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Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
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Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
--eine Sammlung aktueller Prognosen
von
Karl-Peter J. Dostal
Dezember 2012
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1
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
2
Inhalt
1. Vorwort
Seite 3
Erster Teil
2. Bestandsaufnahme zum gegenwärtigen Zustand der Erde
2.1. Zur globalen Erwärmung und zu ihren jetzt erkennbaren Folgen
2.2. Zur Massentierhaltung
2.3. Weiteres
Seite 4
Seite 4
Seite 8
Seite 9
3. Prognosen für die nächsten Jahrzehnte
Seite 10
3.1. Aus der globalen Erwärmung abgeleitete Prognosen
3.2. Prognosen zu weiteren Problemen
Seite 10
Seite 16
4. Zur Abwendung der genannten Gefahren
4.1. Prinzipielle Erfordernisse und Möglichkeiten
4.2. Empfehlungen zu individuellem Engagement
Seite 16
Seite 17
Seite 21
Zweiter Teil
5. Nahe und mittelfristige terrestrische und extraterrestrische Gefahren
5.1. Impakte von erdnahen Objekten
5.2. Über den Einfluss größerer Himmelskörper und der dunklen Materie
5.3. Vulkanausbrüche
5.4. Sonnenstürme
5.5. Erdbeben
5.6. Pandemien
5.7. Gammablitze
Seite 24
Seite 24
Seite 26
Seite 27
Seite 28
Seite 29
Seite 29
Seite 30
6. Veränderungen der irdischen Plattentektonik
7. Wendezeit in einigen 100 Millionen Jahren
Seite 31
Seite 31
8. Drei Exkurse
8.1. Einige Meilensteine der historischen Entwicklung unserer Kenntnisse
8.2. Bestandsaufnahme zum Makrokosmos
8.3. Bestandsaufnahme zur Mikrophysik
9. Nach dem Ende des irdischen Lebens
10. Das wahrscheinlichste Szenario zur Entwicklung des ganzen Kosmos
Seite 33
Seite 34
Seite 35
Seite 35
Seite 36
Seite 37
11. Beispiele gegenwärtig weniger wahrscheinlicher und hypothetischer Szenarien Seite 41
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
3
1. Vorwort
Es scheint zur Natur des Menschen zu gehören, dass er nicht nur im Hier und Jetzt lebt, sondern über
die Zukunft, einschließlich der sehr fernen, sinniert. Die gesamte Kulturgeschichte der Menschheit
legt davon Zeugnis ab. So finden wir z. B. Endzeitvorstellungen in den sog. abrahamitischen Religionen und schier unvorstellbare Zahlenangaben bereits in der altindischen Philosophie. (Letzterer
zufolge dauern die unendlich vielen Weltperioden jeweils 200 Brahma-Jahre = 622 Billionen Menschen-Jahre1 - dagegen ist das jetzige Alter der Welt seit dem Urknall eine Winzigkeit.)
In der vorliegenden Arbeit habe ich versucht, Prognosen über die nahe, ferne und sehr ferne Zukunft
aus allgemein zugänglichen Quellen zusammenzustellen. Dabei sind zwei wesentlich verschiedene
Arten von Prognosen zu unterscheiden, weshalb die Arbeit aus zwei verschiedenen Teilen besteht:
Die Menschheit steht nach allgemeiner wissenschaftlicher Erkenntnis in diesen Jahren vor einem
Scheideweg. Denn sie hat innerhalb kurzer Zeit die Erde mit ihren vier Geosphären auf dramatische
und gefährliche Weise verändert: die Atmosphäre, Hydrosphäre, Lithosphäre und Biosphäre (die sich
nach Harold J. Morowitz in dieser Reihenfolge durch die vier antiken Elemente Luft, Wasser, Erde
und Feuer symbolisieren lassen.2) Gemeint ist die anthropogen verursachte globale Erwärmung mit
(in wissenschaftlicher Terminologie) positiven Rückkopplungen, d. h. mit (allgemeinsprachlich) negativen Auswirkungen. Die Folge ist, dass unsere unmittelbare Zukunft vor allem von uns selbst abhängt. Auf diese Problematik wird in gewisser Ausführlichkeit im ersten Teil eingegangen. Er ist
insofern der wichtigere Teil, als er uns und die Generation unserer Kinder und Kindeskinder existenziell betrifft und es notwendig ist, die Sachverhalte und potentiellen Gefahren zu kennen, um ihnen
möglicherweise zu entgehen. Deshalb beginnt die Arbeit mit einer Bestandsaufnahme der jetzigen
Situation, gefolgt von Prognosen für die nächsten Jahrzehnte und Vorschlägen zur Abwendung der
erkannten Gefahren. Wegen der Unvorhersehbarkeit des globalen Verhaltens der Menschheit sind
diese Prognosen sehr unsicher, sogar unsicherer als jene, die sich auf fernere Zeiten beziehen, dem
Gegenstand des zweiten Teils der Arbeit:
Das Interesse an Prognosen für die fernere Zukunft folgt aus der Tatsache, dass die Menschheit, das
Leben überhaupt und die Erde als Bestandteile des Universums in dessen globale Entwicklung eingebettet sind.3 Für jene Prognosen ist vor allem die Naturwissenschaft zuständig, denn die wissenschaftlichen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts haben nicht nur zu detaillierten Erkenntnissen
über die Historie unserer Welt seit ihrem Anfang geführt, sondern erlauben auch fundierte Prognosen
bis weit in die entfernte Zukunft hinein. Sie beruhen auf Beobachtungen und Messungen und den
daraus abgeleiteten, meist mathematisch formulierten Theorien. Neuerdings ist mit der Computersimulation eine dritte nicht unwichtige Erkenntnismethode hinzugekommen.
In der Annahme, das Verständnis zu erleichtern, sind an geeigneter Stelle Exkurse zu physikalischen
Grundlagen eingefügt - mit Beispielen wissenschaftlicher Prognosen der Vergangenheit, die sich
danach als richtig herausstellten. Sie bezeugen die Tragfähigkeit und damit einen gewissen Wahrheitsgehalt der wissenschaftlichen Erkenntnis, weswegen man sie sicherlich als Triumph des
menschlichen Geistes ansehen kann. So darf man wohl auch den jetzigen wissenschaftlichen Prognosen selbst für die Zeiten, in denen unser Planet nicht mehr existieren wird, ein gewisses Vertrauen
entgegenbringen. Weil die naturwissenschaftlichen Theorien naturgemäß unvollständig und fehlerhaft sind oder sein können, sind auch naturwissenschaftliche Prognosen unsicher, und künftiger Wissenszuwachs wird zur Korrektur mancher Voraussagen führen.
1
Hans-Peter Hasenfratz, Der indische Weg, Herder 1994, S. 21.
Siehe meinen längeren Aufsatz Die traditionelle Lehre von den vier Elementen (bisher unveröffentlicht; kann Interessenten gern zugesandt werden).
3 In dieser Arbeit werden die Begriffe Universum, (Makro-)Kosmos und Welt(all) synonym verwendet.
Weitere Fußnoten betreffen nur Quellenangaben.
2
4
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
2. Bestandsaufnahme zum gegenwärtigen Zustand der Erde
Der gegenwärtige Zustand der Erde ist insbesondere durch negative anthropogene Einflüsse gekennzeichnet, die eine Bedrohung für die Menschheit darstellen. Die vielfältigen Fakten dieser umfangreichen Problematik können hier nur unvollständig genannt und erläutert sein:
- Raubbau an der Natur, Artensterben
- globale Erwärmung („Klimakatastrophe“, „die Erde hat Fieber“4)
- Umweltverschmutzung durch zunehmenden Verkehr
- Umweltverschmutzung durch die Massentierhaltung.
- unzureichende Beherrschung gegenwärtiger Technik (z. B. der Kernkraftwerke)
- Kriegsgefahr (bis zur Auslöschung der gesamten Menschheit durch einen Atomkrieg)
2.1. Zur globalen Erwärmung5 und zu ihren jetzt erkennbaren Folgen
Der wissenschaftliche Kenntnisstand zu den Ursachen der Erderwärmung wird in den Berichten des
Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wiedergegeben, die von fast allen Fachwissenschaftlern mitgetragen werden. Kontroverser diskutiert man die möglichen Folgen; noch größere
Unsicherheiten bestehen hinsichtlich der notwendigen Gegenmaßnahmen, des Klimaschutzes.
Sehr gering ist die Zahl der sog. Klimakritiker, die meist keine direkten Fachwissenschaftler sind und die Problematik verharmlosen. Stellungnahmen zu deren Argumenten finden sich u. a. auf den ausführlichen Websites
http://de.wikipedia.org/wiki/Kontroverse_um_die_globale_Erw%C3%A4rmung und
http://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Hauptseite.
Bereits heute sind Folgen des Klimawandels beobachtbar.
Zwischen 1906 und 2005 hat sich die durchschnittliche Lufttemperatur in Bodennähe um 0,74 °C
erhöht. Das Jahrzehnt von 2000 bis 2009 war mit Abstand das wärmste je gemessene, gefolgt von
den 1990er Jahren, die wiederum wärmer waren als die 1980er Jahre.
Hitzewellen und extrem warme Sommer sind häufiger geworden. Der Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit für solche Extremwetter in den letzten 30 Jahren deutlich in Richtung warm verschoben. In der Vergleichsperiode von 1951 bis 1980 folgten zu kalte und zu warme Sommer noch einer
Zufallsverteilung, mittlerweile aber nicht mehr. Früher war ein Drittel der Sommer kälter gewesen
als der langjährige Durchschnitt, heute sind es nur noch 10 %. Auf der Nordhalbkugel waren früher
nur 33 % der Sommer zu warm, jetzt sind es 75 %.6
Im Jahr 2010 hat die Hitzewelle in Russland vorläufigen Schätzungen zufolge Tausende von Opfern gefordert,
die Ernten um ein Viertel verringert und 15 Milliarden US-Dollar wirtschaftlichen Schaden hinterlassen.7
Als Ursache dafür gelten die anthropogene Verstärkung des natürlichen Treibhauseffekts durch
Verbrennen fossiler Brennstoffe, die globale Entwaldung sowie die Land- und insbesondere
Viehwirtschaft. Dadurch werden die Treibhausgase Kohlen(stoff)dioxid CO2, Methan CH4 und
Lachgas N2O in der Erdatmosphäre angereichert, sodass die Wärmeabstrahlung von der Erd-Oberfläche in das Weltall erschwert wird.
4
Die Erde hat Fieber, bild der wissenschaft plus, Sonderpublikation Nov. 2007.
Z. T. nach Wikipedia, Artikel Globale Erwärmung, 26.3.2012.
6 http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-15010-2012-08-06.html.
7 „Weltbankbericht“ vom Nov. 2012,
http://climatechange.worldbank.org/sites/default/files/Turn_Down_the_Heat_Executive_Summary_English.pdf.
5
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
5
Die globale Erwärmung liegt zurzeit bei 0,16 Grad Celsius pro Dekade, was weitestgehend den
IPCC-Prognosen entspricht.8
Unterschiedlicher Verbrauch an Ressourcen
Die Menschen in Entwicklungsländern verbrauchen deutlich weniger Ressourcen, sind aber am
stärksten von den Folgen der Umweltprobleme betroffen.
„Würden alle Menschen so leben wie brasilianische Urwaldindianer, könnte die Erde 20 bis 30 Milliarden Menschen tragen. Würden alle so viele Ressourcen verbrauchen wie die Einwohner der USA, wäre die ökologische
Tragfähigkeit schon heute überschritten“, schrieb der Basler Entwicklungssoziologe Klaus Leisinger.9
Ein US-Bürger trägt statistisch 16 000mal soviel wie ein Somalier zur globalen CO2-Emission bei. Ein WestEuropäer verbraucht zehnmal so viel Energie und Stahl wie ein Afrikaner. Dieses Verhältnis ist auch bei einzelnen Problemen wie den fossilen Brennstoffen, ozonschädigenden Stoffen, Haus- und Industriemüll, Fleischproduktion und Abholzung gleich: Die Industrieländer sind die Hauptverursacher.10
In einem offenen Brief richteten Bill McKibben (Gründer von 350.org), Nnimmo Bassey (Environmental Rights Action und Koordinator von Oilwatch International) und Pablo Solon (ExekutivDirektor von Focus on the Global South, früherer UN-Botschafter) einen dringenden Appell an die
Verhandler auf der UN-Klimakonferenz in Doha (November 2012). In ihm heißt es: „Das massive
Abschmelzen der Arktis in diesem Jahr veranlasste unsere besten Klimawissenschaftler dazu, einen
„planetarischen Notstand“ auszurufen. Zudem haben extreme Wetterlagen i. J. 2012 weltweit Ernten zerstört, was einen Anstieg der Nahrungsmittelpreise um 40 % und familiäre Notstände in armen
Haushalten rund um den Globus nach sich zog. Das ist die Realität einer 0,8 °C wärmeren Welt.“11
Aus ihren Empfehlungen wird in Kap. 4 zitiert.
Eine kurze Erklärung des Treibhauseffekts12
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Die Sonne strahlt sehr viel Energie in Form von elektromagnetischen Wellen zur Erde. Dadurch wird die Oberfläche der Sonne gekühlt (Strahlungskühlung).
Die häufigsten Wellenlängen der Photonen des Sonnenlichtes liegen um 500 nm, das entspricht grünem Licht.
Aus diesem Strahlungsmaximum kann man auf die Oberflächentemperatur der Sonne rückschließen: Sie beträgt
etwa 5600 °C oder 5900 K.
In diesem Spektralbereich (sichtbares Licht) absorbieren die Lufthülle der Erde so wie auch die Glasscheiben
eines Treibhauses nur wenig Strahlung - man spricht von hoher Transparenz. Die Strahlung kann also fast ungehindert in das Treibhaus.
Die Gegenstände im Treibhaus absorbieren die Photonen und erwärmen sich dadurch auf etwa 30 °C = 303 K.
Die erwärmten Gegenstände strahlen ebenfalls elektromagnetische Wellen ab, deren häufigste Wellenlängen allerdings bei 10000 nm liegen (Infrarotstrahlung). Der Grund für diese Vergrößerung der Wellenlänge ist das
Wiensches Verschiebungsgesetz: Wenn die (absolute) Temperatur auf 1/20 sinkt, steigt die Wellenlänge, bei der
die größte Strahlungsintensität auftritt, auf das 20-fache.
Für diese „Rückstrahlung“ sind aber Glas und bestimmte Elemente in der Lufthülle der Erde undurchlässig. Die
Strahlung wird deshalb teilweise absorbiert. Gleichzeitig können die Treibhausgase Wärmestrahlung weit besser
abgeben als Stickstoff und Sauerstoff. Sie strahlen die durch Absorption und Konvektion erhaltene Wärmeenergie gleichmäßig in alle Richtungen, also auch zum Boden hin, ab. Der Boden erhält so zusätzliche Wärmestrahlung („atmosphärische Gegenstrahlung“).
8 Stefan Rahmstorf et al., Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Environmental Research Letters,
28.11.2012, http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-15355-2012-11-28.html.
9 http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/odenwalds_universum/frage-von-bernd-kuepper-wie-viele-menschenertraegt-die-erde_aid_295708.html.
10 Wikipedia, Überbevölkerung, 22. Januar 2012.
11 http://germanwatch.org/en/download/7169.pdf.
12 Wikipedia, Treibhauseffekt.
6
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
Wasserdampf, CO2, Methan und Lachgas sind natürliche atmosphärische Bestandteile, die den natürlichen Treibhauseffekt verursachen, ohne den die mittlere Temperatur der Erde bei ca. -18 °C statt
jetzt +14 °C läge.
Die CO2-Konzentration, früher nie mehr als 300 ppmV (parts per million, Teile pro Million Volumenanteil,
meist nur mit ppm bezeichnet), ist seit Beginn der Industrialisierung auf ca. 390 ppmV im Jahr 2011gestiegen,
vor allem durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe, die Zementindustrie und großflächige Entwaldung. Für andere Treibhausgase beschreibt das Treibhauspotenzial (oder CO2-Äquivalent) die mittlere Erwärmungswirkung
über (meist) 100 Jahre eines kg Treibhausgases i. Vgl. zu 1 kg CO2. Für Methan beträgt dieser Faktor nach neueren Berechnungen 33; die Methan-Konzentration stieg von 0,730 ppmV auf jetzige 1,74 ppmV, hauptsächlich
verursacht durch Verdauungsprodukte bei Wiederkäuern und durch den Reisanbau. Der Volumenanteil von
Lachgas stieg von vorindustriell 0,27 ppmV auf mittlerweile 0,32 ppmV. Trotz seiner sehr geringen atmosphärischen Konzentration trägt es zum anthropogenen Treibhauseffekt mit etwa 6 % bei, da sein Treibhauspotenzial
298mal stärker ist als das von CO2.
60% des natürlichen Treibhauseffekts gehen auf Wasserdampf in der Atmosphäre zurück. Wasserdampf ist damit das mit Abstand wirkungsvollste Treibhausgas. Die Wasserdampfkonzentration der Atmosphäre wird durch
antropogene Wasserdampfemissionen aber nicht signifikant verändert, da zusätzlich in die Atmosphäre eingebrachtes Wasser innerhalb weniger Tage auskondensiert. Steigende globale Durchschnittstemperaturen führen
jedoch zu einem höheren Dampfdruck, d. h. einer stärkeren Verdunstung. Der damit global ansteigende Wasserdampfgehalt der Atmosphäre treibt die globale Erwärmung zusätzlich an. Wasserdampf wirkt somit im Wesentlichen als Rückkopplungsglied. Diese „Wasserdampfrückkopplung“ ist neben der Eis-Albedo-Rückkopplung die
stärkste, positiv wirkende Rückkopplung im globalen Klimageschehen.
Fehlenden bzw. unbedeutenden oder nur indirekten Einfluss auf die globale Erwärmung haben Veränderungen
der kosmischen Strahlung oder der Sonnenaktivität, das Ozonloch oder die vielfältig entstehende Abwärme.
Gegenwärtig (Dezember 2012) ist China der mit weitem Abstand größte CO2-Emittent - mit 28 %
des weltweit gesamten Ausstoßes. Der Pro-Kopf-Ausstoß der Chinesen ist ähnlich hoch wie in den
Ländern der EU. Dennoch gilt China immer noch als Schwellenland, das Nachholbedarf hat, und
wird beim Klimaschutz nicht in die Pflicht genommen.13
Zum Zustand der Hydrosphäre
Gletscher gelten als das Gedächtnis der Klimageschichte, die Gebirgsgletscher als das Fieberthermometer der Erde. Kaum irgendwo lässt sich so deutlich ablesen, was mit unserem Klima geschieht,
wie hier. Die Gletscher schmelzen mit einer Geschwindigkeit, die selbst Klimaforscher überrascht.
Wo sich einst strahlend weiße Eisriesen bis in die Täler schoben, bedecken heute vielerorts nur noch
Schutt und Geröll den Boden.
In den Alpen ist die Veränderung besonders gut dokumentiert. Es gibt 5000 Gletscher in den Alpen. Seit Beginn
der Industrialisierung um 1850 haben die Gletscher dort etwa ein Drittel ihrer Fläche und die Hälfte ihrer Masse
verloren. Vor allem seit den 90er Jahren hat sich das Tempo erhöht und wird sich in den nächsten Jahren voraussichtlich weiter steigern: Die heutige Schmelze wurde durch Treibhausgasemissionen vor 30 Jahren verursacht.
Im östlichen Himalaja sind bereits rund 2000 Gletscher vollkommen weggeschmolzen. 44 Gletscherseen stellen
durch ihren hohen Wasserstand eine ernste Bedrohung für die Menschen in den Tälern dar.
Vom Kilimandscharo, dem „Schimmernden Berg“, schwanden seit Beginn der Aufzeichnungen 1912 mehr als
80 % seiner Schnee- und Eismasse, allein seit 1989 waren es 33 %. Jedes Jahr verliert er mindestens einen halben Meter an Eisdicke.
Die am schnellsten schmelzenden Eismassen der Erde sind die Gletscher Patagoniens in Chile und Argentinien.
Sie haben zwischen 1997 und 2004 jedes Jahr rund 42 Kubikkilometer Eis verloren, das entspricht etwa der
Wassermenge des Bodensees. Ihr Schmelzwasser trägt überproportional zur weltweiten Erhöhung des Meeresspiegels bei.14
Zum erwarteten Fortgang und zu den weiteren Folgen der Gletscherschmelze s. Kap. 3.
13
14
www.globalcarbonproject.org/carbonbudget/12/files/CarbonBudget2012.pdf).
http://www.greenpeace.de/themen/klima/folgen_der_erwaermung/artikel/berge_ohne_eis_die_gletscher_schmelzen/.
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
7
Die Gletscherschmelze hat seit Anfang des letzten Jahrhunderts 11 cm zum Anstieg des Meeresspiegels beigetragen und war damit dessen wichtigste Ursache. Dies haben Wissenschaftler der Universität Innsbruck aufgrund der Veränderungen an den weltweit rund 300 000 Gletschern berechnet.15
Der Meeresspiegel steigt um 60 % schneller an als bisher vom Weltklimarat IPCC vorhergesagt:
In den vergangenen fünf Jahren haben die Temperaturen und die Kohlendioxid-Konzentration der Atmosphäre
zwar den Prognosen entsprechend zugenommen. Der Meeresspiegel aber steigt schneller als erwartet. Dies deutet darauf hin, dass die letzten zwei IPCC-Berichte diese Klimafolge deutlich unterschätzt hatten.
Von 1993 bis 2010 ist der Meeresspiegel um 3,2 mm pro Jahr gestiegen (vorhergesagt waren nur
rund zwei). Dies sind 50 % mehr als der durchschnittliche Anstieg im 20. Jahrhundert.16
Der Klimawandel ist allerdings nicht die einzige Ursache für den Anstieg des Meeresspiegels. Auch der Mensch
trägt mit seinen Eingriffen in den globalen Wasserkreislauf entscheidend dazu bei. Der größte Faktor ist der
Verbrauch von Grundwasser, das nach der Nutzung nicht wieder in das ursprüngliche System zurückfließt, sondern über verschiedene Kanäle schließlich in die Ozeane gelangt.17
Ähnlich wie der Anstieg des Meeresspiegels wurde auch das Abschmelzen der Eisdecke auf dem
Arktischen Ozean unterschätzt: Sie ist heute 40 % kleiner als noch in den 60er/70er Jahren.18
Die Gashydrate vor der US-Ostküste beginnen zu zerfallen.
Die Erwärmung des Atlantiks macht den Meeresgrund vor der US-Ostküste instabil: Auf einer Fläche von mehr
als 10 000 Quadratkilometern beginnt sich Methangas aus den im Untergrund lagernden Gashydraten zu lösen.
Gashydrate sind Wassermoleküle, die unter hohem Druck und tiefen Temperaturen das Treibhausgas Methan
wie einen Käfig einschließen und so konservieren. Werden sie jedoch warm, zerfallen diese Käfige und setzen
das Gas frei. Genau dieser Prozess ist bei rund 2,5 Gigatonnen Methanhydrat vor der US-Ostküste im Gange.19
Zum Zustand der Biosphäre
Durch gestiegene Niederschlagsmengen, Temperatur und CO2-Gehalt der Atmosphäre hat das
Pflanzenwachstum in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Es stieg zwischen 1982 und 1999 um
sechs Prozent im weltweiten Durchschnitt, besonders in den Tropen und der gemäßigten Zone der
Nordhalbkugel. Ozeane versauern durch Aufnahme des CO2 aus der Atmosphäre zunehmend. Dadurch können Korallen und andere Meeresbewohner ihr Kalkskelett nicht mehr bilden (s. a. Kap. 3).
