Das Immunsystem

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> t I t e lt h e m A <
Der menschliche Organismus ist unentwegt Gefahren ausgesetzt. Sowohl
exogene Erreger und Schadstoffe als auch endogene Tumorzellen können ihm
erheblich schaden. Schutz davor bietet ein Netzwerk verschiedenartiger Abwehrmechanismen, zu denen unter anderem die Barrieren zur Außenwelt
sowie das Immun- und Lymphsystem gehören. Einen kleinen Einblick in die
Komplexität des Immunsystems gibt die folgende zertifizierte Fortbildung.
Das Immunsystem
>Abwehr ist Programm<
[ von Dr. Ute Koch ]
lle lebenden Organismen setzen sich mit ihrer Umwelt
auseinander. Höhere Lebewesen wie der Mensch haben
hierzu eigenständige Mechanismen, das Immunsystem, entwickelt. Je reibungsloser dieses funktioniert, desto besser ist der
Körper vor Krankheiten geschützt. Doch wie jede Medaille
hat auch das Immunsystem zwei Seiten: Es ist an einer Vielzahl
unerwünschter Reaktionen beteiligt wie an Allergien, Autoimmunkrankheiten und der Abstoßung eines transplantierten
Organs.
Die haut als Barriere zur Außenwelt
Die erste Hürde, die unerwünschte Eindringlinge aus der
Außenwelt nehmen müssen, sind die äußeren Barrieren. Neben der Haut (ca. 1,8 m2 beim Erwachsenen) gehören hierzu
die Schleimhäute und die Tränenflüssigkeit. Die Funktion
der Hautbarriere wird überwiegend durch die für das Auge
sichtbare Hornschicht (Stratum corneum) bestimmt. Diese besteht aus etwa zehn bis 20 Schichten von Hornzellen,
die ähnlich wie die Ziegelsteine einer Hausmauer übereinander liegen. Zwischen den Hornzellen befindet sich eine
Art „Mörtel“, der Lipide und natürliche Feuchthaltefaktoren
(Harnstoff, Hyaluronsäure, Aminosäuren u. a.) enthält. Diese
sorgen dafür, dass die Haut einen Mindestwassergehalt hat
und somit glatt und geschmeidig bleibt. Ist dieser zu niedrig,
wird die Haut trocken, rau und rissig. Als Folge davon können
Krankheitserreger, Allergene und andere Schadstoffe in tiefere
Hautschichten eindringen und Krankheiten hervorrufen (z. B.
einen akuten Schub der Neurodermitis). Talg – eine Mischung
aus Fetten, Eiweißen, Cholesterin und Elektrolyten – hält die
Haut ebenfalls glatt und geschmeidig. Auch der Schweiß trägt
zur Hautbarriere bei und zwar durch seinen niedrigen pHWert. Der daraus resultierende Säureschutzmantel (pH-Wert
5 – 6) hält krankmachende Keime in Schach. So trägt eine
sorgfältige Hautpflege nicht nur zur Schönheit bei, sondern
auch zur Widerstandsfähigkeit der Haut gegenüber Krankheitserregern.
gelangen. Die Schleimschicht besteht aus einer zähflüssigen
oberen Gelphase und einer dünnflüssigen unteren Solphase.
In der Solphase bewegen sich die feinen Härchen (Zilien) des
Flimmerepithels hin und her – wie ein Getreidefeld im Wind.
Durch ihre unentwegten Schlagbewegungen transportieren
sie den aufliegenden Schleim (Mucus) in Richtung Rachenraum und mit ihm wie auf einem Förderband eingeatmete
Fremdstoffe aus den Atemwegen. Im Rachenraum wird alles
verschluckt und durch den sauren Magensaft unschädlich gemacht. Die Transportgeschwindigkeit des Schleimes liegt bei
etwa vier bis 20 Millimeter pro Minute.
