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Die NS-Täter
Die Nürnberger Gesetze
und Verordnungen
Das Münchner
Abkommen
Das Novemberpogrom
Das Warschauer
Ghetto
Das Protokoll
der Wannsee-Konferenz
Belzec,
Sobibor,
Treblinka
Den Aufstand
im Warschauer Ghetto
Die Gerechten unter
den Völkern
Die DP-Lager
Biografien von NS-Tätern
Biografien von NS-Tätern
Hermann GÖRING
Joseph GOEBBELS
Heinrich HIMMLER
Adolf Eichmann
Reinhard Heydrich
Josef MENGELE
(1893-1946)
Reichsminister für Luftfahrt und
Oberbefehlshaber der Luftwaffe
Hermann Göring entstammt einer
preußischen Beamtenfamilie. Nach
der Kadettenanstalt in Karlsruhe
besucht er die Hauptkadettenanstalt
in Berlin-Lichterfelde. Während des
Ersten Weltkriegs meldet er sich
zur Fliegertruppe, wird Jagdflieger
und schließlich Oberleutnant und
Kommandeur eines Jagdgeschwaders.
1922 tritt er der NSDAP bei. Hitler
beauftragt ihn mit der Leitung der
Sturmabteilung (SA). 1928 wird er in
den Reichstag gewählt. Nachdem die
NSDAP als stärkste Fraktion aus den
Wahlen von 1932 hervorging, wird
Göring zum Reichstagspräsidenten
gewählt und besetzt somit eines
der führenden Staatsämter. Im
Januar 1933 ernennt Hitler ihn zum
Reichskommissar für das preußische
Innenministerium. In dieser Funktion
ist er nach dem Reichstagsbrand
maßgeblich am Verbot und der
Verfolgung der Kommunisten
beteiligt, die er beschuldigt, das
Feuer gelegt zu haben. Er gründet
die Gestapo, errichtet die ersten
Konzentrationslager und lässt der
Polizei freie Hand bei der Verfolgung
von Regime-Gegnern. Am 23. April
1945 verlangt Göring, gemäß eines
Erlasses vom 29. Juni 1941, als Hitlers
Nachfolger eingesetzt zu werden. Hitler
veranlasst daraufhin nach Absprache
mit seinem Privatsekretär Martin
Bormann Görings Verhaftung. Vor dem
Internationalen Militärgerichtshof in
Nürnberg verteidigt Göring die Politik
des NS-Regimes. Er wird zum Tode
verurteilt, begeht jedoch kurz vor der
Urteilsvollstreckung Selbstmord.
(1897-1945)
Reichsminister
fürVolksaufklärung und
Propaganda
Joseph Goebbels promoviert 1921 in
Germanistik. Kurz darauf wendet er
sich den Ideen des Nationalsozialismus
zu, wird Sekretär von Gregor
Strasser und, im Jahre 1924,
Redakteur der nationalsozialistischen
Wochenzeitschrift „Völkische Freiheit“.
Ende August 1926 ernennt Hitler
ihn zum Gauleiter von Berlin. Am
20. Mai 1928 wird er einer der zwölf
neugewählten NSDAP-Abgeordneten im
Reichstag. Ende 1929 ernennt Hitler ihn
zum Reichspropagandaleiter der Partei.
Als Hitler im Januar 1933 Reichskanzler
wird, richtet er das Reichsministerium
für Volksaufklärung und Propaganda
ein, mit dessen Leitung er am 13. März
1933 Goebbels beauftragt. Dieser
sieht die Propaganda als eine wichtige
Waffe an. In kürzester Zeit erlangt er
eine totale Kontrolle über alle Aspekte
des intellektuellen und kulturellen
Lebens: Presse, Verlage, Film, Theater
und Rundfunk. Nach der Ermordung
vom Raths 1938 in Paris organisiert
Goebbels die „Reichspogromnacht“
und lässt Synagogen und jüdische
Geschäfte plündern und in Brand setzen.
1941 setzt er sich für ein „judenfreies“
Berlin ein und ordnet das Tragen des
„Judensterns“ an. Nach Hitlers Tod
begeht auch er am 1. Mai 1945 mit
seiner Frau und seinen sechs Kindern
Selbstmord. Sein Tagebuch, das von der
sowjetischen Armee gefunden wurde,
stellt eine der wichtigsten Quellen über
das NS-Regime dar.
(1900-1945)
Reichsinnenminister,
Reichsführer-SS, Chef der Gestapo
und der deutschen Polizei
Heinrich Himmler kommt aus einer
streng katholischen Familie. Im Ersten
Weltkrieg wird er Offiziersanwärter,
wird jedoch nicht an der Front
eingesetzt. Ab 1919 studiert er in
München Landwirtschaft. 1923 tritt
er der NSDAP bei und beteiligt sich
am fehlgeschlagenen Hitler-Putsch.
1925 arbeitet er mit Joseph Goebbels
für Gregor Strasser und wird Mitglied
der neugegründeten SS. Seit diesem
Zeitpunkt bringt Himmler Hitler
bis zu den letzten Kriegstagen eine
uneingeschränkte Bewunderung,
Ergebung und Treue entgegen. Am
6. Januar 1929 ernennt Hitler ihn
zum Reichsführer der SS. Er baut
die Organisation konsequent in den
gefürchteten „Schwarzen Orden“ aus,
mit eigener politischer Polizei, der
Gestapo, eigenem Geheimdienst, der
Leitung über die Konzentrationslager
und seinen Kampftruppen, der
Waffen-SS. Er ist seit 1936 Chef der
deutschen Polizei und wird außerdem
1943 Reichsinnenminister. Er dehnt
seine Terrorherrschaft nicht nur
auf Deutschland, sondern auch auf
das ganze besetzte Europa aus. In
Polen organisiert er, unter anderem
mit Hilfe mobiler Mordkommandos,
die systematische Ermordung von
Hunderttausenden Polen und Juden.
Nach dem fehlgeschlagenen Attentat
auf Hitler vom 20. Juli 1944 wird er
Oberbefehlshaber des Ersatzheeres. Als
Hitler erfährt, dass Himmler versucht,
die Macht zu übernehmen und über die
Kapitulation des Deutschen Reichs zu
verhandeln, entlässt er ihn aus allen
Ämtern. Himmler begeht am 23. Mai
1945 Selbstmord.
(1906-1962)
Leiter des Referats IV B 4 („Judenund Räumungsangelegenheiten“)
des Reichssicherheitshauptamts
(RSHA)
Adolf Eichmann tritt im April 1932
der österreichischen NSDAP und
der SS bei. 1935 wird er in den
Sicherheitsdienst (SD) aufgenommen
und arbeitet im „Referat Juden“. 1938
wird er als Leiter der „Zentralstelle
für jüdische Auswanderung“, deren
Aufgabe die Abschiebung der jüdischen
Bevölkerung ist, nach Wien versetzt.
1939 übt er die gleiche Funktion in
Prag aus und wird nach der Gründung
des Reichssicherheitshauptamts
(RSHA) am 27. September 1939
Leiter der „Reichszentrale für
jüdische Auswanderung“ in Berlin
und, im Dezember 1939, Leiter
des Referats IV B 4 („Juden- und
Räumungsangelegenheiten“). Er hat
Repräsentanten in allen Botschaften
der besetzten Länder und kann so die
Deportationen und Massenermordungen
von Millionen Juden aus ganz Europa
koordinieren. Am 20. Januar 1942 führt
er Protokoll auf der Wannsee-Konferenz
und konsolidiert seine Position als
„Spezialist für Judenangelegenheiten“.
Im Mai 1944 reist er nach Budapest,
um die Deportation der 440.000
ungarischen Juden nach AuschwitzBirkenau persönlich zu organisieren.
Nach Kriegsende taucht er erst in
Deutschland unter und flüchtet 1950 mit
gefälschten Papieren nach Italien und
von dort nach Argentinien. Im Mai 1960
wird er vom israelischen Geheimdienst
festgenommen. Er wird nach Jerusalem
entführt, dort vor Gericht angeklagt und
im Dezember 1961 zum Tode verurteilt.
Das Todesurteil wird am 31. Mai 1962
vollstreckt.
(1904-1942)
Leiter des
Reichssicherheitshauptamts
(RSHA)
Reinhard Heydrich tritt 1931 der
NSDAP und der SS bei und wird
in kürzester Zeit zum engsten
Mitarbeiter Himmlers. Im Juli 1932
beauftragt ihn dieser mit der Gründung
und kurz darauf der Leitung des
Sicherheitsdiensts (SD) der SS,
dessen Aufgabe die Überwachung
politischer Gegner ist. Er steigt
schnell innerhalb der SS-Hierarchie
auf und wird im Januar 1936 Leiter
der SIPO (Sicherheitspolizei),
der auch die Gestapo untersteht.
Im Oktober 1939 werden unter
seiner Führung SD und SIPO im
neuen Reichssicherheitshauptamt
(RSHA) zusammengefasst. Im
Juni 1941 organisiert er die von
den „Einsatzgruppen“ verübten
Massenerschießungen an der
Ostfront. Am 20. Januar 1942 ruft
er die Wannsee-Konferenz ein, um
die Maßnahmen von Regierung und
Parteistellen zu koordinieren und somit
die „Endlösung der Judenfrage“ (eine
Tarnbezeichnung für die systematische
Ermordung der europäischen Juden)
zu organisieren. Am 27. Mai 1942 wird
in Prag von tschechoslowakischen
Widerstandskämpfern ein Attentat auf
ihn verübt, und am 4. Juni erliegt er
seinen Verletzungen.
(1911-1979)
Leitender Arzt im
Vernichtungslager AuschwitzBirkenau
Josef Mengele, Arzt und promovierter
Anthropologe, wird 1937 am Institut
für Erbbiologie und Rassenhygiene in
Frankfurt tätig und spezialisiert sich auf
die Zwillingsforschung. Im gleichen Jahr
wird er Mitglied der NSDAP, ein Jahr
darauf der SS. Im Zweiten Weltkrieg
meldet er sich zur Waffen-SS und dient
als Bataillonsarzt in Frankreich und
Polen, ab 1941 an der Ostfront. 1943
wird er Lagerarzt im Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau. Er übernimmt
sowohl die „Selektion“ an der Rampe
als auch die der Häftlinge im Lager,
die er nach seinem Belieben zum Tod
in der Gaskammer schicken kann. Er
führt „wissenschaftliche Recherchen“
zu „rassischen Unterschieden“ und
Behinderungen durch. Menschen mit
körperlichen Abnormitäten werden auf
seinen Befehl sofort nach Ankunft im
Lager getötet. Mengele interessiert sich
besonders für Menschenexperimente
an Zwillingen, Kleinkindern und
Kleinwüchsigen. Nach Kriegsende
gelingt ihm die Flucht aus einem
amerikanischen Internierungslager.
1949 flieht er über Italien nach Buenos
Aires. Im November 1959 erhält er die
paraguayische Staatsangehörigkeit.
Trotz bundesdeutscher Haftbefehle
bleibt er in Freiheit. 1985 setzt die
israelische Regierung eine hohe
Belohnung auf seine Ergreifung aus.
Doch Mengele starb wahrscheinlich
1979 bei einem Schwimmunfall
in Brasilien. Im Juli 1985 wird er
exhumiert. Untersuchungen und eine
DNA-Analyse bestätigen seine Identität
nahezu zweifelsfrei.
Die Nürnberger Gesetze und Verordnungen
Die Nürnberger Gesetze und Verordnungen
16. September 1935
Die Nürnberger Gesetze definierten drei Arten von Bewohnern des Deutschen
Reichs: „Arier“, „Juden“ und „Mischlinge“. Juden galten nicht mehr als
Reichsbürger und ihre Rechte wurden extrem eingeschränkt: Sie durften
z. B. nicht mehr im Lehrbetrieb, in der Landwirtschaft oder in den Medien
tätig sein und durften kein nichtjüdisches Hauspersonal mehr beschäftigen.
Eheschließungen zwischen Juden und „Ariern“ wurden verboten.