Der Klimawandel hat den mitteleuropäischen Vogelbestand verändert. „Wir sehen teilweise drastische Entwicklungen, die allein auf die globale Erwärmung zurückgehen.“ Seit Ende des Krieges war
die Intensivierung der Landwirtschaft der wichtigste Faktor bei der Veränderung der Bestände, nun
werde dieser Einflussfaktor erstmals vom Faktor Klima weit übertroffen.20 Südliche Arten wanderten
neu nach Deutschland ein oder haben in ihren Beständen zugenommen.
Zufolge einer Analyse der Vogelbestände am Bodensee hat die Temperatur dort zwischen 1980 und 2002 im
Winter um 2,7 Grad Celsius und zur Brutzeit im Frühjahr um 2,1 Grad Celsius zugenommen. Einige bislang am
Bodensee heimische Arten verlagerten ihre Brutgebiete weiter nach Norden, andererseits sind mediterrane Vögel wie die Felsenschwalbe und der Orpheusspötter beobachtet worden.
15 Zit. n. http://www.gfanews.de/gfa/webcode/20121123_001/Gletscherschmelze%20Hauptgrund%20f%C3%BCr%20Meeresspiegelanstieg.
16
Stefan Rahmstorf et al., http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-15355-2012-11-28.html.
17 http://www.scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-14765-2012-05-21.html.
18 Stefan Rahmstorf, Interview vom 16.2.2010, http://www.3sat.de/mediathek/?display=1&mode=play&obj=16944.
19 http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-15255-2012-10-25.html.
20 Katrin Böhning-Gaese, Institut für Zoologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, zit. n. LVZ, 02.02.2007.
8
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
Durch den Klimawandel vermehren sich krankmachende Bakterien in der Ostsee.
Bereits jetzt infizieren sich in warmen Sommern immer mehr Menschen mit Vibrio vulnificus, einem Erreger
von Wundinfektionen, Durchfall und Blutvergiftungen. Aber auch der eng verwandte Cholera-Erreger, Vibrio
cholerae, ist auf dem Vormarsch.21
2.2. Zur Massentierhaltung (Siehe auch Abschnitt 4.2.)
„Mehr als 20 Milliarden Tiere sind nur deshalb am Leben, um vom Menschen verspeist zu werden
[ohne die Fischnahrung]. Diese gigantische Essmaschinerie sorgt für anhaltende Krisen.“ Noch mehr
als die mittlerweile 7 Milliarden Menschen sind diese Nutztiere eine gewaltige Belastung für die
irdische Biosphäre durch direkte oder indirekte Verdrängung zahlloser anderer Arten, durch den
enormen Aufwand an Ackerfläche, Wasser, Energie, Dünger und Pflanzenschutzmitteln für die Futterproduktion, durch den Wasser- und Energieaufwand für die Tierhaltung und die Unmengen an
Exkrementen, die in den Boden und die Gewässer gelangen.22
Wichtige Erkenntnisse erbrachte eine Studie der FAO der UNO:23
- Die Viehwirtschaft ist heute die Hauptursache für die Waldrodung im Amazonas.
- Der Einfluss der Nutztiere auf die Klimaerwärmung ist höher als der des gesamten
weltweiten Verkehrs!
- 68 % der weltweiten NH3-Emission (die den sauren Regen fördert) gehen zu Lasten der
Viehwirtschaft.
- Die Nutztiere verbrauchen rund 8 % des globalen Trinkwassers und gehören damit zu den
größten Wasserverbrauchern. [Zum Vergleich: Der direkte menschliche Verbrauch
durch Trinkwasser, Duschen, Industrie usw. kommt auf rund 1%.]
- 33 % (= 471 Mio. ha) des weltweiten Kulturlandes werden für Futtermittelanbau verwendet.
Ergänzend sei beispielhaft vermerkt:
- Die Viehhaltung verursacht knapp 80 % der Emissionen aus der Landwirtschaft.
- Eine fleischbasierte Ernährungsweise beansprucht erheblich mehr Land-, Energie- und
Wasserressourcen als eine vegetarische. Auch sind die Futterkonversionsraten der
Tierproduktion niedrig, d. h. es wird ein Vielfaches an pflanzlicher Biomasse benötigt,
um die gleiche Menge Fleisch zu erzeugen.
- Eine biologische konventionelle Ernährung, die Fleisch, Milch und Eier beinhaltet, verursacht pro Jahr und pro Person gleichviel Treibhausgase wie eine Autofahrt von 4377
km; bei veganer Ernährung mit biologischen Produkten wären es 281 km.24
- Für die Erzeugung von 100 Gramm Hackfleisch braucht man mehr als 7000 Liter Wasser
(ein sog. Hamburger entspricht 35 mit Wasser gefüllten Badewannen)!25
- Die FAO erwartet, dass sich die globale Fleisch- und Milchproduktion
in der ersten Hälfte des 21. Jh. noch verdoppeln wird.
- Einer US-amerikanischen Ökobilanz (2008) zufolge ist der Beitrag des Transports zu den
Emissionen der Lebensmittelversorgung mit 11% relativ gering, 83% entstehen hingegen bei der Produktion. Daher spiele die Art der konsumierten Lebensmittel eine
viel größere Rolle als die Herkunft der Lebensmittel. Eine Tagesdosis an Kalorien
einmal pro Woche statt über rotes Fleisch über Geflügel, Fisch, Eier oder Gemüse
aufzunehmen habe einen stärkeren Effekt auf die Treibhausgasemissionen, als alle
Lebensmittel aus lokaler Produktion zu beziehen.26
21
http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-14963-2012-07-23.html.
K. Hahlbrock in: Die Erde hat Fieber, l. c., S. 17 f.
23 Food and Agriculture Organization (2006): Livestock's Long Shadow.
24 http://www.vegetarismus.ch/info/oeko.htm#f36.
25 Die Erde hat Fieber, l. c., S. 14.
26 Wikipedia, Artikel Globale Erwärmung.
22
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
9
- Ein Kilo Rindfleisch ist so klimaschädlich wie 1 600 Kilometer Autofahrt.27
Das ist deutlich mehr als bei vorhergehenden Berechnungen dieser Klimabilanz. Forscher aus Österreich und den Niederlanden haben für die neue Kalkulation auch berücksichtigt, welche Flächen für die
Tierzucht und -haltung benötigt werden. Auf dem für die Rinder genutzten Weideland könne kein Wald
mehr wachsen, der das Treibhausgas aus der Atmosphäre aufnehme und so das Klima entlaste.28
- Antibiotika sind - noch - die „Wunderwaffen“ der Humanmedizin, aber auch die moderne
Massentierhaltung wäre ohne die Bakterien-Killer kaum möglich. Denn Hühner, Puten, Schweine und Rinder leben in großen Ställen auf engstem Raum zusammengepfercht. Um zu verhindern, dass bei Krankheit eines Tieres der ganze Bestand vernichtet wird, müssen Landwirte präventiv Antibiotika ins Futter mischen. Davor warnen Experten schon seit langem, weil dadurch Resistenzen begünstigt werden. 30 bis
40 % aller resistenten Erreger, die auch der Humanmedizin zu schaffen machen, sollen aus der Tiermast kommen.29
Normalerweise beruhen Resistenzen von Bakterien darauf, dass sie die Wirkstoffe aus ihren
Zellen ausscheiden oder sie unschädlich machen. Kürzlich wurde bei drei MicrobacteriumStämmen beobachtet, dass sie die Antibiotica sogar als Nahrungsquelle nutzen.30
2.3. Weiteres
Die Subventionen für Kohle und andere fossile Brennstoffe betragen weltweit rund eine Billion Dollar (etwa 775 Milliarden Euro) und sind damit etwa sechsmal höher als diejenigen für erneuerbare
Energien.
Zum Landverbrauch für die Agrosprit-Produktion
Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU schreibt vor, dass dem Super- und Dieselkraftstoff für den Straßenverkehr Millionen Tonnen Agrosprit beigemischt werden müssen. 2020 soll der Anteil 10 % betragen.
Agrosprit (unrichtig als Biosprit bezeichnet) bedeutet eine fatale Konkurrenz für die Ernährung der Menschheit,
denn er basiert fast ausschließlich auf Nahrungsmitteln: Für Ethanol sind Mais, Weizen, Zuckerrübe und Zuckerrohr die Rohstoffe, für Agrardiesel Raps-, Soja- und Palmöl. Entgegen der Behauptungen der Agrospritlobby haben Rest- und Abfallstoffe sowie nicht essbare Pflanzen nur einen minimalen Anteil.
Für die Natur und das Klima ist der Kraftstoff vom Acker eine Katastrophe. Agrosprit ist schädlicher als fossiler Kraftstoff aus Erdöl. Dies bestätigen selbst die von der EU Kommission beauftragten Studien. Die Agrospritproduktion belegt riesige Landflächen, die nicht nur für die Ernährung, sondern auch für die Natur verlorengehen - in Deutschland, Europa und weltweit. Die industriellen Monokulturen breiten sich weltweit auf Kosten
der natürlichen Ökosysteme aus und vernichten die Artenvielfalt. Die Agrospritproduktion verbraucht zudem
Unmengen an Wasser (im Durchschnitt 600 Liter für einen Liter Ethanol). Düngemitteln und Pestiziden, die die
Umwelt und Gesundheit der Menschen belasten. In Europa verschwinden die Feldvögel, weil Rapsmonokulturen ihren Lebensraum in Beschlag nehmen. Die Hälfte des Ethanols (53 %) wird nach Angaben der Bundesregierung aus Übersee eingeführt. In Brasilien, dem größtem Ethanolexporteur, werden die Tropenwälder und Savannen für Zuckerrohrmonokulturen vernichtet. Und auch für „Biodiesel“ werden große Mengen von Palm- und
Sojaöl aus Südostasien und Südamerika importiert. Für Palmölplantagen brennen in Indonesien und Malaysia
die Regenwälder, in Argentinien und Brasilien wird für den Soja-Anbau abgeholzt..31
In einer Stellungnahme vom 26. Juli 2012 kommt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina zu
dem Schluss, dass Agrosprit als nachhaltige Energiequelle für Deutschland heute und in Zukunft keinen quantitativ wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten kann. Im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energieressourcen wie der Photovoltaik, der Solarthermie und der Windenergie verbrauche „Bioenergie“ mehr Fläche und sei
häufig mit höheren Treibhausgasemissionen und Umweltbeeinträchtigungen verbunden.32
27
http://www.scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-14783-2012-05-25.html.
http://www.scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-14783-2012-05-25.html.
29 Deutschlandfunk, Forschung aktuell, 6.2.2012.
30 http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/316511.html.
31 https://www.regenwald.org/aktion/892/agrosprit-sofort-stoppen.
32 http://www.leopoldina.org/de/presse/nachrichten/leopoldina-sieht-nutzung-von-bioenergie-kritisch.
28
10
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
3. Prognosen für die nächsten Jahrzehnte
Manche Voraussagen ergeben sich bereits unter der Annahme, dass der beschriebene Zustand anhält.
Fast täglich erscheinen Fachberichte über die dadurch bedingten Gefahren. Dominierend sind die
Forschungen zur globalen Erwärmung. Hierzu sei nachdrücklich der als exzellent ausgezeichnete
Wikipedia-Artikel Folgen der globalen Erwärmung empfohlen - einschließlich der Unterartikel
Folgen der globalen Erwärmung in Deutschland, Folgen der globalen Erwärmung in Europa, Folgen der globalen Erwärmung in der Arktis und Folgen der globalen Erwärmung in der Antarktis.33
Der Inhalt dieses Kapitels ist weitgehend davon unabhängig entstanden, enthält die wichtigen Tendenzen in ähnlicher Weise und mancherlei weitere Details.
3.1. Aus der globalen Erwärmung abgeleitete Prognosen
Klimaprojektionen über die nächsten 100 Jahre gehen aufgrund der Beobachtung der Vergangenheit
davon aus, dass in diesem relativ kurzen Zeitraum die natürlichen externen Einflussfaktoren keine
wesentlichen Veränderungen des globalen Klimas bewirken werden, auch wenn solche Möglichkeiten, z. B. eine Serie von starken Vulkanausbrüchen oder bisher nicht beobachtete Veränderungen in
der Sonnenaktivität, nicht völlig ausgeschlossen werden können (s. Kap. 5). Die Wirkung des Menschen auf das Klima ist dabei der größte Unsicherheitsfaktor.34
Niemand kennt die Entwicklung der Weltgesellschaft über die nächsten Jahrzehnte bzw. kann die Bevölkerungsentwicklung genau bestimmen, die Veränderung des Konsumverhaltens, den Energieverbrauch, die Nutzung von Energiequellen, die technologische Entwicklung, das Ausbrechen von Kriegen usw. vorhersagen.
Diese Unsicherheit findet ihren Ausdruck darin, dass der IPCC ein differenziertes Spektrum von Emissionsszenarien für Treibhausgase entwickelt hat, um auf diese Weise den unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten
der Weltgesellschaft Rechnung zu tragen. Klimaprojektionen sind folglich immer Wenn-dann-Aussagen. Sie
haben nicht den Anspruch, „die“ Zukunft zu zeigen, sondern sie projizieren mögliche bzw. unter bestimmten
Grundannahmen wahrscheinliche zukünftige Entwicklungen.
Dennoch besteht Veranlassung und Berechtigung, aus weltweitem Expertenwissen Prognosen zu
erstellen, sie allgemein bekannt zu machen und auf Gefahren und ihre mögliche Beseitigung hinzuweisen. Prof. Dr. Rahmstorf, Klimatologe am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, formulierte das Kernproblem:
„Das Ausmaß der Erwärmung hängt vor allem davon ab, wie viel an Treibhausgasen wir
künftig ausstoßen. Bei einem optimistischeren Szenario, dem sog. B1-Szenario, landen wir
zwischen zwei und drei Grad Erwärmung bis Ende diesen Jahrhunderts; bei einem pessimistischeren Szenario können wir auch zwischen vier und sieben Grad bis Ende diesen Jahrhunderts landen. Letzteres wäre dann schon ein vollkommen anderer Planet. Man muss sich klar
machen: Vier bis sieben Grad globale Erwärmung - das ist der Unterschied zwischen dem
Höhepunkt der letzten Eiszeit und heute.“35
Zum sogenannten „2-Grad-Ziel“36
Am Ende des vorigen Jahrhunderts hielt man eine durchschnittliche Erwärmung um 2 °C gegenüber
dem vorindustriellen Niveau für die Grenze von tolerablem zu „gefährlichem“ Klimawandel. Dieses
Ziel wurde u. a. im Dezember 2010 in der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen als Absichtserklärung formuliert, ist aber nicht in völkerrechtlicher Form bindend.
33
(Weniger wichtig ist wohl der weitere Unterartikel Folgen der globalen Erwärmung für den Weinbau.)
Dieser und wörtlich der folgende Absatz aus http://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Klimaszenarien,
wo weitere Unsicherheiten diskutiert und eine Reihe verschiedener Szenarien vorgestellt werden.
35 Stefan Rahmstorf, Interview vom 16.2.2010, http://www.3sat.de/mediathek/?display=1&mode=play&obj=16944.
36 Ausführlich behandelt im Wiklipedia-Artikel 2-Grad-Ziel.
34
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
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Da die Erderwärmung seit Anfang des 20. Jahrhunderts etwa 0,7 °C beträgt, verbleiben rechnerisch
noch 1,3 °C, um das 2-Grad-Ziel einzuhalten. Um dies zu erreichen, müssten die weltweiten Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um mindestens 50 % sinken, in den Industrieländern um 80-95 % (jeweils gegenüber 1990). Die Emissionsreduktion müsste bereits im Laufe der 2010er Jahre einsetzen,
ansonsten bestünde keine realistische Aussicht mehr, das 2-Grad-Ziel einzuhalten.
Indigene Völker und besonders Inselstaaten halten das 2-Grad-Ziel hingegen für zu wenig ambitioniert und plädierten in internationalen Verhandlungen für eine Verschärfung auf mindestens 1,5 °C.
Angesichts der unsicheren weiteren Entwicklung des weltweiten Klimaschutzes, des steigenden Energiebedarfs und der nur schleppenden Umsetzung bisher eingegangener Reduktionsverpflichtungen
bestehen mittlerweile ernsthafte Zweifel, ob das Ziel überhaupt noch erreichbar sei. So bezeichnete
Fatih Birol, Chefökonom der Internationalen Energieagentur (IEA), es als „praktisch ausgeschlossen“, die mit dem 2-Grad-Ziel verbundenen Emissionsreduktionen zu bewältigen.
Bevor 2013 oder 2014 der 5. Sachstandsbericht des IPCC erscheinen wird, sind im Jahr 2012 mehrere Studien international renommierter Institutionen erschienen. Aus zwei von ihnen sollen im Folgenden wesentliche Ergebnisse mitgeteilt werden:
„2052: Eine globale Vorhersage für die nächsten 40 Jahre“37
Dieser neue Zukunftsbericht des Club of Rome, vorgestellt im Mai 2012 vom norwegischen Klimastrategie-Professor Jørgen Randers, der bereits vor 40 Jahren am ersten Club-of-Rome-Bericht „Die
Grenzen des Wachstums“ beteiligt war, stützt sich auf eine breite Auswertung aus Daten vieler weltweit anerkannter Klima- und Zukunftsforscher. Die wichtigen Inhalte sind folgende:
Der globale Bevölkerungszuwachs wird früher als erwartet stagnieren und kurz nach 2040 bei 8,1
Milliarden Menschen seinen Höchststand erreichen und dann zurückgehen.
Frühere Schätzungen der UNO hatten je nach Entwicklung der Geburtenrate die Erdbevölkerung zum Jahr 2050
auf 8 bis 12 Milliarden Menschen prognostiziert. Ob alle diese Menschen überleben könnten, hinge von den
künftigen Mustern von Konsum und Ressourcenverbrauch ab.
Die Bevölkerung wird in immer größerem Anteil in Städten leben.
Dadurch erhielten Frauen mehr Bildung. Mit der Verbreitung von Bildung und Verhütungsmethoden werde bald
jedes Paar über seine Kinderzahl entscheiden können. Während früher in ländlichen Gemeinschaften ein Kind
eine Hilfe mehr auf dem Acker bedeutete, bedeute es in den Megastädten, einen Mund mehr zu füttern.
Der Bericht betont die negative Rolle des Wirtschaftswachstums für die Zukunft des Klimas, der
Naturschätze und der Menschheit: Bis 2052 werde es weniger Armut in den Entwicklungsländern,
jedoch mehr Armut und Ungleichheit in den Industriestaaten und überall mehr Umweltzerstörung
geben. Der Grund für den Niedergang im Westen sei der „Triumph des Finanzkapitalismus“ (Carlos
Joly). In der Berechnung des Bruttoinlandsproduktes fehlten Vermögenswerte der Umwelt wie Wasserressourcen, Bodenfruchtbarkeit, Lebensqualität und stabiles Klima.
Das weltweite Bruttoinlandsprodukt wird künftig langsamer steigen. Im Jahr 2052 wird es nur 2,2mal größer sein als heute. Die Wachstumsrate beim globalen Konsum und das Produktivitätswachstum werden sinken, weil ein größerer Anteil am Bruttoinlandsprodukt für Investitionen ausgegeben
werden muss, um die Probleme zu beseitigen, die durch Ressourcenerschöpfung, Umweltverschmutzung, Klimawandel, Verlust der Biodiversität und soziale Verteilungskämpfe entstehen.
37
Zit. nach http://oliverbartsch.wordpress.com/2012/11/26/jorgen-randers-2052-der-neue-bericht-an-den-club-of-rome/
und http://www.sueddeutsche.de/wissen/bericht-an-den-club-of-rome-wir-werden-einen-kollaps-erleben-1.1351454.
12
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
Das langsame Wachstum des Pro-Kopf-Verbrauchs und eine Stagnation in den reichen Weltregionen
wird vermehrt zu Spannungen und Konflikten führen.
Der Anteil der erneuerbaren Energie am Energiemix liegt 2052 bei 40 %.
Der weltweite Energieverbrauch wird noch bis zum Jahr 2040 wachsen. Die Treibhausgasemissionen
werden zwar durch Effizienzfortschritte gemindert, steigen aber noch bis 2030 an und gehen dann
erst zurück. Das sei 15 Jahre zu spät, um zu verhindern, dass sich die mittlere Erdtemperatur nach
2052 um mehr als zwei Grad erhöhe.
Bei der Präsentation der Ergebnisse in Rotterdam sagte Randers: „Die Menschheit hat die Ressourcen der Erde ausgereizt und wir werden in einigen Fällen schon vor 2052 einen örtlichen Kollaps
erleben ... Wir stoßen jedes Jahr zweimal so viel Treibhausgas aus, wie Wälder und Meere absorbieren können.“
Die breite Datenbasis von „2052“ lasse nur einen Schluss zu, dass die Menschheit zu langsam reagiere, so Randers. Der kritischste Faktor seien die anthropologischen, also von Menschen verursachten
Treibhausgasemissionen, deren Auswirkungen auf die Erderwärmung inzwischen unter ernsthaften
Wissenschaftlern unstrittig sind:
„Diese Emissionen werden so hoch bleiben, dass unsere Enkel in der zweiten Hälfte des
21. Jahrhunderts wahrscheinlich mit einer selbst verstärkenden und damit unkontrollierbaren globalen Erwärmung leben müssen.“
Um das Jahr 2080 wird sich die Erde um 2,8 Grad gegenüber dem vorindustriellen Stand aufgewärmt haben, das
ist für viele Klimaforscher der kritische Punkt, wo der Klimawandel unumkehrbar ist. Aus den Permafrostböden
in der Arktis werde das starke Treibhausgas Methan entweichen, weil der frostige Grund zu tauen beginne. Es
wird den Globus weiter aufheizen und noch mehr Permafrost schmelzen lassen. Das führe zu Dürren, Überschwemmungen, Anstieg des Meeresspiegels um einen halben Meter, Rückgang der Biodiversität (2052 könnten
40 Prozent der Arten ausgestorben sein) und der Wanderung der fruchtbaren Böden um fünf Kilometer pro Jahr
Richtung Norden und fünf Meter pro Jahr die Berge hinauf. In 40 Jahren werden also 200 Kilometer mehr Wüste entstanden sein.
Zu qualitativ ähnlichen Ergebnissen gelangte der von der Weltbank in Auftrag gegebene, vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der Organisation Climate Analytics in Berlin erarbeitete Bericht Turn Down the Heat, der im November 2012 vorgestellt wurde:
Aus dem „Weltbankbericht“ vom November 2012
Selbst wenn die aktuellen Zusagen und Verpflichtungen vollständig umgesetzt würden, bestünde
eine Wahrscheinlichkeit von etwa 20 % dafür, dass die Temperatur bis zum Jahr 2100 um mehr als 4
Grad ansteigt. (Wenn sie nicht eingehalten werden, könnte eine Erwärmung um 4 Grad bereits in den
2060er Jahren auftreten.) Gegenwärtig befinden wir uns auf diesem Kurs, der in eine Welt mit Risiken außerhalb der Erfahrung unserer Zivilisation führt. Dazu zählen Hitzewellen, besonders in den
Tropen, ein Anstieg des Meeresspiegels und Missernten, die die globale Ernährungssicherheit gefährden. Betroffen sind vor allem die Armen dieser Welt, deren Entwicklung ohne Klimaschutz nach
Lage der Fakten kaum möglich sei. Besonders hohen Hitze-Stress werden die tropischen Regionen
erleben, wo die Temperaturen natürlicherweise bereits hoch liegen. Im tropischen Südamerika, Zentral-Afrika und auf den tropischen Pazifik-Inseln könnten Ende des Jahrhunderts die kühlsten Monate deutlich wärmer sein als die heißesten Monate heute.38
38
http://climatechange.worldbank.org/sites/default/files/Turn_Down_the_heat
_Why_a_4_degree_centrigrade_warmer_world_must_be_avoid.
