76 BAUERNBLATT H AUSGARTEN 23. AUGUST 2008 Pflanzenschutz im Garten Weiße Fliegen, die gar keine Fliegen sind Wer ein eigenes Gewächshaus im Garten hat, hat meistens auch schon einmal mit Weißen Fliegen Bekanntschaft gemacht. Dabei handelt es sich nicht um Fliegenarten, sondern um Mottenschildläuse, die unter anderem mit Blattläusen und Schildläusen verwandt sind und zu der Ordnung der Pflanzenläuse (Sternorryncha) gehören. Im Gewächshaus sind zwei Arten von Bedeutung: die Gemeine Mottenschildlaus (Trialeurodes vaporariorum) und die Baumwoll-Mottenschildlaus (Bemisia tabaci), die beide nicht heimisch sind. In Europa schädigt T. vaporariorum seit 1848, B. tabaci ist erst 1986 in Europa angekommen. Im Freiland tritt die heimische Kohl-Mottenschildlaus (Aleurodes proletella) in milden Spätsommern und Herbsten auf und schädigt besonders an Kohlgewächsen auch im Erwerbsgemüsebau in SchleswigHolstein. Die am stärksten betroffenen Kulturen sind Grün- und Rosenkohl. Klebriger Honigtau und Rußpilze Geschädigte Blätter weisen zunächst unregelmäßige Aufhellungen und Flecken auf. Befallene Pflanzenteile sind von einem farblosen, klebrigen Belag überzogen, der Honigtau genannt wird. Auf diesem können sich Rußtaupilze ansiedeln, wodurch der Honigtau sich schwarz verfärbt. Der Honigtau ist die Ausscheidung der Mottenschildläuse, der deshalb klebrig ist, da alle Stadien der Weißen Fliegen Phloemsaft aus den Leitungsbahnen der Pflanzen saugen und dieser zuckerhaltig ist. Bei geringer Schädlingsdichte kann der Schaden durchaus toleriert werden. Bei starker Dichte ist der Verlust an Phloemsaft bzw. Assimilaten problematisch, da dann die Pflanzen auch absterben können. Bevorzugte Wirtspflanzen das vierte Larvenstadium als Puparium bezeichnet wird. Nach der Paarung legen die Weibchen ihre spitzovale Eier, häufig halbkreis- oder kreisförmig, auf der Blattunterseite ab. Neben der geschlechtlichenVermehrung ist auch die Jungfernzeugung, wie bei den Blattläusen, möglich. Die Eier werden mit einem Stiel im Blattgewebe verankert, damit die Eier mit Feuchtigkeit versorgt werden. Nach etwa einer Woche schlüpft das erste LarvenTrialeurodes vaporariorum – Larven und Adulte stadium. Nur dieses ist beweglich und krabbelt für Bei Berührung der Pflanzen mehrere Stunden auf dem Blatt umflattern die Fliegen auf her, um eine geeignete Futterquelle zu finden. Schon nach kurzer SaugtäDie erwachsenen Weißen Fliegen tigkeit häuten sie sich zum zweiten sind etwas 1 bis 2 mm groß und sind Larvenstadium, bei dem sich die drei auf der Blattunterseite zu finden. Bei Beinpaare zurückbilden, wodurch die Berührung befallener Pflanzen, Er- Tiere unbeweglich werden. Das zweischütterungen oder beim Umdrehen te und dritte Larvenstadium ist durchder Blätter fliegen sie auf, um sich bald wieder an den Blätter abzusetzen. Alle Arten bepudern ihre vier Flügel mit weißem Wachsstaub, der als Schutz vor Benetzung und Austrocknung dient. In Ruhe sind die Flügel dachförmig aufgestellt. Die beiden Arten, die (nur) im Gewächs- Trialeurodes vaporariorum – Imago Fotos: Heike Rose haus vorkommen, sind für den Laien nur schwer zu un- scheinend, so dass erst das vierte ohterscheiden. B. tabaci ist bei glei- ne Lupe zu gut zu erkennen ist. Anchem Nahrungsangebot kleiner und hand dieser sind die Mottenschildläuschlanker als T. vaporariorum. Außer- se eindeutig voneinander zu unterdem ist der