Angeborene, unspezifische Immunität
Das Immunsystem wird unterteilt in von Geburt an vorhandene, unspezifische und in im Laufe des Lebens erworbene,
spezifische Mechanismen (s. a. Tabelle S. 26). Unspezifisch
deshalb, weil sich dieser Teil des Immunsystems gegen Zellschäden jeglicher Art richtet und damit gegen alle „Feinde“
des Organismus: egal, ob durch mechanische oder chemische
Einflüsse verursacht oder durch Mikroorganismen oder Würmer. Hauptaufgabe der unspezifischen Abwehr ist es, Krankheitserreger und Fremdstoffe extrem schnell zu erkennen und
sofort eine Gegenreaktion einzuleiten. Dabei geht es darum,
die Vermehrung krankmachender Eindringlinge so früh wie
möglich zu stoppen. Die Hauptakteure sind die Phagozyten
(Fresszellen), zu denen Monozyten, Makrophagen (große Fresszellen) und Granulozyten gehören. Sie alle können Erreger,
Zelltrümmer sowie Fremdstoffe in ihr Inneres aufnehmen,
verdauen und vernichten. Die Aktivität der Phagozyten wird
durch die Wächterzellen (Mastzellen und Dendritische Zellen)
eingeleitet, meist in Form einer akuten Entzündung. Das angeborene, unspezifische Immunsystem reagiert zwar schnell, aber
nur eingeschränkt effektiv. Desweiteren hat es kein Gedächtnis,
weil sich seine Zellen bei Abwehrreaktionen verbrauchen und
ständig erneuert werden müssen.
Zwischen der Sensibilisierung, dem von den Betroffenen unbemerkten Erstkontakt mit einem Allergen, und dem Ausbruch
von allergischen Reaktionen können oft viele Jahre vergehen.
mukoziliäre Clearance
Die Atemwegschleimhaut ist mit einem mechanischen Selbstreinigungsmechanismus, in der Fachsprache mukoziliäre Clearance genannt, ausgestattet. Dieser dient der Elimination der
unzählig vielen Krankheitserreger und Fremdstoffe (z. B.
Staubpartikel), die mit der Einatmungsluft in die Atemwege
Komplementsystem
Teil des angeborenen, unspezifischen Immunsystems ist auch
das Komplementsystem, bestehend aus über 20 verschiedenen,
im Blut zirkulierenden, Plasmaproteinen. Beginnt eine Komplementreaktion, wird eine Kaskade in Gang gesetzt, bei der
ein Protein das nächste aktiviert. Gestartet wird die Kaskade
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Fieber als Abwehrmechanismus
Der Anstieg der Körpertemperatur dient der Abwehr von Viren und
Bakterien. Viele davon können bei höheren Temperaturen nicht überleben. Außerdem aktiviert die Temperaturerhöhung Abwehrmechanismen. Daher sollte Fieber nicht grundsätzlich medikamentös gesenkt werden, sondern nur dann, wenn das Allgemeinbefinden leidet
und/oder für Bettruhe keine Zeit ist.
unter anderem durch Antikörper. Die durch Antikörper vermittelte Komplementreaktion ist ein Bindeglied zwischen
angeborenem und erworbenem Immunsystem.
Freie Radikale wirken mikrobizid
Die zum angeborenen Immunsystem gehörenden Fresszellen
nutzen kurzlebige Moleküle (freie Radikale) zum Abtöten von
Mikroorganismen (Bakterien und Pilze). Daher produzieren
Fresszellen bei Bedarf Sauerstoffspezies und Stickstoffmonoxid. Diese aggressiven Stoffe greifen jedoch nicht nur die
direkt angreifen können, müssen B-Lymphozyten für diese
Aufgabe erst Antikörper produzieren. Antikörper bilden mit
Antigenen einen Antigen-Antikörper-Komplex, der wiederum
durch das Komplementsystem zerstört werden kann. Die TLymphozyten entwickeln sich beispielsweise zu zytotoxischen
T-Killerzellen, die sich gegen virusinfizierte Zellen richten.