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
13
Die Studie warnt zudem davor, dass „Kipp-Elemente“ im Klimasystem anspringen, wenn die ZweiGrad-Linie deutlich in Richtung vier Grad überschritten wird. PIK-Direktor Hans Joachim Schellnhuber kommentierte: „Die planetarische Maschinerie neigt zu Bocksprüngen, also unverhältnismäßigen Reaktionen auf Störungen, wie sie der menschengemachte Treibhauseffekt mit sich bringt.“ Das
könnte bei den weltweit vom Kollaps bedrohten Korallenriffen passieren oder zum Abschmelzen des
kilometerdicken Eisschilds Grönlands führen. Dessen komplette Schmelze würde zwar Jahrtausende
dauern, könnte aber schon bald unwiderruflich beginnen.39
Nachstehend werden einige der angesprochenen Probleme vertieft sowie eine Reihe weiterer Prognosen wiedergegeben.
Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung auf die Hydrosphäre
Das Schmelzen des Grönland-Eises wurde eben angesprochen.
Auch das Antarktis-Eis schmilzt schneller.
Die Klimaerwärmung führt zu erhöhten Niederschlägen. Während man bisher annahm, dass dadurch
der Eispanzer der Antarktis wächst und so den Anstieg des Meeresspiegels verzögert, kamen Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung nun zum gegenteiligren Ergebnis: Das durch
die Schneefälle gewonnene Eis geht zum Großteil verloren, der Schnee beschleunigt sogar das Abschmelzen der Antarktis an den Küsten. Der hohe Druck der Schneemassen auf den arktischen Eispanzer führe dazu, dass die Eismassen sich schneller zur Küste bewegen und dort abbrechen.40
Wie rasch die vom Menschen
verursachte Erderwärmung voranschreitet, lässt sich insbes. an den Gletschern ablesen.
Gletscherforscher rechnen mit einem fast vollständigen Abschmelzen der Alpengletscher noch in diesem Jahrhundert. Wenn viele von ihnen für immer abgeschmolzen sind, könnte es empfindliche Einbrüche in der Wasserversorgung geben. Gletscher speichern Trinkwasser. Große europäische Flüsse wie Rhône und Rhein entspringen in Gletschergebieten. Das Süßwasser aus der Gletscherschmelze ist das wichtigste Trinkwasserreservoir in den alpinen Regionen. Dem Wintersport droht vielerorts in den Alpen das Aus. Zu diesem Schluss kam
eine Studie der UNEP, des UN-Umweltprogramms, im Jahr 2003. Eines der ersten prominenten Opfer könnte
das Wintersportparadies Kitzbühel sein. Allgemein wird die Schneegrenze im Zuge der Klimaerwärmung in den
nächsten 30 bis 50 Jahren um 200 bis 300 Meter höher liegen.
Für die Himalaja-Region könnte das Schmelzen der Gletscher in einer Katastrophe enden. Mit dem Absickern
des Schmelzwassers steigt der Wasserpegel der Gletscherseen an. Wenn unter dem Druck des Wassers die Ränder wegbrechen, überfluten Millionen Kubikmeter Wasser die Täler und Dörfer.
In Indien, Nepal, Bangladesch und Bhutan könnten gewaltige Flutwellen zu Tal stürzen und Dörfer und Äcker
verwüsten. Nach der Flut drohen akuter Wassermangel und Dürre. Denn mit den Gletschern geht auch das in ihnen gebundene Wasser dahin; langfristig werden die Wasserspiegel im Zuge der Gletscherschmelze sinken,
Flussbetten trocknen aus. Bleibt der Nachschub für die Flüsse aus, drohen Dürrekatastrophen. Die sieben großen
Flüsse Asiens wie Indus, Ganges und Mekong werden mit Wasser aus den Bergen gespeist. 500 bis 600 Millionen Menschen wären betroffen.
In weniger als zehn bis fünfzehn Jahren könnte das letzte Eis vom Kilimandscharo abgetaut sein.
Unmittelbare Folge der Gletscherschmelze sind Überschwemmungen, verbunden mit Erdrutschen,
Schlamm- und Gesteinslawinen. Langfristig droht Trinkwasserknappheit, denn drei Viertel aller
Süßwasserreserven sind im Gletschereis gebunden. Experten der Vereinten Nationen befürchten,
39
40
http://www.klimaretter.info/umwelt/hintergrund/12472-qbockspruenge-im-klimaq.
http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-15409-2012-12-14.html.
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Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
dass sich die Zahl der Menschen, die in Regionen akuter Wasserknappheit leben, bis 2025 weltweit
von derzeit knapp einer Milliarde auf 1,8 Milliarden erhöhen könnte.
Das Schmelzwasser lässt außerdem den Meeresspiegel ansteigen. Inselstaaten wie Tuvalu und Küstenregionen wie Bangladesch drohen unterzugehen. Ganze Ökosysteme mit unzähligen Tier- und
Pflanzenarten sind in Gefahr.41 Der veränderte Wasserkreislauf führt zu einem höheren Risiko für
Starkregen, Überschwemmungen und Hochwasser, in einzelnen Regionen zu zunehmender Trockenheit, Veränderung der tropischen Stürme (wahrscheinlich abnehmende Häufigkeit, aber zunehmende
Intensität), zu einer verstärkten Gletscherschmelze und zu einem Anstieg des Meeresspiegels.
Neuen Berechnungen nach könnte sich der Meeresspiegel-Anstieg noch in diesem Jahrhundert auf
bis zu neun Millimeter pro Jahr erhöhen (also auf 81 cm bis 2100) - und dies schon bei einem noch
gemäßigten Klimawandel-Szenario. Dafür reicht schon eine Erwärmung um 1,6 Grad bis 2100 aus.42
Der Anstieg des Meeresspiegels würde Hunderte Millionen Menschen betreffen. Er fällt regional
unterschiedlich stark aus, u. a. deshalb, weil sich Meeresströmungen verändern. Am höchsten wird
das Meer an den Küsten von Ländern wie den Philippinen, Mexiko, Indien steigen.43
Sollte eine Erwärmung um 4 Grad bereits in den 2060er Jahren auftreten, wäre dies nicht der Endpunkt: In den folgenden Jahrhunderten wäre eine weitere Erwärmung bis über 6 Grad und der Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Meter wahrscheinlich.44
Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung auf die Atmosphäre
In den Permafrostböden der Arktis lagern nach neuester Schätzung einer internationalen Studie insges. 1670 Milliarden Tonnen in Pflanzenresten gebundener Kohlenstoff, doppelt so viel Kohlenstoff
wie in der gesamten Atmosphäre. Im Nordpolargebiet ist die Klimaerwärmung besonders stark.
Wenn vor allem im Sommer die Böden auftauen, stehen sie den Bodenbakterien zur Verfügung, die
die Treibhausgase CO2 und Methan freisetzen. Dadurch verstärkt sich der Treibhauseffekt - es handelt sich hier um eine positive Rückkopplung. Die Freisetzung von Kohlenstoff wird sich deshalb
beschleunigen, und bis 2100 werden große Mengen der freigesetzten Treibhausgase prognostiziert.45
Der indische Frühlingsmonsun entsteht durch einen starken Temperaturkontrast zwischen Land und
Meer. Wie aus einem in Potsdam erarbeiteten Klimamodell hervorgeht, könnte durch den Klimawandel bedingt der indische Sommermonsun demnächst bis zu 70 % weniger Niederschläge als bislang bringen. Ursache ist die Veränderung einer für den Monsun wichtigen Luftströmung durch die
zunehmende Erwärmung im Frühjahr. Als Folge davon werden bis zum Ende dieses Jahrhunderts
häufiger atmosphärische Bedingungen entstehen, die einen vermehrt trockenen, regenarmen Monsun
begünstigen - mit schwerwiegenden Folgen für die indische Wirtschaft.46
Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung auf die Biosphäre
Während schon bei Erwärmung zwischen 1 und 2 °C auf regionaler Ebene substanzielle Risiken auftreten können, sind bei Erwärmung oberhalb von 2 °C zahlreiche Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht; bei über 3 °C droht der völlige Kollaps von Ökosystemen. Die Landpflanzen und
Böden speichern weniger Kohlendioxid als gehofft, und die Meere versauern schneller.
41 Das Bisherige zur Gletscherschmelze nach
http://www.greenpeace.de/themen/klima/folgen_der_erwaermung/artikel/berge_ohne_eis_die_gletscher_schmelzen/.
42
Stefan Rahmstorf et al., http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-15355-2012-11-28.html.
43 „Weltbankbericht“ vom November 2012, l. c.
44 „Weltbankbericht“ vom November 2012, l. c.
45
Deutschlandfunk, Forschung aktuell, 14.11.2012.
46 Deutschlandfunk, Forschung aktuell, 07.11.2012.
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
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Weltweit sind Baumarten durch zunehmende Trockenheit gefährdet.
Wie ein internationales Forscherteam an der Universität Ulm erforscht hat, haben viele Baumarten kaum Puffer
gegenüber zunehmender Dürre: Schon bei leicht trockenerem Klima reißt der Wassertransport in ihren Gefäßen
ab. 70 Prozent der 226 getesteten Baumarten verfügen über nur sehr geringe Sicherheitsreserven. Besonders bei
Laubbäumen und Kiefern liege die Schwelle, bei der die Wasserversorgung der Blätter abreißt, nur wenig unterhalb der heutigen Bedingungen.47
Schon bei zwei Grad Erwärmung droht das Ende der Korallenriffe.
Für die tropischen Korallenriffe gibt es kaum noch Hoffnung: Bereits im Jahr 2050 könnten mehr als 95 % der
Korallen weltweit schwer geschädigt oder abgestorben sein - und dies selbst dann, wenn es gelänge, die Klimaerwärmung auf nur 2 oC zu begrenzen. Ursache dafür sei der Hitzestress durch das sich erwärmende Meerwasser. Er löse immer häufiger die tödliche Korallenbleiche aus.48
Die globale Erwärmung behindert das Wachstum der Fische.
Ein internationales Forscherteam hat anhand einer Computersimulation mit 600 Fischarten herausgefunden, dass
im Jahr 2050 viele Fischarten nicht mehr ihre volle Größe erreichen könnten, sondern bis zu 25 % kleiner bleiben. Am stärksten betroffen seien davon die Fische der tropischen Meere, aber auch Fische der Nordsee und anderer Meeresgebiete in gemäßigten Regionen. Dieses Ergebnis zeigt, dass der Klimawandel sich auch auf den
Stoffwechsel von Fischen auswirkt und damit weitaus schwerwiegendere Folgen haben könnte als bisher angenommen.49
Das Tempo des Klimawandels überfordert auch Vögel.
Der Klimawandel könnte langfristig das Überleben der Kohlmeisen gefährden. Denn der in ganz Europa häufige
Vogel kann seine Brutzeiten zukünftig nicht schnell genug an die steigenden Frühlingstemperaturen anpassen.
Das zeigt eine Studie britischer und niederländischer Forscher. Wie sie berichten, hängt der Fortpflanzungserfolg der Meisen davon ab, dass ihre Jungen genau in der Zeit aufwachsen, in der ihr Futter - Raupen - am reichlichsten vorkommt. Durch den Klimawandel verschiebe sich diese futterreiche Periode zukünftig schneller, als
die Meisen ihre Eiablage daran anpassen können.50
Der Klimawandel wird für viele Säugetiere zu schnell sein.
Etwa zehn Prozent aller Säugetiere werden den Wettlauf mit dem Klimawandel verlieren. Denn durch die zunehmende Erwärmung verlagern sich die Lebensräume dieser Tiere schneller, als sie folgen können. In einigen
Gebieten könnten sogar bis zu 39 % der Säugetiere auf der Strecke bleiben. Das zeigt eine Studie US-amerikanischer Forscher. Zu den Verlierern des Klimawandels zählen demnach vor allem die Primaten, kleinere, insektenfressende Säugetiere und die Tiere der Tropen. Besser Schritt halten könnten dagegen Raubtiere und die Bewohner der gemäßigten und kühleren Regionen.51
Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung auf die Menschheit
Der Erwärmungstrend zieht absehbar nicht nur die Ökosysteme in Mitleidenschaft, sondern auch
eine Vielzahl von ökologischen und sozialen Problemen nach sich (kann sich aber regional auch positiv auswirken). Milliarden Menschen können enormen Belastungen ausgesetzt werden. Risiken für
die menschliche Gesundheit sind zunächst die unmittelbare Folge steigender Lufttemperaturen: steigende Wasserknappheit in etlichen Regionen, häufigere Hitzewellen und deshalb steigende Zahl der
Hitzetoten. Durch die Zunahme der Weltbevölkerung bzw. der Bevölkerungsdichte in vielen Regionen werden deutlich mehr Menschen von Naturkatastrophen betroffen sein als früher. Hunger, Verelendung sowie eine Zunahme von Fluchtbewegungen und Konflikten werden prognostiziert. Der
47
http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-15341-2012-11-22.html.
http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-15138-2012-09-17.html.
49 http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-15185-2012-10-01.html.
50 http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-15370-2012-12-03.html.
51 http://www.scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-14753-2012-05-15.html.
48
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Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
Militärexperte Gwynne Dyer rechnet zu den Folgen des Klimawandels geopolitische Verwerfungen
bis hin zur Austragung von „Klimakriegen“. Es ist abzusehen, dass die Kriege der Zukunft weniger
um Öl und andere Rohstoffe geführt werden als um fruchtbare Erde und Wasser. Die Menschheit
wird zweifellos auch mit Veränderungen des Verbreitungsgebiets, der Population und des Infektionspotentials von Krankheitsüberträgern zu kämpfen haben.
Das globale landwirtschaftliche Produktionspotenzial wird sich vermutlich verschlechtern. Wichtige
Getreidesorten reagieren ab bestimmten Temperaturen empfindlich, was zu großflächigen Ernteausfällen führen kann.
Beträchtlich werden die finanziellen Folgen sein: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung
schätzt, dass ein ungebremster Klimawandel bis zum Jahr 2050 bis zu 200 Billionen US-Dollar
volkswirtschaftliche Kosten verursachen könnte.
3.2. Prognosen zu weiteren Problemen
Die Luftverschmutzung wird bis 2050 weltweit drastisch zunehmen.
Wenn nichts dagegen unternommen wird, könnten Smog und schlechte Luft an heißen Sommertagen bis zum
Jahr 2050 die Regel werden. Das zeigt eine Modellsimulation eines internationalen Forscherteams unter Leitung
des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz. Vor allem China, Nord-Indien, der Mittlere Osten und NordAfrika müssen demnach mit einer drastischen Verschlechterung der Luftqualität rechnen.52
Die Fracking-Förderung der fossilen Energieträger in den USA
wird bis zum Jahr 2020 rapide zunehmen, damit würden deren CO2-Emissionen wieder ansteigen.
Die USA besitzen riesige Vorkommen an Schiefergas und Schieferöl, die sie einer Prognose zufolge ausbeuten.
Die im Tiefengestein gebundenen Energieträger werden durch intensiv eingesetzte Fracking-Technik gewonnen.
Lautstarke Bürgerproteste gegen das Fracking, das wegen der eingesetzten Chemikalien ein Risiko für die Versorgung mit sauberem Grundwasser darstellt, konnten diesen Trend bisher nicht bremsen. (Auch Europa verfügt
über große Schiefergasvorkommen. Doch wurde wegen der möglichen Gefahren bisher noch kein Förderprojekt
im großen Maßstab in Angriff genommen.)53
Eine Prognose für weitere nukleare Katastrophen:
Nach einer neuen Berechnung Mainzer Wissenschaftler könnten Kernschmelzen (nukleare Katastrophen wie in
Tschernobyl und Fukushima) beim momentanen Kraftwerksbestand künftig weltweit etwa einmal in 10 bis 20
Jahren vorkommen - 200-mal häufiger als bisher angenommen. Westeuropa (mit Deutschland) wird demnach alle 50 Jahre mit einer Radioaktivität des Cäsiumnuklids 137Cs von mehr als 40 kBq je m2 belastet.54
4. Zur Abwendung der genannten Gefahren
Globales Handeln ist unabdingbar und zwar sofort. Die nationale und internationale Klimapolitik
muss viel mehr als bisher sowohl auf die Verminderung des Klimawandels als auch auf die Anpassung an die zu erwartende Erwärmung abzielen. Dazu gibt es eine Reihe Empfehlungen. Insbesondere muss das Wirtschaftswachstum gestoppt werden. Umgehende Maßnahmen sind vor allem deshalb
wichtig, weil sich einige Prozesse, auch wenn deren Ursachen sofort beseitigt würden, noch über
lange Zeit fortsetzen.
52
http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-15006-2012-08-03.html.
Deutschlandfunk, Wissenschaft aktuell, 7.12. 2012.
54 http://www.scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-14775-2012-05-23.html.
53
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
17
4.1. Prinzipielle Erfordernisse und Möglichkeiten
Bevor eine Reihe empfehlenswerter Vorschläge darzulegen ist, sollen zunächst zwei fragwürdige
Verfahren erwähnt werden:
Warnung vor “Geoengineering“/„Climate Engineering (CE)“:
Darunter werden verschiedene Methoden diskutiert, mit denen das Erdklima künstlich stabilisiert werden könnte. So gibt es viele Ansätze, die Erdoberfläche durch Einbringen von Aerosolen in die Stratosphäre vor dem energiereichen Teil des Sonnenlichts zu schützen, was zur Abkühlung des Erdklimas führen soll.
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) hat hierzu durch ihre Präsidentin Prof. Dr. Johanna
Stachel klar eine ablehnende Stellung bezogen: Wir haben
„bis heute kein Verfahren zu unserer Verfügung, das nachweislich das Erdklima abkühlen kann. Zugleich sind
die Folgen und Risiken der im Moment vorgeschlagenen Methoden unabsehbar. Die DPG begrüßt aus physikalischer Sicht ausdrücklich, dass die Bundesregierung sich gegenüber dem Geoengineering zuletzt klar ablehnend
positioniert hat. Ganz abgesehen von einer möglichen Unwirksamkeit und/oder unerwünschten Nebenwirkungen
setzen die diskutierten Verfahren nicht an der Wurzel des Problems an. Darüber hinaus können diese Verfahren
weder den gegenwärtigen Zustand des Klimasystems konservieren noch einen vorherigen wiederherstellen. Die
Vermeidung der Emission von Treibhausgasen muss stattdessen höchste Priorität haben.“55
Ein anderes Vorschlag ist das CCS-Verfahren (Carbon Dioxide Capture and Storage),56
die CO2-Abscheidung aus Kraftwerken mit unterirdischer Speicherung.
Diese sog. CO2-Sequestrierung wird in vielen Ländern erforscht, auch mittels mehrerer Pilotanlagen in der Bundesrepublik Deutschland. Das Umweltbundesamt hat sie i. J. 2006 nur als Übergangslösung bezeichnet.57 Im
April 2009 hatte der Sachverständigenrat für Umweltfragen eindringlich den damaligen Gesetzesentwurf wegen
erheblicher Unzulänglichkeiten kritisiert und vor einer ganzen Reihe von Risiken und versteckten Kosten gewarnt. Er empfahl lediglich ein Forschungsgesetz für eine begrenzte Zahl von Demonstrationsprojekten,58 was
offensichtlich im sog. Kohlendioxidspeichergesetz vom 17. August 2012 Berücksichtigung fand.59
Der Biologe Jürgen Paeger schreibt auf seiner empfehlenswerten Internet-Präsentation60 z. T. unter
Berufung auf Sloterdijk:
„Wir wissen, dass alles, was die Funktionsfähigkeit der natürlichen Ökosysteme stört, letztendlich
unsere eigenen Zukunftsaussichten beeinträchtigt. Wir müssen schon daher vom Ausbeuter zum Hüter der Biosphäre dieser Erde werden. Der Philosoph Peter Sloterdijk hofft, dass die Satelliten die
Rolle übernehmen, für die der Mensch einst die Götter hatte: Unser Leben steht unter der allaufmerksamen Beobachtung von oben. Was wir mit der Erde machen, die Satelliten sehen und messen es.
Nur werden wir von Satelliten nach unserem Tod nicht von Göttern zur Rechenschaft gezogen: diese
Rolle muss unser Gewissen selbst übernehmen. Das nötige “Weltgewissen” wird, so hofft Sloterdijk,
dann entstehen, wenn die Beobachtung von außen stark genug wird, [um] ein Gegengewicht zur lokalen Egozentrik zu bilden. Möglichkeiten, es besser zu machen, gibt es genug: Mit dem heute verfügbaren Wissen können wir eine Zukunft entwerfen, die uns mit einer wesentlich effizienteren Nutzung von natürlichen Ressourcen und von Energiequellen ein gutes Leben ermöglicht, ohne die
Funktionsfähigkeit natürlicher Ökosysteme zu gefährden. Qualitativ hochwertige, langlebige Güter,
55
https://www.dpg-physik.de/presse/pressemit/2012/dpg-pm-2012-20.html.
http://de.wikipedia.org/wiki/CO2-Abscheidung_und_-Speicherung.
57 http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-k/k3074.pdf.
58 http://www.umweltrat.de/cae/servlet/contentblob/468434/publicationFile/35861/2009_Stellung_Abscheidung_
Transport_und_Speicherung_von_Kohlendioxid.pdf.
59 http://www.buzer.de/gesetz/10273/b27321.htm.
60 http://www.oekosystem-erde.de/html/einfuhrung.html.
56
18
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
die man auch reparieren kann, effiziente Energienutzung und erneuerbare Energiequellen, aber auch
eine Abkehr von der Vorstellung, dass man Glück kaufen könne, sind Bausteine auf diesem Weg.“
Im bereits zitierten Club-of-Rome-Bericht61 befassen sich mehrere Autoren mit den Möglichkeiten,
die globale Erwärmung zu bewältigen:
„Die Wahrscheinlichkeit, dass die weltweiten Entscheidungsträger in den nächsten zehn Jahren das
Ruder rumreißen werden, ist nach Ansicht von Jørgen Randers nicht sehr hoch. Dabei wäre die
Menschheit in der Lage, es zu tun. Die Weltgemeinschaft müsse nur die Energieeffizienz erhöhen,
komplett auf erneuerbare Energien umsteigen, das Abholzen der Wälder beenden und einen Großteil
fossiler befeuerter Kraftwerke mit Anlagen zur CO2-Abscheidung und -Speicherung ausstatten.
Weltweit würde das etwa ein Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts kosten. Das Problem sei
jedoch die freie Marktwirtschaft, die lieber in kurzfristige Gewinnmaximierung investiere als in langfristige nachhaltige Projekte, die zunächst einmal teurer seien. Nötig seien starke, supranationale
Organisationen und Regierungen, die eine vorausschauende Politik betrieben, wo sichergestellt sei,
dass der ökologische Fußabdruck der Menschheit (derzeit überschreitet der menschliche Anspruch an
die Biosphäre die globale Biokapazität um 40 %) eine nachhaltige Größenordnung einnimmt.“
Der Wirtschaftsexperte Chandran Nair aus Malaysia kritisiert den „fast religiösen Glauben“ des
Westens an freie Märkte und warnt davor, Asien als Motor für das eigene Wachstum zu sehen und zu
wirtschaften wie bisher. Stattdessen müsse der Konsum auf ein Maß gebracht werden, das die Erde
nicht ausbeute. Der Ko-Präsident des Club of Rome, Eberhard von Koerber, forderte eine neue Berechnung der Wirtschaftskraft: Die Kosten für Klima- und Umweltschäden müssten stärker einbezogen werden.
