622 VI Praktische Ernährungsmedizin 47 Alternative Kostformen Fehlernährung ist in der Bevölkerung weit verbreitet. Aus diesem Grund werden von verschiedensten Seiten immer wieder unterschiedliche Empfehlungen für eine veränderte Ernährungsweise ausgesprochen. Obwohl die institutionelle Ernährungsaufklärung und -beratung, in erster Linie durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) mit ihren „10 Regeln für eine vollwertige Ernährung“ (s. Tab. 44.3), optimale und vor allem wissenschaftlich fundierte Empfehlungen anbietet, sind immer mehr Menschen auf der Suche nach anderen Ernährungsformen. Sogenannte alternative Kostformen haben Hochkonjunktur. Dieses Phänomen sollte ernst genommen und genauer betrachtet werden. Hintergründe und Bedeutung Es gibt kaum eine Disziplin wie die Ernährungswissenschaft, in der sich so viele Pseudoexperten mit Experten in der Öffentlichkeit darüber auseinandersetzen und streiten, was nun die richtige „Lehre“ sei. Leider verkündigen nicht nur Bücher, sondern auch Experten Widersprüchliches; Zeitschriften, Funk und Fernsehen und nicht zuletzt die Werbung übertreffen sich gegenseitig mit Ratschlägen und Empfehlungen. Viele Menschen sind verunsichert und beklagen die zum Teil verwirrenden Behauptungen in den Aufklärungsbemühungen um eine gesunde Ernährung. Bei vielen Anhängern von alternativen Kostformen dürfte zu dieser Verunsicherung noch ein Mißtrauen gegenüber dem technischen Fortschritt hinzukommen, das auch die Schulmedizin einschließt. Es fügen sich die Lebensmittelskandale der letzten Jahre an und die Angst vor „Chemie“ und Genmanipulation in unseren Lebensmitteln. Nicht zuletzt hat die zunehmende Umweltzerstörung dazu beigetragen, daß bei bestimmten Bevölkerungsgruppen der Wunsch nach einer natürlicheren Ernährungs- und Lebensweise gewachsen ist und für ein ganzheitliches Verständnis von Ernährung und Gesundheit plädiert wird. Betrachtet man den Boom der auf dem Markt befindlichen Ratgeber, scheinen extreme Ernäh- rungskonzepte an Anhängerschaft zu gewinnen. Aktuelles Beispiel ist die ungeheure Publizität des Programms Fit for Life des amerikanischen Ehepaares Diamond. Titel wie „Unsere Nahrung – unser Schicksal“ oder der „Makrobiotische Weg“ sind eine Mischung aus Weltanschauung, Erfahrungswerten und Heilslehren, oft gepaart mit Geschäftssinn. Der Erfolg mag darin begründet sein, daß neben Sicherheit auch Schönheit, Gesundheit und Lebensfreude versprochen werden. Statt einen wissenschaftlich begründeten Wirksamkeitsnachweis zu liefern, berufen sich die Verfechter dieser Kostformen auf subjektive Erfahrungswerte und die Beschreibung positiver Einzelfälle. Neben diesen ganzheitlich begründeten Kostformen, die meist auch mit einer bestimmten Lebensphilosophie oder Weltanschauung einhergehen, gibt es noch unzählige Schlankheitskuren, sogenannte Blitz- und Crashdiäten, die zu den Außenseitern gezählt werden. „Abnehmen ohne zu hungern“, „Sieben Pfund in einer Woche“ oder „Schlemmen Sie sich für immer schlank“ lauten die Versprechungen an die meist weibliche Zielgruppe, ohne Mühe schnell und dauerhaft schlank zu werden. Definition des Begriffs Außenseiterdiäten Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs Außenseiterdiäten. Leitzmann beschreibt sie wie folgt: „Unter der Bezeichnung Außenseiterdiäten werden Kostformen mit sehr unterschiedlichem Nährstoffgehalt zusammengefaßt, die aus verschiedenen Gründen, z. B. medizinischen (Entschlackung), kosmetischen (Gewichtsreduktion), ökologischen (Schonung natürlicher Ressourcen), empfohlen und verzehrt werden. Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind diese Diäten sehr unterschiedlich zu bewerten, da sie eine breite Palette umfassen, die von soliden wissenschaftlichen über vertretbare, ungünstige, unsinnige bis zu gefährlichen Begründungen reichen.“ Der Übergang zwischen Ernährungsformen, die als alternative Kostformen diskutiert werden, und den Außenseiterdiäten ist fließend. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. H. Strube Merkmale alternativer Kostformen und Außenseiterdiäten Kennzeichnend für die meisten Kostformen ist, daß deren Propagandisten – im Unterschied zur institutionellen Ernährungsberatung – sehr geschickt eher eine Heilslehre oder eine bestimmte Weltanschauung verbreiten, als ein sachlich begründetes, wissenschaftliches Ernährungsprogramm. Die in Aussicht gestellte Gewichtsreduktion ist dabei noch harmlos; unverantwortlich wird es, wenn Außenseiterkonzepte, wie bei Bruker oder Hay, die Heilung bestimmter Leiden versprechen. Keine Ernährungsform kann das leisten, und gefährlich wird es, wenn Patienten und Patientinnen dadurch möglicherweise eine notwendige medikamentöse Therapie vernachlässigen oder versäumen. Vorurteilsfrei muß aber gesagt werden, daß gerade die in alternativen Kostformen favorisierten lactovegetabilen Formen ernährungsphysiologisch günstiger sind als die viel zu fette und eiweißreiche deutsche Hausmannskost. Hinzu kommt, daß viele ihrer Anhänger und Anhängerinnen auch einen