Reichsgesetzblatt Teil I 1935 S. 1333–1334
Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz
Vom 14. November 1935
Auf Grund des § 3 des Reichsbürgergesetzes vom 15. September 1935 (Reichsgesetzbl. I S. 1146) wird folgendes verordnet:
§1
(1) Bis zum Erlaß weiterer Vorschriften über den Reichsbürgerbrief gelten vorläufig als Reichsbürger die Staatsangehörigen
deutschen oder artverwandten Blutes, die beim Inkrafttreten
des Reichsbürgergesetzes das Reichstagswahlrecht besessen
haben, oder denen der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers das vorläufige
Reichsbürgerrecht verleiht.
(2) Der Reichsminister des Innern kann im Einvernehmen
mit dem Stellvertreter des Führers das vorläufige Reichsbürgerrecht entziehen.
§2
(1) Die Vorschriften des § 1 gelten auch für die staatsangehörigen jüdischen Mischlinge.
(2) Jüdischer Mischling ist, wer von einem oder zwei der
Rasse nach volljüdischen Großelternteilen abstammt, sofern
er nicht nach § 5 Abs. 2 als Jude gilt. Als volljüdisch gilt ein
Großelternteil ohne weiteres, wenn er der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat.
§3
Nur der Reichsbürger kann als Träger der vollen politischen
Rechte das Stimmrecht in politischen Angelegenheiten ausüben
und ein öffentliches Amt bekleiden. Der Reichsminister des
Innern oder die von ihm ermächtigte Stelle kann für die Übergangszeit Ausnahmen für die Zulassung zu öffentlichen Ämtern
gestatten. Die Angelegenheiten der Religionsgesellschaften
werden nicht berührt.
§4
(1) Ein Jude kann nicht Reichsbürger sein. Ihm steht ein
Stimmrecht in politischen Angelegenheiten nicht zu; er kann ein
öffentliches Amt nicht bekleiden.
(2) Jüdische Beamte treten mit Ablauf des 31. Dezember
1935 in den Ruhestand. Wenn diese Beamten im Weltkrieg
an der Front für das Deutsche Reich oder für seine Verbündeten gekämpft haben, erhalten sie bis zur Erreichung der
Altersgrenze als Ruhegehalt die vollen zuletzt bezogenen
ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge; sie steigen jedoch nicht in
Dienstaltersstufen auf. Nach Erreichung der Altersgrenze wird
ihr Ruhegehalt nach den letzten ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen neu berechnet.
(3) Die Angelegenheiten der Religionsgesellschaften werden
nicht berührt.
[1334] (4) Das Dienstverhältnis der Lehrer an öffentlichen
jüdischen Schulen bleibt bis zur Neuregelung des jüdischen
Schulwesens unberührt.
§5
(1) Jude ist, wer von mindestens drei der Rasse nach volljüdischen Großeltern abstammt. § 2 Abs. 2 Satz 2 findet Anwendung.
(2) Als Jude gilt auch der von zwei volljüdischen Großeltern
abstammende staatsangehörige jüdische Mischling,
a) der beim Erlaß des Gesetzes der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat oder danach in sie aufgenommen wird,
b) der beim Erlaß des Gesetzes mit einem Juden verheiratet war
oder sich danach mit einem solchen verheiratet,
c) der aus einer Ehe mit einem Juden im Sinne des Absatzes 1
stammt, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutze
des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 (Reichsgesetzbl. I S. 1146) geschlossen ist,
d) der aus dem außerehelichen Verkehr mit einem Juden im
Sinne des Absatzes 1 stammt und nach dem 31. Juli 1936
außerehelich geboren wird.
§6
(1) Soweit in Reichsgesetzen oder in Anordnungen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und ihrer Gliederungen Anforderungen an die Reinheit des Blutes gestellt werden,
die über § 5 hinausgehen, bleiben sie unberührt.
(2) Sonstige Anforderungen an die Reinheit des Blutes,
die über § 5 hinausgehen, dürfen nur mit Zustimmung des
Reichsministers des Innern und des Stellvertreters des Führers
gestellt werden. Soweit Anforderungen dieser Art bereits
bestehen, fallen sie am 1. Januar 1936 weg, wenn sie nicht
von dem Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit
dem Stellvertreter des Führers zugelassen werden. Der Antrag
auf Zulassung ist bei dem Reichsminister des Innern zu stellen.
§7
Der Führer und Reichskanzler kann Befreiungen von den
Vorschriften der Ausführungsverordnungen erteilen.
[Ausgefertigt]
Berlin, den 14. November 1935.
Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler
Der Reichsminister des Innern
Frick
Der Stellvertreter des Führers
R. Heß
Reichsminister ohne Geschäftsbereich
Reichsgesetzblatt Teil I 1935 S. 1334–1336
Erste Verordnung zur Ausführung des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre
Vom 14. November 1935
§1
(1) Staatsangehörige sind die deutschen Staatsangehörigen im
Sinne des Reichsbürgergesetzes.
(2) Wer jüdischer Mischling ist, bestimmt § 2 Abs. 2 der Ersten
Verordnung vom 14. November 1935 zum Reichsbürgergesetz
(Reichsgesetzbl. I S. 1333).
(3) Wer Jude ist, bestimmt § 5 der gleichen Verordnung.
§2
Zu den nach § 1 des Gesetzes verbotenen Eheschließungen
gehören auch die Eheschließungen zwischen Juden und staatsangehörigen jüdischen Mischlingen, die nur einen volljüdischen
Großelternteil haben.
§3
[1335] (1) Staatsangehörige jüdische Mischlinge mit zwei
volljüdischen Großeltern bedürfen zur Eheschließung mit Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes oder mit
staatsangehörigen jüdischen Mischlingen, die nur einen volljüdischen Großelternteil haben, der Genehmigung des Reichsministers
des Innern und des Stellvertreters des Führers oder der von ihnen
bestimmten Stelle.
(2) Bei der Entscheidung sind insbesondere zu berücksichtigen
die körperlichen, seelischen und charakterlichen Eigenschaften
des Antragstellers, die Dauer der Ansässigkeit seiner Familie in
Deutschland, seine oder seines Vaters Teilnahme am Weltkrieg
und seine sonstige Familiengeschichte.
(3) Der Antrag auf Genehmigung ist bei der höheren Verwaltungsbehörde zu stellen, in deren Bezirk der Antragsteller seinen
Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
(4) Das Verfahren regelt der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers.
§4
Eine Ehe soll nicht geschlossen werden zwischen staatsangehörigen jüdischen Mischlingen, die nur einen volljüdischen
Großelternteil haben.
§5
Die Ehehindernisse wegen jüdischen Bluteinschlages sind durch
§ 1 des Gesetzes und durch §§ 2 bis 4 dieser Verordnung erschöpfend geregelt.
§6
Eine Ehe soll ferner nicht geschlossen werden, wenn aus ihr eine
die Reinerhaltung des deutschen Blutes gefährdende Nachkommenschaft zu erwarten ist.
§7
Vor der Eheschließung hat jeder Verlobte durch das Ehetauglichkeitszeugnis (§ 2 des Ehegesundheitsgesetzes vom 18.
Oktober 1935 – Reichsgesetzbl. I S. 1246) nachzuweisen, daß
kein Ehehindernis im Sinne des § 6 dieser Verordnung vorliegt.
Wird das Ehetauglichkeitszeugnis versagt, so ist nur die Dienstaufsichtsbeschwerde zulässig.
§8
(1) Die Nichtigkeit einer entgegen dem § 1 des Gesetzes oder dem
§ 2 dieser Verordnung geschlossenen Ehe kann nur im Wege der
Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden.
(2) Für Ehen, die entgegen den §§ 3, 4 und 6 geschlossen
worden sind, treten die Folgen des § 1 und des § 5 Abs. 1 des
Gesetzes nicht ein.
§9
Besitzt einer der Verlobten eine fremde Staatsangehörigkeit,
so ist vor einer Versagung des Aufgebotes wegen eines der
im § 1 des Gesetzes oder in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung
genannten Ehehindernisse sowie vor einer Versagung des Ehetauglichkeitszeugnisses in Fällen des § 6 die Entscheidung des
Reichsministers des Innern einzuholen.
§ 10
Eine Ehe, die vor einer deutschen Konsularbehörde geschlossen
ist, gilt als im Inlande geschlossen.
§ 11
Außerehelicher Verkehr im Sinne des § 2 des Gesetzes ist nur
der Geschlechtsverkehr. Strafbar nach § 5 Abs. 2 des Gesetzes
ist auch der außereheliche Verkehr zwischen Juden und staatsangehörigen jüdischen Mischlingen, die nur einen volljüdischen
Großelternteil haben.
§ 12
(1) Ein Haushalt ist jüdisch (§ 3 des Gesetzes), wenn ein
jüdischer Mann Haushaltungsvorstand ist oder der Hausgemeinschaft angehört.
(2) Im Haushalt beschäftigt ist, wer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses in die Hausgemeinschaft aufgenommen ist, oder wer
mit alltäglichen Haushaltsarbeiten oder anderen alltäglichen, mit
dem Haushalt in Verbindung stehenden Arbeiten beschäftigt ist.
[1336] (3) Weibliche Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes, die beim Erlaß des Gesetzes in einem jüdischen
Haushalt beschäftigt waren, können in diesem Haushalt in ihrem
bisherigen Arbeitsverhältnis bleiben, wenn sie bis zum 31.
Dezember 1935 das 35. Lebensjahr vollendet haben.
(4) Fremde Staatsangehörige, die weder ihren Wohnsitz noch
ihren dauernden Aufenthalt im Inlande haben, fallen nicht unter
diese Vorschrift.
§ 13
Wer dem Verbot des § 3 des Gesetzes in Verbindung mit § 12 dieser Verordnung zuwiderhandelt, ist nach § 5 Abs. 3 des Gesetzes
strafbar, auch wenn er nicht Jude ist.
§ 14
Für Verbrechen gegen § 5 Abs. 1 und 2 des Gesetzes ist im ersten
Rechtszuge die große Strafkammer zuständig.
§ 15
Soweit die Vorschriften des Gesetzes und seiner Ausführungsverordnungen sich auf deutsche Staatsangehörige beziehen,
sind sie auch auf Staatenlose anzuwenden, die ihren Wohnsitz
oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inlande haben. Staatenlose,
die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Auslande
haben, fallen nur dann unter diese Vorschriften, wenn sie früher
die deutsche Staatsangehörigkeit besessen haben.
§ 16
(1) Der Führer und Reichskanzler kann Befreiungen von den Vorschriften des Gesetzes und der Ausführungsverordnungen erteilen.
(2) Die Strafverfolgung eines fremden Staatsangehörigen bedarf
der Zustimmung der Reichsminister der Justiz und des Innern.
§ 17
Die Verordnung tritt an dem auf die Verkündung folgenden Tage
in Kraft. Den Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 7 bestimmt der
Reichsminister des Innern; bis zu diesem Zeitpunkt ist ein Ehetauglichkeitszeugnis nur in Zweifelsfällen vorzulegen.
[Ausgefertigt]
Berlin, den 14. November 1935.
Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler
Der Reichsminister des Innern
Frick
Der Stellvertreter des Führers
R. Heß
Reichsminister ohne Geschäftsbereich
Der Reichsminister der Justiz
Dr. Gürtner
Das Münchner Abkommen
Das Münchner Abkommen, das in der Nacht vom 29. zum 30. September
1938 unterzeichnet wurde, legte die Abtretung des Sudetengebiets von der
Tschechoslowakei an das Deutsche Reich fest, und leitete damit die Zerschlagung
der Tschechoslowakei ein. Die britischen und französischen Premierminister
wurden danach in ihren Heimatländern triumphal empfangen. Doch Winston
Churchill nannte das Abkommen eine „vollkommene, ungemilderte Niederlage“.
A
bkommen zwischen Deutschland, dem Vereinigten
Königreich, Frankreich und Italien, getroffen in
München, am 29. September 1938
Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und
Italien sind unter Berücksichtigung des Abkommens,
das hinsichtlich der Abtretung des sudetendeutschen
Gebiets bereits grundsätzlich erzielt wurde, über
folgende Bedingungen und Modalitäten dieser Abtretung
und über die danach zu ergreifenden Maßnahmen
übereingekommen und erklären sich durch dieses
Abkommen einzeln verantwortlich für die zur Sicherung
seiner Erfüllung notwendigen Schritte.