Club-of-Rome-Mitglied und Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie
Uwe Schneidewind vermutet, der „verkrustete“ Blick auf das Wirtschaftswachstum könnte bald genauso kritisiert werden wie heute der enge Wertekanon der 1950er und 60er Jahre. „Die Jugend wird
es sich nicht mehr gefallen lassen, dass eine so enge ökonomische Logik wie bislang das Handeln
unserer Regierungen weiter bestimmt. Wir werden erstaunt sein, welche Kraft das entfalten kann...“
Ähnlich meint das österreichische Club-of-Rome-Mitglied Karl Wagner im Bericht, der jungen Generation werde der Geduldsfaden reißen, weil sie nicht länger die Umweltlasten der Alten tragen
wolle. Er geht sogar so weit, eine Revolution in den 2020er Jahren vorauszusagen - vergleichbar mit
der von 1848 gegen das feudale Herrschaftssystem. So werde die Kultur des Konsums umschwenken
auf nachhaltigeres Wirtschaften.
Auf jeden Fall sei „business as usual keine Option, wenn wir wollen, dass unsere Enkelkinder auf
einem zukunftsfähigen und gerechten Planeten leben“, erklärte der Generalsekretär des Club of
Rome, Ian Johnson; vielmehr sei schnelles Handeln nötig.
Der Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker weist daraufhin, dass im Moment das globale Geschehen nicht davon bestimmt wird, was Europäer sagen, „sondern von dem, was Brasilianer,
Chinesen und US-Amerikaner sagen. Und dort stehen Klima und Umwelt im dritten Glied.“ So blieben die Warnungen oft ungehört - Brasilianer, Kuwaiter oder Angolaner verkauften einfach ihre Natur oder ihre Bodenschätze in der Hoffnung auf Reichtum. Doch auch von Weizsäcker sieht einen
Ausweg: „Wir müssen Klimaschutz und Artenschutz richtig profitabel machen und aufhören mit
dem Geseiere, wir sollten den Gürtel enger schnallen, um das Klima zu schützen. Bei der Energie
sollten wir vormachen, dass wir damit Wohlstand erzeugen. Alle Leute gucken gebannt nach
Deutschland, wie wir das mit dem Atomausstieg wohlstandskonform hinkriegen. Wenn wir den Klima- und Umweltschutz profitabel machen, dann wird das überall kopiert.“
61
Zit. nach http://oliverbartsch.wordpress.com/2012/11/26/jorgen-randers-2052-der-neue-bericht-an-den-club-of-rome/
und http://www.sueddeutsche.de/wissen/bericht-an-den-club-of-rome-wir-werden-einen-kollaps-erleben-1.1351454..
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
19
Jørgen Randers ist indes skeptisch, ob es noch rechtzeitig zur Umbesinnung kommt: Die Menschheit
werde sich wohl nicht schnell genug ändern. Auch die komplexen und zeitraubenden Entscheidungsprozesse in Demokratien würden das verhindern. Es nütze jedoch nichts, zu verzweifeln. Dass er die
Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben hat, zeigt sein Schlussstatement: „Bitte helft, meine Vorhersage falsch werden zu lassen. Zusammen können wir eine viel bessere Welt schaffen.“ Die Weltbank rief in ihrem jüngsten Klima-Bericht (s. o.) die Regierungen weltweit dazu auf, die
rund eine Billion Dollar umfassenden Subventionen für Kohle und andere fossile Brennstoffe in
alternative Energien umzulenken.62
In dem offenen Brief von McKibben, Bassey und Solon an die Klimakonferenz in Doha63, ebenfalls
in Kap. 3 zitiert, heißt es:
„Eine Reihe von Institutionen haben in diesem Jahr ausführlich erklärt, was wir tun müssen, wenn
wir Schlimmeres verhindern wollen: den Großteil der bekannten Kohlenstoffreserven unter der Erde
lassen und aufhören, nach mehr zu suchen. Wenn wir eine 50-50-Chance haben wollen, die Erderwärmung auf unter 2 °C zu begrenzen, müssen wir 2/3 der bekannten Reserven von Kohle, Öl und
Gas im Boden lassen; wenn wir diese Chance auf 80 % erhöhen wollen, müssen 80 % dieser Reserven unberührt bleiben - es stammt aus dem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) vom
letzten Monat. Dies bedeutet, dass – wenn wir nicht dramatische globale Maßnahmen ergreifen, um
unseren Weg zu ändern – das Ende der Klimageschichte bereits geschrieben ist. Es gibt keine Zeit
für Zweifel – ohne ein entschiedenes Handeln werden diese fossilen Brennstoffe verbrannt werden,
die Temperatur steigen und eine Kettenreaktion von klimabedingten Katastrophen ausgelöst werden.
Verhandler sollten ... sich einzig und allein darauf konzentrieren, wie man mit dem von Klimawissenschaftlern errechneten Kohlenstoff-Budget leben kann. Wir können bis 2050 nicht mehr als 565
Gigatonnen CO2 emittieren – bei unserem aktuellen Verbrauch würden wir diese Grenze bereits in 15
Jahren überschreiten. Wenn wir eine Chance haben wollen mit diesem Budget auszukommen, können wir bis 2020 nicht mehr als 200 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre blasen. Reiche Länder, die
für den Großteil des Kohlenstoffs in der Atmosphäre verantwortlich sind (vor allem die einzige Supermacht unseres Planeten), sollten mit Emissionsreduktionen voranschreiten, aber auch Schwellenländer müssen Bereitschaft zeigen, die Nutzung von Öl, Kohle und Gas zu reduzieren. Das Recht auf
Entwicklung sollte als Verpflichtung der Staaten verstanden werden, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu garantieren um ein erfülltes und glückliches Leben zu ermöglichen, und nicht als Freifahrtschein für eine auf Konsum und hohem Ressourcenverbrauch basierende Gesellschaft, die sich
nicht um die Grenzen unseres Planeten und das menschliche Wohlergehen schert. Es ist keine Zeit
mehr für diplomatische Verzögerungen... Jetzt ist die Zeit zum Handeln - um der Zukunft der
Menschheit und der Natur willen.“
Kann die Windkraft den Welt-Energiebedarf decken?
US-amerikanische Forscher haben mit Hilfe eines neuen Modells errechnet: Der Wind liefert genügend Energie,
um den mehrfachen Bedarf unserer gesamten Zivilisation abzudecken. Selbst wenn man Windräder nur an Land
und in küstennahen Meeresgebieten aufstellen würde, könnten diese weltweit 80 Terawatt Strom produzieren,
bevor sie sich gegenseitig behindern. Dies sei sieben Mal mehr als der gesamte Energieverbrauch der Menschheit im Jahr 2030. Bereits vier Millionen Windräder der fünf Megawatt-Klasse würden ausreichen, um 7,5 Terawatt und damit weit mehr als die Hälfte des zukünftigen jährlichen Bedarfs abzudecken.64
62
http://www.focus.de/panorama/welt/weltbank-weltbank-warnt-vor-folgen-von-erderwaermung_aid_863470.html.
http://germanwatch.org/en/download/7169.pdf.
64 http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-15120-2012-09-11.html.
63
20
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
Robert B. Laughlin,
Physik-Nobelpreisträger und mittlerweile gefragter Buchautor, sieht es anders: Er hält die Stromerzeugung durch Sonne und Wind zwar für eine gewisse Alternative, sie könne jedoch niemals allein
den Bedarf sichern. Dazu fehle es jetzt und wohl auch in der näheren Zukunft u. a. an ausreichenden
Speichermöglichkeiten für den Strom aus diesen nicht ständig verfügbaren Quellen. Auch deshalb,
weil sie immer noch wesentlich teurer seien, könnten alternative Energien wie Wind und Sonne die
fossilen Kraftstoffe nicht ersetzen, denn er ist der Überzeugung, dass sich die Menschheit stets auf
die billigste Energiequelle stürzt.
Bezüglich der Kernfusion ist er ebenfalls pessimistisch: Wegen des Energieverlusts durch schnelle
Neutronen hält er die Fusion nicht für eine mögliche Lösung drohender Energieengpässe. Wenn in
hundert Jahren das Öl zur Neige geht, werde es von der Kohle abgelöst, die dann möglicherweise
weitere hundert Jahre reiche. Wenngleich kein Freund der Kernenergie, scheint es ihm plausibel,
dass es zu einer Renaissance der Kernenergie kommen könnte, nachdem die sog. fossilen Brennstoffe verbraucht sein werden - falls dies der einzige Weg sein sollte, genug und günstige Energie zu
erzeugen. [Die Planungen für neue Atomkraftwerke überall in der Welt scheinen Laughlins Hypothese zu stützen.] Dabei sagt er der Brütertechnologie eine erhebliche Rolle voraus, denn erst sie könne
ausreichend viel Energie für eine sehr lange Zeit bereitstellen.65
„Morgenstadt“
Prof. Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft (der größten Organisation für angewandte Forschung in Europa) und Wissenschaftsautorin Brigitte Röthlein präsentieren in ihrem
Buch Denkanstöße für das städtische Leben in Zukunft. Die Metropolen wachsen mit atemberaubender Geschwindigkeit. Von den mehr als sieben Milliarden Menschen der Erde lebt in ihnen schon
heute die Hälfte. Städte verbrauchen drei Viertel aller Ressourcen, stoßen dabei gigantische Wolken
von Treibhausgasen aus und produzieren Milliarden Tonnen von Müll. Der Gegenentwurf zu diesen
Fehlentwicklungen ist die „Morgenstadt“: mit Stadtvierteln, die Strom und Wärme selbst erzeugen,
Elektroautos, die gleichzeitig als Stromspeicher dienen, und intelligenten Häusern, in denen auch alte
Menschen bequem und sicher leben können. Die technischen Voraussetzungen seien schon vorhanden, wir müssen sie jedoch noch in die Praxis umsetzen.66
Professor Dr. Harald Lesch,
der bekannte Physiker, Astronom, Naturphilosoph, Autor und Fernsehmoderator (z. B. BR-alpha:
„alpha-Centauri“) meinte im ZDF: „Egal, ob Sie Klimaskeptiker sind oder nicht, ... Kohlendioxid zu
vermeiden ist die ganz große Parole“. Er erinnert: Selbst wenn wir heute aufhören würden, nur ein
einziges Molekül CO2 in die Atmosphäre zu entlassen, braucht sie zum Erholen „eine viel, viel längere Zeit, als wir das erleben werden.“ Wenn wir die CO2-Emission nicht reduzieren, wäre es
„mit einer bestimmten Lebensform zu Ende, die sich eingebildet hat, sie könne diesen Planeten
beherrschen“.67
Die Quintessenz der bisherigen Betrachtungen dieses Kapitels besteht darin, dass eine Umkehr zu
ökologischer Weltwirtschaft, längerfristigem Erhalt der Biosphäre und damit der akzeptablen
menschlichen Lebensbedingungen noch möglich wäre, wenn alle Staaten bzw. deren Regierungen,
insbes. der wirtschaftlich mächtigen, bereit sind, unabdingbar und sofort zusammenzuwirken.
Es erhebt sich dabei die Frage, inwieweit der einzelne verantwortungsbewusste Mitbewohner oder
Gruppen engagierter Menschen zu positiven Veränderungen überhaupt beitragen können. Mit einigen bejahende Antworten darauf soll dieses Kapitel beschlossen werden:
65
Robert B. Laughlin, Der Letzte macht das Licht aus: Die Zukunft der Energie, Piper, April 2012.
Hans-Jörg Bullinger und Brigitte Röthlein, Morgenstadt - Wie wir morgen leben, Verlag Carl Hanser 2012.
67 http://www.youtube.com/watch?v=nK01b2kevc0.
66
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
21
4.2. Empfehlungen zu individuellem Engagement
Forderungen der Bundeszentrale für politische Bildung68
Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) fordert, „der Klimaschutz muss (auch) beim Einzelnen beginnen“. Gerade verschiedene Alltagspraktiken hätten im Zusammenhang mit dem derzeitigen
Energieverbrauch „eine hohe Relevanz und wirken sich immens auf das Klima aus“. Meistens sind
die damit verbundenen notwendigen Verhaltensänderungen recht gering. „Noch besteht Zeit zum
Handeln und jeder Beitrag zählt.“ Bereits ein erster wichtiger Schritt sei das Weitersagen der in ihrer
Internetpräsenz http://www.bpb.de/themen/1YGL83.html aufgelisteten Beispiele und Hinweise an
Freunde und Bekannte. Dort finden sich Empfehlungen bzgl. der Bereiche Ernährung, Bauen, Wohnen und Mobilität (außerdem Verweise zu zahlreichen weiteren relevanten Themen). Nachstehend
soll daraus zitiert sein:
- Bzgl. der Nahrungsmittelproduktion
wird u. a. darauf hingewiesen, dass die CO2-Speicherkapazität der Wälder durch die Rodungen abnimmt, durch
den Düngereinsatz Lachgas und durch die tierischen Verdauungsprozesse Methan an die Atmosphäre abgegeben
wird, die Produktion von tiefgefrorenen Lebensmitteln das Zehnfache an Energie benötigt, Produkte von örtlichen, saisonalen Bauernmärkten den Energiebedarf für den Anbau und den Transport um ein Fünftel reduzieren
und dass die Reduzierung des Fleischkonsums um ein Kilogramm im Monat eine Einsparung von Ressourcen
und Fläche um den Faktor zehn bedeutet. Daraus folgen Empfehlungen wie diese:
Besser frische Lebensmittel anstelle von tiefgefrorenen kaufen,
Regionale und saisonale Lebensmittel bevorzugen,
Weniger Fleisch essen.
[Würde der globale Fleischkonsum ab 2015 innerhalb von 40 Jahren auf weniger als ein Drittel reduziert, würden die Lachgas- und Methanemissionen der Landwirtschaft unter das Niveau von 1995 sinken.69]
- Hinsichtlich des Wohnens
wird die Wärmedämmung (von Hauswänden, Decken und Böden) empfohlen sowie die Beachtung
der Energieeffizienzklasse von Kühlschränken, Waschmaschinen, von Wäschetrocknern (die einen
sehr hohen Energieverbrauch haben) u. ä., die Verwendung von Energiesparlampen und die Vermeidung von Leerlauf- und Bereitschaftszeiten (stand-by), für die für ganz Deutschland 18 TWh (Terawattstunden) = 3 % der gesamten Stromerzeugung bereitgestellt werden müssen.
- Im Bereich des Verkehrs
setzt der motorisierte Individualverkehr die meisten CO2-Emissionen frei - durchschnittlich mit jedem Liter in
einem Automotor verbranntem Kraftstoff mehr als 2,5 Kilogramm CO2. Ein Problem sind zudem die Wachstumsraten. Durch technische Innovationen und Maßnahmen, wie effizientere Motoren, geringere Motorenleistung und auch Leichtbauweise können heute schon große Einsparpotenziale in diesem Bereich erzielt werden.
Etwa 50 % der Wege, die meistens zurückgelegt werden, sind in der Regel nicht länger als fünf Kilometer. Der
Spritverbrauch eines Pkw ist jedoch gerade in den ersten drei Kilometern sehr hoch. Unmittelbar nach dem Start
verbraucht ein Mittelklassewagen 30 bis 40 Liter auf 100 Kilometer. Nach einem Kilometer liegt der Verbrauch
noch bei 20 Liter und erst ab Kilometer vier hat der Motor seinen optimalen Wirkungsgrad erreicht.
Aus diesen und weiteren Sachverhalten werden u. a. folgende Hinweise für Verbraucher gegeben:
Beim Autokauf auf die CO2-Emissionen des PKW achten!
Die Hersteller sind verpflichtet, diese Angabe bei Neuwagen sichtbar am Fahrzeug anzubringen. Da die CO2Emissionen in einem direkten Zusammenhang zum Verbrauch des PKW stehen, können damit auch der Spritverbrauch und somit die Kosten gesenkt werden.
68
69
http://www.bpb.de/themen/1YGL83.html.
Wikipedia, Artikel Globale Erwärmung.
22
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
Regelmäßige Überprüfung des Reifendrucks!
Dadurch kann der Spritverbrauch um bis zu fünf Prozent gesenkt werden.
Vermeidung unnötigen Gewichts!
(z. B. von Dachgepäckträgern) reduziert zusätzlich den Spritverbrauch: 100 kg Mehrgewicht können in einem
Mittelklasse-Auto den Verbrauch um 0,7 Liter auf 100 km Kilometer erhöhen.
Fahrgemeinschaften bilden
oder möglichst viele Strecken mit öffentlichen Verkehrsmitteln nehmen
oder per Rad fahren!
Auf Autobahnen Tempo 100 anstelle von 130 km/h fahren!
Bei einem Mittelklasse-Wagen können pro 100 km etwa 6 Liter eingespart werden. Bei Tempo 100 statt 160 beträgt die Einsparung sogar bis zu 10 Liter. Zusätzlich trägt eine konstante, gemäßigte Geschwindigkeit im Gegensatz zum häufigen Abbremsen und Beschleunigen zur CO2-Verminderung bei.
Flugreisen möglichst vermeiden und Alternativen nutzen oder die verursachten Klimagase über die
Finanzierung von Klimaschutzprojekten neutralisieren wie z. B. atmosfair (www.atmosfair.de)!
Die Emissionen für einen Hin- und Rückflug Berlin-Mallorca betragen [pro Person] 860 kg CO2. Nach atmosfair wird diese Menge CO2 für 21 € in einem Klimaschutzprojekt eingespart.
Diese Empfehlungen können meiner Ansicht nach verschärft und ergänzt werden,
etwa auf folgende Weise:
- Möglichst gänzlicher Verzicht auf private Verkehrsmittel.
- Verantwortungsvolles Wahlverhalten durch Unterstützung umweltbewusster und auf Nachhaltigkeit
bedachter Parteien.
- In ähnlicher Weise kann man ökologisch orientierte, auf Nachhaltigkeit bedachte Organisationen
mittels Spenden und intensiver Beteiligung an entsprechenden Aktionen untersützen. Von ihnen gibt
es weltweit eine recht große Anzahl, und viele ihrer Aktionen sind bereits erfolgreich gewesen.
Stellvertretend seien avaaz, Rettet den Regenwald, attac und campact genannt, durch deren InternetAufrufe Tausende bis Hunderttausende Unterschriften in wenigen Tagen möglich sind.
- Boykott der Massentierhaltung durch weitgehend vegane Ernährung.
Die oben im Abschnitt Zur Massentierhaltung genannten Argumente sind eine zusätzliche, aus der jetzigen Problematik unserer „Mutter Erde“ folgende Motivation für den Vegetarismus. Die hauptsächliche frühere Motivation für eine vegetarische Lebensweise war die ethische, die nicht nur unseren Mitmenschen, sondern auch den
tierischen Mitgeschöpfen ein Recht auf Leben und Gewaltverschonung zugesteht. Sie hat sich bei uns erst gegen
Ende des 18. Jh. u. a. durch das Wirken des Leipziger Juristen Karl Ferdinand Hommel, und auch nur langsam,
herausgebildet. (Zu ihren Propagatoren gehörten Voltaire und Adolf Freiherr von Knigge.) Die ethische Motivation ist nach wie vor triftig, denn das Leid der Tiere wurde mit den gegenwärtig praktizierten, nur auf Gewinn
ausgerichteten Methoden der Massentierhaltung sogar vergrößert.
Der Massentierhaltung haben z. T. prominente Persönlichkeiten solche Begriffe wie Sklaverei und sogar Konzentrationslager attestiert. Nimmt man nur etwas in deren Methoden nähere Einsicht und am Leid der Tiere Anteil, so wird dies verständlich. Weiteres Reflektieren darüber kann dann dazu führen, den Ovo-lacto-Vegetarismus als halbherzig und unzureichend zu begreifen. Die gesundheitlich i. Allg. völlig unproblematische vegane
Lebensweise mit ihrer (wohl zu wenig bekannten) vielseitigen Fülle an Rezepten erleichtert das Gewissen nicht
nur angesichts des Tierleids, sondern würde bei weltweit häufigem Praktizieren zudem die Klimaproblematik
merklich mildern. Als Beispiel sei der Verzehr von Milch und Milchprodukten genannt, der auf der äußerst umweltschädigenden Rinder-Massenhaltung beruht, s. o.70
70
Vieles weitere zu diesem Thema findet sich in meiner umfangreichen Studie
Über die vegetarische Lebensweise und die Gefahren der Massentierhaltung, die ich an Interessenten gern versende.
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
23
Instruktiv und eindrucksvoll sind Videos bzw. Filme, die sich mit der Thematik befassen bzw. in
kompakter Form zahlreiche Erfolge von Zivilcourage dokumentieren können. Mit Empfehlungen
einiger im Internet zugänglicher Filme soll dieses Kapitel zum Abschluss kommen:
„Humus - die vergessene Klimachance“
ist der Titel eines österreichischen Films, in dem auf die Fehler der Intensiv-Landwirtschaft, d. h. auf
den bisherigen Missbrauch des Erdbodens und die zu wenig beachteten Zusammenhänge zwischen
Bodenqualität, Landwirtschaft und Klimaveränderung hingewiesen wird. Doch eben in der Landwirtschaft liege auch die vergessene Chance für die Rettung des Klimas. Nach dem Vorbild indianischer „Terra-Preta“-Böden zeigen neueste Forschungsergebnisse und engagierte Projekte, dass gezielter Humusaufbau eine nachhaltige CO2-Bindung gewährleistet. Dies wird an beeindruckenden
Beispielen rund um die Erde demonstriert.71
„Time for change 2012“
ist ein längerer, persönlich gehaltener Film des US-amerikanischen Journalisten und Autors Daniel
Pinchbeck, den er u. a. mit den Worten einleitet: „Auch wenn die meisten Menschen es nicht zugeben: Die Erde steckt in einer verheerenden multidimensionalen Krise“, die er für eine Bewusstseinskrise hält: „Wir als Spezies verdrängen die unvermeidlichen Konsequenzen unserer Handlungen.“
Pinchbeck machte sich auf die Suche nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und möglichen Lösungen, wobei er die Problematik aus vielerlei - auch spirituellen - Perspektiven durch zahlreiche Informationen, Interviews und eindringliche Szenen beleuchtet.