Im Gegensatz zur unspezifischen Abwehr ist die spezifische
Abwehr nicht angeboren. Sie entwickelt sich erst im Laufe des
Lebens, wenn der Körper mit den verschiedensten Antigenen
in Kontakt kommt. Das erworbene Immunsystem ist in der
Lage, ein Gedächtnis zu entwickeln, weil seine (Gedächtnis)
Zellen sehr langlebig sind. Diese lösen bei wiederholtem Kontakt mit einem Antigen eine viel schnellere Immunantwort aus
als beim Erstkontakt.
Zellen von Krankheitserregern an, sondern auch körpereigene
Zellen und Gewebe – sofern der Organismus nicht ausreichend
mit Antioxidanzien versorgt ist. Einige Antioxidanzien bildet
der Körper selbst (z. B. Harnsäure), andere (z. B. Vitamin C
und E) muss er über die Nahrung erhalten.
erworbene, spezifische Immunität
Ist das angeborene, unspezifische Immunsystem überfordert,
treten die erworbenen, spezifischen Abwehrmechanismen in
Kraft. Über diese kann der Mensch mehr als 100 Millionen
Antigene unterscheiden. Möglich machen das die Lymphozyten, von denen es zwei Typen gibt: B-Lymphozyten reifen
im Knochenmark heran und T-Lymphozyten im Thymus.
Während T-Lymphozyten mit Hilfe von Zytokinen Erreger
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Antikörper (Immunglobuline)
Antikörper sind Glykoproteine, bestehend aus einem Eiweißund Kohlenhydratanteil. An ihren Molekülen befinden sich
Abschnitte, die Antigene erkennen, und Abschnitte, die mit
Fress- und anderen Abwehrzellen kommunizieren. Es werden
fünf Immunglobuline (Ig) unterschieden: IgA, IgD, IgE, IgG
und IgM. Sie sind zu differenzieren nach ihrer Lokalisation im
menschlichen Organismus und ihren Funktionen. IgG macht
etwa 80 Prozent aller Antikörper aus. Es spielt eine wesentliche
Rolle bei der Infektabwehr.
lymphatische Organe und Gewebe
Primäre lymphatische Organe sind Thymus und Knochenmark, da in ihnen die Bildung der Lymphozyten erfolgt. Zu den
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Das erworbene, spezifische Immunsystem wird als adaptives
Immunsystem bezeichnet, weil es sich erst mit der Zeit an die
Umwelt und ihre sich ständig verändernden Pathogene anpasst.
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Weiße Blutkörperchen
An der unspezifischen und spezifischen Immunabwehr beteiligte Zellen
gehören zu den weißen Blutkörperchen (Leukozyten, „Leukos“)
Angeborenes, unspezifisches
Immunsystem
Adaptives, spezifisches
Immunsystem
natürliche Killerzellen
B-Lymphozyten
Monozyten/Makrophagen
T-Lymphozyten
neutrophile Granulozyten
basophile Granulozyten
dendritische Zellen
eosinophile Granulozyten
Mastzellen
lymphatische Gewebe der Schleimhäute
Die überwiegende Anzahl von Erregern dringt über die
Schleimhäute in den Körper ein. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen sind die Schleimhäute leicht verletzbar, zum
anderen sind sie äußerst großflächige Kontaktstellen zur Außenwelt. Hierzu tragen vor allem die Darmschleimhaut mit
etwa 300 Quadratmetern und die Atemwegsschleimhaut mit
etwa 100 Quadratmetern bei (beim Erwachsenen). Sie sind
mit Schleimhaut-assoziierten lymphoiden Zellen bzw. Zellhaufen (Mucosa Associated Lymphoid Tissue, MALT) ausgestattet. Das Schleimhaut-assoziierte Immunsystem des Darmes
(GALT = Gut Associated Lymphoid Tissue) ist in Tausenden
von Lymphfollikeln (Peyer-Plaques) lokalisiert und im Blinddarm. Zum Schleimhaut-assoziierten Immunsystem im NasenRachen-Raum gehört die paarige Gaumenmandel (Tonsilla
palatina), die sich am Übergang zwischen Mundhöhle und Rachenraum befindet und die wichtigste Mandel ist. Zusammen
mit der ebenfalls paarigen Rachenmandel (Tonsilla pharyngea)
und der der Zungenmandel (Tonsilla lingualis) gehört sie zum
lymphatischen Rachenring (Waldeyer-Rachenring), der ganz
wesentlich an der Abwehr von Krankheitserregern beteiligt ist.