1.) Die Räumung beginnt am 1. Oktober.
2.) Das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien
vereinbaren, daß die Räumung des Gebiets bis zum
10. Oktober vollzogen wird, und zwar ohne Zerstörung
irgendwelcher bestehender Einrichtungen, und daß die
Tschechoslowakische Regierung die Verantwortung
dafür trägt, daß die Räumung ohne Beschädigung der
bezeichneten Einrichtungen durchgeführt wird.
3.) Die Modalitäten der Räumung werden im Einzelnen
durch einen internationalen Ausschuß, der sich aus
Vertretern Deutschlands, des Vereinigten Königreichs,
Frankreichs, Italiens und der Tschechoslowakei
zusammensetzt.
4.) Die etappenweise Besetzung des vorwiegend
deutschen Gebietes durch deutsche Truppen beginnt
am 1. Oktober. Die vier auf der anliegenden Karte
bezeichneten Gebietsabschnitte werden in folgender
Reihenfolge durch deutsche Truppen besetzt: Der mit I
bezeichnete Gebietsabschnitt am 1. und 2. Oktober, der
mit II bezeichnete Gebietsabschnitt am 2. und 3. Oktober,
der mit III bezeichnete Gebietsabschnitt am 3., 4. und
5. Oktober, der mit IV bezeichnete Gebietsabschnitt am
6. und 7. Oktober.
Das restliche Gebiet vorwiegend deutschen Charakters
wird unverzüglich von dem oben erwähnten
internationalen Ausschuß festgestellt und bis zum 10.
Oktober durch deutsche Truppen besetzt werden.
5.) Der in Paragraph 3 erwähnte internationale
Ausschuß wird die Gebiete bestimmen, in denen eine
Volksabstimmung stattfinden soll. Diese Gebiete
werden bis zum Abschluß der Volksabstimmung durch
internationale Formationen bestimmt werden. Der gleiche
Ausschuß wird die Modalitäten festlegen, unter denen
die Volksabstimmung durchgeführt werden soll, wobei
die Modalitäten der Saarabstimmung als Grundlage zu
Gedenkpostkarte zum Münchner Abkommen, unterzeichnet von Arthur Neville
Chamberlain, Edouard Daladier, Benito Mussolini und Adolf Hitler.
© Mémorial de la Shoah/CDJC.
betrachten sind. Der Ausschuß wird ebenfalls den Tag
festsetzen, an dem die Volksabstimmung stattfindet;
dieser Tag darf jedoch nicht später als Ende November
liegen.
6.) Die endgültige Festlegung der Grenzen wird durch den
internationalen Ausschuß vorgenommen werden. Dieser
Ausschuß ist berechtigt, den vier Mächten Deutschland,
dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien in
bestimmten Ausnahmefällen geringfügige Abweichungen
von der streng ethnographischen Bestimmung der ohne
Volksabstimmung zu übertragenden Zonen zu empfehlen.
7.) Es wird ein Optionsrecht für den Übertritt in die
abgetretenen Gebiete und für den Austritt aus ihnen
vorgesehen. Die Option muß innerhalb von sechs
Monaten vom Zeitpunkt des Abschlusses dieses
Abkommens an ausgeübt werden. Ein deutschtschechoslowakischer Ausschuß wird die Einzelheiten
der Option bestimmen, Verfahren zur Erleichterung des
Austausches der Bevölkerung erwägen und grundsätzliche
Fragen klären, die sich aus diesem Austausch ergeben.
8.) Die Tschechoslowakische Regierung wird innerhalb
einer Frist von vier Wochen vom Tage des Abschlusses
dieses Abkommens an alle Sudetendeutschen aus
ihren militärischen und polizeilichen Verbänden
entlassen, die diese Entlassung wünschen. Innerhalb
derselben Frist wird die Tschechoslowakische Regierung
sudentendeutsche Gefangene entlassen, die wegen
politischer Delikte Freiheitsstrafen verbüßen.
München, am 29. September 1938
Adolf Hitler, Neville Chamberlain, Benito Mussolini,
Edouard Daladier
Zusätze zum Münchner Abkommen
Zusatz zu dem
Abkommen
Zusätzliche
Erklärung
Zusätzliche
Erklärung
Zusatzerklärung
München, den 29. September 1938
München, den 29. September 1938
München, den 29. September 1938
München, den 29. September 1938
Seiner Majestät Regierung
im Vereinigten Königreich
und die französische
Regierung haben sich dem
vorstehenden Abkommen
angeschlossen auf der
Grundlage, daß sie zu
dem Angebot stehen,
welches im Paragraph 6
der englisch-französischen
Vorschläge vom 19.
September enthalten ist,
betreffend eine internationale
Garantie der neuen Grenzen
des tschechoslowakischen
Staates gegen einen
unprovozierten Angriff.
Sobald die Frage der
polnischen und ungarischen
Minderheiten in der
Tschechoslowakei geregelt
ist, werden Deutschland
und Italien ihrerseits der
Tschechoslowakei eine
Garantie geben.
Die vier anwesenden
Regierungschefs sind
darüber einig, daß der in
dem heutigen Abkommen
vorgesehene Ausschuß sich
aus dem Staatssekretär
des Auswärtigen Amtes,
den in Berlin beglaubigten
Botschaftern Englands,
Frankreichs und Italiens
und einem von der
tschechoslowakischen
Regierung zu ernennenden
Mitglied zusammensetzt.
Die Regierungschefs der vier
Mächte erklären, daß das
Problem der
polnischen und ungarischen
Minderheiten in der
Tschechoslowakei,
sofern es nicht innerhalb
von 3 Monaten durch eine
Vereinbarung unter
den betreffenden
Regierungen geregelt wird,
den Gegenstand einer
weiteren Zusammenkunft
der hier anwesenden
Regierungschefs der vier
Mächte bilden wird.
Alle Fragen, die sich aus der
Gebietsübergabe ergeben,
gelten als
zur Zuständigkeit des
internationalen Ausschusses
gehörig.
Titelseite der Volks-Zeitung vom 11. November 1938,
einen Tag nach dem Novemberprogrom
Titelseite der New York Times vom 11. November 1938,
einen Tag nach dem Novemberprogrom
Das Warschauer Ghetto
Das erste Ghetto, das am 8. Oktober 1939 im deutsch verwalteten sogenannten Generalgouvernement gebildet wurde, war das Ghetto von Piotrkow. Es folgten die Ghettos von
Lodz (April 1940), Warschau (Oktober 1940) Krakau (März 1941) und Lublin (April 1941).
DAS WARSCHAUER GHETTO
A
und ein Jude 184 (15% des Existenzminimums). Viele
irrten im überfüllten Ghetto umher, um sich etwas Essen
zu besorgen. Die Leichen der Hungertoten lagen in den
Straßen. 43.000 Personen (10% der Gesamtbevölkerung)
starben alleine im Jahr 1941. Im Frühjahr 1941 brach
eine Typhusepidemie aus, die ihren Höhepunkt im folgenden Herbst erreichte. Die Zahl der Kranken schwankte
zwischen 50.000 und 100.000. Der im Januar 1940
gegründete Gesundheitsdienst des Judenrats richtete
sechs Krankenstationen und zwei Krankenhäuser ein, die
in Wahrheit Sterbeanstalten waren: Es gab nur wenige
Medikamente und die unzureichenden Rationen führten
zu Hungerödemen. Zwei bis drei Patienten mussten sich
ein Bett teilen. Die Vorsorgemaßnahmen waren aufgrund
der mangelnden Hygiene und der Unterernährung völlig
unwirksam. Anfang 1942 wurde im Ghetto eine Geburt
für 45 Todesfälle verzeichnet. Der Hunger war auch ein
wichtiger Aspekt bei den Deportationen im Sommer
1942. Die Besatzungsmacht hörte gänzlich auf, die Ghettobevölkerung zu versorgen. Völlig entkräftet war diese
dann zu schwach für den geringsten Widerstand.
ls die deutsche Wehrmacht Warschau Anfang
September 1939 besetzte, lebten ungefähr 400.000
Juden in der Stadt. Im Mai 1940 erklärte der
Militärbefehlshaber ein jüdisches Altstadtviertel zum
„Seuchensperrgebiet“ und am 2. Oktober 1940 befahl der
Gouverneur des Distrikts Warschau, Ludwig Fischer, die
Umsiedlung aller Juden. Die jüdische Bevölkerung musste
in ein festgelegtes Gebiet ziehen, das sie nicht verlassen
durfte. Zwischen dem 12. Oktober und dem 30. November
1940 müssen 113.000 nichtjüdische und 138.000 jüdische
Bürger in einem Klima der Panik „umziehen“. Am 16.
November 1940 wurde das Ghetto abgeriegelt und zum
Teil mit einer 3-Meter-hohen Mauer, die obendrein durch
Stacheldraht und Glasscherben gesichert war, umgeben.
In diesem Gebiet mit einer ungefähren Fläche von 300 ha
waren 128.000 Bewohner pro km² zusammengepfercht
(gegen ungefähr 14.000 im nichtjüdischen Teil der Stadt).
Zwischen Januar und Juni 1941 stieg die Bevölkerung des
Ghettos von 381.000 auf 439.000 Menschen an. Im Mai
1942 waren es noch 400.000.
Das Leben im Ghetto
Am 3. Oktober 1939 beauftragte die Besatzungsmacht
den neuen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, Adam
Czerniakow, einen Judenrat zu bilden. Eine jüdische
Polizei, offiziell Jüdischer Ordnungsdienst genannt,
wurde im September 1940 von den deutschen Stellen
eingesetzt. Judenrat und Ordnungsdienst zogen die
Wut und die Frustration der jüdischen Bevölkerung, die
keinen direkten Kontakt zur Besatzungsmacht hatte, auf
sich. Von Anfang an übte die deutsche Besatzung eine
Politik des Terrors aus, um jeden Widerstandsversuch
im Keim zu ersticken. So mussten die Ghettobewohner
Zwangsarbeiter bei ihrer
Rückkehr aus Arbeitslagern,
Frühling 1941.
© Mémorial de la Shoah/CDJC/
Sammlung Jüdisches Historisches Institut Warschau.
Jüdische Männer errichten
die Mauer um das Warschauer
Ghetto, November 1940.
© Mémorial de la Shoah/CDJC/
Sammlung Jüdisches Historisches Institut Warschau.
sich „Gymnastikübungen“ auf der Straße unterziehen,
sich Ziegelsteine an jedem Arm befestigen lassen, sich
die Hände im Abwasserkanal waschen und mit bloßen
Händen Latrinen reinigen. In den Unterkünften lebten oft
20 bis 25 Personen auf 25m². Vom Hunger ausgezehrt,
waren viele der im Ghetto eingesperrten Menschen
bettlägerig und blieben notgedrungen in den eiskalten
Wohnungen. Die Zahl der Selbstmorde stieg beständig.
Zwangsarbeit und die Betriebe im Ghetto
Im Januar 1940 wurden alle jüdischen Männer zwischen
13 und 59 Jahren gezwungen, sich zur Zwangsarbeit
zu melden. 121.265 Personen wurden innerhalb
weniger Wochen registriert. Sie mussten entweder
außerhalb des Ghettos in Arbeitslagern der sumpfigen
Gegend um Lublin arbeiten oder wurden im Ghetto in
Betrieben eingesetzt, die deutsche Firmen auf Vorschlag
der Besatzungsmacht dort einrichteten, um von den
Zwangsarbeitern, die kaum vergütet wurden, zu
profitieren. So florierten dort etwa die Firma Többens, die
Anfang 1943 fast 15.000 Arbeiter zwangsbeschäftigte,
die Firma Schultz und diverse andere Betriebe, z. B.
Bürstenbindereien.
Hungersnot und Sterblichkeit im Ghetto
Der Hunger bestimmte das Leben im Ghetto. Die
Verpflegung wurde von den deutschen Autoritäten nach
und nach reduziert, um so jeden Widerstand zu brechen.
Die täglichen Hungersqualen betrafen mehr als die Hälfte
der Bevölkerung, der so jede Kraft zur Gegenwehr genommen wurde und die sich in größter körperlicher und
psychologischer Not befand. Im Jahre 1941 nahm laut
polnischen Quellen ein in Warschau lebender Deutscher
täglich 2613 Kalorien zu sich, ein Pole 699
Gegenseitiger Beistand
Heimlich entwickelte sich in Hauskomitees, Frauen- und
Leichnam auf einem Bürgersteig.