Hier können nur wenige Details genannt sein: Pinchbeck erinnert an Visionen Buckminster Fullers mit dessen
biomorpher Architektur und zitiert Nietzsche mit den Worten „Die Tat ist alles“. Im Interview mit dem amerikanischen ökologischen Stadtplaner Richard Register erklärt jener, die USA könnten zwei Drittel ihrer Energie
einsparen, wenn sie die europäischen Städte zum Vorbild nähmen - ohne Autos wären es sogar 80 bis 90 %. Register mahnt an, der Mensch müsse in seinem Innersten beschließen: ‚ich will eine andere Welt gestalten und bin
zu gravierenden Veränderungen bereit’, und meint, „spirituell sein, bedeutet Handeln; durch Wünschen und Meditieren allein erreicht man nichts.“
Einige geringfügige Details des Films werden nicht von allen Zuschauern geteilt werden. Insbes. in
der zweiten Hälfte erweist sich die Grundtendenz des Films in der Zuversicht darin, dass eine Entwicklung des menschlichen Bewusstseins möglich sei, und beeindruckende Beispiele werden gezeigt
für die Möglichkeiten, nachhaltige Projekte zu realisieren.72
Der Dokumentarfilm „HOME“73
des französischen Fotografen und Journalisten Yann Arthus-Bertrand hatte am Weltumwelttag 2009
seine weltweite Premiere. Die Intention des Films war, anhand von Luftaufnahmen aus vielen Teilen
der Erde deren Biodiversität und die Bedrohung des ökologischen Gleichgewichts durch den Menschen zu veranschaulichen. Er soll eine Hommage an die Schönheit der Natur sein und gleichzeitig
ihre Verletzlichkeit zeigen, um die Dringlichkeit des Umweltschutzes und die Idee der gemeinsamen
Verantwortung für unsere Erde zu verdeutlichen.74 Viele der in der vorliegenden Arbeit bisher aufgeführten Probleme und Gefahren werden in weiten Teilen des Films eindringlich vor Augen geführt
und kommentiert. Im letzten Teil folgt eine Reihe von - ebenfalls beeindruckenden - Beispielen und
Ausblicken zugunsten des Einklangs der Menschen mit der Natur, für ein neues Bewusstsein, als
„Zeichen für ein neues menschliches Abenteuer, das auf Angemessenheit, Intelligenz und Teilhabe
beruht ... Wir stehen an einem Scheideweg... Was wir hier sehen, soll uns daran erinnern, dass wir ihr
[der Erde] Schicksal noch in Händen halten: Also, worauf warten wir?“
71
http://www.humus-derfilm.at.
http://www.youtube.com/watch?v=KNrD8KkPkB0.
73 http://www.youtube.com/watch?v=gEU6mRp4VC8.
74 http://de.wikipedia.org/wiki/Home_%28Dokumentarfilm%29.
72
24
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
Yann Arthus-Bertrand:
„Wir leben in einer alles-entscheidenden Zeit. Wissenschaftler sagen uns, wir hätten nur 10 Jahre,
um unsere Lebensweise zu ändern, um das Aufzehren von Rohstoffen zu verhindern und um eine
katastrophale Entwicklung des Weltklimas zu verhindern. Jeder Einzelne muss an dieser gemeinsamen Anstrengung teilnehmen. Und um so viele Leute wie möglich darauf aufmerksam zu machen,
habe ich den Film HOME gedreht.“75
„In 20 Jahren werden unsere Kinder und auch wir uns Fragen stellen: Warum reagierten wir nicht,
wo wir es kommen sahen? Wie konnten sie nur nichts tun? Alles stand geschrieben, alles vorausgesagt! Warum machten sie nichts? Dabei gibt es eine schönere Frage: Sie waren toll, sie wussten, was
kommt, und sie waren so mutig, unseren Lebensstil zu ändern. Und ich möchte hören: Wie haben sie
das gemacht?“76
5. Nahe und mittelfristige terrestrische und extraterrestrische Gefahren
Sollte es uns gelingen, trotz gegenwärtigen Raubbaus an der Natur, trotz Atomkriegsgefahr, Klimakatastrophe und Bevölkerungswachstum die Ökologie des Planeten zu stabilisieren und längerfristig
zu überleben, wären einige weitere Gefahren zu beachten.
5.1. Impakte von erdnahen Objekten,
Near-Earth Objects; NEOs, auch Erdbahnkreuzer genannt. Das sind Meteoroiden (Objekte des Sonnensystems auf einer Umlaufbahn um die Sonne, von denen einige die Erdbahn kreuzen, kleiner als
Asteroiden), Asteroiden und Kometen. Hat ein Meteoroid eine ausreichende Größe und Geschwindigkeit, wird bei seinem Einschlag eine so große Menge des Meteoroid- und Erdgesteins in Form
feiner Partikel in die Atmosphäre geschleudert, dass sich eine Staubschicht um die Erde legt, die fast
jede Photosynthese und damit letztlich fast alles Leben auf der Erde unmöglich macht.
Für das Massenaussterben am Ende der Kreidezeit (Kreide-Tertiär-Grenze) gilt ein Meteoroiden-Einschlag
(KT-Impakt) als wahrscheinliche Ursache, für die übrigen Massenaussterben steht ein solcher Beleg noch aus.77
Global gefährlich sind Objekte mit einem Durchmesser von mehr als 500 m.78
Es gibt mehr als 1100 Asteroiden mit einem Durchmesser größer als 1 km, die sich auf einer der
Erde gefährlich nahen Umlaufbahn befinden. Einschläge von Körpern dieses Durchmessers würden
eine Vielzahl verheerender Folgen haben: Milliarden von Menschen könnten Opfer von Flutkatastrophen und globalen Klimaveränderungen („Impaktwinter“, s. u., vergleichbar einem „nuklearen“
Winter) werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass solch ein Meteorit im Meer einschlägt, wäre relativ
groß, denn 71 % der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Die Folge wäre ein Mega-Tsunami, der
ganze Küstenlandschaften überschwemmen würde.
Nach Berechnungen von NASA-Forschern könnte selbst der Einschlag eines Körpers von lediglich 250 m
Durchmesser ins Meer Millionen Menschen das Leben kosten. Denn mehr als 3 Milliarden Menschen leben weniger als 100 km weit vom Meer entfernt, und die hervorgerufenen Tsunamis könnten bis zu 50 m hoch sein und
innerhalb von 6 Stunden jede Küste erreichen.79
75
http://www.youtube.com/user/homeprojectDE.
Yann Arthus-Bertrand auf der Pressekonferenz zum Film HOME, 5. Mai 2009.
77 Wikipedia, Massenaussterben, 11. November 2012.
78 Gefährlichkeit und Abwehr hauptsächlich nach Wikipedia, Impakt, 24. Januar 2012. Ein relativ ausführlicher Beitrag
über die Gefahren eines Meteoriteneinschlags findet sich auch in HÖRZU WISSEN, August/Sept. 2011, S. 50.
79 Die 7 größten Gefahren für die Menschheit, Welt der Wunder, 10/2012, S. 18 f.
76
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
25
Ein Impakt könnte auch Einfluss auf die Ionosphäre und die Magnetosphäre des Planeten haben.
Rein statistisch gesehen muss man mit einem Einschlag von Objekten mit Durchmessern von mehr
als 1 km alle 500 000 bis 10 Millionen Jahre rechnen. Ereignisse wie der vermutete KT-Impakt sollen etwa alle 100 Millionen Jahre stattfinden.
Bei Durchmessern größer als 2 km hat die Menschheit keine Überlebenswahrscheinlichkeit mehr.
Die Sprengkraft des Einschlags entspräche derjenigen von mehreren Millionen Atombomben. In Sekundenbruchteilen „würde eine Fläche so groß wie Frankreich in Luft aufgelöst werden. Megabeben bzw. Hunderte
Meter hohe Tsunami-Wellen würden losbrechen, überall [auf der Erde] käme es zu massiven Lava- und Gesteinsschauern, innerhalb von 24 Stunden wäre die gesamte Menschheit ausgelöscht. Die jahrelange Finsternis
durch den hochgeschleuderten Staub, den sog. Impaktwinter, würden sie gar nicht mehr mitbekommen.“80
Vergleichsweise kleinere Einschläge erfolgen häufiger.
So verwüstete der Einschlag im Nördlinger Ries, begleitet von einem zweiten Einschlag im Steinheimer Becken,
vor 15 Millionen Jahren weite Teile Europas. Auch noch kleinere Meteoriten können lokal oder regional immensen Schaden anrichten. So sollen nach historischen Berichten i. J. 1490 in China bei einem Meteoriteneinschlag
mehr als 10 000 Menschen getötet worden sein. Auch das sibirische Tunguska-Ereignis 1908, bei dem eine Fläche von etwa 2000 km² in verwüstet wurde, war vielleicht ein Meteorit, der in der Atmosphäre explodierte. Ferner wird vermutet, dass die Clovis-Kultur (die erste flächig verbreitete prähistorische Kultur auf dem amerikanischen Kontinent) infolge der Explosion eines Himmelskörpers unterging.
Mögliche Abwehrmethoden der NASA:
Die US-Raumfahrtbehörde NASA ließ im Sommer 2007 verlauten, dass man mit einer speziellen Raumsonde
Asteroiden aus ihrer Bahn lenken könnte. Diese Sonde müsste ein großes Sonnensegel besitzen, das Sonnenstrahlung auf einen kleinen Bereich des Asteroiden konzentriert. Durch die dadurch erzeugte Wärme könnte
dessen Materie verdampfen und somit einen Rückstoß bewirken, der den Asteroid von seiner Bahn ablenken
würde. Die NASA schätzt, dass diese Methode für Asteroiden bis 500 m Durchmesser geeignet ist.
Mögliche Abwehrmethoden der ESA:
Die Europäische Raumfahrtbehörde ESA arbeitet an einem Abwehrprojekt namens Don Quijote. Die zwei Sonden Sancho und Hidalgo könnten zum Asteroiden fliegen, wo ihn Hidalgo als 4 Tonnen schwerer Impaktor rammen würde, während Sancho im Orbit des Asteroiden Daten über seine Geschwindigkeit, Zusammensetzung
und den Erfolg von Hidalgo sammelt. Auch wenn 4 Tonnen im Vergleich zu einem Asteroiden wenig erscheinen, können bereits wenige Bogensekunden ausreichen, um den Asteroiden von seinem Kollisionskurs abzubringen. Nach Angaben der ESA wäre diese Methode für Objekte bis zu 1 km Durchmesser wirkungsvoll, und
die Mission würde gestartet werden, falls die Einschlagswahrscheinlichkeit eines Asteroiden der Art Apophis
(s. u.) über 1 % steigt.
Anmerkung zu einer weiteren Abwehrmöglichkeit
Bei der Explosion eines Nuklearsprengkörpers an der Oberfläche eines Asteroiden (also im Vakuum) müsste
durch die freigesetzte Strahlung Materie an der Oberfläche des Körpers verdampfen, was einen Impuls erzeugt,
der die Bahn ändert. Diese Möglichkeit wurde inzwischen als nicht effektiv verworfen, da eine solche Bombe
einerseits nicht hinreichend stark genug wäre. Andererseits würde selbst im Falle einer erfolgreichen Sprengung
eine Vielzahl unterschiedlich großer Körper entstehen, von denen einige auf oder nahe der ursprünglichen Bahn
fortfliegen und so die Erde weiter gefährden könnten. Dagegen erachtet man die Explosion eines Sprengkörpers
in einiger Entfernung eines Asteroiden oder seitlich am Asteroiden für praktikabel.
80
Welt der Wunder, 10/2012, l. c.
26
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
Apophis (oder 2004 MN4, erdnaher Asteroid, entdeckt 2004, 270 m Durchmesser) 81
wird die Erde am Freitag, dem 13. April 2029, in knapp 30 000 km Entfernung passieren. dadurch
verändert sich seine Bahn erheblich, er mutiert vom sog. Aten-Typ zum Apollo-Typ, d. h., der größte
Teil seiner Umlaufbahn befindet sich dann außerhalb der Erdbahn. (Dabei könnte sich auch seine
Eigenrotation verändern.) Im Jahr 2036 nähert sich Apophis der Erde erneut; die Wahrscheinlichkeit
für eine Kollision mit ihr ist dann 0,0007 %, d. h. geringer, als dass ein beliebiges anderes Objekt
vergleichbarer Größe die Erde trifft.
Bei einem Einschlag von Apophis (510 Megatonnen TNT-Äquivalent) auf dem Festland würden zwar regional
massive Schäden entstehen; jedoch könnte bereits eine Entfernung von etwa 250 km vom Einschlagpunkt ausreichend sein, um mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit zu überleben. Bei einem Einschlag auf Wasser bestünde eine großräumige Gefahr massiver Tsunamis, die beim Einschlagsort eine Höhe von mehr als 100 Metern
erreichen dürften. Diese würden sich zwar im weiteren Verlauf verringern, dennoch an weit entfernten Küsten
noch eine Höhe von bis zu 30 Metern erreichen. Langfristige globale Auswirkungen sind ausgeschlossen, da der
Durchmesser zu klein ist. Für derartige Auswirkungen müsste er mindestens 1500 Meter betragen.
Der Asteroid 2007 VK184
(130 m Durchmesser, entdeckt 2007),
könnte im Juni 2048 mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,034% (= 1 : 2940) und der Aufschlagsenergie von 60 Megatonnen TNT auf die Erde einschlagen.82
5.2. Über den Einfluss größerer Himmelskörper und der dunklen Materie
Anmerkung: Bereits in diesem Abschnitt und in größerem Maße bei Prognosen für spätere Zeiten
sind zum besseren Verständnis gewisse physikalische Grundlagen erforderlich, die weiter unten - in
den Exkursen von Kap. 8 - zusammengefasst sind. Darauf sei schon an dieser Stelle verwiesen.
Zur Umgebung des Sonnensystems
Die Sonne befindet sich mit ihrem Planetensystem im sog. Orionarm, einem Spiralarm unserer Galaxis, in einem Abstand von 25 000 bis 28 000 Lj (Lichtjahre) vom galaktischen Zentrum. Das kosmisch kleine Raumgebiet mit einer Ausdehnung von knapp 30 Lj, in dem sie sich seit ca. 100 000 Jahren und voraussichtlich noch für
10 000 bis 20 000 Jahre befindet, heißt lokale Flocke. Die lokale Flocke hat eine etwas höhere Teilchendichte
als die sog. lokale Blase mit mindestens 300 Lj Durchmesser, in das sie eingebettet ist. Die lokale Blase ist ein
weitgehend staubfreies Raumgebiet, bestehend hauptsächlich aus neutralem Wasserstoff mit einer Dichte von
etwa 0,06 Atomen je cm3). Das Sonnensystem rotiert mit einer Geschwindigkeit von 220 km/s um das Zentrum
der Galaxis, und zwar genau so schnell wie der Orionarm.
Die relativ leere Umgebung des Sonnensystems bleibt bei ihrer Bewegung also erhalten, weil wir
nicht in die Nähe von großen Sternen (z. B. Supernovae) oder von Sternentstehungsgebieten geraten.83 Deswegen sind keine Gefahren durch sonnennächste Sterne in den nächsten 80 000 Jahren
(minimale Annäherung 3 Lj) zu erwarten.84
Supernovae vom Typ Ia
sind vermutlich potenziell am gefährlichsten, denn sie gehen aus unauffällig erscheinenden, relativ
dunklen weißen Zwergen hervor. Deshalb ist es denkbar, dass der Vorläufer einer solchen Supernova
auch in gewisser Erdnähe unentdeckt bleibt oder unzureichend studiert wird. Ein Supernova-Ereignis
ist mit intensiver Gamma- und insbes. Röntgenstrahlung verbunden und treibt mit elementarer Gewalt eine Druckwelle ins interstellare Medium.
81
Wikipedia, Apophis.
Wikipedia, 2007 VK184, 27. April 2011.
83 H. Lesch, Welche Gefahren bedrohen uns, Bayrischer Rundfunk, Sendung alpha-Centauri, Jan. 2000.
84 Wikipedia, Weltuntergang, 22.1.2012.
82
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
27
Damit es eine ernsthafte Bedrohung für das Leben auf der Erde darstellt, müsse es (laut Lit. vom Jahr 2003) innerhalb einer Entfernung von ca. 26 Lj zur Erde stattfinden. Nur innerhalb dieses Radius bestehe die Möglichkeit, dass die Biosphäre des Planeten beeinflusst und im äußersten Fall die Ozonschicht der Erde zerstören werden könnte.85 (Zur Ozonschicht s. Abschn. 5.7.) Laut einer anderen Quelle (Lit. 2005) deuten einige Vorhersagen darauf hin, dass eine solche Supernova noch in Entfernungen bis zu 3000 Lj die Erde beeinflussen könnte.86
Der nächstgelegene Kandidat einer Supernova-Explosion ist IK Pegasi mit 150 Lj, er entfernt sich von uns.
Völlig unklar ist, ob Neutronensterne oder schwarze Löcher einmal in unserer Umgebung auftreten,
sie würden die Planetenbahnen stören.87
Neutronensterne sind astronomische Objekte mit einem typischen Durchmesser von etwa 20 km bei einer Masse
von etwa 1,44 bis 3 Sonnenmassen, also mit einer extrem hohen Dichte (in der Größenordnung der Dichte von
Atomkernen). Sie bestehen vor allem aus Neutronen - der Gravitationsdruck in ihnen hat die Atomelektronen in
den Atomkern gepresst, wobei sie mit den Protonen zu Neutronen reagiert haben.
Schwarze Löcher sind astronomische Objekte mit z. T. noch wesentlich größerer Masse, in dessen Nähe also die
Gravitation extrem stark ist, je massereicher, umso stärker. Innerhalb ihres Ereignishorizonts kann nichts, nicht
einmal das Licht, nach außen gelangen. Es wird vermutet, dass der Orionnebel ein schwarzes Loch von mehr als
100 Sonnenmassen enthält. Bei einer Entfernung von etwa 1500 Lj wäre dieses das der Erde nächstgelegene
schwarze Loch, das wir kennen.88
Dunkle Materie
(nicht zu verwechseln mit dunkler Energie und schwarzen Löchern) ist eine noch unverstandene Art
von Materie, die zwar anzieht, aber nicht leuchtet. Wie aus dem Aufbau und der Bewegung der Galaxien gefolgert wird, muss es davon große Mengen im Kosmos geben. Man hatte schon vermutet,
dass sie unregelmäßig verteilt sein könnte. Kürzlich haben Untersuchungen an 400 roten Riesensternen im Umkreis von gut 12 000 Lj gezeigt, dass in der weiträumigen Umgebung der Sonne keine
dunkle Materie vorhanden ist.89
5.3. Vulkanausbrüche
Die Stärke von Vulkanausbrüchen wird mittels des Vulkanexplosivitätsindex (Abkürzung VEI) gemessen. Er ist
im Wesentlichen eine dekadisch-logarithmische Skala von 0 bis 8, die Menge an ausgestoßenem vulkanischem
Lockermaterial (Tephra) nimmt von Stufe zu Stufe um den Faktor 10 zu. Global gefährlich sind Supervulkane:
Ihre Ausbrüche haben die VEI-Stärken 7 und 8 mit Tephra-Mengen von 100 - 1000 bzw. > 1000 km3 und Eruptionssäulen > 25 km. Innerhalb der letzten 100 000 Jahre erreichte ein Vulkanausbruch nur zweimal die Stärke
8: Taupo (Neuseeland) vor ca. 25000 Jahren und Toba (Sumatra) vor knapp 74000 Jahren.90 Nach der umstrittenen Toba-Katastrophen-Theorie wurde die Menschheit beim Toba-Ausbruch auf einige Tausend Menschen reduziert.91 Man vermutet, dass Supervulkane bei den meisten Ausbrüchen für Artensterben verantwortlich waren.
In einem Umkreis von 100 km wird jedes Leben durch den Ausbruch eines Supervulkans vernichtet.
Auch in größerer Entfernung ist die Sterblichkeit hoch. Es kommt zu einer massiven Schädigung der
Ozonschicht. (Zur Ozonschicht s. Abschn. 5.7.) Der Vulkanstaub ist sehr fein und dringt in jede
Spalte. Durch seine Eigenschaft, in Verbindung mit Feuchtigkeit zu einer zementartig harten Masse
zu werden, können Lebewesen auch bei genügender Luftaufnahme ersticken, da die Lungen durch
das Einatmen des Staubes funktionsunfähig werden - ohne Atemschutz hat man nur geringe Überlebenschancen. Derartiger dichter Staub auf Pflanzen verhindert ihre Photosynthese, sodass sie sterben.
Regen wird die Situation nicht verbessern, sondern nur verschlimmern.
85
Wikipedia, IK Pegasi, 27. November 2011.
Wikipedia, Supernova, Jan. 2012.
87 Harald Lesch, Wie sieht die Zukunft des Universums aus, alpha-Centauri, Bayrischer Rundfunk 2001.
88 APOD 6. Okt. 2012.
89 Deutschlandfunk, Forschung aktuell, 30. April 2012.
90 http://de.wikipedia.org/wiki/Vulkanexplosivit%C3%A4tsindex.
91 Wikipedia, Supervulkan, 9.1.2012.
86
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
28
Der Yellowstone gilt als Supervulkan und bricht alle 600 000 bis 700 000 Jahre aus; durch die großen Rauchund Aschemengen in der Atmosphäre sinkt die Temperatur der Erde stark ab, und ein großer Teil der Tier- und
o
Pflanzenwelt geht zugrunde.92 800 C heiße Lava-Lawinen würden mehrere US-Bundesstaaten unter sich begraben, darunter Millionenstädte wie Los Angeles und Las Vegas. Aschepartikel lösen Blitze aus, die ganze
Landstriche auch an der US-Ostküste in Brand setzen können. Die mindestens 1000 km3 Lava und Asche, die
beim Ausbruch (mit einer Sprengkraft von mehreren Tausend Atombomben) in die Stratosphäre geschossen
werden, verdunkeln den Himmel für mehrere Jahre, die durchschnittliche Temperatur der Eroberfläche wird um
bis zu 5 Grad sinken („vulkanischer Winter“), der globale Flugverkehr würde über Jahre zusammenbrechen,
Ernten würden ausfallen, über Jahre herrschte irdischer Ausnahmezustand. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ausbruchs in den nächsten 1000 Jahren ist trotz der Aktivität des Yellowstone sehr gering: 0,00014 % je
Jahr.93
Allerdings ist es gut möglich, dass es nicht zu einem großen Ausbruch, sondern zu einem oder mehreren deutlich kleineren Ausbrüchen kommt.94 Das Problem solcher Aussagen ist, dass bisher kein einziger Supervulkan-Ausbruch wissenschaftlich untersucht werden konnte. Damit ist auch nicht klar, wie
sich ein solcher Ausbruch exakt ankündigt und welche Warnsignale für eine baldige Eruption sprechen
könnten.95 Allerdings gibt es weltweit etwa zwei Dutzend Supervulkane, wenn auch mit geringerer Aktivität als der Yellowstone.96
Die Klimaerwärmung fördert Vulkanausbrüche.
Der (zumindest kurzfristige) Einfluss von Vulkanausbrüchen auf das Klima gilt wohl auch umgekehrt: Forscher
des GEOMAR-Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel (eine der führenden Institutionen auf dem Gebiet
der Meeresforschung in Europa) haben erstmals ermittelt, dass im Zeitraum der letzten 460 000 Jahre den Perioden erhöhter Vulkanaktivität meist sprunghafte Temperaturerhöhungen und Eisschmelzen vorausgingen.97
5.4. Sonnenstürme
Veränderungen des interplanetaren und interstellaren Mediums, die speziell im erdnahen Bereich der Magnetosphäre (bis 50 000 km Abstand zur Erde) wahrgenommen werden, bezeichnet man auch als Weltraumwetter.
Die Ursachen sind hauptsächlich Veränderungen der Sonnenkorona (der äußersten Schicht der Sonnenatmosphäre). Durch sie gelangen in unregelmäßigen Abständen verstärkt Materie, Teilchen- und Strahlungsströme in
das Umfeld der Erde und beeinflussen damit die irdische Magnetosphäre und Atmosphäre.
Man unterscheidet Flares und koronale Massenauswürfe.
Bei den sehr unterschiedlich intensiven Flares, auf der Sonne selbst eng begrenzt und auf der Erde als wenige
Minuten andauernde Lichtblitze beobachtbar, nimmt die Intensität der Röntgenstrahlung, der energiereichen
Protonen und Elektronen (bis etwa 100 MeV) oft um mehr als das Tausendfache zu. Das Abklingen auf den
Ausgangswert kann dann mehrere Stunden dauern. Besonders intensive Flares erzeugen zusätzlich
Gammastrahlung. In den Jahren der maximalen Sonnenaktivität sind bis zu zehn Flares am Tag möglich.