gesunden Lebensstil pflegen, d. h. sie verzichten auf Genußmittel wie Alkohol und Nikotin. Noch vor einigen Jahren wurde die undogmatische Vollwerternährung nach Leitzmann aufgrund ihres ganzheitlichen Ansatzes als Außenseiterkost eingestuft. Heute ist die Vollwerternährung nach Leitzmann als fortschrittliches, ganzheitliches Ernährungskonzept nicht nur wegen der Berücksichtigung der Gesundheitsverträglichkeit, sondern auch wegen der Umwelt- und Sozialverträglichkeit anerkannt. Grundlagen der Vollwerternährung (nach Leitzmann) Vollwerternährung ist eine überwiegend lactovegetabile Ernährungsweise, bei der gering verarbeitete Lebensmittel bevorzugt werden. Die hauptsächlich verwendeten Lebensmittel sind Vollkornprodukte, Gemüse und Obst, Kartoffeln, Hülsenfrüchte sowie Milch und Milchprodukte – aber auch geringe Mengen an Fleisch, Fisch und Eiern. Etwa die Hälfte der Nahrungsmenge besteht aus unerhitzter Frischkost. Die Zubereitung erfolgt schonend mit wenig Fett aus frischen Lebensmitteln. Lebensmittel mit Zusatzstoffen sollen vermieden werden. Statt dessen sollte man möglichst ausschließlich Erzeugnisse aus aner- 623 kannt ökologischer Landwirtschaft verwenden sowie Erzeugnisse aus regionaler Herkunft unter Berücksichtigung der Jahreszeit. Weiterhin werden unverpackte oder umweltschonende Lebensmittel bevorzugt. Außerdem werden landwirtschaftliche Erzeugnisse vorgezogen, die unter sozialverträglichen Bedingungen erzeugt, verarbeitet und vermarktet werden (u. a. fairer Handel mit Entwicklungsländern). Mit der Vollwerternährung sollen hohe Lebensqualität – besonders Gesundheit – , Schonung der Umwelt und soziale Gerechtigkeit weltweit gefördert werden. Sogar der Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung von 1992 bestätigt, „daß Personen, die sich nach den Richtlinien der Vollwerternährung ernähren, den Empfehlungen und Regeln der DGE näher kommen als die Kontrollgruppe, die in ihrem Ernährungsverhalten dem Durchschnitt der deutschen Bevölkerung entspricht“. Beweggründe und Zielgruppen Welches sind die Gründe, die viele Menschen und auch Patienten in der Arztpraxis dazu bewegen, sich einer dieser Kostformen zuzuwenden? Gesundheitliche Gründe Wer an einer ernährungsabhängigen Gesundheitsstörung leidet, wie z. B. Arteriosklerose, Gicht, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes mellitus, oder von Krebs und Rheuma betroffen ist, macht sich eher Gedanken über eine Änderung der Ernährung als gesunde Menschen. Ökologische Gründe Als Konsequenz aus der Umweltzerstörung bevorzugt eine andere Gruppe eindeutig Lebensmittel aus dem ökologischen Anbau. Diese Menschen betrachten auch die Welternährungspolitik kritisch und verzichten weitgehend auf den Konsum von Fleisch oder schränken den Verzehr ein, weil sie einen hohen Fleischkonsum im Zusammenhang mit dem Welthungerproblem sehen. Geistig-weltanschauliche Gründe Hierzu gehören beispielsweise Anthroposophen, die unter anderem durch eine gezielte Lebensmittelauswahl eine optimale Bewußtseinsentwick- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 47 Alternative Kostformen VI Praktische Ernährungsmedizin lung erreichen wollen und ein bewußteres Leben im Einklang mit der Natur anstreben. Kosmetische Gründe Als Schönheitsideal unserer Tage gilt: Schlank ist schön und man – besonders Frau – muß dünn und dynamisch sein, um erfolgreich zu sein und geliebt zu werden. Dieses fragwürdige Bild wird uns täglich in den Medien vorgegaukelt. Einseitige Schlankheitskuren sowie obskure Blitz- und Crashdiäten haben besonders bei jungen Frauen zu einem problematischen Eßverhalten und Eßstörungen geführt. Bewertungskriterien Als Grundlage für die ernährungsphysiologische Bewertung der Kostformen werden die DGEEmpfehlungen für eine vollwertige Ernährung nach folgenden Kriterien verwendet: 앫 Deckung des Bedarfs an essentiellen Nährstoffen 앫 Berücksichtigung und Deckung des Energiebedarfs 앫 Eignung als Dauerkost für gesunde Erwachsene Viele weltanschaulich-philosophische oder ganzheitliche Aspekte, z. B. das Streben, Körper, Geist, Seele und Kosmos in Harmonie zu bringen, entziehen sich einer wissenschaftlichen Bewertung. Zur Differenzierung müssen weitere Fragestellungen berücksichtigt werden, denn sonst ist es schwer möglich, diese Kostenformen pauschal mit dem Etikett „empfehlenswert“ oder „nicht empfehlenswert“ zu versehen: 앫 Wird eine Diät als Dauerkost propagiert, z. B. als Teil einer Lebensweise, oder nur kurzfristig zur Gewichtsreduktion? 앫 Wird eine Kostform von gesunden Erwachsenen durchgeführt, ist die Gefahr, daß gesundheitliche Risiken, Mangelerscheinungen oder gar Nebenwirkungen auftreten, viel geringer als bei Risikogruppen wie alten Menschen, Kindern, Kranken, Schwangeren oder Stillenden. 