© Mémorial de la Shoah/CDJC.
Jugendgruppen oder Hilfsorganisationen für Waisen
und Flüchtlinge ein ziviler und defensiver Widerstand.
Die vor dem Krieg von der kehillah (der jüdischen
Gemeinde) organisierte Sozialhilfe wurde nun von der
JSS, der Jüdischen Sozialen Selbsthilfe, übernommen.
Sie wurde aus dem Ausland finanziert und konzentrierte
sich auf die Einrichtung von Suppenküchen, die im
Frühjahr 1941 von 65% der Bevölkerung in Anspruch
genommen wurden. Auch Nahrungspakete trugen etwas
zur Linderung der Hungersnot bei, zumindest bis zum
22. Juni 1941. Nach diesem Datum konfiszierten die
deutschen Stellen systematisch unter verschiedenen
Vorwänden alle Pakete.
Kulturelles Leben
Das intensive kulturelle Leben im Ghetto, ob offen
oder versteckt ausgeübt, stellte eine wichtige Form des
Widerstands gegen die Unterdrückung dar. Bestes Beispiel
für das heimliche politische Leben ist die Untergrundpresse,
die ab Anfang 1940 erschien. Im Frühjahr 1942 gab es
47 verschiedene Titel. Jedes Blatt, das mühselig und oft
nachts in den Suppenküchen gedruckt wurde, wurde von
mindestens 20 Personen gelesen.
DAS WARSCHAUER GHETTO
DIE MASSENDEPORTATIONEN, 22. Juli 1942 – 21. September 1942
A
m 22. Juli 1942 begannen die Massendeportationen
aus dem Warschauer Ghetto. Mehr als 280.000
Juden wurden in das ungefähr 100 km nordöstlich von
Warschau gelegene Vernichtungslager Treblinka transportiert und dort in den Gaskammern ermordet. Diese Deportationen fanden im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ statt,
für die Anfang 1942 die Vernichtungslager Belzec, Sobibor
und Treblinka errichtet wurden. Am Morgen des 22. Juli
1942 informierte der SS-Sturmbannführer Hermann Höfle,
zuständig für die Deportationen im Generalgouvernement,
Adam Czerniakow, den Vorsitzenden des Judenrats, über
die „Umsiedlung nach dem Osten“ eines Großteils der
Ghettobevölkerung. Er forderte den Abtransport von 6000
Menschen noch am gleichen Tag um 16 Uhr und von
mindestens genauso vielen an den folgenden Tagen. Am
Tag darauf wählte Czerniakow den Freitod.
Vom 22. bis 30. Juli 1942 beaufsichtigte die SS Verhaftungen und Deportationen, überließ die Ausführung jedoch der jüdischen Ordnungspolizei. Bei Sonnenaufgang
wurden alle Straßen abgesperrt, Häuser umstellt, jede
Wohnung mithilfe von 2000 Polizeihunden bis in den
letzten Winkel durchsucht. Zu den ersten Deportierten
gehörten die Waisenkinder des Ghettos. Das TerrorRegime war allgegenwärtig. Vom 6. bis 10. September
musste sich fast die gesamte restliche Bevölkerung
zu einer „Selektion“ in einem festgelegten Bezirk des
Ghettos einfinden und wurde von dort gruppenweise zum
Umschlagplatz geführt, wo sie in die Deportationszüge
nach Treblinka getrieben wurden. Am 21. September,
an Jom Kippur, wurden schließlich auch die jüdischen
Polizisten und ihre Familien deportiert.
Laut verschiedenen Schätzungen wurden 265.000 bis
310.000 Juden in Treblinka innerhalb von 8 Wochen
vergast. Nach den Deportationen verblieben offiziell noch
36.000 Bewohner im Ghetto, darunter die Mitglieder
des Judenrats und die Arbeiter der Betriebe Többens
und Schultz und der Bürstenfabrik. 20.000 bis 25.000
Menschen lebten in verschiedensten Verstecken im
Untergrund. Eine unterirdische Stadt entstand, die im
April 1943 zum Massengrab werden sollte.
DAS WARSCHAUER GHETTO
Die Zerstörung des Ghettos
Lediglich 80 Widerstandskämpfer überlebten den Aufstand des Warschauer Ghettos. Einige von ihnen kamen
im Sommer 1944 während des Warschauer Aufstands
ums Leben. Das Warschauer Ghetto symbolisiert die
Ausgrenzung einer Personengruppe aus der menschlichen Gemeinschaft vor ihrer Massenermordung. Die
Maß- und Schrankenlosigkeit des modernen Zeitalters
wurde darin zum ersten Mal in massivstem Ausmaß
umgesetzt, besonders durch den Massenmord der
Kinder – erstes und untrügliches Kennzeichen eines
Genozids. Die Zerstörung des Warschauer Ghettos steht
exemplarisch für den systematischen Massenmord an
den Juden Europas.
.
Auf dem Umschlagplatz zusammengetriebene Menschen,
Juli-August 1942.
© Mémorial de la Shoah/CDJC/Jüdisches Historisches
Institut Warschau.
Abtransport in Güterzügen, Juli-August 1942.
© Mémorial de la Shoah/CDJC/Jüdisches Historisches
Institut Warschau.
Das Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos
Schon während der ersten Wochen der deutschen
Besatzung in Polen begann Emanuel Ringelblum –
Historiker, vor dem Krieg polnischer Vertreter des
American Jewish Joint Distribution Committe (Joint)
und Sekretär der Kommission für die Koordination
der jüdischen Sozialhilfeorganisationen Warschaus –
wichtige Dokumente zu sammeln. Am 22. November
1940 gründete er mit ungefähr 12 Mitarbeitern eine
Gruppe mit dem jiddischen Namen „Oyneg Shabbes“
(Freude des Sabbats), deren Ziel es war, die Geschichte
der polnischen Juden während des Kriegs zu
dokumentieren. Die geheime Arbeit der Gruppe bestand
darin, umfassende Informationen über die Situation
in Warschau und in anderen polnischen Ghettos zu
sammeln. Es wurden etwa Befragungen durchgeführt,
um die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation,
die Auswirkungen des Hungers oder die Ausbreitung des
Typhus zu dokumentieren.
Listen von Deportierten und Zwangsarbeitern wurden
Öffnung des ersten Teils
des Ringelblum-Archivs am
18. September 1946.
© Jüdisches Historisches
Institut Warschau.
Aufnahme des in Ruinen
liegenden Ghettos.
© Mémorial de la Shoah/
CDJC/Stroop-Fonds.
Entdeckung des ersten
Teils des Ringelblum-Archivs
in 10 Metallkisten im Keller
der Nowolipki-Straße 68 in
Warschau am 18. September
1946 auf Anweisungen von
Hersz Wasser, einem der
wenigen Überlebenden der
Oyneg Shabbes-Gruppe.
© Jüdisches Historisches
Institut Warschau.
erstellt und Augenzeugenberichte aus verschiedenen
polnischen Ghettos zusammengetragen. Oyneg Shabbes
archivierte nicht nur die Untergrundpresse, sondern
auch literarische Texte und Kunstwerke als Zeugnisse
des intensiven intellektuellen und kulturellen Lebens im
Ghetto. Am 3. August 1942 wurden die in 10 Metallkisten
versteckten Dokumente im Keller des Gebäudes der
Nowolipki-Straße 68 eingemauert. Ende Februar 1943
wurde ein zweiter Teil des Archivs in zwei Milchkannen
verborgen und im Keller des gleichen Gebäudes
versteckt. Der dritte und letzte Teil des Archivs wurde
unmittelbar vor dem Aufstand am 19. April 1943 unter
einem Gebäude der Swietojerska-Straße 34 vergraben.
Nur zwei der drei Archivteile konnten nach dem Krieg
unter den Ruinen des Ghettos geborgen werden. Die gesamte Sammlung wird heute im Jüdischen Historischen
Institut in Warschau (Zydowski Instytut Historycyny)
aufbewahrt. 1999 wurde das Ringelblum-Archiv von der
UNESCO als „dokumentarisches Erbe der Menschheit“ in
das Programm „Memory of the World“ aufgenommen.
DAS PROTOKOLL DER WANNSEE-KONFERENZ
[Geheime Reichssache] 30 Ausfertigungen, 16. Ausfertigung
I. An der am 20.1.1942 in Berlin, Am Großen Wannsee
Nr. 56/58, stattgefundenen Besprechung über die
Endlösung der Judenfrage nahmen teil:
Gauleiter Dr. Meyer und Reichsamtsleiter
Dr. Leibbrandt,
Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete
Staatssekretär Dr. Stuckart,
Reichsministerium des Innern
Staatssekretär Neumann,
Beauftragter für den Vierjahresplan
Staatssekretär Dr. Freisler,
Reichsjustizministerium
Staatssekretär Dr. Bühler,
Amt des Generalgouverneurs
Unterstaatssekretär Luther,
Auswärtiges Amt
SS-Oberführer Klopfer,
Partei-Kanzlei
Ministerialdirektor Kritzinger,
Reichskanzlei
SS-Gruppenführer Hofmann,
Rasse- und Siedlungshauptamt
SS- Gruppenführer Müller /
SS-Obersturmbannführer Eichmann,
Reichssicherheitshauptamt
SS-Oberführer Dr. Schöngarth,
Sicherheitspolizei und SD
Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im
Generalgouvernement
SS-Sturmbannführer Dr. Lange ,
Sicherheitspolizei und SD
Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für den
Generalbezirk Lettland, als Vertreter des Befehlshabers
der Sicherheitspolizei und des SD für das Reichskommissariat Ostland.
II. Chef der Sicherheitspolizei und des SD, SS-Obergruppenführer Heydrich, teilte eingangs seine Bestellung zum
Beauftragten für die Vorbereitung der Endlösung der europäischen Judenfrage durch den Reichsmarschall mit und
wies darauf hin, daß zu dieser Besprechung geladen wurde,
um Klarheit in grundsätzlichen Fragen zu schaffen.
Der Wunsch des Reichsmarschalls, ihm einen Entwurf über
die organisatorischen, sachlichen und materiellen Belange im
Hinblick auf die Endlösung der europäischen Judenfrage zu
übersenden, erfordert die vorherige gemeinsame Behandlung
aller an diesen Fragen unmittelbar beteiligten Zentralinstanzen
im Hinblick auf die Parallelisierung der Linienführung.
Die Federführung bei der Bearbeitung der Endlösung der
Judenfrage liege ohne Rücksicht auf geographische Grenzen
zentral beim Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei
(Chef der Sicherheitspolizei und des SD).
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD gab sodann einen
kurzen Rückblick über den bisher geführten Kampf gegen
diesen Gegner. Die wesentlichsten Momente bilden
a) die Zurückdrängung der Juden aus den einzelnen
Lebensgebieten des deutschen Volkes,
b) die Zurückdrängung der Juden aus dem Lebensraum des
deutschen Volkes.
Im Vollzug dieser Bestrebungen wurde als einzige vorläufige
Lösungsmöglichkeit die Beschleunigung der Auswanderung
der Juden aus dem Reichsgebiet verstärkt und planmäßig in
Angriff genommen.
Auf Anordnung des Reichsmarschalls wurde im Januar 1939
eine Reichszentrale für jüdische Auswanderung errichtet, mit
deren Leitung der Chef der Sicherheitspolizei und des SD
betraut wurde. Sie hatte insbesondere die Aufgabe
a) alle Maßnahmen zur Vorbereitung einer verstärkten
Auswanderung der Juden zu treffen,
b) den Auswanderungsstrom zu lenken,
c) die Durchführung der Auswanderung im Einzelfall zu
beschleunigen.
Das Aufgabenziel war, auf legale Weise den deutschen
Lebensraum von Juden zu säubern.
Über die Nachteile, die eine solche Auswanderungsforcierung
mit sich brachte, waren sich alle Stellen im Klaren. Sie mußten jedoch angesichts des Fehlens anderer Lösungsmöglichkeiten vorerst in Kauf genommen werden.