Die Flares werden aufgrund der endlichen Lichtgeschwindigkeit mit etwa acht Minuten Verzögerung
gegenüber der tatsächlichen Eruption von der Erde aus beobachtet. Gleichzeitig trifft auch die freigesetzte Strahlung ungehindert ein. Die Teilchenströme aber folgen den interplanetaren Magnetfeldlinien und erreichen die Erde je nach der Energie der Teilchen erst 10 bis 30 Minuten später. Diese
einprasselnden Teilchen stellen eine Gefahr für Menschen und Geräte in den oberen Atmosphärenschichten dar. Röntgenstrahlung kann bis in die unterste Schicht der Ionosphäre (etwa 60 bis 90 km
über dem Erdboden) vordringen, und auch Teilchen werden teilweise erst in einer Höhe von 40 bis
60 km abgebremst.
92
Wikipedia, Weltuntergang, 22.1.2012.
Die 7 größten Gefahren für die Menschheit, Welt der Wunder 10/2012, S. 18.
94 Wikipedia, Yellowstone, 9.1.2012
95 http://www.geolinde.musin.de/tektonik/pl_hotspot_yellow1.htm.
96 Welt der Wunder, l. c.
97 http://scinexx.de/newsletter-wissen-aktuell-15407-2012-12-13.html.
93
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
29
Ein koronaler Massenauswurf, CME, ist der Ausstoß großer Mengen Materie (mehrere 10 Milliarden Tonnen)
aus der Sonnenkorona in den umgebenden Weltraum. Das Material, das mit dem Sonnenwind in Richtung Erde
transportiert wird, ist elektrisch geladen und verformt das interplanetare Magnetfeld. Dadurch kann es in die irdische Magnetosphäre eindringen und massive Folgen hervorrufen.98
Die Technologie des 21. Jh. ist extrem empfindlich gegen derartige „Sonnenstürme“. Einem NASABericht vom Juni 2012 zufolge könne die Flut von Milliarden Elektronen eines solaren Hurrikans
weltweite Kurzschlüsse auslösen, Navigations- und Kommunikationssysteme fallen aus, Flugzeuge
können abstürzen und die Kühlbecken in Atomkraftwerken funktionsuntüchtig werden. Längerfristige Stromausfälle würden eine Kettenreaktion in Gang setzen, die nach nur wenigen Tagen auch die
Trinkwasser- und die Lebensmittelversorgung zum Erliegen bringen könnte. Der bekannte USPhysiker Michio Kaku meint: „Ein ‚Katrina’ [Hurrikan der höchsten Kategorie] aus dem All würde
nicht nur Hunderttausende Todesopfer fordern, sondern die gesamte Zivilisation um 100 Jahre zurückkatapultieren.“ Ein Aussterben der Menschheit durch einen Sonnensturm scheint dagegen nahezu ausgeschlossen.99
5.5. Erdbeben100
Beim sog. Megathrust-Beben von Tohoku (Japan) am 11. Mai 2011 starben die meisten der etwa 16 000 Opfer
nicht durch das Erbeben selbst, sondern durch die darauffolgende Kettenreaktion von Katastrophen mit einem
bis zu 38 Meter hohen Tsunami, mit Hunderten Nachbeben und den Unfällen in mehreren Kernkraftwerken Ostjapans, insbesondere am Standort Fukushima-Daiichi.
Durch derartige Beben bauen sich Spannungen an den Rändern der Kontinentalplatten auf, die sich
ab einem gewissen Druck entladen. Sollten sich daraufhin innerhalb weniger Tage oder Wochen an
mehreren Stellen der Erde Megathrust-Beben aufbauen, käme es zu einem „apokalyptischen Domino-Effekt“. Dutzende Millionenstädte wie Los Angeles, San Francisco, Santiago de Chile, Tokio und
Shanghai würden zerstört. Stunden später überfluteten bis zu 50 m hohe Tsunamis die Küstenstädte
selbst anderer Kontinente. Es käme zu AKW-Unfällen, Epidemien und Hungerkatastrophen, wohl
auch zu mehreren Millionen Todesopfern. Ein Aussterben der Menschheit wäre indes auch bei einem
derartigen Ereignis unmöglich.
Nach neueren Forschungsergebnissen ist im Abstand von ca. 40 Jahren etwa ein Jahrzehnt lang ein erhöhtes
Auftreten von Megabeben zu erwarten. Die extremen Erdstöße von Sumatra 2004, Neuseeland u. a. 2007, Chile
2010 und Japan 2011 stehen in direkter tektonischer Verbindung zueinander. Kalifornien gehört zur gleichen
erdbebengefährdeten Zone, ist aber das einzige Gebiet, in dem es seit dem Sumatra-Beben von 2004 noch nicht
zu einer großen Erschütterung gekommen ist (missing hotspot). Deshalb gilt Kalifornien als aktuell sehr gefährdet. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dort in den nächsten 25 Jahren zu einem schweren Erdbeben kommt, wird
mit 99,7 % angegeben.
5.6. Pandemien101
In naher Zukunft ist durchaus damit zu rechnen, dass Viren entstehen (oder gezüchtet werden), die
die beiden wichtigsten Voraussetzungen erfüllen, eine Pandemie auszulösen, bei der Millionen Menschen sterben: nämlich extrem hohe Sterblichkeit und gleichzeitig höchste Ansteckungswahrscheinlichkeit. Fünf Genmutationen könnten ausreichen, um sein Gefahrenpotential zu vervielfachen. Und
heute ist ein Virus in der Lage, sich quasi mit der Reisegeschwindigkeit von Flugzeugen zu verbreiten. (Bei der Schweinegrippe dauerte die Verbreitung vom Entstehungsort in Mexiko bis zu Infektionsfällen in Afrika, Eurasien und Australien nur wenige Tage.)
98
http://de.wikipedia.org/wiki/Weltraumwetter. Dort und in den zugehörigen Unterartikeln findet man weitere Details.
Welt der Wunder, l. c.
100 Nach Welt der Wunder, 10/2012, l. c.
101 Nach Welt der Wunder, 10/2012, l. c.
99
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
30
Das Problem besteht darin, dass trotz internationaler Zusammenarbeit und neuester Labortechnik
mindestens ein halbes Jahr gebraucht wird, bis ein Impfstoff entwickelt und in der Bevölkerung verteilt ist - so lange hat ein neues Virus Zeit, sich zu verbreiten. Die Epidemiologen halten die vollständige Vernichtung der Menschheit allerdings hier ebenfalls für nahezu ausgeschlossen. „Das ist
auch gar nicht das Ziel des Virus, denn dann würde es selbst sterben.“ Doch könnten nun bei einer
Pandemie das öffentliche Leben und damit die Wirtschaft für Monate zusammenbrechen, Millionen
Menschen innerhalb weniger Jahre direkt durch das Virus oder indirekt durch langfristige Auswirkungen auf die Wirtschaft (Produktions-Engpässe, Hungerkatastrophen usw.) sterben. Die Wahrscheinlichkeit für eine Pandemie in den nächsten 30 Jahren wird mit > 90 % angegeben; ob sie so
tödlich verläuft wie eben dargestellt, ist ungewiss.
5.7. Gammablitze,
gamma ray bursts, sind die mit Abstand gefährlichste Bedrohung aus dem Weltall: Energieausbrüche
sehr hoher Leistung im Universum, von denen intensive elektromagnetische Strahlung ausgeht; ihre
Ursache ist noch nicht vollständig geklärt. Sie setzen in zehn Sekunden mehr Energie frei als die
Sonne in Milliarden von Jahren.
Der unmittelbare Schaden durch einen Gammablitz, der direkt auf die Erde gerichtet ist, erscheint
zunächst begrenzt, da Gammablitze meist nur kurz sind (wenige Sekunden bis einige Minuten) und
ein großer Teil der Gammastrahlen den Erdboden nicht erreicht. Die Strahlung wird nämlich in der
Atmosphäre absorbiert, wobei u. a. Stickoxid entsteht. Auch wäre die vom Gammablitz abgewandte
Erdseite nicht sofort betroffen, da die Gammastrahlung den Planeten nicht durchdringen kann. Ein
ausreichend naher Gammablitz (ca. 500 Lj) erzeugt allerdings so viel Stickoxid in der Atmosphäre,
dass die Ozonschicht schwer geschädigt würde.
Der Abbau der Ozonschicht hat negative Folgen für Mensch und Umwelt, da UV-Strahlung der Sonne nicht
mehr im natürlichen Umfang absorbiert wird. Dadurch gelangt mehr UV-Licht auf die Erdoberfläche, was beim
Menschen zu Hautschäden bis hin zum Hautkrebs führen kann. Bei völlig fehlender Ozonschicht droht Erblindung innerhalb weniger Stunden. Wenn durch einen Gammablitz die Ozonschicht, dieser Schutzschild der Erde,
schlagartig zerstört wird, beginnt die UV-Strahlung der Sonne das höhere irdische Leben förmlich wegzufegen.
Dadurch wird nun auch die unberührte Erdseite stark beeinflusst - mit langanhaltenden Veränderungen des Klimas und der Atmosphäre. In den darauffolgenden Jahren verdunkeln braune Wolken
durch das von der UV-Strahlung erzeugte giftige Stickoxid den Himmel. Spätestens dann bricht die
globale Nahrungsmittelversorgung auf dem Planeten zusammen, was ein Massenaussterben zur Folge hat. Denn wo kein Licht ist, sterben selbst diejenigen Pflanzen, die der intensiven Strahlung widerstehen konnten - und wo keine Pflanzen sind, ist kein Leben möglich: „biologische Apokalypse“.
Die Erdbevölkerung würde auf z. B. 10 % ihres jetzigen Wertes schrumpfen, bis nach einigen Jahren
auch die letzten Überlebenden zugrunde gehen. Der Schaden durch einen Gammablitz wäre deutlich
höher als der durch eine Supernova, die sich in gleicher Entfernung wie der Gammablitz ereignet.
Angesichts der Seltenheit von Gammablitzen in unserer Galaxis beträgt die Wahrscheinlichkeit eines
tödlichen Treffers nach Berechnungen von Hans-Thomas Janka et al., Garching, 1 : 20 Millionen,
also vergleichbar mit der Chance von 6 Richtigen im Lotto. (Diese Prognose passt zu einer Faustregel der Katastrophenforscher, nach der die Eintreff-Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses umso geringer ist, je gefährlicher es für die Menschheit ist.)102
Gammablitze jenseits von 3 000 Lichtjahren stellen vermutlich keine Gefahr dar.103
102
103
Welt der Wunder, l. c.
Wikipedia, Gammablitz, 2.8.2012.
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
31
Anmerkung:
Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle die bisher noch sehr hypothetische Gefahr der Selbstzerstörung der Menschheit oder eines Teils von ihr durch von ihr entwickelte künstliche Intelligenz
in Form von Computern, Maschinen oder sich selbstvermehrenden Nanorobotern erwähnt.
6. Veränderungen der irdischen Plattentektonik
Die Oberfläche der Erde (Lithosphäre: Erdkruste und oberer Erdmantel) ist in mehrere riesige Platten
aufgebrochen, die sich langsam verschieben.
Vor etwa 250 Millionen Jahren waren die Platten, auf denen die heutigen Kontinente ruhen, anders platziert, sodass alle Landmassen zu einem Superkontinent zusammengefasst waren, der Pangäa genannt wird. Die heutige
Verteilung der Kontinente entstand durch die Kontinentalverschiebung während der letzten 150 Mill. Jahre.
In etwa 50 oder 100 Millionen Jahren
werden Afrika und Europa zusammenwachsen: Die afrikanische Kontinentalplatte presst Italien wie
einen Rammsporn gegen Europa. Das gesamte Mittelmeer mit seinen schönen Inseln wie Mallorca
wird dabei zerdrückt und verschwinden - mit einem solchen Druck, dass sich von Spanien bis weit in
den Mittleren Osten ein riesiges Gebirge aufschiebt. Bayern wird dann nicht mehr existieren, und
Polen und die Ukraine werden Vorland dieses Gebirges sein.104
In etwa 100 Millionen Jahren
wird sich Nordamerika ein wenig gegen den Uhrzeigersinn drehen.
In rund 250 Millionen Jahren: Pangäa Ultima
Die Kontinentalplatten werden sich wieder so angeordnet haben, dass eine einzige Landmasse dominiert: Berechnungen zufolge wachsen Nordamerika, Afrika, Europa, Asien und Südamerika zu einem
Superkontinent zusammen, der vom texanischen Geologen Christopher Scotese (geb. 1953) bereits
einen Namen erhalten hat: Pangäa Ultima. Der wahrscheinlich komplett verschwundene Atlantik
wird nur dann noch eine ferne Erinnerung sein; und etwaige Erdbewohner könnten von Alaska nach
Südafrika zu Fuß gelangen.105
7. Wendezeit in einigen 100 Millionen Jahren
In einigen 100 Mill. Jahren müssten unsere möglichen Nachkommen interstellare Raumfahrt betrieben und die Erde verlassen haben, um eine neue Heimat zu finden.
Zunächst könnte der wasserhaltige Mars das Ziel sein. Später, wenn sich die Sonne zum roten Riesen aufbläht
(s. u.), vielleicht der Jupitermond Europa, unter dessen Eismantel man flüssiges Wasser vermutet.
Über weitere / fernere Möglichkeiten s. u., Ende von Kap. 9: Kolonisierung der Galaxis.
Denn Klimamodelle zeigen, dass die Erde nur noch etwa 500 Millionen Jahre lang ähnlich wie heute
bewohnbar sein wird. Ursache dessen sind Veränderungen in der Sonne, von denen das Schicksal der
Menschheit zwangsläufig abhängt: Die ständige Kernfusion in der Sonne hat zur Folge, dass ihre
Leuchtkraft stetig steigt.
104
Harald Lesch, Wie sieht die Zukunft des Universums aus?, Bayrischer Rundfunk, Sendung alpha-Centauri, 2001, und
GEO kompakt Nr. 19 - 06/09 - Frühgeschichte der Erde: Der lange Weg zur Erde, Seite 8, bzw.
http://www.geo.de/GEO/heftreihen/geokompakt/60873.html?p=8.
105 GEO kompakt Nr. 19, l. c., und APOD (Astronomy Picture of the Day), 22. September 2007.
32
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
In den letzten 4,5 Mrd. Jahren hat sich die Energieeinstrahlung der Sonne um 30 % erhöht. Ihre Gesamthelligkeit wird etwa um 10 % über die nächsten 1,1 Mrd. Jahre und um 40 % nach 3,5 Mrd. Jahren ansteigen.106
In 800 bis 900 Millionen Jahren wird die Temperatur auf der Erdoberfläche bei 30 oC liegen. Die
damit steigende Oberflächentemperatur auf der Erde führt zu dramatischen Veränderungen von Atmosphäre, Hydrosphäre, Lithosphäre und Biosphäre, die nachstehend skizziert werden sollen:
Mit der höheren Temperatur wächst zunächst der Anteil des Treibhausgases Wasserdampf in der
Atmosphäre, was den Treibhauseffekt verstärkt. Der warme Regen beschleunigt durch Erosion den
Carbonat-Silicat-Zyklus:
Carbonat-Silicat-Zyklus
Wegen der vulkanischen Aktivität der Erde gelangt ständig, wenn auch in unterschiedlichen Mengen, das Treibhausgas Kohlendioxid CO2 in die Atmosphäre. Würde es nicht auf irgendeine Weise entfernt, stiege seine Konzentration so stark an, dass am Ende die Weltmeere verdampften (wie es sich vor vier Milliarden Jahren auf der
Venus zutrug).107 Der Abbau des Kohlendioxids erfolgt im Wesentlichen durch den Carbonat-Silicat-Zyklus,
der einen langfristigen geochemischen Wechsel zwischen Silikaten und Carbonaten bezeichnet.108 Er beginnt
damit, dass atmosphärisches CO2 und Regenwasser sich zu Kohlensäure verbinden: CO2 + H2O → H2CO3. Das
kohlensäurehaltige Regenwasser führt zur Erosion von Calcium-Silikat-Mineralien (Silikatverwitterung, ein
Beispiel ist: CaSiO3 + H2O + 2 CO2 → Ca(HCO3)2+ SiO2). Die Ca++-, HCO3–- und CO3---Ionen werden über
Fließgewässer ins Meer transportiert, wo sie von Plankton und sessilen Tieren als CaCO3 (Calciumcarbonat) in
Kalkschalen eingebaut werden. Nach dem Absterben der Organismen sinken die Schalen auf den Meeresboden
und bilden dort Karbonatsedimente. Der Kreislauf schließt sich dadurch, dass durch Vulkanismus das CO2 aus
den Carbonaten wieder in die Atmosphäre gelangt. Es wird aber mehr CO2 gebunden als ausgestoßen, was den
CO2-Gehalt der Atmosphäre vermindert.109 Pflanzen verstärken diesen Prozess durch die Fotosynthese, also den
direkten Abbau des CO2 aus der Atmosphäre, Landpflanzen zusätzlich noch dadurch, dass deren Wurzeln Gesteine aufbrechen und dadurch das Eindringen von Wasser und CO2 ermöglichen.110
Im Ergebnis dessen wird der durch die stärkere Sonnenstrahlung bewirkte Temperaturanstieg durch
den Entzug des CO2 aus der Atmosphäre abgemildert.
Wir haben hier ein Beispiel einer negativen (stabilisierenden) Rückkopplung in Übereinstimmung mit der sog.
Gaia-Hypothese des britischen Naturwissenschaftlers James E. Lovelock, wonach die Erde wegen derartiger
selbstregulierender Prozesse als eine Art Organismus aufgefasst wird. Demzufolge sollen die komplexen Vorgänge auf der Erde einschließlich derer, dass das Leben aktiv die Umweltbedingungen kontrolliert, dazu führen,
dass die Erde optimal bewohnbar bleibt. Ein prominenter Kritiker der Gaia-Hypothese ist der US-amerikanische
Paläontologe Peter Ward. Er prägte den Begriff Medea-Hypothese als Gegenstück und postuliert damit, dass
die als Superorganismus aufgefasste Gemeinschaft mehrzelligen Lebens inhärent selbstzerstörerisch und nicht
selbsterhaltend sei, wie in der Gaia-Hypothese behauptet. Mehrzelliges Leben lösche sich daher sehr wahrscheinlich selbst aus und die Erde würde in einen Zustand mikrobiellen Lebens zurückfallen, wie es für den
größten Teil der Geschichte der Erde Normalzustand war.111 Dass derartiges auch für den eben behandelten Prozess zutrifft, prognostizieren aktuelle Modelle, wonach der CO2-Gehalt der Atmosphäre in etwa 900 Millionen
Jahren auf etwa 10 ppm gesunken sein wird (verglichen mit 280 ppm in vorindustrieller Zeit).112
Möglicherweise wird schon in 500 Millionen Jahren der CO2-Gehalt der Atmosphäre so gering sein,
dass die Photosynthese nicht mehr stattfinden kann. Peter Ward: „Mit jenem schicksalhaften Tag
beginnt das Ende der Welt, wie wir sie kennen.“ Die Pflanzen verwelken und sterben. Damit entfällt
die Hauptquelle für den Luftsauerstoff und die Produktion von Biomasse. Die Tiere werden ihnen
bald nachsterben - innerhalb weniger Millionen Jahre.113
106
Wikipedia, Erde, 21. 10. 2012.
Peter Ward, Gaias böse Schwester, Spektrum der Wissenschaft, Nov. 2009, S. 84.
108 Wikipedia, Carbonat-Silicat-Zyklus, 20. 10. 2012.
109 http://de.wikipedia.org/wiki/Kohlenstoffzyklus, 21. 10. 2012.
110 Peter Ward, l. c.
111 Peter Ward, l. c., und http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Ward_%28Pal%C3%A4ontologe%29.
112 Peter Ward, Spektrum der Wissenschaft, l. c.
113 Wikipedia, Artikel Erde, 17.1.2012.
107
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
33
Sollten wir „in 500 Millionen Jahren“ noch hier sein, „werden wir alle ersticken“, meint Prof. Siegfried Franck, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.114
Wenn die Pflanzen nicht mehr existieren, müsste der CO2-Gehalt der Atmosphäre wieder ansteigen,
was dann wieder einen verstärkten Treibhauseffekt zur Folge hat.
In einer Milliarde Jahren oder mehr: mögliche Veränderung der Merkurbahn
Die Bahn des sonnennächsten Planeten Merkur weist die höchste Exzentrizität aller Planeten auf, sie ist bereits
heute beinahe so exzentrisch wie die Bahn des Kleinplaneten Pluto.
Der Planet Jupiter könnte vermöge seiner Gravitation den Merkur aus seiner jetzigen Umlaufbahn herausreißen,
indem er durch seinen Einfluss nach und nach die Bahnexzentrizität des Merkur vergrößert, bis der Planet in seinem sonnenfernsten Punkt (Aphel) die Umlaufbahn der Venus kreuzt. Daraufhin könnte es vier Szenarien geben: Merkur stürzt in die Sonne oder er wird aus dem Sonnensystem geschleudert oder er kollidiert mit der Venus oder sogar mit der Erde. Die Chance, dass eine dieser Möglichkeiten eintreffen wird, bevor sich die Sonne
zu einem roten Riesen aufblähen wird (s. u.), liegt bei rund 1 %.115
In 1,6 Milliarden Jahren
wird die globale mittlere Erdtemperatur +70 °C erreicht haben. Die Ozeane beginnen zu verdampfen,
infolgedessen werden der Wasserdampf in der Atmosphäre zunehmen und die Temperatur kurzzeitig
auf +250 °C steigen.
Flüssiges Wasser wird dann bald auf der Erde nicht mehr vorhanden sein. Danach wird die Erde über einen
deutlich längeren Zeitraum mehrerer 100 Millionen Jahre zudem noch ihre Atmosphäre verlieren.116
8. Drei Exkurse
Die bisher behandelten Sachverhalte und Prognosen beruhten zum größeren Teil auf klimatologischen, biologischen und geologischen Erkenntnissen, wir sind auch bereits solchen begegnet, die sich
auf physikalische bzw. astrophysikalische Erkenntnisse gründen. Dieses Verhältnis verschiebt sich
bei den Prognosen für fernere Zeiten immer mehr zugunsten der letzteren.
Deshalb sei zum Verständnis insbes. der folgenden Abschnitte nun eine knappe Historie und eine
knappe Bestandsaufnahme grundlegender physikalische Errungenschaften skizziert. Wie im Vorwort
angedeutet, sollen dabei einige vor ihrer Entdeckung bereits prognostizierte Erkenntnisse (kursiv)
hervorgehoben werden.
Im Anschluss an diese Exkurse wird die Chronologie fortgeführt.
114
Judith Rauch, P.M. Perspektive 1/2003 (Februar 2003).
Wikipedia, Merkur, 30. November 2012.
116 http://www.scilogs.de/kosmo/blog/clear-skies/aktuelles/2010-12-24/die-zukunft-der-erde.
115
34
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
8.1. Einige Meilensteine der historischen Entwicklung unserer Kenntnisse
Die Entwicklung der Erkenntnisse über unseren Kosmos ist eine große Erfolgsgeschichte. Aus früheren Jahrhunderten sei
diesbezüglich an Kopernikus, Tycho de Brahe, Galilei, Kepler, Newton und Immanuel Kant erinnert.
