6 Zusammenfassung Onkogene Viren können, proliferationsfördernder und beispielsweise über proliferationsinhibierender die Beeinflussung Faktoren, die maligne Transformation einer Zelle induzieren. Aktuellen Schätzungen zufolge sind 10 - 15% aller Tumorerkrankungen auf eine virale Genese zurückzuführen. Im Jahr 2008 wurde ein neues humanes Polyomavirus in Merkelzellkarzinomen (MCC) entdeckt: das Merkelzell-Polyomavirus (MCPyV). Sein zirkuläres, doppelsträngiges DNA-Genom umfasst ca. 5.400 bp und codiert unter anderem für die T(umor)-Antigene Large T-Antigen und Small T-Antigen. Diese T-Antigene beinhalten konservierte Polyomavirus-Domänen, welche insbesondere über die Bindung von Tumorsuppressoren in den Zellzyklus eingreifen und so zur malignen Entartung einer Zelle führen können. Eine kausale ätiologische Rolle des MCPyV bei der Entstehung von MCCs wird mittlerweile gemeinhin akzeptiert. Darüber hinaus deuten bisherige Studien darauf hin, dass ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung asymptomatisch mit dem MCPyV infiziert ist und dass sich die MCPyV-Infektion bereits im Kindesalter etabliert. Das MCC ist ein aggressiver Hauttumor, welcher vorwiegend ältere, hellhäutige Patienten betrifft und präferentiell im Bereich UV-exponierter Haut auftritt. Das Keratoakanthom (KA) ist ein hochproliferativer, epithelialer Hauttumor und wird aktuellen Auffassungen zufolge als klinische Variante des Plattenepithelkarzinoms der Haut (SCC) angesehen. Das KA weist ein dem MCC vergleichbares Risikoprofil auf; insbesondere die erhöhte Inzidenz bei immunsupprimierten Patienten ist eine wichtige Gemeinsamkeit beider Tumorentitäten und kann auf eine infektiöse Genese hindeuten. Ein möglicher pathogenetischer Stellenwert des MCPyV bei der Entstehung von KAs wurde bislang nicht suffizient untersucht. Ziel der vorliegenden Studie war daher die Evaluation des MCPyV in KAs auf DNA- und Proteinebene. Vergleichend wurden auch SCCs und MCCs getestet. Für die virologischen Analysen wurden FFPE-Präparate von KAs, SCCs und MCCs aus dem Archiv der Hautklinik im St. Josef-Hospital Bochum herangezogen. Nach der DNA-Isolierung erfolgte zwecks Prävalenzbestimmung die Detektion von MCPyV-DNA mittels nested PCR. Anschließend wurde mit Hilfe der quantitativen real-time PCR die MCPyV-DNA-Viruslast, d. h. die Anzahl der MCPyV-DNA-Kopien pro beta-Globin-Gen-Kopie, für solche Präparate mit positivem Virusnachweis 67 bestimmt. Zusätzlich wurde die Expression des MCPyV Large T-Antigens unter Einsatz des murinen, monoklonalen IgG-Antikörpers CM2B4 immunhistochemisch untersucht. Im Ergebnis konnte in 12 von 42 KAs (28,6%) MCPyV-DNA detektiert werden. Eine ähnliche Prävalenz wurde für die untersuchten SCC-Präparate ermittelt; hier gelang ein Virusnachweis in 14 von 52 Präparaten (26,9%). Im Vergleich zu KAs und SCCs wiesen die MCCs eine signifikant höhere MCPyV-DNA-Prävalenz auf (37 von 43 Präparate MCPyV-DNA-positiv; 86,0%). Ferner lagen die MCPyV-DNAViruslasten von KAs und SCCs um durchschnittlich zwei bis drei Zehnerpotenzen, und somit ebenfalls signifikant, niedriger als bei den getesteten MCCs. Eine Expression des Large T-Antigens konnte nur in Präparaten von MCCs beobachtet werden. Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen zeichnete sich das MCC, in Übereinstimmung mit den Resultaten anderer Autoren, durch eine hohe MCPyV-DNAPrävalenz, eine hohe MCPyV-DNA-Viruslast sowie durch die Expression des viralen Large T-Antigens aus. Dies lässt auf eine starke Assoziation des MCC mit dem MCPyV schließen. Da das Virus jedoch nicht in jedem untersuchten MCC-Präparat nachgewiesen werden konnte und einige der MCPyV-positiven MCCs darüber hinaus niedrige Viruslasten zeigten, kann die Existenz einer Untergruppe von MCCs mit MCPyV-unabhängigem Onkogeneseweg vermutet werden. Die in Bezug auf das KA und das SCC erzielten Resultate waren durchweg miteinander vergleichbar. Beide Tumoren waren im Vergleich zum MCC durch signifikant niedrigere MCPyV-DNA-Prävalenzen gekennzeichnet. Diese erreichten eine Größenordnung, die zuvor bereits für andere nicht-MCC-Tumoren und Präparate gesunder Haut beschrieben wurde und sind, insbesondere unter Berücksichtigung der weiten Verbreitung des MCPyV, ein erstes Indiz gegen einen kausalen Zusammenhang zwischen MCPyV-Infektion und Tumorentstehung. Des Weiteren lagen die durchschnittlichen MCPyV-DNA-Viruslasten von KAs und SCCs signifikant niedriger als jene der getesteten MCCs und somit in einem Bereich, der die MCPyV-Infektion als auslösende Ursache für die Entstehung von SCCs und KAs abermals unwahrscheinlicher macht. Schließlich spricht auch die mangelnde Expression des viralen Large T-Antigens in allen getesteten Präparaten beider Tumorentitäten gegen eine kausale Rolle des MCPyV in KAs und SCCs. Sporadische PCR-Nachweise des MCPyV in Präparaten dieser beiden Tumoren sind daher am ehesten Resultat einer koinzidentellen Infektion mit einem weit verbreiteten Virus. 68