Die Auswanderungsarbeiten waren in der Folgezeit nicht
nur ein deutsches Problem, sondern auch ein Problem, mit
dem sich die Behörden der Ziel- bzw. Einwandererländer
zu befassen hatten. Die finanziellen Schwierigkeiten, wie
Erhöhung der Vorzeige- und Landungsgelder seitens der
verschiedenen ausländischen Regierungen, fehlende Schiffsplätze, laufend verschärfte Einwanderungsbeschränkungen
oder -sperren, erschwerten die Auswanderungsbestrebungen
außerordentlich.
Trotz dieser Schwierigkeiten wurden seit der Machtübernahme bis zum Stichtag 31.10.1941
insgesamt rund 537.000 Juden zur Auswanderung
gebracht. Davon
vom 30.1.1933 aus dem Altreich rd. 360.000
vom 15.3.1938 aus der Ostmark rd. 147.000
vom 15.3.1939 aus dem Protektorat Böhmen und Mähren
rd. 30.000.
Die Finanzierung der Auswanderung erfolgte durch die Juden
bzw. jüdisch-politischen Organisationen selbst. Um den
Verbleib der verproletarisierten Juden zu vermeiden, wurde
nach dem Grundsatz verfahren, daß die vermögenden Juden
Das Protokoll der Wannsee-Konferenz
die Abwanderung der vermögenslosen Juden zu finanzieren
haben; hier wurde, je nach Vermögen gestaffelt, eine entsprechende Umlage bzw. Auswandererabgabe vorgeschrieben,
die zur Bestreitung der finanziellen Obliegenheiten im Zuge
der Abwanderung vermögensloser Juden verwandt wurde.
Neben dem Reichsmark-Aufkommen sind Devisen für
Vorzeige- und Landungsgelder erforderlich gewesen. Um
den deutschen Devisenschatz zu schonen, wurden die jüdischen Finanzinstitutionen des Auslandes durch die jüdischen
Organisationen des Inlandes verhalten, für die Beitreibung
entsprechender Devisenaufkommen Sorge zu tragen.
Hier wurden durch diese ausländischen Juden im Schenkungswege bis zum 30.10.1941 insgesamt rund 9.500.000
Dollar zur Verfügung gestellt.
Inzwischen hat der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Hinblick auf die Gefahren einer Auswanderung im Kriege und im Hinblick auf die Möglichkeiten des
Ostens die Auswanderung von Juden verboten.
III. Anstelle der Auswanderung ist nunmehr als weitere
Lösungsmöglichkeit nach entsprechender vorheriger
Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden
nach dem Osten getreten.
Diese Aktionen sind jedoch lediglich als Ausweichmöglichkeiten
anzusprechen, doch werden hier bereits jene praktischen
Erfahrungen gesammelt, die im Hinblick auf die kommende
Endlösung der Judenfrage von wichtiger Bedeutung sind.
Im Zuge dieser Endlösung der europäischen Judenfrage
kommen rund 11 Millionen Juden in Betracht, die sich wie
folgt auf die einzelnen Länder verteilen:
Land / Anzahl
Altreich 131.800
Bulgarien 48.000
Ostmark 43.700
England 330.000
Ostgebiete 420.000
Finnland 2.300
Generalgouvernement 2.284.000
Irland 4.000
Bialystok 400.000
Italien einschl. Sardinien 58.000
Protektorat Böhmen und
Mähren 74.200
Albanien 200
Estland - judenfrei
Kroatien 40.000
Lettland 3.500
Portugal 3.000
Litauen 34.000
Rumänien einschl. Bessarabien
342.000
Belgien 43.000
Schweden 8.000
Dänemark 5.600
Schweiz 18.000
Serbien 10.000
Frankreich
Besetztes Gebiet 165.000
Unbesetztes Gebiet 700.000
Slowakei 88.000
Spanien 6.000
Griechenland 69.600
Türkei (europ. Teil) 55.500
Niederlande 160.800
Ungarn 742.000
Norwegen 1.300
UdSSR 5.000.000
dont Ukraine 2.994.684
Weißrußland
ausschl. Bialystok 446.684
.
.
.
.
Zusammen:
über 11.000.000
Bei den angegebenen Judenzahlen der verschiedenen
ausländischen Staaten handelt es sich jedoch nur um
Glaubensjuden, da die Begriffsbestimmungen der
Juden nach rassischen Grundsätzen teilweise dort noch
fehlen. Die Behandlung des Problems in den einzelnen
Ländern wird im Hinblick auf die allgemeine Haltung und
Auffassung auf gewisse Schwierigkeiten stoßen, besonders in Ungarn und Rumänien. So kann sich z.B. heute
noch in Rumänien der Jude gegen Geld entsprechende
Dokumente, die ihm eine fremde Staatsangehörigkeit
amtlich bescheinigen, beschaffen.
Der Einfluß der Juden auf alle Gebiete in der UdSSR ist
bekannt. Im europäischen Gebiet leben etwa 5 Millionen,
im asiatischen Raum knapp 1/4 Million Juden.
Die berufsständische Aufgliederung der im europäischen
Gebiet der UdSSR ansässigen Juden war etwa folgende:
In der Landwirtschaft 9,1 %
als städtische Arbeiter 14,8 %
im Handel 20,0 %
als Staatsarbeiter angestellt 23,4 %
in den privaten Berufen -Heilkunde, Presse, Theater,
usw. 32,7 %.
Unter entsprechender Leitung sollen nun im Zuge der
Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum
Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen
Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei
zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung
ausfallen wird.
Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es
sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten
Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen,
da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues
anzusprechen ist. (Siehe die Erfahrung der Geschichte.)
Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung
wird Europa vom Westen nach Osten durchgekämmt.
Das Reichsgebiet einschließlich Protektorat Böhmen und
Mähren wird, allein schon aus Gründen der Wohnungsfrage und sonstigen sozial-politischen Notwendigkeiten,
vorweggenommen werden müssen.
Die evakuierten Juden werden zunächst Zug um Zug in
sogenannte Durchgangsghettos verbracht, um von dort
aus weiter nach dem Osten transportiert zu werden.
Wichtige Voraussetzung, so führte SS-Obergruppenführer Heydrich weiter aus, für die Durchführung der
Evakuierung überhaupt, ist die genaue Festlegung des in
Betracht kommenden Personenkreises.
Das Protokoll der Wannsee-Konferenz
Das Protokoll der Wannsee-Konferenz
Es ist beabsichtigt, Juden im Alter von über 65 Jahren
nicht zu evakuieren, sondern sie einem Altersghetto vorgesehen ist Theresienstadt - zu überstellen.
Neben diesen Altersklassen - von den am 31.10.1941
sich im Altreich und der Ostmark befindlichen
etwa 280.000 Juden sind etwa 30 % über 65 Jahre
alt - finden in den jüdischen Altersghettos weiterhin
die schwerkriegsbeschädigten Juden und Juden mit
Kriegsauszeichnungen (EK I) Aufnahme.
Mit dieser zweckmäßigen Lösung werden mit einem
Schlag die vielen Interventionen ausgeschaltet.
Der Beginn der einzelnen größeren Evakuierungsaktionen
wird weitgehend von der militärischen Entwicklung
abhängig sein. Bezüglich der Behandlung der Endlösung
in den von uns besetzten und beeinflußten europäischen
Gebieten wurde vorgeschlagen, daß die in Betracht
kommenden Sachbearbeiter des Auswärtigen Amtes sich
mit dem zuständigen Referenten der Sicherheitspolizei
und des SD besprechen.
In der Slowakei und Kroatien ist die Angelegenheit nicht
mehr allzu schwer, da die wesentlichsten Kernfragen
in dieser Hinsicht dort bereits einer Lösung zugeführt
wurden. In Rumänien hat die Regierung inzwischen
ebenfalls einen Judenbeauftragten eingesetzt. Zur
Regelung der Frage in Ungarn ist es erforderlich, in
Zeitkürze einen Berater für Judenfragen der Ungarischen
Regierung aufzuoktroyieren.
Hinsichtlich der Aufnahme der Vorbereitungen zur Regelung des Problems in Italien hält SS-Obergruppenführer
Heydrich eine Verbindung zum Polizei-Chef in diesen
Belangen für angebracht.
Im besetzten und unbesetzten Frankreich wird die Erfassung der Juden zur Evakuierung aller Wahrscheinlichkeit
nach ohne große Schwierigkeiten vor sich gehen können.
Unterstaatssekretär Luther teilte hierzu mit, daß bei
tiefgehender Behandlung dieses Problems in einigen
Ländern, so in den nordischen Staaten, Schwierigkeiten
auftauchen werden, und es sich daher empfiehlt, diese
Länder vorerst noch zurückzustellen. In Anbetracht
der hier in Frage kommenden geringen Judenzahlen
bildet diese Zurückstellung ohnedies keine wesentliche
Einschränkung.
Dafür sieht das Auswärtige Amt für den Südosten und
Westen Europas keine großen Schwierigkeiten.
SS-Gruppenführer Hofmann beabsichtigt, einen
Sachbearbeiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes zur
allgemeinen Orientierung dann nach Ungarn mitsenden
zu wollen, wenn seitens des Chefs der Sicherheitspolizei
und des SD die Angelegenheit dort in Angriff genommen
wird. Es wurde festgelegt, diesen Sachbearbeiter des
Beurteilung des Mischlings 2.Grades, die erkennen läßt,
daß er sich wie ein Jude fühlt und benimmt.
Auch in diesen Fällen sollen aber dann Ausnahmen
nicht gemacht werden, wenn der Mischling 2.Grades
deutschblütig verheiratet ist.
3) Ehen zwischen Volljuden und Deutschblütigen
Von Einzelfall zu Einzelfall muß hier entschieden werden,
ob der jüdische Teil evakuiert wird, oder ob er unter
Berücksichtigung auf die Auswirkungen einer solchen
Maßnahme auf die deutschen Verwandten dieser
Mischehe einem Altersghetto überstellt wird.
4) Ehen zwischen Mischlingen 1.Grades und
Deutschblütigen.
a) Ohne Kinder
Sind aus der Ehe keine Kinder hervorgegangen, wird der
Mischling 1.Grades evakuiert bzw. einem Altersghetto
überstellt. (Gleiche Behandlung wie bei Ehen zwischen
Volljuden und Deutschblütigen, Punkt 3.)
b) Mit Kindern.
Sind Kinder aus der Ehe hervorgegangen (Mischlinge
2.Grades), werden sie, wenn sie den Juden gleichgestellt
werden, zusammen mit dem Mischling 1.Grades
evakuiert bzw. einem Ghetto überstellt. Soweit diese
Kinder Deutschen gleichgestellt werden (Regelfälle), sind
sie von der Evakuierung auszunehmen und damit auch
der Mischling 1.Grades.
5) Ehen zwischen Mischlingen 1.Grades und Mischlingen
1.Grades oder Juden.
Bei diesen Ehen (einschließlich der Kinder) werden alle
Teile wie Juden behandelt und daher evakuiert bzw.
einem Altersghetto überstellt.
6) Ehen zwischen Mischlingen 1.Grades und Mischlingen
2.Grades.
Beide Eheteile werden ohne Rücksicht darauf, ob
Kinder vorhanden sind oder nicht, evakuiert bzw. einem
Altersghetto überstellt, da etwaige Kinder rassenmäßig
in der Regel einen stärkeren jüdischen Bluteinschlag
aufweisen, als die jüdischen Mischlinge 2.Grade).
SS-Gruppenführer Hofmann steht auf dem Standpunkt,
daß von der Sterilisierung weitgehend Gebrauch gemacht
werden muß; zumal der Mischling, vor die Wahl gestellt,
ob er evakuiert oder sterilisiert werden soll, sich lieber
der Sterilisierung unterziehen würde.
Staatssekretär Dr. Stuckart stellt fest, daß die
praktische Durchführung der eben mitgeteilten
Lösungsmöglichkeiten zu Bereinigung der Mischehenund Mischlingsfragen in dieser Form eine unendliche
Verwaltungsarbeit mit sich bringen würde. Um zum
anderen auf alle Fälle auch den biologischen Tatsachen
Rechnung zu tragen, schlug Staatssekretär
Rasse- und Siedlungshauptamtes, der nicht aktiv werden
soll, vorübergehend offiziell als Gehilfen zum PolizeiAttaché abzustellen.