앫 Viele Thesen lassen sich nicht mit naturwissenschaftlich orientierten Maßstäben bewerten, was aber positive Einflüsse auf den Gesundheitszustand der Patienten keinesfalls ausschließt (nach dem Motto: Wer heilt hat recht). Einteilung Im folgenden sollen die gängigsten Kostformen dargestellt werden. Sie lassen sich in vier Gruppen einteilen und werden im Anschluß tabellarisch aufgeführt und bewertet (s. S. 626 ff). Gruppe I: Diäten auf vegetabiler oder ovo-lacto-vegetabiler Basis Sie sind zum Teil als Dauerkost konzipiert und haben, läßt man Ideologie, Philosophie und Weltanschauung beiseite, viele positive Ansätze. Die meisten bieten eine vollwertige Ernährung, obwohl sie nicht immer mit den Aussagen der Ernährungswissenschaft übereinstimmen. Sie sind fleischarm oder fleischlos und enthalten wenig tierische Fette, Cholesterin und Purine. Darüber hinaus sind sie vitamin- und ballaststoffreich und enthalten gesundheitsfördernde bioaktive Substanzen. Gruppe II: Trennkost-Diäten Hierzu gehören die Haysche Trennkost und das Programm Fit for Life aus den USA. Letztere Kostform ist auch bei uns zu einer wahren Massenbewegung geworden, deshalb lohnt sich eine genauere Betrachtung. Sicher ist ein hoher Anteil pflanzlicher Lebensmittel bei diesen Trennkosten zu begrüßen, doch sind viele Thesen irreführend, ja regelrecht unsinnig. Bestes Beispiel, um Trennkost-Theorie zu widerlegen, nach der der Körper Eiweiß und Kohlenhydrate nicht zusammen verdauen kann, ist unsere erste Nahrung, die Muttermilch: Sie enthält Eiweiß und Kohlenhydrate in fast gleicher Konzentration. Gruppe III: Energiereduzierte Diäten mit zum Teil extremen Nährstoffrelationen Diese Diäten haben als gemeinsames Ziel die Gewichtsreduktion. Wegen ihrer einseitigen Zusammensetzung sind sie nur kurzfristig zu akzeptieren. Da es Schlankheitskuren, Blitz- und Crashdiäten wie Sand am Meer gibt, kann hier nur eine kleine Auswahl dargestellt werden, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Zu den Diäten der Gruppe III zählen z. B. kohlenhydratreiche Diäten. Sie sind unbedenklich, wenn sie nur ein oder zwei Wochen durchgeführt werden. Von den protein- und fettreichen Schlankheitskuren ist abzuraten, da die meist übergewichtigen Patienten ohnehin eher mit Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 624 625 Fettstoffwechselstörungen, Hyperurikämie oder anderen kardiovaskulären Risikofaktoren belastet sind. ben Kohlenhydraten noch zusätzlich Vitamine und Mineralstoffe enthalten. Die Energiezufuhr liegt zwischen 400 kcal und 600 kcal. Gruppe IV: Formeldiäten, sonstige Diäten und Fasten Heil- und Saftfasten (Buchinger-Fasten): Nach Buchinger ist Fasten weit mehr als eine Nulldiät. Leider gibt es viele Mißverständnisse im Zusammenhang mit dem Begriff des Fastens, das meist nur unter dem Aspekt der Gewichtsreduktion gesehen wird. Dabei handelt es sich um ein therapeutisches und ideelles Gesamtkonzept mit fest umrissenem Beginn, Ablauf und Ende. Fastenkuren sollten grundsätzlich am besten unter Anleitung und nur nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgen, um jegliches gesundheitliches Risiko auszuschließen. Beim Saftfasten gibt es 300 kcal in Form von Gemüse- und Fruchtsäften sowie Gemüsebrühen, Kräutertees mit Honig und etwa zwei Liter Wasser. Der Fastenarzt Lützner zum Fasten: „Die Erlebnisdichte der Selbsterfahrung Fasten bietet dem Kranken, dem Übergewichtigen, aber auch dem Gesunden wertvolle Ansatzpunkte für eine Veränderung des Lebensstils ..., daß Fasten der didaktisch beste Auftakt zu einer Ernährungsumstellung sein kann und nie isoliert von der Ernährung gesehen werden kann.“ Nur mit Fasten allein, ohne Umstellung der Eßund Lebensgewohnheiten, wird ein Übergewichtiger nicht schlank. Richtiges Fasten unter Anleitung (wie das Buchinger-Fasten) kann helfen, essen zu lernen, und hat als Bestandteil der klassischen Diätetik und der Naturheilkunde seine Berechtigung. Zu dem unübersehbaren Angebot an fragwürdigen Schlankheitskuren gehört auch die Gruppe der sogenannten Formel- oder Formuladiäten. Verkauft werden sie in Apotheken, Drogerien oder, wie die populäre Cambridge-Diät und das Herbalife-Programm, im Direktvertrieb. Hier werden pulverisierte Nährstoffkonzentrate empfohlen, die nach den Richtlinien der Diätverordnung hergestellt sind. Der Nährstoffbedarf pro Tag, inklusive Vitamine und Mineralstoffe, ist genau ausgerechnet. Wer sich danach richtet und nichts zusätzlich ißt, nimmt bei einer Tagesration von etwa 800 kcal ab. Mangelerscheinungen sind nicht zu befürchten. Formuladiäten, ebenso wie alle anderen Crashdiäten sind nicht dazu geeignet, langfristig das Gewicht zu reduzieren, da sich die Einstellung im Umgang mit Lebensmitteln nicht ändert. Bei Vorliegen einer medizinischen Indikation kann der zeitlich begrenzte Einsatz einer Formeldiät in Absprache mit dem Arzt sinnvoll sein. Schroth-Kur: Ebenfalls kritisch zu bewerten und nur unter ärztlicher Aufsicht in einer Kurklinik durchzuführen. Bei der Schroth-Kur wechseln sich Trocken- und Trinktage ab. An den Trockentagen werden Dörrobst und altbackene Semmeln, an den Trinktagen Tee, Suppe und größere Mengen an Wein verabreicht. Diese Kur wird in speziellen Sanatorien mehr zum Zwecke der sogenannten Entschlackung als zur Gewichtsreduktion durchgeführt. Wegen des hohen