Darum arbeitet Annette Sommershof auch mit Maus-Modellen, um
mechanistische Einblicke in den Zusammenhang von chronischem Stress und
Mittels Durchflusszytometrie wird bestimmt, wie sich der Immunzell-Pool im Blut der Probanden zusammensetzt. ©
privat
Immunsuppression zu gewinnen.
In diesen Experimenten wird eine dominante, aggressive Maus zu einer bestehenden
Mäusegruppe gesetzt. Dies stört die Rangordnung und löst Kämpfe um den sozialen Status
und damit sozialen Stress bei den Tieren aus. Anschließend wird die Immunreaktion der Mäuse
auf eine Infektion getestet. „So versuchen wir, die Wirkungskette aufzuklären, durch die Stress
Einfluss auf die zelluläre Immunabwehr nimmt und die Antwort des Körpers auf Infektionen
beeinträchtigt“, erläutert Sommershof.
Bei den sozial gestressten Mäusen konnte sie eine Fehlfunktion der T-Lymphozyten feststellen,
wodurch diese bei einer Virusinfektion weniger stark aktiviert wurden und sich weniger teilten.
„Das sind beides wichtige Voraussetzungen für die zelluläre Immunantwort und damit die
Bekämpfung der Infektion, ohne die das Immunsystem mit dem Virus nicht zurechtkommt“,
schildert Sommershof. Ob eine veränderte Aktivierung und Teilung der T-Lymphozyten auch
direkt für die veränderte Zusammensetzung der peripheren T-Zell-Populationen verantwortlich
ist, die bei traumatisierten Patienten gefunden wurde, wird sich aber erst durch weitere
Untersuchungen feststellen lassen.
Neben einem besseren Verständnis der Zusammenhänge zwischen Stress und Immunsystem
könnte die Forschung von Sommershof auch neue Biomarker für die Medizin hervorbringen,
mit denen stressbedingte Beeinträchtigungen der Immunabwehr einfach und zuverlässig
beurteilt werden können. „Anhand dieser Indikatoren wäre beispielsweise eine Entscheidung
möglich, wann aus immunologischer Sichtweise der richtige Zeitpunkt für Impfungen oder
belastende Immuntherapien ist“, erklärt die Forscherin abschließend.
Fachbeitrag
30.03.2015
Bettina Baumann
BioLAGO
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Dr. Annette Sommershof
Lehrstuhl für Immunologie
Universität Konstanz
E-Mail: annette.sommershof(at)uni-konstanz.de
Lehrstuhl für Immunologie, Universität Konstanz
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Neue Trends in der Immunologie
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