IV. Im Zuge der Endlösungsvorhaben sollen die
Nürnberger Gesetze gewissermaßen die Grundlage
bilden, wobei Voraussetzung für die restlose Bereinigung
des Problems auch die Lösung der Mischehen und
Mischlingsfragen ist.
Chef der Sicherheitspolizei und des SD erörtert im
Hinblick auf ein Schreiben des Chefs der Reichskanzlei
zunächst theoretisch die nachstehenden Punkte:
1) Behandlung der Mischlinge 1.Grades.
Mischlinge 1.Grades sind im Hinblick auf die Endlösung
der Judenfrage den Juden gleichgestellt.
Von dieser Behandlung werden ausgenommen:
a) Mischlinge 1.Grades verheiratet mit Deutschblütigen,
aus deren Ehe Kinder Mischlinge 2.Grades
hervorgegangen sind. Diese Mischlinge 2.Grades sind im
wesentlichen den Deutschen gleich gestellt.
b) Mischlinge 1.Grades, für die von den
höchsten Instanzen der Partei und des Staates
bisher auf irgendwelchen Lebensgebieten
Ausnahmegenehmigungen erteilt worden sind.
Jeder Einzelfall muß überprüft werden, wobei nicht
ausgeschlossen wird, daß die Entscheidung nochmals zu
Ungunsten des Mischlings ausfällt.
Voraussetzungen einer Ausnahmebewilligung
müssen stets grundsätzliche Verdienste des in Frage
stehenden Mischlings selbst sein. (Nicht-Verdienste des
deutschblütigen Eltern- oder Eheteiles.)
Der von der Evakuierung auszunehmende Mischling
1.Grades wird - um jede Nachkommenschaft zu
verhindern und das Mischlingsproblem endgültig
zu bereinigen - sterilisiert. Die Sterilisierung erfolgt
freiwillig. Sie ist aber Voraussetzung des Verbleibens im
Reich. Der sterilisierte «Mischling» ist in der Folgezeit
von allen einengenden Bestimmungen, denen er bislang
unterworfen ist, befreit.
2) Behandlung der Mischlinge 2.Grades.
Die Mischlinge 2.Grades werden grundsätzlich den
Deutschblütigen zugeschlagen, mit Ausnahme folgender
Fälle, in denen die Mischlinge 2.Grades den Juden
gleichgestellt werden:
a) Herkunft des Mischlings 2.Grades aus einer
Bastardehe (beide Teile Mischlinge).
b) Rassisch besonders ungünstiges Erscheinungsbild
des Mischlings 2.Grades, das ihn schon äußerlich zu
den Juden rechnet.
c) Besonders schlechte polizeiliche und politische
Dr. Stuckart vor, zur Zwangssterilisierung zu schreiten.
Zur Vereinfachung des Mischehenproblems müßten
ferner Möglichkeiten überlegt werden mit dem Ziel,
daß der Gesetzgeber etwa sagt: «Diese Ehen sind
geschieden».
Bezüglich der Frage der Auswirkung der
Judenevakuierung auf das Wirtschaftsleben erklärte
Staatssekretär Neumann , daß die in kriegswichtigen
Betrieben im Arbeitseinsatz stehen den Juden derzeit,
solange noch kein Ersatz zur Verfügung steht, nicht
evakuiert werden könnten.
SS-Obergruppenführer Heydrich wies darauf hin,
daß diese Juden nach den von ihm genehmigten
Richtlinien zur Durchführung der derzeit laufenden
Evakuierungsaktionen ohnedies nicht evakuiert würden.
Staatssekretär Dr. Bühler stellte fest, daß das
Generalgouvernement es begrüßen würde, wenn mit
der Endlösung dieser Frage im Generalgouvernement
begonnen würde, weil einmal hier das
Transportproblem keine übergeordnete Rolle spielt und
arbeitseinsatzmäßige Gründe den Lauf dieser Aktion nicht
behindern würden. Juden müßten so schnell wie möglich
aus dem Gebiet des Generalgouvernements entfernt
werden, weil gerade hier der Jude als Seuchenträger
eine eminente Gefahr bedeutet und er zum anderen
durch fortgesetzten Schleichhandel die wirtschaftliche
Struktur des Landes dauernd in Unordnung bringt. Von
den in Frage kommenden etwa 2 1/2 Millionen Juden sei
überdies die Mehrzahl der Fälle arbeitsunfähig.
Staatssekretär Dr. Bühler stellt weiterhin fest, daß
die Lösung der Judenfrage im Generalgouvernement
federführend beim Chef der Sicherheitspolizei und des
SD liegt und seine Arbeiten durch die Behörden des
Generalgouvernements unterstützt würden. Er hätte nur
eine Bitte, die Judenfrage in diesem Gebiete so schnell
wie möglich zu lösen.
Abschließend wurden die verschiedenen Arten der
Lösungsmöglichkeiten besprochen, wobei sowohl
seitens des Gauleiters Dr. Meyer als auch seitens des
Staatssekretärs Dr. Bühler der Standpunkt vertreten
wurde, gewisse vorbereitende Arbeiten im Zuge der
Endlösung gleich in den betreffenden Gebieten selbst
durchzuführen, wobei jedoch eine Beunruhigung der
Bevölkerung vermieden werden müsse.
Mit der Bitte des Chefs der Sicherheitspolizei und
des SD an die Besprechungsteilnehmer, ihm bei der
Durchführung der Lösungsarbeiten entsprechende
Unterstützung zu gewähren, wurde die Besprechung
geschlossen.
BELZEC
D
er kleine Ort Belzec liegt entlang der Bahnlinie
Lublin-Lvov im Südosten Polens, und lag zur
Zeit des Zweiten Weltkriegs im deutsch verwalteten
sogenannten Generalgouvernement. Er gehörte zum
Distrikt Lublin. 1940 wurde dort ein Arbeitslager
errichtet, und jüdische Zwangsarbeiter mussten
Befestigungen bauen und Panzerabwehrgräben entlang
des Flusses Bug ausheben. Der Fluss stellte die
Trennungslinie zwischen den von der deutschen und der
sowjetischen Armee besetzten Gebiete Polens dar. Das
Arbeitslager wurde Ende 1940 aufgegeben.
Im November 1941 begann die SS mit der Konstruktion
eines Vernichtungslagers in weniger als 500 Metern
Entfernung vom Bahnhof Belzec. Ein Nebengleis schloss
das Lager an den Bahnhof an. Das SS-Personal und
die dem Lager zugeteilten Hilfswachen wurden in
einem separaten Gebäude in der Nähe des Bahnhofs
untergebracht.
Das Lager bestand aus einer etwa 265 x 275 Meter
großen Fläche. Die Stacheldrahtumzäunungen wurden
mit Ästen und Zweigen und mit rund um das Lager
gepflanzten Bäumen getarnt. Die Lagerleitung unterteilte
Belzec in einen Verwaltungs- und Ankunftsbereich sowie
den Bereich für die Ermordung der deportierten Juden.
Ein schmaler Weg, „Schlauch“ oder „Himmelsweg“
genannt, verband die beiden Bereiche.
Mitte März 1942 begann in Belzec der Massenmord
durch Vergasung. Züge mit 40 – 60 Waggons,
in die pro Waggon ungefähr 80 – 100 Menschen
zusammengepfercht waren, kamen am Bahnhof in Belzec
an. Jeweils 20 Waggons wurden daraufhin gleichzeitig
ins Lager gebracht. Die Opfer mussten auf der dortigen
Eisenbahnrampe aussteigen. Das SS-Personal teilte
ihnen mit, sie seien in einem Durchgangslager
angekommen und müssten alle Wertgegenstände
abgeben. Die Männer wurden von den Frauen und
Kindern getrennt. Alle Neuankömmlinge mussten
sich ausziehen und wurden durch den „Schlauch“ in
die Gaskammern getrieben, deren Türen hermetisch
verschlossen wurden. Durch einen Motor in einem
Nebengebäude wurde daraufhin KohlenstoffmonoxidGas in die Gaskammern geleitet und führte zu einem
langsamen, qualvollen Tod der eingeschlossenen
Menschen. Ein jüdisches Arbeitskommando musste
die Leichen aus den Gaskammern tragen und sie in
Massengräber werfen. Zwischen März und Dezember
1942 wurden mindestens 600.000 Menschen in Belzec
SOBIBOR
ermordet. Die meisten Opfer waren Juden aus den
Ghettos im Süden Polens. Auch Juden aus Deutschland,
Österreich und Böhmen-Mähren wurden nach Belzec
deportiert sowie mehrere Hundert Sinti und Roma, die
dort ebenfalls ermordet wurden.
Anfang Oktober 1942 begann die SS damit, die Leichen
der Opfer zu exhumieren und sie auf Rosten aus
Eisenbahnschienen unter freiem Himmel zu verbrennen.
Nachdem im Frühjahr 1943 alle Leichen verbrannt
worden waren, wurde das Vernichtungslager Belzec im
Juli 1943 zerstört. Die verbleibenden Insassen, die die
SS als Arbeitskräfte eingesetzt hatte, wurden entweder
noch in Belzec ermordet oder ins Vernichtungslager
Sobibor gebracht und dort getötet. Nur zwei Häftlinge
überlebten das Lager.
Nach der Zerstörung Belzecs errichtete die SS zur
Tarnung auf dem Gelände einen Bauernhof, den sie von
einem Ukrainer aus dem Lagerkommando bestellen
ließ, und pflanzte Bäume. Die sowjetische Armee
befreite die Gegend um das Vernichtungslager Belzec
im Sommer 1944.
Unterkunftsbaracken für
jüdische Arbeitskommandos
Massengräber
Bereich für Ermordungen
durch Vergasung
Entkleidungsbaracke
Unterkünfte
des
Wachpersonals
Gaskammern
Aufnahmebereich
Eingangstor
0
100m
Plan des Vernichtungslagers Belzec, Frühling 1942.
D
er kleine Ort Sobibor, im Zentrum Polens, lag zur
Zeit des Zweiten Weltkriegs im deutsch verwalteten
sogenannten Generalgouvernement, in einer dicht
bewachsenen, sumpfigen und schwach besiedelten
Gegend entlang der Bahnlinie Chelm-Wlodawa.
Das Vernichtungslager Sobibor bestand aus einer
400 x 600 Meter großen Fläche. Das Lager war in
drei Bereiche unterteilt: eine Verwaltungszone, einen
Ankunftsbereich und den Bereich für die Ermordungen
durch Vergasung. Ein schmaler Weg, „Schlauch“ oder
„Himmelsweg“ genannt, verband den Ankunfts- und den
Vergasungsbereich.
Der Verwaltungsbereich bestand aus Büros und
Unterkünften für die deutschen und ukrainischen (in
Trawniki ausgebildeten) Wachen und aus Baracken für
die Angehörigen der jüdischen Arbeitskommandos. Der
Ankunftsbereich umfasste das ins Lager hineinführende
Bahngleis, die Rampe, den „Entkleidungsbereich“ und die
Lagerhäuser für die den Opfern gestohlenen Effekten. Der
Bereich, in dem die Vergasungen durchgeführt wurden,
bestand aus den Gaskammern, den Leichengruben und
den Unterkünften für die dort arbeitenden Häftlinge.
Nach einigen Experimenten begann die SS im Mai 1942
mit den Vergasungen. Güterzüge mit je 40 – 60 Waggons
kamen am Bahnhof in Sobibor an. Jeweils 20 Waggons
wurden gleichzeitig zur Rampe gebracht, wo die Opfer
aussteigen und ihre persönliche Habe abgeben mussten.
Daraufhin mussten sie sich in den Entkleidungsbaracken
ausziehen und wurden durch den „Schlauch“ in die
Gaskammern getrieben, die mit einem Schild mit der
Aufschrift „Bad“ versehen waren. Nach der Verriegelung
der Türen setzte das Personal in einem Nebenraum
einen Motor in Betrieb, der Kohlenstoffmonoxid-Gas in
die Gaskammern leitete, das alle dort Eingeschlossenen
tötete. Einige Häftlinge, die zu Arbeitszwecken am
Leben erhalten wurden, mussten daraufhin die Leichen
heraustragen und sie in Massengräber werfen. Sie sortierten außerdem die Effekten der Opfer und säuberten
die Güterwaggons.