Alkoholanteils und der insgesamt zu geringen Flüssigkeitszufuhr ist die Schroth-Kur nicht zu empfehlen. Die Empfehlung für Reduktionsdiäten lautet, mehr als zwei Liter Wasser täglich zu trinken. Der Lerneffekt für eine gesunde Ernährungsweise bei der Schroth-Kur ist fraglich, obwohl die Kurgäste eine Anleitung für die Folgezeit erhalten. Modifiziertes Fasten: Für stark Übergewichtige kann das modifizierte, proteinsubstituierte Fasten unter ärztlicher Kontrolle, auch stationär, sinnvoll sein. Um Eiweißverluste des Körpers auszugleichen und dem Gehirn ein Minimum an Glucose zur Verfügung zu stellen, werden industriell hergestellte Eiweißpräparate zugeführt, die ne- Anti-Krebs-Diäten: In der Laienpresse werden immer wieder Diäten gegen Krebs vorgestellt. Das Deutsche Krebsforschungszentrum dazu: „Viele an Krebs erkrankte Patienten suchen nach eigenen Möglichkeiten zur Bekämpfung ihrer Krankheit. Hierbei stoßen sie auf zahlreiche, schon seit Jahrzehnten existente Diäten und Ernährungsrichtlinien, die einen Heilerfolg bei Krebserkrankung versprechen. Die Widersprüchlichkeit der Ratschläge trägt zusätzlich zur Verunsicherung der Patienten bei. Für keinen Diätvorschlag konnte bislang der Beweis erbracht werden, daß er zu einer teilweisen oder vollständigen Rückbildung einer Krebserkrankung führen kann. Im Gegenteil, für manche Diätvorschläge wurde sogar nachgewiesen, daß sie auf das Krankheitsgeschehen einen schädlichen Einfluß haben oder aber mit lebensgefährlichen Nebenwirkungen verbunden sind.“ Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 47 Alternative Kostformen VI Praktische Ernährungsmedizin Fundierte Beratung ist notwendig Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß bei einem Großteil Licht und Schatten eng beieinander liegen. Es gibt unter den Ernährungskonzepten eine Reihe akzeptable und empfehlenswerte Kostformen. Dazu gehören besonders diejenigen, die sich an der ovo-lacto-vegetabilen Kost orientieren. Läßt man Ideologie und Philosophie beiseite, stimmen sie mit den Empfehlungen der Ernährungswissenschaft am weitesten überein und bieten viele Vorteile für die Gesundheit. Daneben gibt es Außenseiter, die völlig unsinnige, ja sogar falsche Aussagen machen und kurios anmuten (z. B. Fit for Life). Als gefährlich sind Heilungsversprechen anzusehen, wie sie z. B. von Schnitzer oder Bruker gegeben werden. Sie sind wissenschaftlich nicht bewiesen und unrealistisch, trotz des unbestritten hohen Stellenwerts einer vollwertigen und gesunden Ernährungsweise. Harmloser muten die Versprechungen der Schlankheitsdiäten oder Wunderkuren an, doch aufgrund des ausbleibenden Erfolges kann ihr Effekt gesundheitlich bedenklich sein: gestörtes Eßverhalten oder eine Gewichtszunahme. Eine dauerhafte Gewichtsreduktion läßt sich nur mit einer Umstellung der Ernährungs- und der Lebensweise erreichen. Das Phänomen alternative Kostformen zeigt, daß eine interdiziplinäre Zusammenarbeit von Arzt, Diätassistentin oder Ernährungsfachkraft in Diätetik und Ernährungsmedizin notwendig ist, um Patienten fundiert zu beraten. Der große Zulauf zu alternativen Kostformen macht auch ein Dilemma der „etablierten“ Ernährungswissenschaft und Schulmedizin und die damit verbundene Herausforderung deutlich: Eine rein rationale Informationsvermittlung – ohne Empathie – ist in der Beratung wenig erfolgreich. Wichtige Kostformen im Überblick Als Beispiele für alternative Kostformen werden auf den folgenden Seiten 18 Diäten dargestellt, eingeteilt in drei Gruppen. Sie sind nach einem einheitlichen Schema gegliedert und nach bestem Wissen und Gewissen bewertet. Auf die Diäten der Gruppe IV (Formeldiäten, sonstige Diäten und Fasten) wurde auf dieses Bewertungsschema nicht angewendet, sie sind auf S. 625 beschrieben. Gruppe I: Diäten auf vegetabiler oder ovo-lacto-vegetabiler Basis Bircher-Benner-Kost Dr. Max Bircher-Benner, Schweiz Ziele, Inhalte und Philosophie: 앫 Mobilisierung der Selbstheilungskräfte 앫 Heilnahrung 앫 Anregung der Darmfunktion 앫 Pflanzliche Frischkost als Träger hohen Sonnenenergiegehalts 앫 Nur drei Mahlzeiten täglich 앫 Die Kost ist am Minimum orientiert Lebensmittelauswahl: 앫 Lacto-vegetabile Kost, mindestens 50% als Rohkost; Müslis 앫 Frisches Obst, Gemüse, Salate, Rohkost 앫 Schonend erhitztes Vollgetreide und Gemüse 앫 Lebensmittel aus anerkannt ökologischem Anbau Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Für Erwachsene möglich. Durch den Verzicht auf Fleisch- und Wurstwaren werden weniger tierische Fette, Cholesterin und Purine aufgenommen; Vorteil bei Gicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Fettstoffwechselstörungen. 앫 Dauerkost: Wie alle lacto-vegetabilen Kostformen bei sorgfältiger Zusammenstellung als Dauerkost geeignet. 앫 Risiken: Wie bei allen lacto-vegetabilen Kostformen kann es zu Engpässen in der Jod- und Eisenversorgung kommen. 앫 Risikogruppen: Schwangere, Stillende und Kleinkinder haben einen erhöhten Nährstoffbedarf, deshalb ist die Kost problematisch. 