Alle fürchten atonale Klänge

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Kultur 17
Mittwoch, 11. Mai 2016 | Nordbayerischer Kurier
„Alle fürchten atonale Klänge“
Absolut
hörenswert
Im Zentrum: Die klassische Band Spark mixt Artpop mit Minimal Music und klingt trotzdem nach Happy End
K
ventionierten, aber ins Leere laufenden
atonalen Klänge, die allen wehtun und
die anscheinend nur daraus ihre Berechtigung ziehen, dass es eben wehtut. Wenn moderne Musik heute nicht
wehtut, hat sie es schwer. Aber das war
unsere Vision, eine moderne Musik, die
technisch wie kompositorisch höchst
anspruchsvoll ist, einem möglichst
breiten Publikum zugänglich zu machen und einem offenen Publikum zu
zeigen: Es gibt neuzeitliche Musik, die
anspruchsvoll und unterhaltend sein
kann; die emotionale Momente hat; die
auch pulsierend sein kann.
BAYREUTH
lassik, Minimal Music und
Artpop: Ja, das geht zusammen, die klassische Band
Spark zeigt es, am Donnerstag bei der Musica in Bayreuth. Schon
das Debütalbum „Downtown Illusions“
kletterte auf Platz 1 der Amazon-Klassik-Charts, die fünf gewannen den Echo
Klassik 2011. Was umso irrwitziger ist,
da die Blockflöte das Hauptinstrument
des Quintetts ist. Mit bis zu 40 Flöten
samt Streichern und Klavier schaffen sie
ein eigenes Universum. Neue Musik –
und doch gut anzuhören, wie Flötist
Daniel Koschitzki im Kurier erklärt.
Sind Sie dabei immer auf offene Veranstalter-Ohren gestoßen?
Koschitzki: Es ist ein großes Problem,
wenn man als klassisches Ensemble
sagt: Wir machen moderne Musik. Da
haben Veranstalter Angst, dass man genau mit dieser Musik daherkommt, die
das Publikum abhängt.
Sie sind gerade im Tourbus auf dem
Weg nach Bayreuth. Und Sie mischen
Rock mit Klassik, oder rocken die
Klassik. Wie ist die Stimmung im Bus?
Eher Rock ’n’ Roll oder Kammermusik?
Daniel Koschitzki: Ich mag es gerne,
mit dem Tourbus unterwegs zu sein und
die Musik, die Visionen, die eigenen
Klänge in die Welt zu tragen. Ich würde
sagen, es ist bei uns nicht ganz so wild
wie im Rock ’n’ Roll, aber nicht ganz so
gesittet wie in einem Streichquartett.
Stimmt. Bei Neuer Musik wartet das
Publikum oft vergeblich darauf, dass
sich das Stück, die Komposition in etwas Schönem auflöst, ein Warten aufs
Happy End.
Koschitzki: Genau. Die Sehnsucht nach
dem Happy End wird völlig unterhöhlt
in dieser Neuen Musik. Und das hat,
auch wenn zum Teil auch hohes Können damit verbunden ist, etwas von
Willkür. Es ist harte Arbeit, den Veranstaltern klarzumachen: Nein, wir machen das anders. Nun müssen wir es
noch dem Publikum klarmachen, das
hat ja auch Berührungsängste.
Wobei Sie sich mit Ihren vier Kollegen
dazwischendrin bewegen.
Koschitzki: Ja, das wird gern über uns
geschrieben. Ich sage lieber, dass wir
moderne Musik des 21. Jahrhunderts
machen. Aber das ist verfänglich, da hören manche Backsteine in Flügel fallen.
Das verstehe ich nicht.
Koschitzki: Die neue, moderne Musik
ist oft atonal, sehr schräg, quasi die Dekonstruktion des musikalischen Materials. Angefangen hat das bei der Zwölftonmusik. Und irgendwann hat es sich
gegen das Instrument gerichtet: Violinen wurden zerschunden und auch tatsächlich Backsteine in Flügel geworfen.
Aber das stimmt doch so auch nicht:
Ihre Hallen sind doch meist voll.
Koschitzki: Ja, stimmt. Der Erfolg gibt
uns recht.
Lichtblick: Spark macht Neue Musik mit Happy End. Am Donnerstag bei der
Musica in Bayreuth.
Foto: red
Das passiert bei Ihnen also nicht.
Koschitzki: Nein! Wir spielen Musik,
die viele Einflüsse aufnimmt, auch aus
dem Jazz, dem Pop, Rock, auch Filmmusiken kommen vor, genauso wie
Avantgarde-Elemente. Das zeichnet
moderne Musik heute aus.
Das scheint Ihnen gelungen zu sein,
den Echo bekommt man ja nicht umsonst.
Koschitzki: Das war die Auszeichnung
dafür, dass wir etwas wirklich Eigenes
machen, so haben wir das auch gesehen. Und es ist eine Motivation, so weiterzugehen, wie wir begonnen haben.
Den Echo erhielten wir für unser erstes
Stimmt. Sie covern auch die FilmmeAlbum, seitdem sind wir diesen Weg
lodie von „Halloween“.
Koschitzki: Ja. Das kann sein. Die Ein- stringent gegangen.
flüsse reichen bis zu Michael Nymann,
Sie sind bunt, laut, schnell – müssen
dem Barock-Komponisten.
Sie sich auch des Verdachts erwehren,
dass Sie Zirkusmusik machen?