Deportationen nach Sobibor fanden von Mai 1942 bis
Herbst 1943 statt und wurden nur einmal, im Juli 1942,
wegen Reparaturarbeiten an der Bahnlinie Chelm-Lublin
für zwei Monate unterbrochen. Die nach Sobibor
deportierten Juden kamen hauptsächlich aus den Ghettos
im Osten Polens, besonders aus der Gegend um Lublin.
Doch auch Juden aus den von der sowjetischen Armee
besetzten Gebieten, aus Böhmen-Mähren, Österreich,
den Niederlanden, Belgien und Frankreich wurden nach
Sobibor deportiert. Die SS und ihre Hilfsmannschaften
ermordeten dort ungefähr 250.000 Menschen.
Bevor die Vergasungen im Herbst 1943 eingestellt wurden,
exhumierte die SS im Herbst 1943 die Leichen aus den
Massengräbern und verbrannte sie auf Scheiterhaufen, um
alle Spuren des Massenmords zu beseitigen. Als den Häftlingen klar wurde, dass das Lager bald liquidiert werden
sollte, organisierten sie einen Aufstand und versuchten am
14. Oktober 1943, geschlossen auszubrechen. Sie töteten
ungefähr 20 deutsche und ukrainische Wachen. Doch von
den 400 Insassen, denen die Flucht gelang, wurden mehr
als 250 von den Wachen erschossen. Von den restlichen
150 überlebten nur 53 den Zweiten Weltkrieg. Nach dem
Aufstand wurde Sobibor geschlossen und zerstört.
Kremationsbereich
Gaskammer
Entkleidungsbereich
Aufnahmebereich
Unterkünfte des
SS-Personals
Unterkünfte der
jüdischen
Arbeitskommandos
Verminter Bereich
Haupteingang
Wachtürme
Plan des Vernichtungslagers Sobibor.
TREBLINKA
* Eine aus 200 bis 300 jüdischen Häftlingen bestehende Gruppe, die die Leichen
herausschaffen und in großen Massengräbern, die 150 Meter von den Gaskammern
entfernt ausgehoben worden waren, begraben musste.
und österreichische Juden zwischen dem 5. und dem
25. Oktober 1942 und mehrere Tausend Juden aus den
Balkanländern zwischen März und April 1943. Ungefähr
2000 Sinti und Roma aus Mitteleuropa wurden ebenfalls
nach Treblinka deportiert und dort ermordet.
Im Herbst 1942 begann die SS damit, die Leichen zu exhumieren und zu verbrennen, um sämtliche Spuren des
Massenmords zu beseitigen. Jüdische Häftlinge wurden
zu dieser makabren Arbeit gezwungen, die bis Juli 1943
dauerte. Da die noch lebenden Häftlinge befürchteten,
ebenfalls bald ermordet zu werden, kam es am 2. August
1943 zu einer versuchten Massenflucht. Viele Gefangene
wurden sofort erschossen. Mehr als 300 gelang die
Flucht, doch die meisten wurden von der Polizei und den
deutschen Truppen gefasst und erschossen. Im Herbst
1943 wurde das Lager abgerissen. Zwischen 700.000
und 850.000 Menschen wurden dort ermordet. 1945 gab
es ungefähr 50 Überlebende.
Unterkünfte der
«Totenjuden»
Kremationsbereich
«Schlau
ch»
Ankunftsbereich
Massengräber
Unterkünfte
der
jüdischen
Arbeitskommandos
Unterkünfte des
SS-Personals und
der ukrainischen
Wachen
Bereich für
Ermordungen durch
Vergasung
Plan des Vernichtungslagers Treblinka.
Kurt-Seidel-StraSSe
n dem kleinen Dorf Treblinka, ungefähr 100 km
nordöstlich von Warschau gelegen, wurde Ende
1941 ein später unter dem Namen Treblinka I bekanntes
Arbeitslager errichtet. Polnische und jüdische Gefangene
mussten dort in einer Kiesgrube arbeiten.
Im Juli 1942 war der Bau des Treblinka II genannten
Vernichtungslagers beendet. Es lag 4 km südöstlich
des Dorfs und des Bahnhofs Malkinia. Ein Nebengleis
führte von Treblinka I zum Vernichtungslager und zum
Bahnhof. Das Gelände konnte durch die umliegenden
Wälder getarnt werden und umfasste eine Fläche von 400
x 600 Metern, die in drei Bereiche unterteilt war: einen
„Ankunftsbereich“, einen Bereich mit Unterkünften und
den Bereich, in dem die Ermordungen durch Vergasung
stattfanden.
Die Deportationszüge mit jeweils 50 – 60 Waggons
hielten am Bahnhof Treblinka. Jeweils 20 Waggons
gleichzeitig wurden ins Lager geleitet. Die ankommenden
Juden mussten an der Rampe aussteigen und ihren persönlichen Besitz abgeben, der dann in zwei Lagerhäusern
untergebracht und ins Deutsche Reich expediert wurde.
Nach der Entkleidung in zwei Baracken im Ankunftsbereich wurden die Opfer durch den „Schlauch“
oder „Himmelsweg“, einem schmalen Weg, der die
Ankunftszone mit dem Eingang zu den als „Bad“
getarnten Gaskammern verband, getrieben. Nach der
hermetischen Verriegelung der Türen wurde ein Motor
in einem Nebenraum angeschaltet. Durch Leitungen
gelangte Kohlenstoffmonoxid-Gas in die Gaskammern
und führte zum Tod der dort Eingeschlossenen. Ein
Kommando der sogenannten Totenjuden* musste die
Leichen aus den Gaskammern tragen und sie in riesigen
Gruben verbrennen.
Die nach Treblinka deportierten Juden kamen größtenteils
aus den Ghettos der Regionen Warschau und Radom,
im Zentrum Polens. Zwischen Ende Juli und September
1943 wurden an die 300.000 Juden aus dem Warschauer
Ghetto nach Treblinka deportiert. Auch Deportationszüge
aus Lublin und Bialystok kamen nach Treblinka, genau
wie im Sommer und Herbst 1942 7000 slowakische
Juden sowie 8000 tschechische, deutsche
Massengräber
I
Der Aufstand im Warschauer Ghetto
19. April – 16. Mai 1943
Der Aufstand im Warschauer Ghetto
19. April – 16. Mai 1943
L’Insurrection du ghetto (avril-mai 1943)
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Beginn des Aufstands
(19.-20. April 1943)
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Pan
lana
Fluchtwege der
Aufständischen
Deutsche Truppen
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To
Gebiete des sogenannten
Restghettos zwischen
September 1942 und April 1943
KLEINES
GHETTO
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Bunker der Aufständischen
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Niederschlagung des Aufstands
(Milastraße 18, 8. Mai 1943)
Verlauf der Mauern, die das
Ghetto 1940 umgaben (das
Kleine Ghetto wurde im
Oktober 1941 aufgelöst).
Ele
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Hilfsversuche des polnischen
Widerstands
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Dzien
Entnommen dem Dictionnaire de la Shoah, Larousse, 2009.
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Eine Gruppe von jüdischen Ghettobewohnern, darunter
Frauen und Kinder, werden während der Niederschlagung des
Aufstands aus ihren Verstecken getrieben.
© Mémorial de la Shoah/CDJC/ Stroop-Fonds.
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iet Krasinski-Platz
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Mordechai Anielewicz, geboren 1919 in Wyszkow, gestorben am 8. Mai 1943 in Warschau, Anführer der Jüdischen
Kampforganisation. © Mémorial de la Shoah/CDJC.
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Ein Mann springt während der Zerstörung des Ghettos
aus einem brennenden Gebäude.
© Mémorial de la Shoah/CDJC/ Sammlung Mme
Monsonego.
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Widerstands war der Kampf zu ungleich. Die deutschen
Truppen rückten nicht in den Straßen des Ghettos vor, ohne
vorher Gas, Flammenwerfer oder Dynamit einzusetzen. 631
Bunker wurden in Brand gesetzt und die dort Versteckten
lebendig begraben, erstickt und verbrannt. Zwischen dem
19. April und dem 16. Mai 1943 gab es auf deutscher Seite
16 Tote und 85 Verletzte. Am 8. Mai wurde das Hauptquartier
des ZOB in der Milastraße zerstört. Fast alle noch lebenden
Aufständischen wurden getötet. Am 11. Mai appellierten die
jüdischen Organisationen Polens in einem letzten Aufruf, der
mit den Worten endete: „Doch die freiheitliche gerechte Welt
bleibt stumm und unternimmt nichts!“, um Hilfe. Am 16. Mai
1943 ließ Stroop die Große Synagoge Warschaus sprengen
und telegrafierte an seine Vorgesetzten: „Das ehemalige
jüdische Wohnviertel Warschau besteht nicht mehr.“
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Jüdischer
Friedhof
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ls am 19. April 1943 deutsche Truppen ins Warschauer
Ghetto einmarschierten, überraschte das weder
die jüdische Widerstandsbewegung noch den Rest
der Bevölkerung. Schon in der Nacht vom 18. zum 19.
April hielt sich die Jüdische Kampforganisation (ZOB) in
Alarmbereitschaft.
Die ersten SS-Einheiten marschierten noch vor
Sonnenaufgang am 19. April ein, wurden aber von
den Aufständischen zurückgeschlagen. Der deutsche
Kommandant wurde seines Amtes enthoben und am 20.
April durch SS-Gruppenführer Jürgen
Stroop ersetzt.
Die jüdischen Widerstandsgruppen
zählten lediglich 750 Kämpfer. Auf
deutscher Seite wurden 830 SS-Männer
sowie zahlreiche Polizeiangehörige
und ukrainische und baltische
Hilfstruppen aufgestellt. Auf dem
Höhepunkt der Kämpfe ließen sie
2000 schwerbewaffnete Männer
aufmarschieren, die von der Artillerie,
Panzern und der Luftwaffe unterstützt
wurden. Die Widerständler auf der
Gegenseite verfügten je über einen Revolver, 10 bis 15
Kugeln und 4 bis 5 Handgranaten. Schon am Abend des
19. April waren die Verluste auf jüdischer Seite hoch, doch
die Deutschen hatten sich zurückgezogen. Als Himmler
über die Entwicklung informiert wurde, gab er den Befehl,
das Ghetto zu „liquidieren“. Stroop hatte nun völlig freie
Hand. Er ließ jeden der 24 Sektoren des Ghettos Haus für
Haus systematisch in Brand setzen und dann mit Bulldozern
abreißen. Trotz der zeitweiligen Hilfe des polnischen
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Gerechte unter den Völkern
Gerechte unter den Völkern
Aristides
de Sousa Mendes
(1885-1954)
Aristides de Sousa Mendes
(rechts) wird 1938 portugiesischer
Generalkonsul in Bordeaux. Trotz
der Anweisung seiner Regierung,
Menschen aus von Deutschland
besetzten Ländern, Gegnern des
NS-Regimes und Juden keine Visa zu
erteilen, widersetzt er sich dem Befehl
und händigt 1940 Tausende von Visa
an Flüchtlinge aus, die sich in seinem
Konsulat einfinden. Seine Vorgesetzten
fordern ihn auf, seine Aktivitäten
sofort einzustellen und beordern
ihn am 22. Juni 1940, dem Tag der
Kapitulation Frankreichs, zurück nach
Lissabon. Noch auf seinem Rückweg
in Richtung spanische Grenze verteilt
er auf losen Blättern erstellte Visa.
In einem Disziplinarverfahren wird
er vom Diplomatenamt suspendiert
und zu einem Jahr Berufsverbot
verurteilt. 1954 stirbt er völlig verarmt
in Lissabon. De Sousa Mendes
hat Schätzungen zufolge 30.000
Menschen, darunter 10.000 Juden, die
Einreise nach Portugal ermöglicht.
1967 wurde er als Gerechter unter den
Völkern ausgezeichnet.