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Immunsystem und Schwangerschaft
Bereits vor der Befruchtung entscheidet das Immunsystem
der Frau, ob ein neues Lebewesen entsteht oder nicht. Bildet die Frau Antikörper gegenüber Spermakomponenten des
Mannes, kann daraus Unfruchtbarkeit (Infertilität) resultieren.
Der im Uterus heranwachsende Embryo trägt etwa zur Hälfte väterliche („fremde“) Antigene. Für das Ausbleiben einer
mütterlichen Immunreaktion und einer damit verbundenen
Abstoßung der Frucht sind unter anderem die Trophoblasten
(Ernährungszellen des Kindes) verantwortlich. Diese bilden
eine immunologische Barriere zum mütterlichen Blutkreislauf.
So wird der Embryo (nach der 8. Woche als Fötus bezeichnet)
vor Angriffen des mütterlichen Immunsystems geschützt. Ab
der achten Schwangerschaftswoche beginnt der Fötus, sein eigenes Immunsystem aufzubauen. Dieses ist jedoch zur Geburt
noch nicht vollständig ausgereift. So wird das Neugeborene in
den ersten Lebensmonaten durch IgG-Antikörper geschützt,
die es vor der Geburt über das mütterliche Blut erhalten hat.
Dieser „Nestschutz“ hält etwa drei Monate an.
Immunsystem und Organtransplantation
Erst seit Mitte des letzten Jahrhunderts ist der Traum von
einem Weiterleben mit einem Ersatzorgan Wirklichkeit geworden. Die ersten erfolgreich verpflanzten Spenderorgane waren
Nieren. Die Niere ist ein paariges Organ, was Lebendspenden
von genetisch eng verwandten Menschen (z. B. von Zwillingsgeschwistern) erlaubt. Die Transplantation genetisch fremder
Nieren wurde erst mit der Verfügbarkeit immunsuppressiver
Arzneistoffe (z. B. Azathioprin) möglich. Den großen Durchbruch in der Organtransplantation brachte jedoch erst das Immunsuppressivum Ciclosporin A, das auch die Transplantion
von Herz, Leber, Lunge und Bauchspeicheldrüse ermöglichte.
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sekundären lymphatischen Organen gehören Milz, Lymphknoten, Lymphbahnen sowie das lymphatisches Gewebe in
der Haut und Schleimhaut. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie
Lymphozyten enthalten. Die Lymphknoten sind die immunologischen Filterorgane für die Lymphflüssigkeit, wovon der
Körper täglich zwei Liter produziert. Diese dient unter anderem der Ernährung von Zellen und Geweben. In den Lymphknoten werden außerdem die im Knochenmark gebildeten BLympozyten zu Antigenträgern. Die Milz ist – ähnlich wie die
Lymphknoten für die Lymphe – das Filterorgan für das Blut.
Bei Allergien vom Soforttyp treten die Symptome kurz nach dem Allergenkontakt auf
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Allergische Reaktionen
Allergie vom Sofort-typ (typ I)
Allergische Reaktionen werden – bereits seit 1964 – in vier
Typen unterteilt. Diese unterscheiden sich vor allem im Mechanismus der Immunantwort und der Zeitspanne zwischen
Allergenkontakt und dem Auftreten der allergischen Symptome.
Die meisten Allergien sind vom Sofort-Typ, weshalb sie auch
als klassische Allergien bezeichnet werden. Soforttyp deshalb, weil die Symptome binnen Sekunden bis Minuten nach
wiederholtem Allergenkontakt auftreten. Beim Erstkontakt
(Sensibilisierung) werden vermehrt IgE-Antikörper gebildet,
die sich an die Außenmembranen der Mastzellen heften. Bei
wiederholtem Kontakt mit dem Allergen dockt dieses an die
membranständigen IgE-Antikörper an. Dabei zerfallen die
Mastzellen (Degranulation) und setzen große Mengen Histamin und andere hochaktive Entzündungsmediatoren frei.