Wenn man alles mischt, alle Genres,
Koschitzki: Als Zirkusnummer unter
alle Stile – muss man da nicht vorden klassischen Musikern verstehe ich
sichtig sein, dass man nicht in die Beeher, wenn man hauptsächlich Songs
liebigkeit abrutscht?
Koschitzki: Ja, letztlich muss man sei- aus Rock und Pop aufbackt und ein bisschen klassisch ummantelt. Das ist sehr
ne eigene Handschrift finden.
Sagen Sie mal, Sie waren doch auch
einmal ein Erstklässler.
Koschitzki: Ja, warum?
Wie kommt man auf die Idee, Blockflöte länger als zwölf Monate spielen
zu wollen?
Koschitzki: Ich hatte das Glück einer
guten Lehrerin, die mir zeigte, dass es
ein ganz normales Instrument ist, das
man bis zur Meisterschaft führen und
das man sogar studieren kann. Es ist
mitnichten so, dass die Blockflöte nach
den ersten Gehversuchen weggelegt
werden muss, um dann, wenn es nicht
mehr fiept, sich ein „richtiges“ Instrument zuzulegen. Zu hören ist das am
Ein schwerer Weg.
Koschitzki: Ja. Weil die Leute entwe- Donnerstag in Bayreuth.
Das Gespräch führte Susanne Will
der Mozart, Haydn oder Bach haben
wollen oder was sie sonst aus dem BeINFO: Spark, am Donnerstag,
reich kennen. Wenn wir sagen, wir
12. Mai, Zentrum, 19.30 Uhr. Bereits
spielen neuzeitliche Komponisten,
ausverkauft ist das Konzert des
dann schrillen die Alarmglocken, alle
Armida-Quartetts am Freitag, 13. Mai.
fürchten nun plötzlich die hoch sub-
en vogue, Hits von beispielsweise Michael Jackson ein bisschen aufzuhübschen oder einfach mit klassischen Instrumenten zu spielen. Nun ja. Was ein
Publikum findet, hat eine Berechtigung. Das finde ich selbst aber nicht so
interessant, wie wenn man versucht,
mit neuzeitlichen Komponisten zu arbeiten als nur zu versuchen, Elemente
aus dem Bereichen Pop und Rock abzuspalten. Wir machen etwas Neues.
BAYREUTH. Beethoven, Messiaen, ja
selbst Heinrich von Herzogenberg
kennt man ja, letzteren immerhin noch
als Freund von Brahms, soweit man mit
Brahms befreundet sein konnte. Aber
wer ist Robert Kahn, wer Andras Hamary? Die Kammerkonzerte bei Steingraeber bieten immer wieder die Gelegenheit, unbekannten, aber lohnenden Komponisten zu begegnen, auch
wenn sie im Schatten der Großen stehen. Gegen eine gut gemachte Unterhaltungsmusik des 19. oder eine enervierend interessante E-Musik des 21.
Jahrhunderts ist so lange nichts zu sagen, wie die Interpreten dieser Musik
ihr Handwerk verstehen. Wie das Kaikias-Trio, das im Kammermusiksaal im
Auftrag der „Bundesauswahl Konzerte
junger Künstler“ und des Tonkünstlerverbands auftrat. Es weiß, was es
dem namengebenden Gott der Nordostwinde zu verdanken hat: Kraft und
Frische.
Juri Schmal (Oboe), Kristian Katzenberger (Horn) und Philipp Heiß
(Klavier) bilden ein Trio in einer ungewöhnlichen Kombination. Dabei
kommen kleine Juwelen wie Robert
Kahns f-Moll-Serenade op. 73 zum Vorschein: eine anheimelnde, in den 20er
Jahren erstmals publizierte Musik, die
damals seltsam anachronistisch gewirkt haben muss: wie ein zu später,
aufgelichteter Brahms. Doch worauf
kommt es an? Auf die Schönheit der
Musik, die hier vom Gesang und den Dialogen der beiden Bläser, deren Klang
sich nicht mischen will noch kann, verbürgt wird. Am Ende werden sie Herzogenbergs D-Dur-Trio op. 61 spielen:
mit deutlichen Anklängen an Brahms,
mit einem wundersam ausschwingenden Andante, mit einem Schluss-Allegro, das zwischen Volks- und Kunstmusik vermittelt. Schon rein technisch
ist das alles sehr gut; kein Wunder, dass
der Hornist als stellvertretender Solohornist bei den Bamberger Symphonikern verpflichtet ist.
Wie ein Klavier zusammen mit einer
Oboe klingt, wenn der Pianist das Pedal dauerdrückt und die Oboe ins Klavier bläst: auch das ist Musik – neue Musik. Andras Hamarys „Canto de ordeno“ bettet ein venezolanisches Melklied in ziemlich harte, ziemlich lang
dauernde Tonrepetitionen ein. Die Musik mag weniger brillant als konsequent sein; Eindruck macht sie doch,
weil wir etwas von den Möglichkeiten
einer Musik erfahren, die mit den HallEffekten einer Fernmusik experimentiert – so wie Olivier Messiaen in sein
Hornsolo „Des canyons aux étoiles“,
natürlich, wieder einmal seine geliebten Vogelstimmen integrierte, um den
„normalen“ Hornklang zu verfremden.
Ein Bravo für Katzenberger, der in Beethovens Hornsonate op. 17 einfach nur
gut ist.
Auch dem Gott der nordöstlichen
Winde wird es gefallen haben.
Frank Piontek
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