Körper von B. tabaci et- schieden, was Bedeutung für die Bewas kräftiger gelb gefärbt. Die Kohl- kämpfungsmöglichkeiten hat. Mottenschildlaus hat breitere Flügel, die mit kleinen dunklen Punkten geHohe Vermehrungsraten kennzeichnet sind. nachtssterne. Weniger gut vermehren sie sich auf Paprika, Bohne und Salat. Die Kohl-Mottenschildlaus ist neben Kohlgewächsen auch auf Erdbeeren zu finden. Gute Vermehrungsmöglichkeiten bieten der Gemeinen MottenschildNur das erste Larvenstadium laus und der Baumwoll-Mottenschildlaus im Gewächshaus angebaute To- ist beweglich maten, Gurken auch Auberginen und Insgesamt durchlaufen Weiße FlieKräuter. Bei den Zierpflanzen mögen sie besonders gern Fuchsien, Wandel- gen sechs Entwicklungsstadien: Ei, röschen, Verbene, Gerbera und Weih- vier Larvenstadien und Imago, wobei Ideale Bedingungen herrschen für die Gemeine Mottenschildlaus und die Baumwoll-Mottenschildlaus bei 20 bis 25 °C und einer relativen Luftfeuchte von 70 bis 80 %, dann dauert ein Entwicklungszyklus 25 bis 30 Tage. Niedrige Temperaturen verlangsa- men die Generationsfolgen. T. vaporariorum entwickelt sich auch noch bei 8 °C, wohingegen das Minimum für B. tabaci bei 12 °C liegt. Bei ihren Temperaturminima benötigen die o. a. Weißen Fliegen länger als 70 Tage für die nächste Generation. Die Kohl-Mottenschildlaus beginnt mit der Eiablage ab 10 °C. Die Entwicklung vom Ei bis zum Imago dauert bei 15 °C 52 Tage, bei 25 °C 19 Tage. Die Anzahl der Eier, die ein Weibchen legt, ist abhängig von der Temperatur und der Wirtspflanze. Keine speziellen Überwinterungsstadien Um bis zum nächsten Jahr zu überstehen, sind Weiße Fliegen auf grüne Wirtspflanzen im Winter angewiesen. Für die heimische Kohl-Mottenschildlaus kann es zum Beispiel der überwinternde Grün- und Rosenkohl sein. Bei den nichtheimischen Arten dienen die ins Winterquartier gebrachten Kübelpflanzen als Winterwirte. In milden Wintern können sie auch im Freiland überstehen, denn als Ei können sie auch für mehrere Tage Temperaturen bis zu −6 °C überleben. In der Zeit mit geringem Nahrungsangebot halten sie sich auf Unkräutern, wie Vogelmiere, Franzosenkraut, Schöllkraut und Winden-Arten auf. Achtung beim Kauf von Pflanzen Die Weißen Fliegen Trialeurodes vaporariorum und Bemisia tabaci werden meistens durch den Handel von Pflanzenmaterial wie etwa Tomaten- oder Gurkenjungpflanzen verschleppt. Bei den Zierpflanzen können es auch Fertigpflanzen für die Fensterbank oder den Sommerflor für den Garten und Balkonkasten betreffen. Daher ist es wichtig, beim Kauf die Pflanzen sich genau anzuschauen, ob sie Befall aufweisen. Sieht man nur ein adultes Tier auffliegen, sind die schwer erkennbaren Eier und Larven nicht weit. Von den befallenen Pflanzen breiten sich die flugfähigen erwachsenen Tiere in alle Richtungen vom Infektionspunkt aus, wobei sie meist in der näheren Umgebung bleiben und selten weiter als 10 m fliegen. Im Laufe des Sommers ist mit dem Zuflug der Kohl-Mottenschildlaus zu rechnen. H AUSGARTEN 23. AUGUST 2008 BAUERNBLATT zenden Pflanzen sind bei Befall die fallsgefährdete Kulturen können mit Behandlung bis zur Ernte) eingehalGegenmaßnahmen gestalten Blätter Kulturschutznetzen geschützt wer- ten wird, um Rückstandshöchstmenzu entfernen. sich schwierig ● Im Gewächshaus können gelbe den. Natürliche Feinde sind die gen nicht zu überschritten. Wenn die Weißen Fliegen sich schon stark