Unerwünschte Mitbewohner - Rheinlands Reiter+Pferde

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Katja Hinzberg
Unerwünschte Mitbewohner
Foto: Brandel/HiM
J
ede Jahreszeit bringt ihre speziellen
parasitären Belastungen mit sich.
Haarlinge, Milben, Zecken und
Wurmbefall kommen in den besten Ställen vor und sorgen für Kummer und meist
hohen Arbeitsaufwand.
Wenn Pferde sich viel kratzen, nervös
herum laufen, mit den Hufen aufstampfen oder gar einen Leistungsabfall und Müdigkeit zeigen, können
kleine Plagegeister die Ursache sein
– winzige Krabbeltiere, die sich von
Hautschuppen, Gewebeflüssigkeit
oder Blut ernähren, mit ihrem Speichel allergische Reaktionen verursachen und dem geplagten Pferd im
wahrsten Sinne des Wortes den letzten Nerv rauben. Im fortgeschrittenen Stadium entdeckt man winzige
Knötchen, Pusteln und Krusten am
Kopf, an Mähnenkamm und Schweifrübe, an den Beinen, in den Ohren
oder an den weniger behaarten Körperstellen zwischen den Schenkeln
und um die Nüstern. Bleibt die Plage
länger unbehandelt, gibt es kahle
Scheuerstellen, an denen das Pferd
sich so kratzen kann, dass es blutet,
und die Wunden sich entzünden
können. Früher hatte man für all das
einen Oberbegriff, der landläufig
noch oft zu hören ist: Räude. Zeigt Ihr
Pferd solche Symptome, ist es wichtig, dass der Tierarzt herausfindet,
um welche Parasiten es sich handelt.
Denn gegen die unbeliebten Mitbewohner gibt es viele wirksame Mittel
- man muss aber das richtige Präparat wählen und dieses richtig anwenden.
Haarlinge
Nach langen Wintern im Stall sind es
oft Haarlinge, die bevorzugt Pferde
mit langem, ungepflegtem Fell heimsuchen. Die bis etwa zwei Millimeter
großen Krabbeltiere saugen kein Blut
und ernähren sich von Hautschuppen. Da Haarlinge ein sehr lauffreudiges Völkchen sind, führt das ständige Krabbeln im Fell bei den Pferden
zu Juckreiz und Nervosität bis hin zu
Schlafmangel. Man hat gute Chancen, die beige-braunen Haarlinge
mit dem bloßen Auge zu erkennen,
wenn man in der Nähe des Mähnenkamms das Haar scheitelt.
Haarlings-Weibchen legen ihre Eier
gern im Langhaar ab und kleben sie
dort mit einer weißlichen Masse fest,
die man bei dunklen Pferden gut erkennen kann. Haarlinge sind recht
wirtstreu. Das bedeutet, dass es nicht
unbedingt erforderlich ist, bei einem
Befall mit Haarlingen die Umgebung
des Pferdes penibelst zu reinigen.
Dennoch sollte der direkte Körperkontakt zwischen befallenen und
nicht befallenen Tieren vermieden
werden, und Gegenstände, die intensiven Kontakt zum Fell haben wie
Bürsten und Decken, 24 Stunden
eingefroren oder mit einem entsprechenden Insektizid eingesprüht und
über Nacht in zugebundenen Müllsäcken gelagert werden. Die Übertragungsgefahr auf Menschen ist
gering, da Haarlinge eindeutig Fellträger bevorzugen – aber völlig ausgeschlossen ist es nicht, dass sich ein
Krabbeltier im Kopfhaar des Men-
schen wohlfühlt. Da Haarlinge kein
Blut saugen, erreicht man sie kaum
mit Wirkstoffen, die von innen heraus arbeiten. Haarlingen rückt man
am besten mit großflächig aufzutragenden Präparaten oder Waschlösungen zu Leibe, die einen Wirkstoff
aus der Gruppe der Pyrethroide oder
Phoxim enthalten, wie z.B. die Wellcare-Emulsion, oder das vom Tierarzt umzuwidmende Sebacil. Auch
Butox, das als pur-on für
Rinder verwendet wird
und vom Tierarzt entsprechend umgewidmet
werden kann, enthält einen Wirkstoff aus dieser Gruppe.