앫 Hinweis: Verbesserung der Eisenverfügbarkeit durch gleichzeitigen Verzehr Vitamin-C-reicher Lebensmittel (Kartoffeln, Paprika, Kohl). Einsatz von Jodsalz, da kein Fisch gegessen wird. Evers-Diät Landarzt Josef Evers Ziele, Inhalte und Philosophie: 앫 Gesunderhaltung 앫 Ursprünglich für Patienten mit Multipler Sklerose gedacht 앫 Früher: Lebensmittel in möglichst natürlichem Zustand, auch rohe Eier, Milch, Hackfleisch 앫 Begründung: „Denaturierung“ der Lebensmittel (industrielle Verarbeitung) ist das Grundübel des Industriezeitalters Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 626 Lebensmittelauswahl: 앫 Heute gemäßigte ovo-lacto-vegetabile Kost 앫 Viel gekeimtes Getreide (hoher Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren!) 앫 Möglichst naturbelassene Lebensmittel 앫 Mehrere Diätstufen: Zum Beispiel für Kranke keine Kartoffeln, sondern nur Rohkost, für Genesende mageres Fleisch, frischer Fisch, Rohschinken und Tartar. Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Ausreichende Nährstoffzufuhr für Erwachsene kann möglich sein. Hoher Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln ist positiv. Kartoffelverbot ist nicht nachvollziehbar, da Kartoffeln kalorienarm, ballaststoff- und vitaminreich sind. 앫 Dauerkost: Besserung oder Heilung bei Multiple-Sklerose-Kranken wurde nie belegt; heute gilt die Kost als überholt. Bei sorgfältiger Lebensmittelauswahl als Dauerkost möglich. 앫 Risiken: Tartar ist bakteriologisch bedenklich. Für Risikogruppen keine optimale Ernährung. 앫 Hinweise: Es ist vorstellbar, daß sich die heutige, gemäßigtere ovo-lacto-vegetabile Kost positiv auf das Allgemeinbefinden der Patienten auswirken kann. Waerland-Kost Are Waerland, Schweden Ziele, Inhalte und Philosophie: 앫 Darmreinigung steht an erster Stelle 앫 Stoffwechselumstellung und Ausgleich des Säuren-Basen-Haushaltes 앫 These: Im Dickdarm stehen sich nützliche Gärungsbazillen (aus Milch und Pflanzen) und schädliche Fäulnisbazillen gegenüber (aus Fleisch, Eiern, Fisch) 앫 Genaues Reglement für Tageseinteilung, Schlaf, Körperbewegung Lebensmittelauswahl: 앫 Knappe lacto-vegetabile Kost 앫 Im Wechsel Rohkost und Getreidemahlzeiten 앫 Basische Lebensmittel (Milch, Obst, Gemüse) 앫 Waerland-Kruska (Vollkornbrei) 앫 Kartoffeln 앫 Besonderheiten: morgens 1/2 l warme KartoffelGemüse-Brühe (Exzelsior), anschließend warme Bauchlage im Bett Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Bei sorgfältiger Zusammenstellung für Erwachsene möglich. Diese 앫 앫 앫 앫 627 knappe lacto-vegetabile Kost kann kurzfristig für eine Gewichtsreduktion geeignet sein. Dauerkost: Bedingt geeignet, wenn auf eine ausreichende Nährstoff- und Energiezufuhr geachtet wird. Risiken: Eisen- und Jodversorgung (s. BircherBenner-Kost). Calciumzufuhr kritisch, da wenig Milchprodukte empfohlen werden. Risikogruppen: Keine optimale Kost für Kinder, Schwangere und andere Risikogruppen. Hinweise: Fleisch, Eier, Fisch grundsätzlich als pathogen einzustufen, ist nicht haltbar. Reichlich Ideologie, viele Thesen entziehen sich daher einer Bewertung nach wissenschaftlichen Kriterien. Anthroposophische Kost Rudolf Steiner, Schweiz Ziele, Inhalte und Philosophie: 앫 Bewußtseinsentwicklung 앫 Leben im Einklang mit der Natur 앫 Ernährung als Teil der ganzheitlichen Lehre 앫 Lebensmittelqualität nach Gehalt an „Bildekräften“, auch sog. „Äthern“, bewertet, d. h. nach dem „geistigen Gehalt“ Lebensmittelauswahl: 앫 Überwiegend ovo-lacto-vegetabile Kost, geringer Fleischanteil 앫 Von Demeter-Betrieben aus biologisch-dynamischer Landwirtschaft 앫 Hoher Anteil an Getreide (Kieselsäure) 앫 Besonderheiten: möglichst keine Nachtschattengewächse wie Kartoffeln (Grund: Instinktverlust und Materialismus), keine „lebensfeindliche“ Zubereitung wie Dampfdruck und tiefgefrieren Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Ja, da eine ausreichende Nährstoffzufuhr gegeben ist. 앫 Dauerkost: Geeignet und empfehlenswert. Wie bei allen ovo-lacto-vegetabilen Kostformen ist der geringere Fleischkonsum und der hohe Ballaststoffanteil positiv zu bewerten. 앫 Risiken: Kann zu Defiziten in der Eisen- und Vitamin-B12-Zufuhr führen, wenn auf Fleisch ganz verzichtet wird. 앫 Hinweise: Die zum Teil für Nicht-Anthroposophen mystischen Vorstellungen entziehen sich einer Beurteilung durch die Naturwissenschaft. Beispiel: Die Abwertung der Kartoffel ist nicht gerechtfertigt. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 47 Alternative Kostformen VI Praktische Ernährungsmedizin Vitalstoffreiche Vollwertkost nach Bruker Dr. med. M. O. Bruker, Lahnstein Makrobiotische Kost nach M. Kushi Begründer: G. Ohsawa, Japan Ziele, Inhalte und Philosophie: 앫 „Unsere Nahrung – unser Schicksal“; Titel der Bruker-Schrift ist gleichzeitig Programm 앫 Prävention und Heilung von Zivilisationskrankheiten 앫 Stärkung der Abwehrkräfte 앫 Ablehnung aller industriell verarbeiteten Lebensmittel: Auszugsmehle, Fabrikzucker, Fabrikfette 앫 Unterschieden wird zwischen „lebendiger“ (frisches Getreide) und „toter“ (industrieller) Nahrung Lebensmittelauswahl: 앫 Überwiegend ovo-lacto-vegetabile Kost, kaum Fleisch 앫 Täglich drei Eßlöffel Frischkornbrei 앫 Naturbelassene „Lebensmittel“, möglichst wenig verarbeitet und erhitzt, aus ökologischem Landbau 앫 Getreide, Obst, Gemüse, kaltgeschlagene Öle, Butter 앫 Besonderheiten: keine Begrenzung der Kalorienzufuhr Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Ist möglich, jedoch ist das Heilungsversprechen äußerst fragwürdig. 