Diese wandern in das umliegende Gewebe und führen dort
zu typischen Allergiesymptomen.
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Häufige Sofort-Typ-Allergien Bei einem Heuschnupfen (Pollenallergie) sind vor allem die Nase, meist auch die Augen betroffen. Die Nase reagiert mit einem allergischen Schnupfen, für
den Kribbeln, Niesattacken und abwechselnd eine „laufende“
oder „verstopfte“ Nase typisch sind. An den Augen kommt es
zu einer Bindehautentzündung (Konjunktivitis) mit Tränenfluss,
Rötung, Kribbeln, Juckreiz und Schwellung. Dabei ist das Auftreten der Beschwerden von der Blütezeit der Pflanze(n) abhängig,
auf die ein Pollenallergiker reagiert. Auch bei einer Hausstauballergie, die definitionsgemäß eine Allergie gegenüber dem Kot
von Hausstaubmilben ist, sind Nase und/oder Augen betroffen,
allerdings ganzjährig.
Allergien gegenüber Tieren basieren auf Allergien gegenüber Speichel-, Kot- und Blutbestandteilen, die an den Haaren oder Federn des Tieres kleben. Neben allergischen Beschwerden an Nase und/oder Augen können Hautreaktionen
auftreten, am heftigsten bei direktem Kontakt mit dem Tier.
Typisch für Nahrungsmittelallergien sind Durchfall, Bauchkrämpfe und auch Erbrechen. Darüber hinaus sind Schwellungen und Jucken im Bereich von Lippen, Mund- und Ra-
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Bei einer Allergie nimmt das Immunsystem seine Aufgaben
zu ernst. Es agiert bereits, wenn es mit einem normalerweise
harmlosen oder sogar nützlichen Stoff (z. B. Pollen, Nahrungsmittel) in Berührung kommt. Dabei spielt es keine Rolle, ob
das Allergen natürlicher oder chemischer Herkunft ist. Eine
Allergie kann gegenüber einem einzigen oder gegenüber mehreren Allergenen gleichzeitig bestehen. Dabei kann es sich
um die Koexistenz mehrerer eigenständiger Allergien handeln
oder um Kreuzallergien. Letztere sind gegenüber Allergenen
möglich, die eine ähnliche physikalisch-chemische Struktur
(Allergenverwandtschaft) haben. So sind Kreuzallergien die
Folge einer bereits bestehenden Allergie und keine eigenständige Krankheit. Häufige Kreuzallergien bestehen bei Pollenallergikern gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln.
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immunsystem
Immunkomplexe (Antigen-Antikörper-Komplexe) bilden. Diese
Komplexe aktivieren Entzündungszellen und somit die Freisetzung
einer großen Vielfalt von Entzündungsmediatoren. Können die
Immunkomplexe von den Fresszellen nicht ausreichend vernichtet
werden, tritt eine allergische Reaktion mit anhaltenden Entzündungsprozessen ein. Dies ist häufig der Fall, wenn die Betroffenen
permanent Kontakt mit dem Allergen haben: etwa Bäcker mit Mehl
(„Bäcker-Asthma“) oder Züchter mit Vögeln („Vogelhalterlunge“).
chenraum möglich und/oder eine Nesselsucht (Urtikaria) der
Haut, erkennbar an Juckreiz, Rötung, Schwellung und Quaddelbildung. Allergische und nicht allergische Nahrungsmittelunverträglichkeiten haben oft identische Symptome, weshalb
sie häufig schwer voneinander zu unterscheiden sind.
Sonderfall: anaphylaktischer Schock Der anaphylaktische
Schock ist eine seltene, aber sehr heftige allergische Erscheinung.
Die häufigsten Auslöser sind Insektengifte, Nahrungsmittel, aber
auch Medikamente. Der anaphylaktische Schock (Allergie vom
Sofort-Typ) wird durch extreme Histaminausschüttungen ausgelöst, die zu lebensgefährlichen Herz-Kreislauf-Störungen führen.