vermehrt haben, ist es schwer, sie wieder loszuwerden. Das liegt daran, dass sie sich zum einen schnell vermehren und viele Nachkommen haben, zum anderen sind sie gegen eine Reihe von Pflanzenschutzmitteln resistent, so dass die Wirkung nicht ausreicht. Zumindest kann man einige Maßnahmen ergreifen, um den Befall auf ein tolerierbares Maß zu reduzieren: ● Ist der Befall nur auf einer Pflanze festzustellen, ist es besser, diese zu entfernen, um die weitere Ausbreitung zu verhindern. ● Sollen Kübelpflanzen überwintern, ist vor dem Einstellen in das Winterquartier der Besatz mit Schädlingen zu kontrollieren und gegebenenfalls zu bekämpfen. Bei verhol- Leimtafeln oder -sticker zur Befallsfeststellung eingesetzt werden, damit rechtzeitig eingegriffen werden kann. Die Kontrolle sollte wöchentlich erfolgen. ● Nützlingseinsatz im Gewächshaus ist nur erfolgreich, wenn der Einsatz sofort beim Entdecken der ersten Mottenschildlaus geschieht. ● Gegen die Gemeine Mottenschildlaus kann die Schlupfwespe Encarsia formosa zum Einsatz gelangen. Mit Encasia formosa erzielt man in den Sommermonaten gute Erfolge, da dann genügen Licht vorhanden ist und die Temperatur ausreicht (> 18 °C). ● Bei Befall mit Bemisia tabaci oder Mischbefall von B. tabaci und Trialeurodes vaporariorum sind andere Schlupfwespen vorzuziehen: Eretmocerus eremicus und E. mundus. ● Von der Kohl-Mottenschildlaus be- Schlupfwespen Encarsia tricolor und E. parthenopea. ● Alle Schlupfwespen-Weibchen legen mit Hilfe ihres Legebohrers die Eier einzeln ins Innere der Larven der Weißen Fliege ab. Dieser Vorgang wird als Parasitierung bezeichnet. Parasitierte Larven werden von innen verzehrt. Manche Larven werden von den erwachsenen Schlupfwespen nur angestochen und ausgesaugt. Auch diese Tiere sterben ab. Parasitierte Larven von T. vaporariorum verfärben sich schwarz, die von B. tabaci werden durchscheinend. ● Beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist darauf zu achten, dass sie in der Indikation bzw. Anwendungsgebiet (Pflanzenart und Schadorganismus) und auch für den Hausgarten zugelassen sind und bei Obst und Gemüse die Wartezeit (von der letzten ● Sollen blühende Pflanzen behandelt werden, ist auch die Bienengefährlichkeit der Präparate zu berücksichtigen. Als blühende Pflanzen gelten auch blühende Unkräuter, die in der zu behandelnden Kultur stehen. ● Wer Nützlinge einsetzen will, muss auch darauf achten, ob die Mittel nützlingsschonend sind. ● Gegen Weiße Fliege wirkt eine Reihe von Präparaten mit verschiedenen Wirkstoffen: Beispiel Azadirachtin (besser bekannt als Neemöl), Acetameprid, Pyrethrine + Rapsöl und Thiacloprid. Sie sind als anwendungsfertige Pflanzenschutzmittel, Pflanzenschutzmittelkonzentrate oder Kombi-Stäbchen im Handel erhältlich. Die Gebrauchsanleitung der Präparate ist in jedem Fall zu beachten. Heike Rose Rosmarin liebt Sonne und Wärme Mediterraner Geschmack für Grillfleisch erhitzt. In einem verschlossenen Ge- den. Im Laufe der Jahre entwickelt sich fäß zieht diese Flüssigkeit eine halbe Rosmarin zu einem holzigen kleinen Stunde, wird dann abgesiebt und dem Strauch. Da diese Mittelmeerpflanze bei uns aber nicht winterhart ist, bedarf Bad zugesetzt. In den Mittelmeerländern beheima- sie besonderer Pflege. Im Frühjahr betet, wünscht Rosmarin bei uns einen sorgt man sich am besten eine Jungvollsonnigen und geschützten Platz; pflanze, da die