앫 Dauerkost: Auch hier sind die Vorzüge einer ovo-lacto-vegetabilen Kost hervorzuheben: wenig Fleisch, Cholesterin und Purin. Dafür mehr Ballaststoffe und Vitamine, da Zucker und Auszugsmehr gemieden werden. Als Dauerkost für Erwachsene geeignet. 앫 Risiken: Zahlreiche Aussagen und Empfehlungen sind nicht vertretbar, sogar gefährlich. 앫 Risikogruppen: Säuglinge, Kleinkinder. Empfehlung: Frischkornmilch für Säuglinge, die nicht gestillt werden, oder Frischkornbrei für Kinder ist gesundheitlich bedenklich. Grund: Getreide vor dem 6. Lebensmonat fördert Zöliakie (Unverträglichkeit von Weizeneiweiß; S. 349 f). 앫 Hinweise: Irreführende, falsche Behauptungen, wie „Arteriosklerose ist kein Fettproblem“, „Der Cholesteringehalt der Nahrung ist belanglos“ oder „Weißmehl tötet Ratten“ sind nur einige Beispiel aus Brukers Lehre, die jeglicher wissenschaftlicher Grundlage entbehren. Damit macht er sich zum Außenseiter. Seine Vollwertkost ist vielleicht gerade deshalb populär. Ziele, Inhalte und Philosophie: 앫 Teil einer Weltanschauung (Zen-Buddhismus) 앫 Maximum an Gesundheit, Lebenskraft, geistiger und körperlicher Aktivität durch pflanzliche Kost (höchste Stufe nur Getreide) 앫 Prinzip von Yin und Yang, d. h. Gegensätze von passiv und aktiv, Nacht und Tag, weiblich und männlich werden nach Ohsawa auf Lebensmittel übertragen. 앫 Kushi modernisierte den Speiseplan für westliche Eßgewohnheiten, viel Absurdes aus der Urlehre entfällt. Lebensmittelauswahl: 앫 Überwiegend vegetabile Kost 앫 50 – 60% Vollgetreide, frisches Gemüse, Hülsenfrüchte, Sojaprodukte, Tofu, Algen 앫 1 – 2mal wöchentlich magerer Fisch 앫 Besonderheiten: Zubereitung ist eine „Wissenschaft für sich“; Lebensmittel nur aus der gleichen Klimazone; keine Milchprodukte, kein Fleisch, kein Tee, keine Genußgifte Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Die ursprüngliche Kost nach Ohsawa ist strikt abzulehnen. Sie ist in den USA verboten, es gab Todesfälle. 앫 Dauerkost: In der gemäßigten Form kann nur bei sorgfältiger Lebensmittelauswahl eine vollwertige Kost für gesunde Erwachsene eingeschränkt möglich sein. 앫 Risikogruppen: Für Kinder, gerade für Kleinkinder, zu einseitige und zu energiearme Kost, da Milchprodukte abgelehnt werden. Kinder, Stillende und Schwangere können einen Mangel an Calcium, Eisen, Vitamin B12 und D bekommen, deshalb für diese Risikogruppen problematisch und nicht zu empfehlen. 앫 Hinweise: Bei unserer Überernährung ist die Mäßigkeit dieser Kost positiv zu benennen. Wer sich gelegentlich danach richtet, schadet sich nicht. Auf Dauer ist eine streng durchgeführte Makrobiotik gesundheitlich bedenklich und nicht empfehlenswert. Schnitzer-Intensivkost Zahnarzt Dr. Schnitzer Ziele, Inhalte und Philosophie: 앫 Intensivkost als Heilmittel (z. B. für Rheuma und Diabetes) 앫 Prävention und Therapie der Zivilisationskrankheiten Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 628 47 Alternative Kostformen Schnitzer-Normalkost Zahnarzt Dr. Schnitzer Ziele, Inhalte und Philosophie: 앫 Krankheitsprävention 앫 Gesundheitsversprechungen (s. SchnitzerIntensivkost) 앫 Keine Genußmittel Lebensmittelauswahl: 앫 Vorwiegend vegetabile Kost 앫 Ca. 2200 kcal täglich auf Grundlage der Intensivkost, erweitert durch Vollkornbrot; geringer Anteil an Milchprodukten und Eiern; Kartoffeln, Vollreis 앫 Lebensmittel aus ökologischem Anbau Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Kann für gesunde Erwachsene mit der Normalkost möglich sein. 앫 Dauerkost: Für gesunde Erwachsene bei sorgfältiger Lebensmittelauswahl und Kenntnis der Kombinationsmöglichkeiten von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln möglich (Ergänzungswerte für Eiweiß). 앫 Risikogruppen: Für Kinder, Schwangere und andere Gruppen ist der knappe Milchanteil problematisch. Keine optimale Kost. 앫 Risiken: Defizite können in der Eisen- und Jodzufuhr, bei Calcium und Vitamin B12 auftreten. Gruppe II: Trennkost-Diäten Haysche Trennkost Dr. Hay, USA, und Dr. Walb, Deutschland Ziele, Inhalte und Philosophie: 앫 Wohlbefinden, Heilung vieler Krankheiten 앫 Vermeidung von gesundheitsschädlicher „Übersäuerung“ im Organismus als Krankheitsursache 앫 Trennung von Eiweiß und Kohlenhydraten 앫 Begründung: Hays „Chemische Verdauungsgesetze“, wonach Eiweiß und Kohlenhydrate nicht gleichzeitig „verwertet“ werden können. Lebensmittelauswahl: 앫 80% der Kost aus „Basenbildnern“ wie Obst, Gemüse, Salat, Milch, Butter, Joghurt 앫 20% aus „Säurebildnern“ wie Fleisch, Käse, Fisch, Quark, Eier, Getreideprodukte 앫 „Neutral“ sind Nüsse, zahlreiche Gemüse und Gewürze Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: In der konsequenten Befolgung der Hayschen Lehre ist auf Dauer eine vollwertige Ernährung nur mit Einschränkungen möglich 앫 Dauerkost: Nach den Rezepturen von Walb kann eine Dauerernährung eingeschränkt möglich sein. Trotz aller Kritik am Trennungsprinzip handelt es sich, objektiv gesehen, um eine ballaststoffreiche, fett- und fleischarme Mischkost mit reichlich frischem Gemüse und Obst. 