Da Butox jedoch nur über die Rückenlinie aufgetragen wird und sich
dann über das Unterhautfettgewebe
verteilt, sagt man ihm eine nicht
ganz so effektive Wirkung auf Haarlinge nach. Die beste Vorbeugung
gegen Haarlinge ist die Kontrolle
neuer Tiere, die in den Bestand kommen, und das Vermeiden von direktem Körperkontakt zu fremden Pferden. Leider werden Haarlinge auch
von anderen Säugetieren und sogar
Vögeln übertragen, so dass ein wirklich effektiver Schutz nicht möglich
ist.
Milben
Milben gibt es immer und überall.
Sie leben im Heu, Gras, Erdreich,
Stroh und sogar auf unseren Tieren.
Sie werden durch Vögel, den Hofhund und Mäuse eingeschleppt und
übertragen, ein Befall ist insbesondere für abwehrgeschwächte Tiere
extrem ansteckend. Darum sind
auch Hygienemaßnahmen wie die
Behandlung von Decken und Bürsten mit Insektiziden, das Vernichten
der Einstreu usw. langfristig
kein effektiver Schutz,
sondern nur
im
Akutfall das Mittel der Wahl, um
eine
schnelle
Neu-Infektion zu
verhindern. Man
kann sein Pferd
nur vor einem
Mi l b e n - B e f a l l l
schützen, indem
man es gesund
erhält, das Immunsystem stärkt
und auf eine aus-
Parasiten
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gewogene Versorgung mit Vitaminen
und Mineralien achtet – insbesondere Zinkmangel spielt bei Milbenbefall eine zentrale Rolle. Milbenbefall
ist immer ein Alarmzeichen für
schlechte Haltung, eine Abwehrschwäche oder Mangelernährung.
Auch ein nicht intaktes Hautklima,
vielleicht resultierend aus einem Leber- oder Darmproblem, oder ein
gestörter Stoffwechsel können bei
Milbenbefall eine ursächliche Rolle
spielen. Das ist auch der Grund, warum im gleichen Stall manche Pferde
betroffen sind und andere nicht.
Alle in unserer Region vorkommenden Milben-Arten sind deutlich kleiner als Haarlinge und mit bloßem
Auge nicht zu erkennen. Die einzige
Ausnahme bildet die Herbstgrasmilbe, die im adulten Stadium bis zu 1,7
mm groß werden kann. Auch ihre
orangefarbenen Larven sind insbesondere auf hellen Oberflächen, von
denen sie sich angezogen fühlen,
recht gut sichtbar. Der Name „Herbstgrasmilbe“ täuscht, denn bereits ab
April kann sie unsere Pferde mit ihren Beißwerkzeugen ganz schön plagen und mit ihrem Speichel böse
allergische Reaktionen hervor rufen.
Die Herbstgrasmilbe sitzt bei feuchtem Wetter im bis zu kniehohen Gras
und wartet auf ihr Opfer. An extrem
trockenen Tagen zieht sie sich in die
Erde zurück. Beisst sie zu, saugt sie
über mehrere Stunden Gewebsflüssigkeit, Lymphe und manchmal auch
Blut, um dann gesättigt abzufallen
und eine gelbe, juckende Kruste zu
hinterlassen, die je nach Infektionsanfälligkeit und Allergieneigung des
Pferdes nach einigen Tagen verschwindet oder zu einem ausgewachsenen Problem werden kann,
das sogar tierärztlich behandelt werden muss. Da die Herbstgrasmilbe
durch die Haut hindurch beisst, bekämpft man sie am besten mit Präparaten, die von innen wirken. Die
zwei- bis dreimalige Applikation von
Butox oder einem systemisch wirkenden Mittel aus der Gruppe der
Avermectine im Wochenabstand ist
hier ebenso sinnvoll, wie das
vorbeugende Einreiben
oder Einsprühen mit einem abschreckend wirkenden Repellent (Fliegenspray,
Autan
etc.).
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Die Sarkoptesmilbe befällt den ganzen Körper und gräbt Gänge in die
Pferdehaut, in die sie ihre Eier ablegt.