Der französische Mathematiker Urbain Le Verrier sagte i. J. 1846 die Entdeckung eines unbekannten Planeten jenseits
des Uranus aufgrund des Newtonschen Gravitationsgesetzes voraus, und noch im gleichen Jahr fand Johann Gottfried
Galle an der Berliner Sternwarte diesen Planeten Neptun an der vorausberechneten Stelle.
Gustav Robert Kirchhoff wandte i. J 1859 seine mit Bunsen begründete Spektralanalyse auf das Licht der Sonne und der
Sterne an. Man wusste, dass die scharfen Linien im Spektrum einer Lichtquelle von den chemischen Elementen herrühren und jeweils für sie charakteristisch sind. Es zeigten sich im Licht der Himmelskörper im Wesentlichen die gleichen
Linien wie bei irdischen Strahlern. Damit war bewiesen, dass die Sterne, das Weltall, aus den gleichen chemischen Elementen bestehen wie die Erde.
Der schottische Physiker James Clark Maxwell vereinigte in den 1860er Jahren die Theorien von Elektrizität, Magnetismus und Optik in seinen fundamentalen Maxwellschen Gleichungen und folgerte aus ihnen die Existenz der Radiowellen,
die Heinrich Hertz i. J. 1887 entdeckte.
Der russische Theoretiker Alexander Friedmann gewann aus Einsteins i. J. 1915 geschaffener allgemeiner Relativitätstheorie im Jahr 1922 die Erkenntnis, dass sich das ganze Universum in dynamischer Entwicklung befinden muss, er sagte
als Erster die mögliche Expansion des Universums voraus. Zum gleichen Resultat kam der belgische Theoretiker
Georges Lemaître. Er konnte es 1927 an den Beobachtungsdaten bestätigen und wurde dadurch, dass er die Expansion
zeitlich zurückverfolgte, der Begründer der Urknall-Theorie.
Diese Erkenntnis war möglich, weil in den 1920er Jahren auch die beobachtende Astronomie wesentliche Fortschritte
gezeitigt hatte. Zu den wichtigsten Entdeckungen gehörte, dass außer unserem Milchstraßensystem, der Galaxis, noch
andere, weit entfernte ähnliche Sternsysteme existieren, die man Galaxien nannte. Die spektrale Zerlegung des Sternenlichtes zeigte eine Verschiebung der Spektrallinien der Elemente im Vergleich zu deren Lage im irdischen Labor. Sie
wurde richtig als Dopplereffekt gedeutet, d. h. als eine Verschiebung der Spektrallinien aufgrund der Geschwindigkeit
der Sterne bezüglich der Erde: Verschiebung zum roten Ende des Spektrums hin heißt Fluchtbewegung, „Blauverschiebung“ bedeutet, dass sich das Objekt auf uns zu bewegt. Die allermeisten Sterne zeigen Rotverschiebung, bewegen sich
alsovon uns fort; die uns benachbarte Andromedagalaxie bewegt sich auf uns zu, s. u.
Von besonderem Interesse für uns Erdbewohner ist das Wissen über den „Lebenslauf“ unseres Muttergestirns, der Sonne,
die uns noch lange, aber nicht für immer, Licht, Wärme und Leben spenden wird. (Von ihr ist die Erde rund 150 Mill. km
= eine astronomische Einheit, 1 AE, entfernt.) Diesbezüglich seien die Entdeckung der Cecilia Payne (1925) erwähnt,
dass die Hauptbestandteile der Sterne (also auch unserer Sonne) Wasserstoff und Helium sind, und schließlich die Erkenntnisse von Weizsäckers, Bethes und Critchfields Ende der 1930er Jahre darüber, wie die Sterne durch Kernfusion
Licht und Wärme erzeugen.
Im Jahr 1946 sagte der aus der Sowjetunion geflüchtete Physiker Georgi Gamow die sog. Drei-Kelvin-Strahlung voraus
(auch kosmische Hintergrundstrahlung, Reliktstrahlung genannt), die 1964 durch Zufall entdeckt wurde, noch zu Lebzeiten Gamows. Sie wurden als „Echo des Urknalls“ bezeichnet und ist einer der wichtigsten Beweise für die UrknallTheorie.
Im Jahr 1957 veröffentlichten Margaret Burbidge, Geoffrey R. Burbidge, William A. Fowler und Fred Hoyle die später
nach ihren Initialen benannte legendäre B2FH-Arbeit. Sie beschrieben darin, wie die meisten chemischen Elemente entstanden sind, nämlich durch Kernfusion und deren Nachfolgeprozesse in den Sternen. (Im Urknall waren nur Wasserstoff, Helium und etwas Lithium entstanden.)
Die Urknall-Theorie wurde in der Folge verfeinert, ermöglicht durch immer bessere Apparate, zu denen nicht nur Teleskope gehörten, sondern auch die Teilchenbeschleuniger der Elementarteilchenphysik. Denn es hat sich gezeigt, dass die
Entwicklung der Welt im Großen sehr vom Verhalten der Elementarteilchen abhängt: Makro- und Mikrokosmos sind eng
miteinander verwoben. Deshalb spielt der riesige Erfahrungsschatz, der seit etwa 1900 über die Atome und seit 1932 (mit
der Entdeckung des Neutrons) über die Atomkerne, subatomaren Teilchen und Kräfte gewonnen wurde, für die wissenschaftlichen Prognosen über die Zukunft der Welt eine wesentliche Rolle.
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
35
8.2. Bestandsaufnahme zum Makrokosmos
Der Urknall geschah vor 13,7 Milliarden Jahren, und die anfangs unvorstellbar hohe Temperatur zu Beginn der Expansion hat sich auf jetzt 2,7 K, also knapp 3 Grad über dem absoluten Nullpunkt der Temperatur, verringert. (Dies ist die im
vorigen Abschn. 8.1. erwähnte Reliktstrahlung.) Sonne, Erde und die anderen Planeten des Sonnensystems entstanden
vor 4,6 Milliarden Jahren. Der von uns gegenwärtig erforschbare Teil des Weltalls enthält über 50 Milliarden (5·1010)
Galaxien. Unsere Galaxis, das Milchstraßensystem, gehört zu den größeren Galaxien und besitzt etwa 300 Milliarden
(3·1011) Sterne bei einem Durchmesser von etwa 100 000 Lichtjahren, wobei 1 Lj = Lichtjahr etwa 9½ Billionen
(9,5·1012) km (= 9,5·Em, Exameter) sind. Viele Sterne besitzen Planeten. (Seit den 1990er Jahren wurden bis Anfang
Dezember 2012 insgesamt 853 extrasolare Planeten und 2320 Planetenkandidaten entdeckt.) Dennoch gibt es Argumente
dafür, dass wir möglicherweise die einzige Zivilisation in unserer Galaxis sind.
Seit Ende des 1990er Jahre wissen wir auch, dass uns von aller im Weltall vorhandenen Materie und Energie nur ein
Bruchteil bekannt ist. (Nach der Einsteinschen Gleichung E = m·c2, Energie = Masse mal das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit, wird in Physik und Astrophysik oft nicht zwischen Energie und Masse unterschieden.) Die uns geläufige
„gewöhnliche“ sog. baryonische Materie beträgt lediglich 4 %, dazu kommen die überaus häufigen Neutrinos (s. Abschn.
8.3.) mit einem Anteil von 0,3 %. (Wir spüren sie nicht, obwohl sie uns ständig durchdringen.) Der Hauptanteil von 73 %
besteht aus der noch unbekannten, antigravitativ wirkenden sog. dunklen Energie, gefolgt mit 23 % von der bereits 1933
von Fritz Zwicky prognostizierten und nach den Forschungen Vera Rubins seit 1960 ernstgenommenen gravitativ anziehenden, aber nicht sichtbaren, ebenfalls noch unverstandenen dunklen Materie.
8.3. Bestandsaufnahme zur Mikrophysik
Die uns bekannte Materie der Lebewesen, Sterne und Planeten besteht, wie wir seit ziemlich genau 100 Jahren endgültig
wissen, aus Atomen, die ihrerseits aus Elektronen und den Nukleonen des Atomkerns bestehen. Anders als die Elektronen sind letztere nicht elementar, denn die Protonen bestehen aus zwei Up-Quarks (u) und einem Down-Quark (d), die
Neutronen aus einem Up-Quark und zwei Down-Quarks. Es gibt außer diesen beiden noch vier weitere Quarksorten
(Flavours): die Strange-, Charm-, Bottom- und Top-Quarks; und alle sechs haben ihre Antiteilchen, die sich von ihnen in
einigen Eigenschaften unterscheiden. Außer den Nukleonen kennt man noch andere aus Quarks und/oder Antiquarks
zusammengesetzte Teilchen: die Mesonen und Hyperonen. Die Elektronen haben ebenfalls mehrere „Verwandte“: die
schwereren Myonen und Tauonen. Sie gehören mit ebenfalls drei Arten von Neutrinos (s. u.) zu den Leptonen, auch die
Leptonen haben ihre Antiteilchen.
Die Existenz von Antimaterie wurde 1928 vom britischen Physiker P. A. M. Dirac aus der Quantenmechanik gefolgert
und mit der Entdeckung des Positrons (= Anti-Elektrons) durch Carl David Anderson 1932 bestätigt.
Alle Kräfte in der Natur sind Manifestationen von nur vier Grundkräften, den sog. fundamentalen Wechselwirkungen.
Die großräumig zwischen Massen dominierende Kraft ist die Gravitation, die uns als Gewichtskraft geläufig ist und die
Erde an die Sonne bindet. Alle anderen Kräfte und Vorgänge, die wir direkt mit unseren Sinnen wahrnehmen, beruhen
auf der elektromagnetischen Wechselwirkung. Zwischen den Elementarteilchen wirken auf sehr kurzen Distanzen noch
die sog. starke Wechselwirkung (die die Atomkerne gegen die abstoßende Kraft der positiv geladenen Protonen zusammenhält) und die schwache Wechselwirkung (die die radioaktive Beta-Umwandlung bewirkt und der wir vor allem die
im Gegensatz zur Wasserstoffbombe langsame Kernfusion in der Sonne verdanken).
Ein Kennzeichen der schwachen Wechselwirkung ist die Beteiligung von Neutrinos. Diese Elementarteilchen sind im
Universum überaus häufig, reagieren aber nur selten mit anderer Materie. Ihre Existenz hatte 1930 der Österreicher
Wolfgang Pauli vorausgesagt, einer der letzten Universalphysiker. Sie konnten 1956, noch zu Lebzeiten Paulis, von der
Gruppe um Clyde Cowan und Frederick Reines nachgewiesen werden.
Dem Grundgedanken der Physik entsprechend, alle Phänomene in der Welt einheitlich zu erklären, hat man versucht, die
vier Wechselwirkungen zu vereinigen, sie als Erscheinungsweisen nur einer einzigen Urkraft zu erklären. Dies ist mit der
Theorie der „elektroschwachen Wechselwirkung“ bereits gelungen. Die sog. große vereinheitlichte Theorie (grand unification theory, GUT enthält zusätzlich die starke Wechselwirkung; man erhofft sich demnächst die noch ausstehenden
Beweise. Das Ziel ist eine Theorie von allem, theory of everything, TOE, die auch die Gravitation einschließt. (Ein reizvoller, aber noch ganz hypothetischer Kandidat dafür ist die Superstringtheorie, wonach die fundamentalen Bausteine der
Welt winzige vibrierende ein- oder mehrdimensionale Gebilde sein sollen.) Dann hätte man alle Naturkräfte als Manifestationen nur einer einzigen „Urkraft“ verstanden.
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
36
9. Nach dem Ende des irdischen Lebens
Nach etwa 4 Milliarden Jahren: Entstehung von „Milkomeda“
Die Andromeda-Galaxie, z. Zt. 2,5 Mio. Lj von uns entfernt, bewegt sich mit einer Geschwindigkeit
von rund 300 km/s auf unsere Galaxis zu. Unklar war längere Zeit, ob beide direkt miteinander kollidieren, sich nur streifen oder sogar ganz verfehlen werden.
Das lag daran, dass die genaue Flugrichtung der Andromeda-Galaxie nicht bekannt war, weil die bisher nur
messbare Blauverschiebung im Spektrum lediglich Aufschluss über diese Geschwindigkeitskomponente parallel
zur Verbindungslinie beider Systeme lieferte, während die Komponente senkrecht dazu unbekannt war.
T. J. Cox und Abraham Loeb (Cambridge, Massachusetts), die den Prozess in Computersimulationen
erforschten, hatten für den möglichen Zusammenschluss bereits den Namen Milkomeda vorgeschlagen, aus engl. Milky Way und Andromeda.117
Jüngst (2012) ist es mit dem Hubble-Weltraumteleskop erstmals gelungen, auch die seitwärts gerichtete Bewegung der Andromeda-Galaxie zu messen, wonach sich nun ein klares Bild für einen Frontalzusammenstoß ergibt:118 Der Kollisionsprozess beginnt nach etwa 4 Milliarden Jahren und wird
dann noch weitere zwei Milliarden Jahre dauern.
Während dieser langen Zeit ändert sich der irdische Nachthimmel erheblich. Denn zum schwachen
Band der Milchstraße fügt sich die immer größer werdende Andromeda-Spiralgalaxie hinzu. Hypothetische Betrachter könnten dann ein Feuerwerk der Sternentstehung beobachten, das in den aufgewirbelten Gas- und Staubmassen zündet. Die Kollision katapultiert unser Sonnensystem weiter nach
außen auf eine veränderte Umlaufbahn um das dann neue galaktische Zentrum der verschmolzenen
Galaxie. Wahrscheinlich wird es dabei nicht zerstört, denn kollidierende Galaxien durchdringen sich
nur - wegen der geringen Sterndichte in ihnen kommen direkte Zusammenstöße von Sternen kaum
vor. Schließlich wird (wahrscheinlich unter Einbeziehung kleinerer benachbarter Galaxien) eine
elliptische Supergalaxie entstanden sein, die einen Großteil des Nachthimmels einnimmt.
In 5 Milliarden Jahren
entwickelt sich die Sonne zum roten Riesen - es ist das normale „Schicksal“ aller derartigen sog.
G-Sterne, sobald ihr Wasserstoff „ausgebrannt“ ist. Dabei dehnt sich die Sonne innerhalb weniger
Millionen Jahre auf das etwa 200-250-fache ihres derzeitigen Radius auf rund 1 AE (die Entfernung
Erde-Sonne) aus. D. h., sie wird die inneren Planeten Merkur und Venus verschlingen. Weil die Sonne in diesem Stadium durch starken Sonnenwind bis zu 30 % ihrer Masse verlieren wird, verliert sie
an Gravitationspotential. Dadurch erweitert sich, wie Simulationen ergaben, die Umlaufbahn der
Erde um die Sonne auf etwa 1,7 AE mittlere Entfernung. Die Erde wird also zunächst nicht von der
Sonne absorbiert werden.119
In 7,6 Milliarden Jahren:
a) Ende der Erde:
Sie stürzt in die aufgeblähte, sterbende Sonne.120 Eine neuere Simulation (2008) hat angedeutet, dass
die Erdbahn aufgrund von Gezeitenkräften nicht mehr stabil bestehen bleibt, sodass die Erde schließlich doch in die Atmosphäre der Sonne gelangt und dabei zerstört wird.121
117
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/sternzeit/675092/.
online, 01. Juni 2012.
119 http://www.scilogs.de/kosmo/blog/clear-skies/aktuelles/2010-12-24/die-zukunft-der-erde.
120 bdw 4/2010, S. 42.
121 Wikipedia, Erde, 17.1.2012.
118 Spiegel
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
37
b) Weitere Mutation der Sonne:
Nach dem Heliumflash (der Fusion von Helium zu Kohlenstoff) im (Gesamt-)Alter von etwa 12,2
Milliarden Jahren, d. i. in 7,6 Milliarden Jahren, beginnt die Sonne abzukühlen und zu schrumpfen.
Nach dieser Phase mit einer Dauer von etwa 100 Millionen Jahren steigert sich die Leuchtkraft der
Sonne wieder, die ihre äußeren Schichten als sog. planetarischen Nebel abstößt, ehe sie zum weißen
Zwerg zu schrumpfen beginnt, der dann über die Jahrmilliarden immer schwächer und schwächer
leuchten wird.122
Mit der Sonne als weißer Zwerg würde es auf allen ihren noch erhaltenen Planeten und Monde zu
kalt sein. Sollten sich Überbleibsel der ehemals irdischen Zivilisation dann noch im Sonnensystem
befinden - vielleicht auf dem Jupitermond Europa (s. Anfang von Kap. 7) -, hätten sie auch dort keine Bleibe mehr. Schon weit vorher müsste mit der Kolonisierung der Galaxis begonnen werden:
Kolonisierung der Galaxis
Unserer möglichen fernen Nachfolge-Zivilisation - könnte man dann überhaupt noch von Menschheit
sprechen? - bliebe nur, das Sonnensystem zu verlassen. Der sonnennächste Stern ist Proxima Centauri in einer Entfernung von 4,2 Lj. Er gehört zu den roten Zwergen, kleineren und kühleren Sternen
als unsere Sonne, aber mit 400-mal längerer Brenndauer, „was hieße, dass wir dort einige Billionen
Jahre Ruhe hätten - wenn wir einen Planeten zum Besiedeln finden“.123 Allerdings sind die im All
häufigen roten Zwerge für eine Besiedlung problematisch, wie in Kap. 10 ausgeführt werden soll.
Gäbe es jedoch in gewisser Nachbarschaft erreichbare bzw. auch anderswo in unserer Galaxis vorhandene lebensfreundliche Planeten, wäre sogar eine Kolonisierung der Galaxis sehr wohl möglich,
nämlich über einen sog. Hopping-Mechanismus zwischen benachbarten erdähnlichen Planeten. Wie
der ehemalige deutsche Astronaut und danach Prof. für Raumfahrttechnik Ulrich Walter (Garching)
erläutert, ließen sich bereits mit gegenwärtiger Raketentechnologie geräumige Raumschiffe konstruieren, sog. Weltschiffe mit erdähnlichen Bedingungen, die Menschen innerhalb einiger Hundert
Jahre zu anderen Sternsystemen bringen. Konservative Überlegungen beziffern die mittlere Kolonisierungszeit auf 50 Millionen Jahre, maximal 100 Millionen Jahre.124 Ebenso ist der namhafte
Münchner Kosmologe Gerhard Börner davon überzeugt, dass wir uns vor der aufgeblähten Sonne
retten können. „Wenn unsere Zivilisation überlebt, können wir die Milchstraße besiedeln, die Technologie dafür wird in wenigen Jahrzehnten zur Verfügung stehen. Und wir haben ja noch viel
Zeit.“125
10. Das wahrscheinlichste Szenario zur Entwicklung des ganzen Kosmos
Ein ähnliches Schicksal wie die Sonne erleiden alle Sterne,
nicht nur in unserer Galaxis, sondern im ganzen Universum. Im Laufe der Jahrmilliarden verringert
sich die Stern-Entstehungsrate immer mehr, bis keine neuen Sterne mehr entstehen, weil der galaktische Vorrat an Wasserstoff, dem Brennstoff der Sternenöfen, erschöpft sein wird. Sollten sich unsere
etwaigen späten Nachfahren in anderen Sternsystemen eingerichtet haben, wäre das also nur ein vorübergehendes Weiterleben - bis auch sie keine Existenzmöglichkeiten mehr vorfinden.
122
http://www.scilogs.de/kosmo/blog/clear-skies/aktuelles/2010-12-24/die-zukunft-der-erde.
GEO, Feb. 2012, S. 80.
124 Ulrich Walter, Intelligentes Leben im Kosmos – Fakten, Vermutungen, Widerlegungen, erschienen in Der Mensch im
Kosmos III, Peter R. Sahm (Hrsg.), Shaker Verlag GmbH, 2002; auch vollständig im Internet.
125 Judith Rauch, P.M. Perspektive 1/2003 (Februar 2003).
123
38
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
Am längsten aktiv sind die roten Zwerge
mit Lebensdauern von mehreren 10 Milliarden bis zu einigen Billionen von Jahren (also erheblich
mehr als das jetzige Weltalter.) Wegen dieser lange Lebenszeit sind noch keine roten Zwerge erloschen, während sich immer weitere bilden. Deshalb ist ihre Anzahl groß. Dennoch wäre eine Ansiedlung der Menschheit auf Planeten roter Zwerge wohl nicht günstig, denn es gibt mehrere Faktoren,
126
die das Leben auf einem solchen Planeten schwierig machen könnten:
Erstens müssten Planeten sehr nahe am Hauptstern sein, etwa im Bereich zwischen 0,04 und 0,2 AE vom Stern
entfernt, um sich in deren Ökosphäre zu befinden. Ein Planet müsste sozusagen auf Tuchfühlung zu seinem
Mutterstern gehen, um genügend Licht und Wärme zu erhalten. Infolge dieser Nähe wäre der Planet jedoch
durch die Gezeitenkräfte komplett blockiert. Das bedeutet, dass eine Seite des Planeten immer dem Stern zugewandt wäre und auf der anderen immerwährende Nacht herrschte. Dies könnte enorme Temperaturunterschiede
zwischen Tag- und Nachtseite bewirken. Unter solchen Bedingungen wäre es wohl schwierig, dass sich Leben
entwickelt. Andererseits besagen neuere Theorien, dass eine dicke Atmosphäre oder ein großer, den Planeten
umspannender Ozean möglicherweise die Wärme um den gesamten Planeten leiten würde. Dann ist anzunehmen, dass auf jenen Planeten starke Stürme herrschten.
Ein anderes potentielles Problem ist, dass rote Zwerge den Großteil ihrer Strahlung im infraroten Bereich aussenden. Irdische Pflanzen verwenden jedoch hauptsächlich Energie aus dem sichtbaren Bereich des Lichtspektrums. Genauere Untersuchungen beziehen Eigenschaften möglicher Planeten in die Betrachtungen ein. Hier ergibt sich gerade durch die Infrarotstrahlung eine um bis zu 30% vergrößerte habitable Zone für Planeten, die
zumindest zum Teil mit Wassereis oder Schnee bedeckt sind. Grund hierfür ist, dass Wassereis im infraroten
Spektrum mehr Strahlungsenergie absorbiert als im Bereich des sichtbaren Lichts, was zu einer stärkeren Aufheizung des Planeten führt.
Das vielleicht größte Problem wäre aber wohl die Variabilität des Sternes. Rote Zwerge sind oft von „Sternflecken“ (wie die Sonnenflecken) bedeckt, wodurch die Sternenstrahlung monatelang um bis zu 40 % verringert
wird. Andererseits können einige rote Zwerge gewaltige Flares (Eruptionen) ausstoßen, die die Helligkeit des
Sterns innerhalb von Minuten verdoppeln können. Auch durch diese Veränderlichkeit könnten sich für das Leben in der Nähe eines roten Zwerges Schwierigkeiten ergeben.
Nach dem derzeitigen Stand der Kosmologie gilt für die fernere Zukunft das folgende Szenario als
das wahrscheinlichste:
Die 1998 entdeckte beschleunigte Expansion des Kosmos wird sich weiter fortsetzen und wird
damit die Materie im Universum immer weiter ausdünnen.
Die Ursache dessen, dass sich die Expansion des Universums trotz der allgemeinen Massenanziehung der kosmischen Materie sogar beschleunigt, sehen die Kosmologen in einer überall gleichmäßig wirkenden Antigravitationskraft, der sog. dunklen Energie (s. o.), die seit etwa 5 Milliarden Jahren nach dem Urknall die Dynamik des
Universums dominiert.