앫 Risiken: Das Trennprinzip verhindert die optimale Ergänzung von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln: Beispielsweise enthalten Getreide und Kartoffeln gerade in Kombination mit Milch oder Eiern ein biologisch hochwertiges Eiweiß. Wissenschaftlich unbewiesen und unverantwortlich ist der Anspruch auf Heilung von Krankheiten, einschließlich Diabetes und Krebs. 앫 Hinweise: Hays Theorie ist seit langem eindeutig von der Ernährungswissenschaft widerlegt. Bestes Beispiel ist unsere erste Nahrung, die Muttermilch. Sie enthält Eiweiß und Kohlenhydrate in fast gleicher Konzentration. Fit for Life H. und M. Diamond, USA Ziele, Inhalte und Philosophie: 앫 Schlankheit und Schönheit, neue Perspektiven für ein energiegeladenes Leben („Fit fürs Leben“) Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 앫 Viele Versprechungen: Lebensfreude; gesunde, fröhliche Kinder; Glück, Zufriedenheit, Schönheit, Sympathie 앫 These: „Der Mensch ist ein Pflanzenfresser“ Lebensmittelauswahl: 앫 Intensivkost: Ca. 1500 kcal täglich 앫 Ausschließlich vegetarische Rohkost als Urnahrung: morgens Naturmüsli mit Pulvin (Mineralstoffpräparat) 앫 Besonderheiten: Kein Brot, keine Kartoffeln, keine tierischen Lebensmittel Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Die Intensivkost ist zu energiearm und einseitig. Nicht vollwertig, da sie zu wenig Eiweiß, Calcium, Eisen, Jod und Vitamin B12 enthält 앫 Dauerkost: Nicht als Dauerernährung geeignet. 앫 Risikogruppen: Nicht für Kinder, Schwangere und Stillende geeignet. 앫 Hinweise: Der Anspruch auf Heilung von Krankheiten, z. B. Typ-1-Diabetes, ist nicht haltbar. Durch den hohen Ballaststoffanteil ist die Kost für eine kurzfristige Anwendung als Mittel gegen Darmträgheit geeignet. 629 VI Praktische Ernährungsmedizin 앫 Grundlage: Haysche Trennkost 앫 Theorie der natürlichen Körperzyklen der Verdauung: Nahrungsaufnahme (Essen und Aufschließen) 12 – 20 Uhr; Nahrungsausnutzung 20 – 4 Uhr; Ausscheidung 4 – 12 Uhr 앫 Eßgewohnheiten müssen an Körperzyklen angepaßt werden. 앫 Ausscheidungsphase nicht stören, damit überflüssige Abfallstoffe (Schlacken) entfernt werden. Lebensmittelauswahl: 앫 Vorwiegend wasserhaltige Lebensmittel 앫 70% aus Obst, Gemüse, Salat (da der menschliche Körper und auch unser Planet zu 70% aus Wasser bestehen) 앫 30% konzentrierte Lebensmittel wie Brot, Getreide, Fleisch, Fisch 앫 Einschränkung des Milchkonsums 앫 Durstlöscher: destilliertes Wasser 앫 Speiseplan: Vormittags nur Obst, auf der täglichen „Energieleiter“ folgen Salate und Gemüse, Eiweißmahlzeit abends. 앫 Nach dem Trennkostprinzip müssen kohlenhydratreiche und eiweißreiche Lebensmittel stets getrennt gegessen werden. Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Fit for life ist für eine vollwertige Ernährung nicht empfehlenswert. Zu Recht warnt die DGE vor dieser Anleitung zur „lebenslangen Fehlernährung“. 앫 Dauerkost: Nein, strikt abzulehnen. 앫 Risiken: Die pseudowissenschaftlichen Aussagen sind irreführend, absurd und schlichtweg falsch, zum Beispiel, der Normalesser erzeuge mit seiner Kost in seinem Körper giftige Säuren, Gärungs- und Fäulnisprodukte sowie Schlakken. Es koste viel Energie und sogar die Gesundheit, sie zu beseitigen. Richtig ist, daß weder die These der Übersäuerung noch die Behauptung, durch die übliche Kost entstünden zu viele Schlacken, zutrifft. Aus ernährungsmedizinischer Sicht gibt es keine Schlackenbildung. Stoffwechselprodukte werden kontinuierlich verwertet oder ausgeschieden. Auch weitere Behauptungen sind falsch, wie Milch sei nur etwas für Kälber und verklebe die Darmwände und die Schleimhäute. Milchprodukte sind unsere besten Calciumlieferanten. Sie können sehr wohl vom Menschen verwertet werden. Eine absurde Empfehlung lautet, man solle destilliertes Wasser trinken, da es keine anorganischen verschlackenden Mineralstoffe enthalte. Mineralstoffe aus Mineralwässern werden resorbiert und verwertet. Sie führen keinesfalls zu Ablagerungen in den Arterien. Gruppe III/1: Energiereduzierte, eiweiß- und fettreiche Diäten Dr. Atkins Diät Merkmale und Prinzipien: 앫 „Nach Herzenslust“ drauflosessen 앫 Einschränkung der Kohlenhydratzufuhr 앫 Keine Energiebegrenzung, kein Kalorienzählen Lebensmittelauswahl: 앫 Fleisch, auch fettes Fleisch, Eier, Fisch, Speck, fetter Käse im Mittelpunkt 앫 Keine Kartoffeln, Nudeln, Reis, Vollkornprodukte, Obst und Hülsenfrüchte Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Nein 앫 Rigoros abzulehnen. Besonders für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Gicht gefährlich und gesundheitsschädlich. Mayo-Diät Merkmale und Prinzipien 앫 Eiweißreich, fettarm (1000 – 1500 kcal) Lebensmittelauswahl: 앫 Etwa drei Eier täglich, Fleisch, Obst, Gemüse Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Nein. 