Die Anzeichen für einen Befall mit
Sarkoptesmilben sind vielfältig und
können von leichtem Juckreiz über
Knötchen und entzündliche Schwellungen bis hin zu größflächig kahlen,
blutig gekratzten Stellen reichen. Da
diese Milbenart sich in die Haut ihres
Wirts regelrecht hinein frisst, ist die
Behandlung von innen – so wie bei
den Herbstgrasmilben – Erfolg versprechend.
Chorioptes-Milben befallen gern
Pferde mit viel Fesselbehang wie
Friesen und Tinker. Ein Befall wird
oft mit Mauke verwechselt – oder ist
die Ursache dafür. Die befallenen
Pferde stampfen mit den Hufen auf,
nagen sich die Fesseln und Röhrbeine wund und bekommen gelbliche
Krusten, die zu entzündlichen
Schwellungen oder gar zum Einschuss führen können. Da diese Milbenart auf der Haut und in den Haaren lebt, behandelt man sie am besten mit mehrfachen äußerlichen
Anwendungen wie die Haarlinge.
Zecken
Dass Zecken weit mehr sind als unliebsame Fell-Bewohner auf Zeit, ist
mittlerweile überall bekannt. Die
kleinen Blutsauger können Borreliose und Ehrlichiose übertragen – beides sind hartnäckige Infektionskrankheiten, deren Krankheitsbild
sehr vielfältig sein kann, was die Diagnose recht schwierig macht. Die
Behandlung ist aufwändig und nicht
ohne Nebenwirkungen (Antibiotika).
Es ist daher sinnvoll, das Pferd vor
einem Zeckenbefall zu schützen.
Zecken leben an Waldrändern, in der
Nähe von Feuchtgebieten, in Büschen und in hohem Gras. Ein kurzer
Bewuchs und das Auszäunen von
Weideteilen am Waldrand können
also eine gute Zecken-Vorbeugung
sein. Da die Krankheitserreger erst
bis zu zwölf Stunden nach dem Biss
durch den Zeckenspeichel übertragen werden, kann man einer Infektion durch zweimal tägliches sorgfältiges Absuchen und Entfernen der
Zecken mit einer speziellen Zeckenzange effektiv entgegen wirken. Als
Langzeit-Schutz bietet sich das Puron-Präparat Butox an, das für Rinder
zugelassen ist und vom Tierarzt umgewidmet werden kann.
Foto: Rühl/HiM
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Parasiten
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Würmer
Mischbeweidung mit Pferden und Rindern hilft im Kampf gegen Parasiten.
Foto: Brandel/HiM
Darmparasiten sind bei Pferden ein ernst zu nehmendes Problem.
Leistungsabfall, struppiges Fell und Abmagern sind die harmlosen
äußeren Erkennungszeichen bei einer starken Verwurmung. Perforierte Magen- oder Darmwände, die in Folge der Schäden reißen
können, und tödlich endende Koliken gehen auf das Konto der
Ektoparasiten.
Jeder kennt die kleinen gelben Punkte, die zum Ende des Sommers
hin am Pferdefell kleben – dies sind die abgelegten Eier der Dasselfliege, die das Pferd dann bei der Fellpflege oder dem freundschaftlichen Fellkraulen übers Maul aufnimmt. Oft sind diese
Larven für schmerzhafte Verletzungen der Maulschleimhaut verantwortlich. Wandernde Dassellarven können nahezu jede Stelle
im Körper erreichen, sich dort einnisten, verkapseln und böse
Schäden hervorrufen. Im Extremfall bahnen sich Dasseln Wochen
und Monate nachdem sie ihr „Zuhause Pferd“ bezogen haben, in
Form einer schmerzenden dicken Beule den Weg durch die Haut
nach außen.
Schützen und vorbeugen kann man nur durch eine gute Stall- und
Weidehygiene. Tägliches Misten und regelmäßiges Abäppeln der
Weiden und Ausläufe sind sehr wichtig. „Nach der Wurmkur ist vor
der Wurmkur“ – man kann lediglich den Parasitendruck minimieren, indem man den gesamten Pferdebestand möglichst gleichzeitig entwurmt. Eine erneute Verwurmung verhindern kann man
nicht. Für Pferde als Entwurmungsmittel zugelassen sind vier verschiedene Wirkstoffgruppen, von denen einer mittlerweile kritisch
betrachtet wird, weil insbesondere Strongyliden (Palisadenwürmer) teilweise resistent gegen den Wirkstoff sind.