Paul Steinhardt (*1952, US-amerikanischer theoretischer Physiker): „Im frühen Universum konnte man die anziehende Wirkung der Materie sehen, aber kaum den abstoßenden Effekt der dunklen Energie. In ... Milliarden
Jahren werden nur noch die Folgen der dunklen Energie zu beobachten sein, aber nicht mehr jene der Materie.
In der kosmischen Geschichte gibt es nur eine kurze Periode, in der wir beides erkennen können“: die unsere.127
Irreversibler Informationsverlust:128
Die jetzige kosmologische Standardtheorie ist wesentlich abhängig von Informationen, die aus dem
Universum selbst gewonnen wurden (Existenz anderer Galaxien, Rotverschiebung, Hintergrundstrahlung, Elementhäufigkeiten usw.). Diese Informationen werden aber im Laufe der Zeit durch die
Expansion des Universums verlorengehen:
126
http://de.wikipedia.org/wiki/Roter_Zwerg, 13.1.2012.
GEO, Feb. 2012, S. 76.
128 SdW, Mai 2008, S. 24.
127
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
39
1. Es bildet sich ein sich immer weiter ausdehnender Ereignishorizont. Objekte jenseits dessen, z. B.
andere Galaxien, entziehen sich dann der Beobachtung.
2. Die kosmische Hintergrundstrahlung (bei jetzt knapp 3 K mit Wellenlängen im Millimeterbereich)
wird immer langwelliger. Bei einer Wellenlänge von 300 km ist sie nicht mehr in der Lage, in die
Milchstraße einzudringen, sie wird von deren Staub reflektiert.
3. Wie oben erwähnt, entstehen die Atom(kern)e der meisten chemischen Elemente in den Sternen fortlaufend immer mehr, so lange die Sterne dazu fähig sind. Dadurch werden die Spuren der primordialen (ursprünglichen) Nukleosynthese immer mehr verwischt. Der Anteil des Heliums im Universum wird von primordial 24 % über heute 28 % bis auf 60 % (in einer Billion Jahren) steigen. Der
globale Anteil der „Metalle“ (womit in der Astrophysik alle chemischen Elemente außer Wasserstoff
und Helium bezeichnet werden), liegt heute bei 2 %, in 1012 Jahren bei 20 %.)
In 100 Milliarden Jahren
würde all dies dazu führen, dass es für hypothetische Beobachter im dann entstandenen Supersternhaufen so aussähe, als stellte jener das gesamte Universum dar. Sie würden keine Galaxienflucht
mehr beobachten können, das Universum erschiene ihnen statisch, unveränderlich, obwohl es sich
rasend schnell aufbläht. Somit bekämen sie ein gänzlich anderes Bild von Aufbau und Entwicklung
des Universums als heute lebende,129 und alle Beweise der modernen Kosmologie wie z. B. diejenigen für den Urknall werden verschwunden sein.130
Derartige Überlegungen haben auch zu der Frage geführt, inwieweit ein solcher Informationsverlust unter Umständen bereits eingetreten sei. Immerhin hat es mit der inflationären Phase bereits einen solchen Informationsverlust gegeben: Durch die kosmologische Inflation, der kurzzeitigen exponentiellen Aufblähung des Universums kurz nach dem Urknall, wurden weite Bereiche des Universums jenseits des Beobachtbaren verschoben.
In etwa 1014 (100 Billionen) Jahren
können sich keine neuen Sterne mehr bilden. Neben schwarzen Löchern bevölkern lediglich noch
Sternleichen - braune und weiße Zwerge - sowie Neutronensterne - das All. Selten könnte eine neue
Sonne aufscheinen, wenn zwei braune Zwerge kollidieren.
Braune Zwerge nehmen mit 13 bis 75 Jupitermassen eine Mittelstellung zwischen den Gasplaneten und stellaren
roten Zwergen ein. Wegen ihrer geringen Masse können keine Wasserstoff-Fusionen stattfinden, jedoch andere
Fusionsprozesse, die bei niedrigeren Temperaturen ablaufen. Sie leuchten rötlich und werden lediglich zu Unterscheidung von den roten braune Zwerge genannt. Der erste braune Zwerg wurde erst 1995 zweifelsfrei nachgewiesen (Gliese 229 B). Ihre Erforschung steht noch am Anfang.
nach etwa 1015 Jahren (dem 80 000fachen des jetzigen Weltalters)
werden die letzten Sterne ausgebrannt sein. Die roten Zwerge sind dann zu weißen Zwergen geworden, die immer weiter auskühlen und das Universum dominieren.
Statt Wasserstoff zu verbrennen, zapfen weiße Zwerge eine neue Energiequelle an: Sie fangen dunkle Materie
ein. In dieser Epoche der zukünftigen Geschichte des Universums werden Galaxien ganz anders aussehen als
heute, schreiben die Autoren Adams und Laughlin. „Eine typische Galaxie enthält dann Milliarden von Sternresten, die alle durch das Einfangen und die Vernichtung von dunkler Materie Energie ausstrahlen“, aber nicht
viel: „Die Gesamtleistung einer ganzen Galaxie dieser Sternreste ist vergleichbar mit der unserer Sonne.“131
Das Universum wird mit den Leichen einst grandioser Leuchtfeuer übersät sein, und es wird schließlich völlig dunkel - abgesehen vielleicht von schwach glühenden schwarzen Löchern.
129
http://de.wikipedia.org/wiki/Kosmologie, Feb. 2011.
Lawrence Krauss, zit. in: http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,484800-2,00.html.
131 Judith Rauch, P.M. Perspektive 1/2003 (Februar 2003).
130
40
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
Später kollabiert die Supergalaxie zu einem schwarzen Loch.
In 1037 - 1039 Jahren: Protonenzerfall:
Entsprechend der GUT-Voraussage sollen die früher als stabil angesehenen Protonen langfristig zerfallen; man vermutet jetzt für sie eine Halbwertszeit von 1037 - 1039 Jahren.
Es sind zahlreiche Arten eines Zerfalls eines Protons denkbar, ein mögliches Beispiel ist der durch ein hypothetisches X-Boson vermittelte Zerfall in ein Positron e+ und ein neutrales Pion π0, das dann weiter auf bekanntem
Weg zu Strahlung (zwei Photonen γ) zerfällt: p → e+ + π0, π0 → 2γ.
Von den Neutrinos gibt es drei Arten („Flavours“). Wie 1957 theoretisch vorausgesagt und mittlerweile beobachtet wurde, können Neutrinos ihren Flavuor (ihre „Identität“) spontan wechseln. Diese sog. Neutrinooszillationen sind ein Hinweis darauf, dass ein Protonenzerfall prinzipiell beobachtbar wäre. Möglicherweise können
auch magnetische Monopole (vermutete, aber noch nicht gefundene einzelne magnetische Nord- oder Südpole)
durch Katalyse zum Protonenzerfall beitragen. Ein Zerfall nach ähnlichem Mechanismus wird auch für im
Atomkern gebundene Neutronen vorhergesagt. (Freie Neutronen haben eine mittlere Lebensdauer von etwa 885
Sekunden.)
Wenn die Nukleonen (Protonen und Neutronen) zerfallen, wird die gesamte uns vertraute baryonische Materie vernichtet; es „schmelzen“ sämtliche stellaren Reste, also weiße und braune Zwerge,
Neutronensterne und Planeten, dahin.
In 1067 bis 1098Jahren: Zerstrahlung aller schwarzen Löcher
Schwarze Löcher leben länger als die anderen kosmischen Objekte. Doch müssen sie, wie Stephen
Hawking im Jahr 1974 entdeckt hatte, durch Quanteneffekte Energie abstrahlen (sog. HawkingStrahlung), und zwar um so schneller, je kleiner sie sind. Stellare schwarze Löcher zerstrahlen demnach in etwa 1067 Jahren. Schwarze Löcher mit Millionen Sonnenmassen wie dasjenige, das im Zentrum unserer eigenen Galaxie liegen muss, leben etwa 1083 Jahre und solche von der Masse unserer
ganzen Galaxie etwa 1098 Jahre.
Nach 10100 Jahren (grob veranschlagt)
wären daher sämtliche Strukturen aus unserem Universum verschwunden, das dann eine kalte, leere
Wüste geworden sein wird, bestehend vor allem aus ultrakalter Strahlung, Neutrinos, Elektronen und
Positronen (Antielektronen) und sicherlich Vakuumenergie. Falls die Expansion bis zu diesem Zeitpunkt wirklich exponentiell verliefe, würde die mittlere Dichte des Alls, die heute etwa bei einem
Proton je m3 liegt, auf etwa ein (Anti-)Elektron im 10194-fachen Volumen des heutigen Universums
abgefallen sein. Die Wellenlänge der Hintergrundstrahlung, die heute bei etwa einem Millimeter
liegt, beträgt dann ungefähr 1041 Lichtjahre.132
Der Raum ist dann praktisch inhaltsleer geworden und die Materie zerfallen. Die Temperatur liegt
nur noch einen winzigen Hauch über dem absoluten Nullpunkt, der sog. Wärmetod (sinnvollerweise
besser „Kältetod“ genannt) ist faktisch schon längst eingetreten: Ohne Temperaturunterschiede gibt
es keine energetischen Prozesse - physikalische, chemische, geschweige denn biologische Vorgänge
finden nicht mehr statt. Die Zeit hat damit ihre grundlegenden Eigenschaften Kausalität, Richtung
und Dauer verloren und sich damit in der Bedeutungslosigkeit, ins Nichts aufgelöst.
In Anlehnung an den Urknall, engl. Big Bang, und im Zusammenhang mit anderen Szenarien nennt
man die eben dargestellte Prognose des Weltendes Big Whimper, das große Zerbröseln, oder Big
Chill, den Kältetod.
132
GEO, Feb. 2012, S. 76, sowie http://www.studgen.uni-mainz.de/Dateien/Hasinger_Zukunft_Universum.pdf.
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
41
11. Beispiele gegenwärtig weniger wahrscheinlicher und hypothetischer Szenarien
Auf je fernere Zeiten sich die Prognosen beziehen, umso unsicherer werden sie naturgemäß, wenigstens prinzipiell. Ihre Triftigkeit erhalten sie insbesondere durch immer subtilere Beobachtungen (in
der kosmologischen Forschung z. B. durch neuartige Teleskope) und deren Vergleich mit den herrschenden (möglicherweise durch die Beobachtungen zu modifizierenden) Theorien und deren Voraussetzungen (in der Kosmologie etwa der allgemeinen Relativitätstheorie und dem Postulat von der
globalen Homogenität und Isotropie des Universums).
Das Schicksal des Universums hängt insbes. von den Eigenschaften der dunklen Energie ab, die, wie
erwähnt, etwa drei Viertel seines Inhalts ausmacht, aber noch völlig unbekannt ist. Das im vorigen
Kapitel dargestellte wahrscheinlichste Szenario beruht auf der Annahme, die dunkle Energie sei eine
konstante Antigravitationskraft, die überall in gleicher Weise auf die Raumzeit einwirkt und deren
Ausdehnung beschleunigt. Sie entspricht somit der kosmologischen Konstanten, mit der Einstein i. J.
1917 (auf problematische Weise) seine allgemeine Relativitätstheorie abgeändert hatte.
Die Bemühungen sind groß, bereits in absehbarer Zeit Näheres über die dunkle Energie zu erfahren.
Sollte sie andere als die jetzt angenommenen Eigenschaften besitzen bzw. sollten bisherige andere
Prämissen nicht zutreffen, haben die Theoretiker schon eine Palette alternativer Szenarien bereitgestellt. Darüberhinaus existieren sehr hypothetische, aber auf der Basis physikalischer Erkenntnisse
entwickelte Vorstellungen von Parallelwelten, teilweise unter Einbeziehung höherer Dimensionen.
Einige davon sollen kurz skizziert werden:133
Die frühere „Lieblingsprognose“ der Kosmologen ging davon aus, dass irgendwann die allgemeine
Gravitation überwiegt und die Expansion immer mehr bremst, bis letztere zum Stillstand kommt und
sich dann sogar zur Kontraktion umkehrt. Das Universum hätte somit eine maximale Ausdehnung,
schrumpft dann in einer Art zeitlicher Umkehr des Urknalls zusammen, bis sich die Materie in ihre
Urbestandteile auflöst und endete mit ihren Attributen Raum und Zeit in einem definierten „Endknall“, Big Crunch, dem großen Zermalmen. Diese Entwicklung wäre indes nur möglich, falls die
dunkle Energie irgendwann verschwände. Der Endknall könnte dann frühestens in 24 Milliarden
Jahren stattfinden.
Eine Erweiterung dieses Modells ist die Vorstellung, dass der Kollaps gleichsam „zurückschwingt“,
der Endknall zu einem neuen Urknall wird. Dies bezeichnet man als Big Bounce, den großen Rückprall. Big Crunch und Big Bounce gelten z. Zt. deshalb als unwahrscheinlich, weil die als konstant
angenommene dunkle Energie die Expansion beschleunigt und die Materie zu dünn verteilt ist, um
als Expansionsbremse zu wirken.
„Wenn man ein Universum mit einem Anfang hat, steht man vor der Herausforderung zu erklären,
warum es zu existieren begonnen hat und unter welchen Bedingungen.“ (Paul Steinhardt)134 Dieses
Problem entfällt bei der Erweiterung des Big Bounce, dem zyklischen Wechsel von Expansion und
Kontraktion. Dieses Modell erinnert an die altindische Kosmologie und ist philosophisch durchaus
attraktiv. Daher war es schon in der ersten Hälfte des 20. Jh. reizvoll, wenn auch völlig hypothetisch.
Die Idee einer endlosen kosmischen Wiedergeburt blieb jedoch im Hintergrund virulent, und Ende
der 1990er Jahre entwarfen prominente Forscher wie Roger Penrose und Paul Steinhardt moderne
Versionen zyklischer Universen, wobei ein Urknall lediglich das Durchgangsstadium von einem
Universum zum folgenden wäre.
133
Siehe z. B. Spektrum der Wissenschaft, 5/11, S. 38, bild der wissenschaft, Jan. 2012, S. 48, GEO, Feb. 2012, S. 76.,
GEO kompakt Nr. 29 [Dez. 2011], S. 150, bild der wissenschaft, April 2010, S. 42, Focus online 6.3.2009, 9.9.2011 und
4.10.2011.
134 GEO, Feb. 2012, S. 76.
42
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
Nach Steinhardt könnte unser Universum eine räumlich dreidimensionale sog. (Membran- oder gebräuchlicher:)
Branwelt sein, eingebettet in einen vierdimensionalen Raum. Nur eine mikroskopische Distanz entfernt läge eine
zweite 3-D-Welt, ähnlich einem Sandwich mit der Extradimension als Aufstrich. In beiden wirkt die dunkle Energie mit der Galaxienflucht, bis die Branen nach einigen Billionen Jahren nahezu leer sind. Dann setzt eine
neue Entwicklung ein: Beide Branen bewegen sich aufeinander zu, bis sie kollidieren. „Die beim Aufprall freiwerdende Energie gebiert einen unvorstellbar heißen Regen aus Elementarteilchen und Strahlung Das Universum füllt sich wieder mit jungfräulicher Materie, die Welt ist wie neugeboren. Bei der Kollision prallen die beiden Membranen wie Gummibälle voneinander ab und fliegen auseinander. Und das kosmische Schauspiel beginnt von vorn ... bis zur nächsten Kollision der Membranwelten.“ 135
Die weltweit angesehene Kosmologin Lisa Randall hat 1999 mit ihrem Mitarbeiter Sundrum die
Randall-Sundrum-Modelle entwickelt, die ebenfalls zusätzliche gekrümmte Raumdimensionen einbeziehen, in die unsere räumlich dreidimensionale Welt eingebettet ist. Danach kann etwa in den
fünfdimensionalen Extraraum zwischen 2 Branen nur die Gravitation eindringen, was Teilchen und
Felder unserer vierdimensionalen Raumzeit nicht können.136 Es ließe sich damit erklären, warum die
Schwerkraft im Vergleich zu den anderen drei fundamentalen Wechselwirkungen so schwach ist.
Steinhardt, Randall und andere Kosmologen erwarten, dass derartige Modelle bereits in absehbarer
Zeit (einem Jahrzehnt) empirisch (astronomisch bzw. in Beschleunigern) geprüft werden können.137
Wenn die dunkle Energie nicht konstant wäre, sondern im Lauf der Zeit zunähme (sog. PhantomEnergie, erstmals i. J. 1999 vermutet), könnte das Universum so stark expandieren, dass es sich
selbst in Stücke reißt: Big Rip, das große Zerreißen. Selbst die Atome werden in Stücke zerrissen,
und die Zeit kommt zu einem Ende. Nach einigen Modellen könnte diese Katastrophe bereits in 20
Milliarden Jahren stattfinden - nach anderen Berechnungen in 2 Billionen Jahren.
Zunächst verschwänden für hypothetische Beobachter ferne Galaxien hinter den sichtbaren Horizont. Unsere
Galaxie löst sich auf, dann langsam auch unser Sonnensystem: „Die Erde, falls von ihr noch etwas übrig wäre,
würde nicht in einem Ruck weggerissen“ (Caldwell), ihr Orbit würde sich ausdehnen, weiter und weiter, irgendwann würde der Planet davondriften. Drei Stunden vor dem Finale würde die Erde explodieren, bis in den letzten Sekundenbruchteilen auch die Atome zerbersten.138
Nähme die dunkle Energie noch schneller zu, als das Universum expandiert, könnte sie und damit die
Dichte des Universums nach Unendlich streben. Weil das Universum aber nur um einen endlichen
Betrag expandiert, wird alles immer zähflüssiger - so, als seien wir statt von Luft zunächst von Wasser und dann von Honig umgeben und schließlich von Beton. Alle noch vorhandenen Materie-Reste
könnten sich nicht mehr bewegen und wären an Ort und Stelle eingefroren; nichts könnte sich mehr
verändern, womit effektiv die Zeit endet: Big Freeze, das große Erstarren.
Zu einem Big Freeze kann es auch kommen, wenn unser Universum entsprechend der String-Theorie
eine Membran in einem höherdimensionalen Raum ist, die heftig zu schwingen beginnt.
Wäre die dunkle Energie eine Art generalisiertes Chaplygin-Gas (ein Vorschlag russischer Theoretiker aus dem Jahr 2001), bestünde die Möglichkeit einer weiteren Zukunfts-Singularität, bei der die
Zeit abrupt endet: Nach einem 2004 erstmals veröffentlichten Modell kann die dunkle Energie ihre
Wirkung derart verändern, dass sie nicht mehr beschleunigt, sondern die Expansion schlagartig zum
Stillstand bringt (unendlich große negative Beschleunigung). Die resultierenden Beharrungskräfte
würden dann alle Materie in einen Brei aus Elementarteilchen verwandeln, „in einer universellen
Leichenstarre verharrend“.
135
GEO, Feb. 2012, S. 76.
http://www.wissenschaft-online.de/astrowissen/lexdt_r.html#rs.
137 http://de.wikipedia.org/wiki/Lisa_Randall, GEO, Feb. 2012, S. 76.
138 GEO, Feb. 2012, S. 76.
136
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
43
Dieses Szenario, Big Brake, die große Vollbremsung, ähnelt also dem Big Freeze und könnte bereits
- ein kosmischer Wimpernschlag - innerhalb der nächsten 10 Millionen Jahre auftreten!139
Das 1991 von Gabriele Veneziano et al. entwickelte Prä-Urknall-Szenario ist ein fast exaktes Spiegelbild des jetzigen uns beherbergenden Post-Urknall-Universums. Es war vor unendlich langer Zeit
fast leer und begann sich allmählich in einigen Regionen zu verdichten, bis sich die Verdichtung
umkehrt. Diesen Umkehrmoment nennen wir Urknall.
Auf der Grundlage der von Alan Guth und Andrej Linde begründeten Inflationstheorie wurde die
Hypothese eines Multiversums entwickelt, in dem eine Vielzahl von „Blasen“, Teil-Universen, existieren, die durch ewige Inflation entstanden sind und noch entstehen. Die meisten davon sind lebensfeindlich. Weil es unendlich viele (aber mit endlichen Geschichten) sind, kann weiter gefolgert
werden, dass es „Doppelgänger“-Welten geben sollte.
Der Kosmologe Alexander Vilenkin findet diesen Verlust der Einzigartigkeit deprimierend, worauf Andrej Linde entgegnet: „Es gäbe zwar einige Orte, wo Kandinsky seine wunderschönen Bilder nicht malen würde, aber es
gäbe auch viele, wo er sie malen würde. Das macht mir Hoffnung.“140
Eine andere Art Multiversum ist die Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik. Ihr zufolge
wäre das beobachtbare Universum ebenfalls nur ein sehr geringer Teil der gesamten Wirklichkeit.
Diese besteht demnach aus einer exponentiell wachsenden Zahl nebeneinander existierender Welten,
in denen quantenmechanische Einzelmessungen jeweils verschiedene Resultate ergeben.
Hugh Everett III hatte diese Interpretation im Jahr 1957 vorgeschlagen, um der Schrödinger-Gleichung eine
möglichst uneingeschränkte Gültigkeit zukommen zu lassen, d. h. den Kollaps der Wellenfunktion zu vermeiden, der gemäß der Kopenhagener Interpretation bei jeder Messung stattfindet.
Wiederum ganz anders ist die Vorstellung vom holographischen Universum:
Unsere angeborene Wahrnehmung teilt uns mit, dass wir in einer dreidimensionalen Welt leben. Die 1947 von
Dennis Gábor begründete Holographie zeigt augenfällig die Äquivalenz eines zweidimensionalen Hologramms
mit einem dreidimensionalen Lichtwellenfeld. Verschiedene Forscher haben in den letzten Jahren des 20. Jh.
weitere Äquivalenzen zwischen Räumen verschiedener Dimension aufgezeigt, sodass intelligente Bewohner
nicht zwischen ihnen unterscheiden könnten. Nach Stephen Hawking „liegt der Schluss nahe, dass die Informationen, die mit allen Phänomenen in der dreidimensionalen Welt assoziiert sind, ähnlich wie bei einem holographischen Bild auf einer zweidimensionalen Randfläche gespeichert werden könnten. In gewissem Sinne wäre
die Welt somit zweidimensional“141 - also völlig anders, als wir sie wahrnehmen. Der US-amerikanische Physiker Lee Smolin (* 1955) schließt aus dem holographischen Ansatz, dass eine endgültige Theorie sich weder mit
Feldern noch mit Objekten in der Raumzeit befassen wird, sondern mit dem Informationsaustausch zwischen
physikalischen Prozessen. Dazu kommentierte der israelische Physiker Jacob Bekenstein (* 1947):
„Dies wäre der endgültige Triumph der Idee, dass die Welt aus Information besteht.“142
Eine letzte Prognose:
Sollte die Menschheit ihre gegenwärtigen selbstverschuldeten Probleme bewältigen und längere Zeit
fortleben, erlaubt die bisherige mühevolle, aber grandiose Geschichte des menschlichen Erkenntnisdrangs die Prophezeiung, dass sich auch die jetzigen Unklarheiten etwas lichten und wir weiterhin
immer besser „erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält“.
********************
139
Rüdiger Vaas, bild der wissenschaft, April 2010, S. 42.
http://www.zeit.de/2008/07/P-Linde-Valenkin.
141 Stephen Hawking, Das Universum in der Nussschale, Hamburg 2001 : Hoffmann und Campe, S. 72.
142
Jacob D. Bekenstein, Das holographische Universum, Spektrum der Wissenschaft, Nov. 2003, S. 41.
140
44
Dostal, Die Zukunft der Menschheit, der Erde und des Kosmos
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