앫 Sehr hohe Cholesterinzufuhr, einseitige Mangeldiät, selbst als Kurzdiät abzulehnen. 앫 Hinweis: Der Name hat nichts mit der berühmten Mayo-Klinik in den USA zu tun. Dr. Lutz-Diät Merkmale und Prinzipien: 앫 „Leben ohne Brot“ (bis zu 1200 kcal täglich) 앫 Fleischreiche, extrem kohlenhydratarme Kost Lebensmittelauswahl: 앫 Abgesehen von Knäckebrot ist Brot verboten. 앫 Reichhaltiger Speisezettel, in dessen Mittelpunkt Fleisch steht. 앫 Verzehr von Obst, Gemüse und Getreideprodukten ist stark eingeschränkt. Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Nein, keine empfehlenswerte Ernährungsform. 앫 Widerspricht den aktuellen Erkenntnissen der Ernährungsmedizin, die ein Mehr an komple- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 630 xen Kohlenhydraten propagiert und den Fleisch- und Fettkonsum einschränkt. 앫 Unter präventivmedizinischen Aspekten ist der Mangel an Ballaststoffen bedenklich, besonders im Hinblick auf die Entwicklung von Dickdarmkrebs. 앫 Besonders gefährlich für Patienten mit Gicht und Fettstoffwechselstörungen. Wegen extrem hoher Zufuhr von tierischem Eiweiß, gesättigten Fettsäuren und Cholesterin besteht die Gefahr von Gichtanfällen. Fettdiät nach Dr. Felix Merkmale, Prinzipien und Lebensmittelauswahl: 앫 Ähnlich wie die Atkins-Diät Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Siehe Atkins-Diät und Dr. Lutz-Diät 앫 Vollwertige Ernährung: Nein. 앫 Generell abzulehnen. Gruppe III/2: Energiereduzierte, kohlenhydratreiche Diäten Dr. Haas Top-Diät Merkmale und Prinzipien: 앫 „Eat to win“ (Iß, um zu siegen) 앫 Diät für Erfolgreiche und Sieger, v. a. im Sport 앫 Kohlenhydrat- und ballaststoffreiche Kost mit geringem Fettanteil, ca. 1000 kcal täglich Lebensmittelauswahl: 앫 Reichlich Vollkorn- und Getreideprodukte, Gemüse, Kartoffeln, Obst, magere Milchprodukte; wenig Fleisch, Fisch, Eier Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Für eine Gewichtsreduktion durchaus empfehlenswert, da die Nährstoffzusammensetzung und Lebensmittelauswahl vernünftig sind. 앫 Risiken: Bei längere Anwendung Gefahr von Defiziten bei Eisen, Vitamin B12, Jod und Calcium, da zu wenig Milchprodukte, Fisch und Fleisch empfohlen wird. 앫 Hinweise: Fragwürdig ist die Empfehlung, Aminosäuren, Vitamine und Mineralstoffe zusätzlich in Form von Kapseln einzunehmen. F-Plan-Diät Merkmale und Prinzipien: 앫 F steht für fiber (Ballaststoffe) 631 앫 Besonders ballaststoffreiche Diät mit täglich 1000 – 1500 kcal Lebensmittelauswahl: 앫 Müsli mit Weizenkleie, Roggen und Weizen; reichlich Getreideprodukte, Obst und Gemüse; täglich Butter- oder Magermilch; wenig Fisch, Fleisch und Eier. Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Empfehlenswerte Lebensmittel und ideale Nährstoffrelation, deshalb für eine Reduktionsdiät im Alltag gut geeignet. 앫 Dauerkost: Mit der 1500 kcal-Variante kann die angestrebte Gewichtsreduktion auch für längere Zeit geplant werden. 앫 Hinweise: Durch die komplexen Kohlenhydrate wird ein guter Sättigungseffekt erzielt. Anfangs kann die Umstellung der Ernährung zu Blähungen und Unverträglichkeiten führen. Kartoffel-Diät (Reis-Diät) Merkmale und Prinzipien: 앫 Im Mittelpunkt stehen Kartoffeln; Energiezufuhr pro Tag 1000 – 1200 kcal 앫 Außer zum Frühstück abwechslungsreiche Kartoffelmahlzeiten, fettarme Zubereitung Lebensmittelauswahl: 앫 Auch Gemüse, Obst, magere Milchprodukte; wenig Fleisch und Fisch Ernährungswissenschaftliche Bewertung: 앫 Vollwertige Ernährung: Zur Gewichtsreduktion unbedenklich und empfehlenswert. Relativ rasche Gewichtsabnahme (Wasserverlust durch hohen Kalium- und niedrigen Natriumanteil bei der Reis-Diät). Preiswert und einfach in der Zubereitung, gute Akzeptanz und hoher Sättigungseffekt, daher alltagstauglich. 앫 Dauerkost: Mit 1000 – 1200 kcal läßt sich auch hier eine vollwertige Ernährung nicht über einen längeren Zeitraum gewährleisten, jedoch können veränderte Ernährungsgewohnheiten eingeübt werden. 앫 Hinweise: Kartoffeln sind von Haus aus nährstoffreich und kalorienarm, sie sind ideal für eine vollwertige Ernährung. Sie sollten unbedingt verstärkt empfohlen werden, besonders für Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren und Gewichtsproblemen. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 47 Alternative Kostformen VI Praktische Ernährungsmedizin Literatur AID (Auswertungs- und Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten): Alternative Wege bewußter Ernährung, Bonn 1992 Bircher, R.: Bircher-Benner – Leben und Lebenswerk. Bircher-Benner, Bad Homburg 1959 Bruker, M. O.: Unsere Nahrung – unser Schicksal. emu, Lahnstein 1992 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Ernährungsbericht 1984. Frankfurt 1984 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Ernährungsbericht 1992. Frankfurt 1992 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Infothek: Alternative Ernährungsformen. Frankfurt 1987 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr. 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