Erste Anzeichen sind Kloßgefühl im Rachen, Atemnot, Herzrasen, Schwindel und Erbrechen. Akute Lebensgefahr besteht,
wenn der Blutdruck abfällt, Urin und Stuhl abgehen und der
Betroffene bewusstlos wird.
Zytotoxischer typ (typ II)
Bei den äußerst seltenen Typ-II-Allergien spielen die Immunglobuline IgG und IgM eine
Hauptrolle. Die Bildung beider Immunglobuline wird durch Antigene ausgelöst, die gleichzeitig fest an körpereigene Zellen binden – zumeist an Zellen des Blutes. Dadurch werden
die körpereigenen Zellen als fremd erkannt
und zerstört, etwa durch das Komplementsystem. So ist es möglich, dass weiße oder rote
Blutkörperchen als fremd eingestuft werden,
wenn daran ein Arzneistoff angedockt hat.
Spät-typ (typ IV)
An allergischen Reaktionen vom Typ IV sind keine Immunglobuline beteiligt, sondern sensibilisierte T-Lymphozyten.
Daher werden die allergischen Reaktionen auch als T-Zellvermittelte Reaktionen bezeichnet. Durch Ausschüttung von
Zytokinen durch die T-Lymphozyten werden Fresszellen
aktiviert und Gewebe geschädigt. Dieses Geschehen tritt
erst 24 bis 72 Stunden nach wiederholtem Allergenkontakt
auf. Ein typisches und sehr häufig auftretendes Beispiel ist
das Kontaktekzem der Haut. Beim Tuberkulintest wird die
Allergie vom Spät-Typ zu diagnostischen Zwecken genutzt.
Autoimmunerkrankungen
Hierzu werden Krankheiten gezählt, bei denen der Organismus Antikörper (Autoantikörper) gegen körpereigenes Gewebe
bildet. Auf welche Art und Weise dies geschieht, ist noch nicht
vollständig geklärt. Autoimmunkrankheiten, auch Autoaggressionskrankheiten, können sich auf ein Organ beschränken oder
den gesamten Körper betreffen. Je mehr Krankheiten in ihrer
Pathogenese aufgeklärt werden, desto größer wird die Gruppe
der Autoimmunerkrankungen. Längst bekannte sind der Lupus
erythematodes, chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, die Rheumatoide Arthritis,
der Typ-1-Diabetes und die Multiple Sklerose. In letzter Zeit
verdichten sich die Daten, dass Autoimmunreaktionen auch an
der Arteriosklerose und ihren Folgen beteiligt sind.
Auf einen Blick
» Das menschliche Abwehrsystem besteht unter anderem aus den äußeren Barrieren sowie dem
Immunsystem, zu dem auch das Lymphsystem gehört.
» Zu den größten äußeren Barrieren gehören die Haut und die Schleimhäute.
» Das Immunsystem wird in angeborene, unspezifische Mechanismen und in erworbene, spezifische
Mechanismen unterteilt.
» Zu den Hauptakteuren des unspezifischen Immunsystems gehören Fresszellen, zu denen des spezifischen Immunsystems Lymphozyten.
» An der unspezifischen und spezifischen Immunabwehr beteiligte Zellen gehören zu den weißen
Blutkörperchen (Leukozyten).
» Das Immunsystem ist nicht nur für die Abwehr von Krankheiten verantwortlich, sondern auch für
Krankheiten.
Immunkomplex-typ (typ III)
Allergische Reaktionen vom Typ III laufen
verzögert ab und treten erst Stunden bis zu
zwei Tagen nach Allergenkontakt auf. Die Vermittlung der allergischen Reaktion erfolgt über
IgG-Antikörper, die mit löslichen Antigenen
» Immunologisch bedingte Krankheiten sind vor allem Allergien, Autoimmunkrankheiten und Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantation.
» Allergien werden in vier Typen unterteilt, am häufigsten ist die Allergie vom Sofort-Typ (z. B. Heuschnupfen).
» Während der Schwangerschaft sorgen Trophoblasten (Ernährungszellen des Ungeborenen) dafür,
dass das mütterliche Immunsystem die Frucht nicht abstößt.
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