Oskar Schindler
(1908-1974)
Oskar Schindler wächst in Mähren
auf und zieht Ende 1939, nach
dem deutschen Überfall auf Polen,
nach Krakau. Er übernimmt eine
Emaillewarenfabrik, in der er
hauptsächlich jüdische Arbeiter
beschäftigt, die er so vor der
Deportation bewahrt. Als das
Krakauer Ghetto Anfang 1943
„liquidiert“ wird, werden die meisten
verbliebenen Juden in das Arbeitslager
Plaszow transportiert. Schindler
nutzt seine guten Beziehungen zu
hochrangigen Vertretern der deutschen
Militärverwaltung, um neben seiner
Fabrik ein Unterlager Plaszows für 900
jüdische Arbeiter einzurichten.
Aufgrund des Vormarsches der
Roten Armee erhält Schindler im
Oktober 1944 die Erlaubnis, seine
Produktion in einen Rüstungsbetrieb
umzuwandeln und nach Brünnlitz, im
Sudetengebiet, zu verlagern. Seine
jüdischen Arbeiter kann er mitnehmen.
Es gelingt ihm, 700 Männer aus dem
Lager Groß-Rosen und 300 Frauen
aus Auschwitz zu befreien. Mehrere
Male wird er von der Gestapo verhört,
die ihn der Korruption verdächtigt.
Bei Kriegsende beschlagnahmen die
sowjetischen Truppen seine Fabrik:
Schindler ist ruiniert, kann jedoch auf
den Schutz und die Unterstützung
seiner ehemaligen, von ihm geretteten
Angestellten zählen.
1962 wird er als Gerechter unter den
Völkern geehrt.
Le Chambon-sur-Lignon
(Département Haute-Loire, France)
Die Gegend um das Dorf Le-Chambonsur-Lignon wurde 1988 aufgrund
der spontanen Hilfeleistung ihrer
Bevölkerung kollektiv als „Gerechte
unter den Völkern“ anerkannt. Die
Haute-Loire, eine ländliche und
überwiegend protestantische Gegend
mit abgelegenen Dörfern, verfügt
über eine lange Tradition der Hilfe
für bedrohte Menschen. Ende 1937
finden dort die ersten Flüchtlinge,
republikanische Spanier, Unterflucht,
bald gefolgt von Gegnern des NSRegimes und Juden, die Deutschland
und Österreich verlassen hatten. Ab
dem Winter 1940-1941 besteht die
nächste Flüchtlingswelle aus geflohenen
Juden, darunter vielen Kindern, die dank
zahlreicher Hilfsorganisationen aus
den französischen Internierungslagern
gerettet werden konnten.
Protestantische und katholische
Hilfswerke spielen auch eine wichtige
Rolle bei der Einrichtung von
Unterkünften. Zwölf Kinderheime, 39
Familienpensionen und Dutzende von
Bauernhöfen beherbergen Hunderte
von Flüchtlingen. Mehr als 2.500
Juden hielten sich übergangsweise
in Le Chambon auf. Das Dorf dient
außerdem als Zwischenstation auf
den Fluchtrouten in die Schweiz
und beherbergt Werkstätten für die
Herstellung gefälschter Papiere.
Das außergewöhnliche Ausmaß
der Rettungsaktionen und die hohe
Anzahl der Helfer in diesem Dorf sind
größtenteils den Pastoren Theis, Guillon
und Trocmé zu verdanken.
Traian Popovici
Giorgio Perlasca
Irena Sendler
(1892-1946)
Der Anwalt Traian Popovici ist eine
der führenden Persönlichkeiten des
politischen Lebens Rumäniens und
der Bukowina. Als Bürgermeister von
Czernowitz - zu diesem Zeitpunkt die
Hauptstadt der rumänischen Provinz
Bukowina -, ist er der einzige rumänische Amtsinhaber, der sich gegen
die Errichtung eines Ghettos in seiner
Stadt ausspricht und öffentlich äußert,
dass die rumänische Bevölkerung
nicht die antisemitische Politik des
deutschen NS-Regimes unterstützen
sollte. Nach langen Verhandlungen
akzeptiert der Gouverneur der Region
schließlich Popovicis Standpunkt. Da er
offen Partei für verfolgte Juden ergreift,
nennen seine politischen Gegner ihn
den „Verjudeten“. Unter Einsatz seines
Amtes und seines Lebens protestiert
er öffentlich gegen die Verordnung
zur Abschiebung und Deportation der
Juden von Czernowitz nach Transnistrien, wo sie ein sicherer Tod erwartet.
Er schreibt Briefe und Berichte an
seine Vorgesetzten, um die wichtige
Bedeutung der Juden im wirtschaftlichen und kulturellen Leben der Region
herauszustellen. Ohne Unterlass setzt
er sich bei den rumänischen Behörden
für die bedrohten Juden ein, um die
verbündeten Deutschen davon zu
überzeugen, den Abschiebungsbefehl
zu ändern und die Deportationen
auszusetzen. Er hat so 20.000 Juden
vor dem wahrscheinlichen Tod gerettet.
1969 wurde der „rumänische Wallenberg“ von Yad Vashem als Gerechter
unter den Völkern anerkannt.
(1910-1992)
Giorgio Perlasca, ein italienischer
Geschäftsmann, der für das spanische
Konsulat in Ungarn arbeitete, rettete
Tausenden von Juden das Leben.
Als junger Mann sympathisiert er
mit dem Faschismus und kämpft im
spanischen Bürgerkrieg auf der Seite
von Franco. Doch er wendet sich nach
dem Bündnis Italiens mit Deutschlands
und den antisemitischen Gesetzen
enttäuscht vom Faschismus ab und
setzt während des Zweiten Weltkriegs
alles daran, verfolgten Juden zu helfen.
Nach dem deutschen Einmarsch in
Ungarn 1944 flüchtet Perlasca in die
spanische Botschaft Budapests und
erhält als Veteran des spanischen
Bürgerkriegs einen spanischen Pass
auf den Namen Jorge Pelasca. In enger
Zusammenarbeit mit dem spanischen
Botschafter Angel Sanz-Briz und
anderen Diplomaten neutraler Länder
versucht er, die größtmögliche Anzahl
von Juden vor der Deportation zu
retten und ihnen zur Flucht zu verhelfen. Während des ganzen Winters
1944 schützt, versteckt und versorgt
Perlasca Tausende von Juden in Budapest und bemüht sich darum, ihnen
spanische Papiere zu besorgen.
(1910-2008)
Irena Sendler leitete die Kindersektion
des Zegota (polnisches Akronym für
den im September 1942 gegründeten
Rat für die Unterstützung der Juden).
Schon vor dem Krieg bedient sie
sich als Angestellte des Warschauer
Wohlfahrtsamts ihrer Position, um
jüdische Familien unter falscher
christlicher Identität auf die Listen des
Sozialamts einzuschreiben. Nach der
Abriegelung des Ghettos beschafft sie
sich einen speziellen Passierschein,
um Zugang zum Ghetto zu haben und
bringt täglich heimlich Nahrung, Medikamente, Kleidung und Geld hinein.
Mit Einsetzen der Massendeportationen
schmuggelt Irena Sendlerowa bei jeder
Gelegenheit Kinder aus dem Ghetto
heraus. Ende 1942 wird sie von Zegota
kontaktiert, deren Kindersektion in ihre
Organisation eingegliedert wird. Sie
bringt mehr als 2500 jüdische Kinder
in Waisenhäusern, Klöstern, Schulen,
Krankenhäusern und Familien unter.
Jedem Kind stellt sie eine Geburts- und
Taufurkunde aus und somit eine neue
Identität. Im Herbst 1943 wird sie
von der Gestapo verhaftet und im
Pawiak-Gefängnis inhaftiert. Obwohl
sie so grausam gefoltert wird, dass sie
ihr Leben lang unter den Folgeschäden
leiden wird, gibt sie nichts preis. 1965
wurde sie als Gerechte unter den
Völkern geehrt.
Die DP-Lager
KARTE DER DP-LAGER
(Lager für Displaced Persons)
U
nmittelbar nach der Befreiung der Lager starben dort
weiterhin viele der Insassen, die bis dahin überlebt
hatten, an Typhus. Viele andere konnten in ihre Heimat
zurückgeführt werden, doch mehr als 250.000 Juden
wurden in DP-Lagern in Deutschland untergebracht.
Die Lebensbedingungen in den Lagern waren prekär:
Überbevölkerung, mangelnde hygienische Versorgung
und unangebrachtes Verhalten des Personals, das die
DPs wie Gefangene behandelte. In der Tat war der oft
lange Aufenthalt in den Lagern für die Überlebenden wie
eine neuerliche Inhaftierung hinter Stacheldraht. Es wurde
versucht, alle jüdischen DPs in der amerikanischen Zone
unterzubringen, besonders in Bayern, Württemberg und
Nordhessen. Bergen-Belsen wurde zum größten DP-Lager
Westdeutschlands mit fast 12.000 jüdischen Internierten.
Das Lager wurde in den ehemaligen SS-Kasernen
untergebracht und
war eines der am
besten ausgestatteten
DP-Lager.
Sprachkurse und
Kurse zur beruflichen
Weiterbildung
wurden für die
jüngeren Menschen
organisiert. Um das
Leid der Internierten zu lindern, wurde Hilfsorganisationen
der Zugang zu den DP-Lagern gestattet. Insbesondere
handelte es sich dabei um die UNRRA und, ab Dezember
1946, ihre Nachfolgeorganisation IRO (Internationale
Flüchtlingsorganisation), das IKRK (Internationales
Komitee des Roten Kreuzes) und die YMCA (Christlicher
Verein Junger Männer). Der Joint (American Joint
Distribution Committee) half den DPs bei der Emigration
in verschiedene Länder, die HIAS (Hebrew Immigrant Aid
Society) bemühte sich um Visa für die Vereinigten Staaten,
die Jewish Agency für Palästina. Die ORT (Organisation,
Rekonstruktion, Training) richtete Ausbildungswerkstätten
in 18 DP-Lagern in Deutschland ein, die OSE (Oeuvre
de Secours aux Enfants) kümmerte sich speziell um
die Kinder in den Lagern, von denen die meisten aus
Osteuropa stammten. Die zionistischen Bewegungen
waren stark in den Lagern vertreten und an manchen
Orten wurde ein Gemeinschaftsleben nach dem Vorbild
der Kibbuzim organisiert. Um die jungen Internierten auf
die Emigration nach Palästina vorzubereiten, wurden
auch mit Hilfe der Alliierten landwirtschaftliche Betriebe
eingerichtet. Der amerikanische Präsident Truman setzte
sich für die europäischen DPs und Kriegswaisen ein, indem
er am 22. Dezember 1945 die Truman-Direktive erließ,
dank derer innerhalb von 3 Jahren 35.515 DPs, darunter
28.000 Juden, amerikanische Visa gewährt wurden. Der
US-Präsident bat außerdem Großbritannien, 100.000 DPs
in Palästina aufzunehmen, doch die Briten weigerten sich
unter Berufung auf das Weißbuch von Mai 1939 und um
die arabische Bevölkerung nicht gegen sich aufzubringen.
Die Situation änderte sich erst mit dem Ende des britischen
Palästinamandats im Jahre 1947, was den Weg zur
Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 frei machte.
Religiöse Zeremonie unter freiem Himmel im DP-Lager Bergen-Belsen,
Mai 1945.
© Anciens combattants.
Oben: David Ben-Gurion, der spätere Premierminister Israels, besucht das
DP-Lager Zeilsheim in Deutschland, 1946. Ben-Gurion besuchte 1945 und 1946
mehrere DP-Lager, um für die Emigration jüdischer Holocaust-Überlebender
nach Palästina zu werben.
© Mémorial de la Shoah/CDJC.
Hilfsorganisationen, insbesondere der JOINT, richteten in den DP-Lagern
Kindergärten und Schulen ein. Bergen-Belsen, Deutschland, 1946. © USHMM.
+ über
Die NS-Täter
Die Nürnberger Gesetze
und Verordnungen
Das Münchner
Abkommen
Das Novemberpogrom
Das Warschauer
Ghetto
Das Protokoll
der Wannsee-Konferenz
Belzec,
Sobibor,
Treblinka
Den Aufstand
im Warschauer Ghetto
Die Gerechten unter
den Völkern
Die DP-Lager
© Mémorial de la Shoah
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