Resistenzen - wie kann
es dazu kommen?
Mit Kotproben können Darmparasiten nachgewiesen werden.
Foto: Brandel/HiM
Blutsaugende Krankheitsüberträger: Zecken.
Foto: Brandel/HiM
Gegen Haarlinge und Milben helfen oft nur äußere Anwendungen wie
Waschungen.
Foto: Wentscher/HiM
Das Thema Resistenzen ist eine sehr wichtige Angelegenheit,
schließlich geht es um die Wirksamkeit von Medikamenten. Resistenzen entstehen dann, wenn Medikamente zu niedrig dosiert
werden, so dass – wie im Fall der Wirkstoffgruppe der Benzimidazole – die Würmer zwar angegriffen, aber nicht getötet werden, und
aus diesem Angriff gestärkt und widerstandsfähiger hervorgehen.
Die Verantwortung, dass das nicht auch mit anderen Wirkstoffgruppen passiert (übrigens gilt dies bei Antibiotika ebenso) liegt
in unserer Hand: Wir müssen Wurmkuren ausreichend hoch dosieren. Leider unterschätzen viele Pferdebesitzer das Gewicht ihrer
Tiere oder greifen aus Unwissenheit oder Sparsamkeit zur herkömmlichen Wurmkur, die je nach Präparat nur für Tiere bis 450,
540 oder 600 kg dimensioniert ist. Dabei erreichen große, kräftige
Pferde problemlos auch die 800 Kilo-Marke. Kaltblüter und Shirehorses können sogar bis zu 1.200 Kilo auf die Waage bringen.
Bei einer normalen Bestandsdichte hat sich ein EntwurmungsSchema von vier Wurmkuren pro Jahr in der Praxis bewährt. Nur
in Ausnahmefällen (kleine, nicht wechselnde Bestände, extrem
große, möglichst mit Rindern im Wechsel beweidete Flächen, Kontrolle durch Kotuntersuchungen) kann man guten Gewissens weniger häufig zur Wurmkur greifen. Das Entwurmungs-Schema
beginnt im April, kurz bevor die Weiden geöffnet werden. Hierzu
empfiehlt sich eine Wurmkur mit einem Wirkstoff der Benzimidazole oder mit Pyrantel. Im nächsten (Sommer-) Quartal wird diese
Wurmkur wiederholt. Bereits im Oktober ist eine Entwurmung mit
einem Wirkstoff aus der Gruppe der Ivermectine sinnvoll, da es
jetzt schon zu einem Befall mit Dassellarven kommen kann. Früher war es weit verbreitet, die Winter-Wurmkur im Dezember „zu
Nikolaus“ zu geben oder nach dem ersten harten Frost. Diese Praxis ist mittlerweile überholt. Ein relativ neuer Wirkstoff aus der
Gruppe der Ivermectine ist das Moxidectin, das sich im Fettgewebe einlagert und verzögert freigegeben wird. So sichert der Hersteller eine längere Wirkdauer zu. Außerdem soll Moxidectin die Parasiten in allen Entwicklungsstadien abtöten, so dass eine höhere
Wirkdichte erreicht wird. Bei Verwendung einer Wurmkur mit diesem Wirkstoff reichen u. U. drei statt vier Entwurmungen pro Jahr
aus. Zum Jahresbeginn wird dann diese Wurmkur wiederholt und
ggf. ergänzt durch eine Wurmkur gegen Bandwürmer mit dem
Wirkstoff Praziquantel oder man greift gleich zu einem KombiPräparat mit Ivermectin oder Moxidectin und Praziquantel.
Unsere vierbeinigen Sportkameraden brauchen also unbedingt
unsere sachkundige Unterstützung im Kampf gegen die unerwünschten Mitbewohner im Fell und im Darm. Ihr Tierarzt wird
Sie dabei mit Rat, Tat und den richtigen Präparaten unterstützen.
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