Anzucht aus Saatgut In der südeuropäischen Küche wird denn auch in seiner Heimat findet man mühsam und nicht lohnenswert ist; auch seit alters her Rosmarin beim Grillen von Geflügel und Fisch verwendet und gibt den Speisen einen pikanten, charakteristischen Geschmack. Rosmarin eignet sich außer zu allen Fleischspeisen auch besonders gut zu Eiergerichten,Tomatensuppen oder -eintöpfen, zu Pilzgerichten und zu Soßen und Salaten.Wichtig ist es, immer nur ein paar Blätter zu verwenden, sonst schmecken die Speisen bitter und durchdringend nach Rosmarin. Rosmarin kann das ganze Jahr hindurch geerntet werden; junge Pflanzen sollte man aber nicht zu stark „plündern“. Zum Konservieren schneidet man junge Rosmarintriebe vor der Blüte ab und hängt sie kopfüber zum Trocknen auf. Später streift man die Blätter von den Ästen ab und verwahrt sie in einem Rosmarin wächst am besten an einem vollsonnigen, geschützten Standort. dunklen, gut verschließbaren Gefäß. Foto: Peter Busch Neben derVerwendung in der Küche ist Rosmarin auch eine geschätzte die dort bis zu zwei Meter großen Ros- jetzt bekommt man noch kräftige PflanHeilpflanze. Sie findet Verwendung marinbüsche nur an nach Süden ausge- zen in Gartengeschäften und auf Märkten. Am besten setzt man den Rosmarin bei Störungen des Kreislaufs und des richteten Bergen. Nervensystems. Besonders beliebt sind Rosmarin gehört zu den ausdauern- gleich in einen Kübel. Als Erde verdie anregenden Badeextrakte. Diese den Kräutern; von Mai bis in den Juli mischt man Sand, etwas Kompost und kann man auch gut selbst herstellen: hinein erscheinen an den Blattachseln kalkhaltigen Mörtel, um eine magere, 50 g frische Rosmarinblätter werden weiße bis blaue Blüten, die von Bienen basische Mischung zu erhalten. Als in einem Liter Wasser bis zum Sieden gerne zur Futteraufnahme gesucht wer- Standort eignet sich der wärmste, sonZerreibt man Rosmarinblätter zwischen den Fingern, riechen sie würzig aromatisch, etwas nach Kampfer und Nadelgehölzen. Dies weist auf die Inhaltsstoffe hin: ätherische Öle, Harze und Bitterstoffe. nigste und geschützteste Platz, am besten vor einer steinigen Südwand, die die Sonnenstrahlen noch reflektiert. Über Sommer wird ausreichend Wasser gegeben, ab August weniger, damit dieTriebe ausreifen können. Rechtzeitig vor den ersten Frösten im Herbst bekommen die Rosmarinpflanzen ein Quartier im Haus. Nur im ganz milden Weinbauklima mag auch eine Überwinterung im Freiland gelingen, wenn man zudem bei zu kalten Minusgraden die Pflanzen abdeckt. Geeignet für die Überwinterung im Haus sind helle und kühle Räume, wie zum Beispiel ungeheizte Flure und Treppenhäuser. Zentral beheizte Wohnräume sind ungeeignet; es bilden sich kraftlose Wintertriebe, die leicht von Läusen befallen werden. Über Winter wird der Boden nur eben feucht gehalten, aber jede Bodentrockenheit vermieden. Im Frühling werden die Triebe des letzten Jahres ein bis zwei Drittel zurückgeschnitten; Rosmarin wächst dann buschig weiter und verholzt nicht so schnell. Erst nach den Eisheiligen, Ende Mai, wird der Kübel wieder ins Freie gestellt. Von unansehnlichen älteren Exemplaren schneidet man im Sommer zehn Zentimeter lange Triebspitzen ab und pflanzt sie zu mehreren in einen Topf. Die Stecklinge bewurzeln sich besonders schnell, wenn man sie nach dem Stecken mitWasser besprüht und denTopf mit einer durchsichtigen Folie verschließt. N&G 77